Badener Zeitung. Nr. 91, Baden (Niederösterreich), 11.11.1896. Nr. 91. Mittwoch Badener Zeitung 11. November 1896. [Spaltenumbruch] nach den Worten "einer österreichischen Gemeinde" "vorausgesetzt, daß die Gesetzgebung des Ich erlaube mir, diesen Antrag dem hohen Ich glaube aber, daß trotz dieser Unebenheit Der Antrag wurde mit 79 gegen 76 Stimmen Immer tiefer! Selbst in maßgebenden Kreisen *) gibt man Etwas Morgendämmerung dürfte den poli- Am schwerwiegendsten fühlt die drückende Bis dahin werden sich aber wahrscheinlich Bis die Erbitterung gegen jeden politischen So äußert sich ein belgischer Schulfreund in Gehen wir in Oesterreich nicht ähnlichen Es ist sicher, daß der Umschwung zu Gunsten "Beim Jupiter; jetzt ist es nicht mehr Zeit Zu schlummern und -- zu zaudern." Local-Nachrichten. -- Personalnachricht. Der Minister- -- Eröffnung der Kochschule. Die -- Wechselseitige Brandschaden- Versicherungsanstalt in Wien. Nachdem *) Siehe die Beantwortung der Interpellation bezüglich des Salzburger Katholikentages. *) In Oesterreich fühlen sie sich auch ganz wohl! D. R.
Nr. 91. Mittwoch Badener Zeitung 11. November 1896. [Spaltenumbruch] nach den Worten „einer öſterreichiſchen Gemeinde“ „vorausgeſetzt, daß die Geſetzgebung des Ich erlaube mir, dieſen Antrag dem hohen Ich glaube aber, daß trotz dieſer Unebenheit Der Antrag wurde mit 79 gegen 76 Stimmen Immer tiefer! Selbſt in maßgebenden Kreiſen *) gibt man Etwas Morgendämmerung dürfte den poli- Am ſchwerwiegendſten fühlt die drückende Bis dahin werden ſich aber wahrſcheinlich Bis die Erbitterung gegen jeden politiſchen So äußert ſich ein belgiſcher Schulfreund in Gehen wir in Oeſterreich nicht ähnlichen Es iſt ſicher, daß der Umſchwung zu Gunſten „Beim Jupiter; jetzt iſt es nicht mehr Zeit Zu ſchlummern und — zu zaudern.“ Local-Nachrichten. — Perſonalnachricht. Der Miniſter- — Eröffnung der Kochſchule. Die — Wechſelſeitige Brandſchaden- Verſicherungsanſtalt in Wien. Nachdem *) Siehe die Beantwortung der Interpellation bezüglich des Salzburger Katholikentages. *) In Oeſterreich fühlen ſie ſich auch ganz wohl! D. R.
<TEI> <text> <body> <pb facs="#f0003" n="3"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#aq">Nr. 91. Mittwoch Badener Zeitung 11. 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Unſer Wunſch kann es nur<lb/> ſein, die folgenſchwere Verkehrtheit der reactionären<lb/> Staatsweisheit möge recht bald in unſerem Vater-<lb/> lande zu empfindlichem Ausdrucke gelangen, damit<lb/> wieder beſſere Verhältniſſe eintreten können, bevor<lb/> es noch zu ſpät iſt. Wir machen uns darauf ge-<lb/> faßt, es bald mehr denn einmal mit anſehen zu<lb/> müſſen, wie gar manche Politiker, die ſich vor<lb/> den Wahlen als Volksfreunde ausſpielten, das<lb/> Erſtgeburtsrecht des Volkes für ein recht gut zu-<lb/> bereitetes Linſengericht hingeben werden; wir er-<lb/> warteten keine politiſchen Wunder, mögen die<lb/> Trompetenſtöße der Parteipolitiker auch noch<lb/> ſo kriegsluſtig und ſiegesgewiß ertönen. Die<lb/> culturellen Aufgaben werden vor den partei-<lb/> politiſchen und confeſſionellen Theorien zur Seite<lb/> treten müſſen. Man wird mit kleinlichen Abfin-<lb/> dungen arbeiten, viel von Rettung vor Strö-<lb/> mungen ſprechen, die Familie, Eigenthum und<lb/> Ordnung gefährden; im Uebrigen aber nur flicken<lb/> und jedem freien politiſchen Athemzug die Kehle<lb/> zuzuſchnüren trachten.</p><lb/> <p>Etwas Morgendämmerung dürfte den poli-<lb/> tiſchen Horizont dennoch erhellen. Die bisher<lb/> politiſch Rechtloſen können nun aus ihren Reihen<lb/> für die wahre Menſchlichkeit begeiſterte Männer<lb/> hinſenden an den Ort des freien Wortes, und<lb/> dieſe werden mit zündender Rede die Erlöſung<lb/> aller Gekuechteten aus ihrer geiſtigen und wirth-<lb/> ſchaftlichen Leibeigenſchaft vom Staate, der ein<lb/> gleiches Recht für Alle verſpricht, verlangen. Die<lb/> Herolde der Armen, der Unwiſſenden, der Unter-<lb/> drückten, der Verachteten, ſie werden den Jammer<lb/> aller Philiſter heraufbeſchwören und den Fluch<lb/> der Intereſſenpolitiker auf ſich laden. Doch große<lb/> Ideen, bekämpft und verſpottet, reifen in der Zeit<lb/> ihrer Bedrängniß ſtets zur allgemeinen Noth-<lb/> wendigkeit, zur Unüberwindlichkeit heran. Die<lb/> Forderung, der ſocialreformatoriſchen Thätigkeit<lb/> genügenden Raum und ausreichende Stütze zu<lb/> gewähren, iſt ein Mahnruf, über den die Ge-<lb/> meinheit nicht zu ſiegen vermag, iſt eine Idee, in<lb/> deren Bann und Zeichen die Zukunft ſteht.</p><lb/> <p>Am ſchwerwiegendſten fühlt die drückende<lb/> Ungewißheit der jetzigen Lage unſere Schule, und<lb/> ſie ſehnt deshalb mit innigem Verlangen jenen<lb/> Zeitpunkt herbei, wo der Egoismus einzelner<lb/> Geſellſchaftsſchichten von der vorgeſchrittenen Er-<lb/> kenntniß des Rechtes und der Menſchlichkeit er-<lb/> drückt wird, jene Zeit, in welcher nur ein kraft-<lb/> volles Echo Thal und Höhen durchzieht: das auf-<lb/> richtige ſocialpolitiſche Wohlwollen für das Volk.</p><lb/> <p>Bis dahin werden ſich aber wahrſcheinlich<lb/> noch Hekatomben parteipolitiſcher Albernheiten<lb/> dem Culturgang entgegenſtellen, bis dahin werden<lb/> noch Milliarden Worte der „Schwärmer, Utopiſten<lb/> und Volksaufwiegler“ geſprochen und geſchrieben<lb/> werden müſſen; aber kommen wird ſie, die Zeit,<lb/> in der die großartigen Errungenſchaften der Civili-<lb/> ſation zum Gemeingut Aller werden, jene Zeit,<lb/> die das Bildungsmonopol aufhebt und den<lb/><cb/> Schwächeren kein Ausbeutungsobject ſein läßt. Dem<lb/> Blindekuhſviel mit den natürlichen Rechten des<lb/> Individuums wie des Volkes muß und wird<lb/> doch einmal ein Ende gemacht werden. Wir ſehen<lb/> ja Männer der Politik, der Wiſſenſchaft und der<lb/> Arbeit, ſelbſt Frauen vereint mit der Bildung<lb/> des Jahrhunderts dieſe große Zeit vorbereiten.<lb/> Auch die Volkslehrer dürfen keine Gelegenheit<lb/> vorübergehen laſſen, dieſes Erlöſungswerk, das<lb/> dem Volke zugute kommen ſoll, zu fördern. Wir<lb/> müſſen zuſammen kämpfen, um eine Idee zur<lb/> That werden zu laſſen, die jeder aufkeimenden<lb/> Individualität den nöthigen Schutz, die nöthige<lb/> Freiheit verbürgt, und dem Volke die geiſtige und<lb/> withſchaftliche Regſamkeit nicht beſchneidet.</p><lb/> <p>Bis die Erbitterung gegen jeden politiſchen<lb/> Humbug ſich Eingang zur Allgemeinheit verſchafft<lb/> und ein kraftvolles Echo in den Maſſen weckt,<lb/> bis dorthin kann freilich noch gar manche frei-<lb/> heitliche Errungenſchaft in die Brüche gehen. Ein<lb/> Beiſpiel ſehen wir an Belgien. Wie ſchnell ging<lb/> da das Niederreißen vor ſich, wie langſam erfolgt<lb/> der neue Aufbau, beſonders auf dem Gebiete der<lb/> Schule. In einem Schulblatte vom Jahre 1884<lb/> leſen wir über das ſchnelle Tempo der belgiſchen<lb/> Reactionäre: „Das neue Schulgeſetz war amtlich<lb/> noch nicht veröffentlicht, als bereits begonnene<lb/> Schulbauten eingeſtellt, Lehrer entlaſſen oder auf<lb/> Wartegehalt geſetzt und andere Maßregeln in<lb/> Ausſicht geſtellt wurden, die nichts weniger als<lb/> die vom Miniſterium verheißene Mäßigung ver-<lb/> riethen. Von den 59 Ortſchaften in der Provinz<lb/> Antwerpen werden 6, wenn es hoch kommt, 8<lb/> ihre Staatsſchulen behalten, aus den übrigen<lb/> Provinzen fehlen noch die Nachweiſe. Noch ſind<lb/> die Liſten nicht geſchloſſen und ſchon ſind in der<lb/> Provinz Antwerpen allein mehr als 200 Lehrer<lb/> dem gewohnten Berufe entriſſen, darunter Fa-<lb/> milienväter mit zahlreichen Kindern, oft ſchon in<lb/> Lebensjahren, in denen es ſchwer oder ganz un-<lb/> möglich iſt, einen anderen Lebensberuf zu finden;<lb/> ſie Alle ſind mit Hohn vertrieben, einem troſt-<lb/> loſen Elende überliefert, und das von Männern,<lb/> die den Frieden predigen und das Wort Gottes<lb/> im Munde führen. Und wer erſetzt die alten<lb/> Schulen mit ihren bewährten Lehrkräften? Das<lb/> neue Schulgeſetz ſtellt die Volksſchulen gänzlich<lb/> unter die Leitung der Gemeinde, welche auch<lb/> ihre Zahl und die Lehrer beſtimmt. Welch’ glän-<lb/> zende Ausſicht für die Ordensgeiſtlichen aller<lb/> Länder, denen anderweitig der Boden zu heiß<lb/> wird! Hier iſt fortan ihr Eldorado,<note place="foot" n="*)">In Oeſterreich fühlen ſie ſich auch ganz wohl! D. R.</note> hier werden<lb/> ſie mit offenen Armen empfangen, kein Menſch<lb/> fragt nach ihrer Qualification, niemand nach<lb/> ihrer Herkunft, noch nach ihrem Vorleben. Das<lb/> Volk ſoll und muß verdummt werden, wenn es<lb/> das willenloſe Werkzeug in den Händen eines<lb/> herrſchſüchtigen Clerus bleiben ſoll, und die<lb/> Prieſter, ohne Vaterland und ohne Heimat, ge-<lb/> wohnt, ſich blind den Befehlen ihrer Vorgeſetzten<lb/> zu unterwerfen, ſie werden es ſchon dahinbringen,<lb/> daß von den Errungenſchaften der Schule bald<lb/> nichts übrig bleibt als traurige Ruinen.“</p><lb/> <p>So äußert ſich ein belgiſcher Schulfreund in<lb/> einem öſterreichiſchen Schulblatte.</p><lb/> <p>Gehen wir in Oeſterreich nicht ähnlichen<lb/> Zuſtänden entgegen? Der Salzburger Katholiken-<lb/> tag, wie auch der Antifreimaurer-Congreß in<lb/> Trient zwingen faſt, dieſe Frage zu bejahen. Die<lb/> Geſellſchaft ſteht — das iſt gewiß — auf dem<lb/> Wendepunkte zu einer ganz neuen politiſchen<lb/> Situation. Doch wann wird ſich die politiſche<lb/> Lage hinreichend geklärt haben?! Wollen wir<lb/> hoffen, daß es recht bald der Fall ſein wird. Ein<lb/> Jeder von uns jedoch, wie auch jeder andere frei-<lb/> ſinnig Denkende hat die heilige Pflicht, ſein<lb/> Scherflein beizutragen, daß ſich ein Umſchlag in<lb/> der öffentlichen Meinung vollziehe und der<lb/> Reaction recht bald das Lebenslicht ausgeblaſen<lb/> werde.</p><lb/> <p>Es iſt ſicher, daß der Umſchwung zu Gunſten<lb/> des Fortſchrittes umſo eher eintreten wird, je<lb/> mehr einzelne Hetzapoſtel dem Volke nur einen<lb/> übermäßigen Aufwand von verſchiedenen Gefühlen<lb/> zumuthen werden und dabei den geſunden Haus-<lb/> verſtand des Volkes leer ausgehen laſſen. Das<lb/> Volk muß dazu kommen, mit einemmale die tiefſte<lb/> Beſchämung und Erbitterung über die nutzloſe<lb/> Erniedrigung, die ihm eine einſeitige Parteipolitik<lb/> gebracht, zu empfinden und einzuſehen. Dieſer<lb/> Zeitpunkt iſt dann der Anfang vom Ende der<lb/> Reaction, welche, mit einem Fußtritt bedacht,<lb/><cb/> wieder für lange Zeit in der Verſenkung ver-<lb/> ſchwinden wird, aus der ſie von Zeit zu Zeit<lb/> auftaucht, um in der Tragikomödie des Völker-<lb/> lebens ihre undankbare Rolle zu ſpielen. Doch<lb/> für jetzt</p><lb/> <p>„Beim Jupiter; jetzt iſt es nicht mehr Zeit</p><lb/> <p>Zu ſchlummern und — zu zaudern.“</p><lb/> <byline><hi rendition="#g"><hi rendition="#aq">Sicinius.</hi></hi> („Oeſterr. 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J., Vormittags halb 11 Uhr, im<lb/> Kochlocale (Kinderſpital, Hildegardgaſſe) ſtatt. Alle<lb/> Spender und Gönner des Vereines werden hiermit<lb/> zu dieſem feierliche Acte freundlichſt eingeladen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head>— <hi rendition="#g">Wechſelſeitige Brandſchaden-<lb/> Verſicherungsanſtalt in Wien.</hi> </head> <p>Nachdem<lb/> die Antiſemiten im Wiener Gemeinderathe und im<lb/> niederöſterreichiſchen Landtage unwiderruflich die<lb/> Mehrheit beſitzen, möchten ſie auch auf die Ver-<lb/> waltung der „Wechſelſeitigen“ entſprechenden Ein-<lb/> fluß nehmen und bereiten eine lebhafte Agitation<lb/> für die am 16. l. M. ſtattfindenden Wahlen in den<lb/> Directionsausſchuß vor. Daran wäre nun natürlich<lb/> nicht das Geringſte auszuſtellen; warum ſollen die<lb/> Antiſemiten ſich um dieſe Anſtalt, welche gerade die<lb/> bäuerliche Bevölkerung auf das Lebhafteſte intereſſirt,<lb/> nicht bekümmern? Allein die Dinge liegen bei<lb/> Weitem nicht ſo einfach, wenn man den Berichten<lb/> einiger Wiener Blätter glauben darf, welche in dieſer<lb/> Angelegenheit augenſcheinlich von der betheiligten<lb/> Direction darüber informirt worden ſind, daß<lb/> ſich in der ſtattfindenden Agitation Dinge ab-<lb/> ſpielen, welche wohl ſtrafrechtlich nicht zu ver-<lb/> folgen ſind, immerhin aber als unlautere Kampfes-<lb/> mittel zu gelten haben. Nach dieſen Schilderungen<lb/> beſitzt bei der „Wechſelſeitigen“ jeder von 2000<lb/> Gulden aufwärts Verſicherte das Stimmrecht,<lb/> das ſich in Bezug auf die Zahl der Stimmen mit<lb/> der wachſenden Höhe des Verſicherungsbetrages<lb/> ſteigert und eine Maximalzahl von zehn Stimmen<lb/> für einen einzelnen Verſicherten limitirt. Das Gros<lb/> der bei der „Wech ſelſeitigen Verſicherten“ beſteht aus<lb/> bäuerlichen Beſitzern, und in ſolchen Gemeinden,<lb/> wo die einzelnen Verſicherten je bloß unter 2000 fl.<lb/> verſichert ſind, übt der betreffende Bürgermeiſter<lb/> laut der Statuten der Anſtalt im Namen der<lb/> ganzen Gemeinde das Stimmrecht aus. Entſprechend<lb/> dieſer ſtatutariſchen Beſtimmung, verſendet die Anſtalt<lb/> ſeit Jahren an die Bürgermeiſter gedruckte „Stimm-<lb/> zettel“, welche die Liſte der für die Direction und<lb/> den Ausſchuß vorgeſchlagenen Perſonen enthalten,<lb/> und welche dann, von den Bürgermeiſtern unter-<lb/> fertigt, der Anſtalt wieder eingeſendet werden. Den<lb/> Stimmzetteln liegt ein gedrucktes Couvert zur Rück-<lb/> ſendung derſelben an die Anſtalt bei, und die Stimm-<lb/> zettel ſelbſt tragen oben die Bezeichnung: „K. k. priv.<lb/> Wechſelſeitige Brandſchaden-Verſicherungs-Anſtalt in<lb/> Wien“. Nach ihrem Rückeinlaufe werden dieſe ge-<lb/> wiſſermaßen officiellen Documente in Anweſenheit<lb/> eines k. k. Notars ſcrutinirt, womit die Wahl in<lb/> den Ausſchuß vollzogen erſcheint. Unter Führung<lb/> der Herren Gregorig und Gemeinderath Karl Stehlik<lb/> hat ſich nun ein „Wahlausſchuß für die Vorſtands-<lb/> wahlen der k. k. priv. Wechſelſeitigen Brandſchaden-<lb/> Verſicherungs-Anſtalt in Wien“ gebildet, und dieſer<lb/> Wahlausſchuß verſendete an die Bürgermeiſter einen<lb/> „Stimmzettel“, der in faſt facſimilirter typographiſcher<lb/> Ausſtattung und mit der Firmabezeichnung „K. k. priv.<lb/> Wechſelſeitige Brandſchaden-Verſicherungs-Anſtalt in<lb/> Wien“ einen Wahlvorſchlag enthält, der zu Directions-<lb/> mitgliedern und deren Erſatzmännern die Herren<lb/> Strobach, Dr. Lueger, Dr. Geßmann, Joſeph Schöffel,<lb/> Leopold Steiner und Jacob Thoma, zu Ausſchuß-<lb/> mitgliedern eine Reihe antiſemitiſcher Größen zweiter<lb/> und dritter Ordnung namhaft macht. Eingeſendet<lb/> wurde dieſer Wahlvorſchlag den Bürgermeiſtern in<lb/> einem Couvert, das ebenfalls eine — frappante<lb/> Aehnlichkeit mit den üblichen Original-Couverts der<lb/> Geſellſchaft hat. In maßgebenden Kreiſen hatte<lb/> man nun die Abſicht, dieſe ſo überaus gelungenen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [3/0003]
Nr. 91. Mittwoch Badener Zeitung 11. November 1896.
nach den Worten „einer öſterreichiſchen Gemeinde“
folgenden Zuſatz zu beantragen (liest):
„vorausgeſetzt, daß die Geſetzgebung des
betreffenden Staates den öſterreichiſchen Staats-
bürgern gegenüber in gleicher Weiſe vorgeht.“
Ich erlaube mir, dieſen Antrag dem hohen
Hauſe zur Annahme zu empfehlen, obwohl ich im
Klaren bin, daß in § 5 noch ein anderer Punkt
vorkommt, der nicht geregelt iſt und durch dieſe
Stiliſirung nicht getroffen wird, nämlich „Perſonen,
deren Staatsbürgerſchaft nicht nachweisbar iſt“.
Dieſe habe ich außer Acht gelaſſen.
Ich glaube aber, daß trotz dieſer Unebenheit
in der Stiliſirung der Gedanke ſelbſt berechtigt
iſt. Ich beziehe mich nur auf Ausländer, und
erlauben Sie mir, dem hohen Hauſe die Annahme
des Antrages ergebenſt zu empfehlen.“
Der Antrag wurde mit 79 gegen 76 Stimmen
abgelehnt.
Immer tiefer!
Selbſt in maßgebenden Kreiſen *) gibt man
ſich keine Mühe mehr, die traurige Thatſache zu
verſchleiern, daß gar manche große Hoffnung, die
die Clericalen ſeit langer Zeit hegten, in der
allernächſten Zukunft erfüllt wird. Das Beſtreben
der Parteien, zuvor das nützliche Geſchäft und
dann erſt das politiſche in Rückſicht zu ziehen,
iſt eine hinreichende Erklärung für dieſe kommende
politiſche Wandlung. Unſer Wunſch kann es nur
ſein, die folgenſchwere Verkehrtheit der reactionären
Staatsweisheit möge recht bald in unſerem Vater-
lande zu empfindlichem Ausdrucke gelangen, damit
wieder beſſere Verhältniſſe eintreten können, bevor
es noch zu ſpät iſt. Wir machen uns darauf ge-
faßt, es bald mehr denn einmal mit anſehen zu
müſſen, wie gar manche Politiker, die ſich vor
den Wahlen als Volksfreunde ausſpielten, das
Erſtgeburtsrecht des Volkes für ein recht gut zu-
bereitetes Linſengericht hingeben werden; wir er-
warteten keine politiſchen Wunder, mögen die
Trompetenſtöße der Parteipolitiker auch noch
ſo kriegsluſtig und ſiegesgewiß ertönen. Die
culturellen Aufgaben werden vor den partei-
politiſchen und confeſſionellen Theorien zur Seite
treten müſſen. Man wird mit kleinlichen Abfin-
dungen arbeiten, viel von Rettung vor Strö-
mungen ſprechen, die Familie, Eigenthum und
Ordnung gefährden; im Uebrigen aber nur flicken
und jedem freien politiſchen Athemzug die Kehle
zuzuſchnüren trachten.
Etwas Morgendämmerung dürfte den poli-
tiſchen Horizont dennoch erhellen. Die bisher
politiſch Rechtloſen können nun aus ihren Reihen
für die wahre Menſchlichkeit begeiſterte Männer
hinſenden an den Ort des freien Wortes, und
dieſe werden mit zündender Rede die Erlöſung
aller Gekuechteten aus ihrer geiſtigen und wirth-
ſchaftlichen Leibeigenſchaft vom Staate, der ein
gleiches Recht für Alle verſpricht, verlangen. Die
Herolde der Armen, der Unwiſſenden, der Unter-
drückten, der Verachteten, ſie werden den Jammer
aller Philiſter heraufbeſchwören und den Fluch
der Intereſſenpolitiker auf ſich laden. Doch große
Ideen, bekämpft und verſpottet, reifen in der Zeit
ihrer Bedrängniß ſtets zur allgemeinen Noth-
wendigkeit, zur Unüberwindlichkeit heran. Die
Forderung, der ſocialreformatoriſchen Thätigkeit
genügenden Raum und ausreichende Stütze zu
gewähren, iſt ein Mahnruf, über den die Ge-
meinheit nicht zu ſiegen vermag, iſt eine Idee, in
deren Bann und Zeichen die Zukunft ſteht.
Am ſchwerwiegendſten fühlt die drückende
Ungewißheit der jetzigen Lage unſere Schule, und
ſie ſehnt deshalb mit innigem Verlangen jenen
Zeitpunkt herbei, wo der Egoismus einzelner
Geſellſchaftsſchichten von der vorgeſchrittenen Er-
kenntniß des Rechtes und der Menſchlichkeit er-
drückt wird, jene Zeit, in welcher nur ein kraft-
volles Echo Thal und Höhen durchzieht: das auf-
richtige ſocialpolitiſche Wohlwollen für das Volk.
Bis dahin werden ſich aber wahrſcheinlich
noch Hekatomben parteipolitiſcher Albernheiten
dem Culturgang entgegenſtellen, bis dahin werden
noch Milliarden Worte der „Schwärmer, Utopiſten
und Volksaufwiegler“ geſprochen und geſchrieben
werden müſſen; aber kommen wird ſie, die Zeit,
in der die großartigen Errungenſchaften der Civili-
ſation zum Gemeingut Aller werden, jene Zeit,
die das Bildungsmonopol aufhebt und den
Schwächeren kein Ausbeutungsobject ſein läßt. Dem
Blindekuhſviel mit den natürlichen Rechten des
Individuums wie des Volkes muß und wird
doch einmal ein Ende gemacht werden. Wir ſehen
ja Männer der Politik, der Wiſſenſchaft und der
Arbeit, ſelbſt Frauen vereint mit der Bildung
des Jahrhunderts dieſe große Zeit vorbereiten.
Auch die Volkslehrer dürfen keine Gelegenheit
vorübergehen laſſen, dieſes Erlöſungswerk, das
dem Volke zugute kommen ſoll, zu fördern. Wir
müſſen zuſammen kämpfen, um eine Idee zur
That werden zu laſſen, die jeder aufkeimenden
Individualität den nöthigen Schutz, die nöthige
Freiheit verbürgt, und dem Volke die geiſtige und
withſchaftliche Regſamkeit nicht beſchneidet.
Bis die Erbitterung gegen jeden politiſchen
Humbug ſich Eingang zur Allgemeinheit verſchafft
und ein kraftvolles Echo in den Maſſen weckt,
bis dorthin kann freilich noch gar manche frei-
heitliche Errungenſchaft in die Brüche gehen. Ein
Beiſpiel ſehen wir an Belgien. Wie ſchnell ging
da das Niederreißen vor ſich, wie langſam erfolgt
der neue Aufbau, beſonders auf dem Gebiete der
Schule. In einem Schulblatte vom Jahre 1884
leſen wir über das ſchnelle Tempo der belgiſchen
Reactionäre: „Das neue Schulgeſetz war amtlich
noch nicht veröffentlicht, als bereits begonnene
Schulbauten eingeſtellt, Lehrer entlaſſen oder auf
Wartegehalt geſetzt und andere Maßregeln in
Ausſicht geſtellt wurden, die nichts weniger als
die vom Miniſterium verheißene Mäßigung ver-
riethen. Von den 59 Ortſchaften in der Provinz
Antwerpen werden 6, wenn es hoch kommt, 8
ihre Staatsſchulen behalten, aus den übrigen
Provinzen fehlen noch die Nachweiſe. Noch ſind
die Liſten nicht geſchloſſen und ſchon ſind in der
Provinz Antwerpen allein mehr als 200 Lehrer
dem gewohnten Berufe entriſſen, darunter Fa-
milienväter mit zahlreichen Kindern, oft ſchon in
Lebensjahren, in denen es ſchwer oder ganz un-
möglich iſt, einen anderen Lebensberuf zu finden;
ſie Alle ſind mit Hohn vertrieben, einem troſt-
loſen Elende überliefert, und das von Männern,
die den Frieden predigen und das Wort Gottes
im Munde führen. Und wer erſetzt die alten
Schulen mit ihren bewährten Lehrkräften? Das
neue Schulgeſetz ſtellt die Volksſchulen gänzlich
unter die Leitung der Gemeinde, welche auch
ihre Zahl und die Lehrer beſtimmt. Welch’ glän-
zende Ausſicht für die Ordensgeiſtlichen aller
Länder, denen anderweitig der Boden zu heiß
wird! Hier iſt fortan ihr Eldorado, *) hier werden
ſie mit offenen Armen empfangen, kein Menſch
fragt nach ihrer Qualification, niemand nach
ihrer Herkunft, noch nach ihrem Vorleben. Das
Volk ſoll und muß verdummt werden, wenn es
das willenloſe Werkzeug in den Händen eines
herrſchſüchtigen Clerus bleiben ſoll, und die
Prieſter, ohne Vaterland und ohne Heimat, ge-
wohnt, ſich blind den Befehlen ihrer Vorgeſetzten
zu unterwerfen, ſie werden es ſchon dahinbringen,
daß von den Errungenſchaften der Schule bald
nichts übrig bleibt als traurige Ruinen.“
So äußert ſich ein belgiſcher Schulfreund in
einem öſterreichiſchen Schulblatte.
Gehen wir in Oeſterreich nicht ähnlichen
Zuſtänden entgegen? Der Salzburger Katholiken-
tag, wie auch der Antifreimaurer-Congreß in
Trient zwingen faſt, dieſe Frage zu bejahen. Die
Geſellſchaft ſteht — das iſt gewiß — auf dem
Wendepunkte zu einer ganz neuen politiſchen
Situation. Doch wann wird ſich die politiſche
Lage hinreichend geklärt haben?! Wollen wir
hoffen, daß es recht bald der Fall ſein wird. Ein
Jeder von uns jedoch, wie auch jeder andere frei-
ſinnig Denkende hat die heilige Pflicht, ſein
Scherflein beizutragen, daß ſich ein Umſchlag in
der öffentlichen Meinung vollziehe und der
Reaction recht bald das Lebenslicht ausgeblaſen
werde.
Es iſt ſicher, daß der Umſchwung zu Gunſten
des Fortſchrittes umſo eher eintreten wird, je
mehr einzelne Hetzapoſtel dem Volke nur einen
übermäßigen Aufwand von verſchiedenen Gefühlen
zumuthen werden und dabei den geſunden Haus-
verſtand des Volkes leer ausgehen laſſen. Das
Volk muß dazu kommen, mit einemmale die tiefſte
Beſchämung und Erbitterung über die nutzloſe
Erniedrigung, die ihm eine einſeitige Parteipolitik
gebracht, zu empfinden und einzuſehen. Dieſer
Zeitpunkt iſt dann der Anfang vom Ende der
Reaction, welche, mit einem Fußtritt bedacht,
wieder für lange Zeit in der Verſenkung ver-
ſchwinden wird, aus der ſie von Zeit zu Zeit
auftaucht, um in der Tragikomödie des Völker-
lebens ihre undankbare Rolle zu ſpielen. Doch
für jetzt
„Beim Jupiter; jetzt iſt es nicht mehr Zeit
Zu ſchlummern und — zu zaudern.“
Sicinius. („Oeſterr. Schul-Ztg.“)
Local-Nachrichten.
— Perſonalnachricht. Der Miniſter-
präſident als Leiter des Miniſteriums des Innern
hat den in dieſem Miniſterium in Verwendung
ſtehenden Veterinär-Inſpector, Albert Miorini Edlen
von Sebentenberg, zum Landesthierarzt bei der
Statthalterei in Trieſt ernannt. Herr v. Miorini
war ſeinerzeit bei der hieſigen Bezirkshauptmannſchaft
als Bezirksthierarzt in Verwendung und war in den
geſellſchaftlichen Kreiſen ſehr beliebt.
— Eröffnung der Kochſchule. Die
Eröffnung der Kochſchule der Section Baden des
n.-ö. Volksbildungsvereines findet Sonntag den
15. November d. J., Vormittags halb 11 Uhr, im
Kochlocale (Kinderſpital, Hildegardgaſſe) ſtatt. Alle
Spender und Gönner des Vereines werden hiermit
zu dieſem feierliche Acte freundlichſt eingeladen.
— Wechſelſeitige Brandſchaden-
Verſicherungsanſtalt in Wien. Nachdem
die Antiſemiten im Wiener Gemeinderathe und im
niederöſterreichiſchen Landtage unwiderruflich die
Mehrheit beſitzen, möchten ſie auch auf die Ver-
waltung der „Wechſelſeitigen“ entſprechenden Ein-
fluß nehmen und bereiten eine lebhafte Agitation
für die am 16. l. M. ſtattfindenden Wahlen in den
Directionsausſchuß vor. Daran wäre nun natürlich
nicht das Geringſte auszuſtellen; warum ſollen die
Antiſemiten ſich um dieſe Anſtalt, welche gerade die
bäuerliche Bevölkerung auf das Lebhafteſte intereſſirt,
nicht bekümmern? Allein die Dinge liegen bei
Weitem nicht ſo einfach, wenn man den Berichten
einiger Wiener Blätter glauben darf, welche in dieſer
Angelegenheit augenſcheinlich von der betheiligten
Direction darüber informirt worden ſind, daß
ſich in der ſtattfindenden Agitation Dinge ab-
ſpielen, welche wohl ſtrafrechtlich nicht zu ver-
folgen ſind, immerhin aber als unlautere Kampfes-
mittel zu gelten haben. Nach dieſen Schilderungen
beſitzt bei der „Wechſelſeitigen“ jeder von 2000
Gulden aufwärts Verſicherte das Stimmrecht,
das ſich in Bezug auf die Zahl der Stimmen mit
der wachſenden Höhe des Verſicherungsbetrages
ſteigert und eine Maximalzahl von zehn Stimmen
für einen einzelnen Verſicherten limitirt. Das Gros
der bei der „Wech ſelſeitigen Verſicherten“ beſteht aus
bäuerlichen Beſitzern, und in ſolchen Gemeinden,
wo die einzelnen Verſicherten je bloß unter 2000 fl.
verſichert ſind, übt der betreffende Bürgermeiſter
laut der Statuten der Anſtalt im Namen der
ganzen Gemeinde das Stimmrecht aus. Entſprechend
dieſer ſtatutariſchen Beſtimmung, verſendet die Anſtalt
ſeit Jahren an die Bürgermeiſter gedruckte „Stimm-
zettel“, welche die Liſte der für die Direction und
den Ausſchuß vorgeſchlagenen Perſonen enthalten,
und welche dann, von den Bürgermeiſtern unter-
fertigt, der Anſtalt wieder eingeſendet werden. Den
Stimmzetteln liegt ein gedrucktes Couvert zur Rück-
ſendung derſelben an die Anſtalt bei, und die Stimm-
zettel ſelbſt tragen oben die Bezeichnung: „K. k. priv.
Wechſelſeitige Brandſchaden-Verſicherungs-Anſtalt in
Wien“. Nach ihrem Rückeinlaufe werden dieſe ge-
wiſſermaßen officiellen Documente in Anweſenheit
eines k. k. Notars ſcrutinirt, womit die Wahl in
den Ausſchuß vollzogen erſcheint. Unter Führung
der Herren Gregorig und Gemeinderath Karl Stehlik
hat ſich nun ein „Wahlausſchuß für die Vorſtands-
wahlen der k. k. priv. Wechſelſeitigen Brandſchaden-
Verſicherungs-Anſtalt in Wien“ gebildet, und dieſer
Wahlausſchuß verſendete an die Bürgermeiſter einen
„Stimmzettel“, der in faſt facſimilirter typographiſcher
Ausſtattung und mit der Firmabezeichnung „K. k. priv.
Wechſelſeitige Brandſchaden-Verſicherungs-Anſtalt in
Wien“ einen Wahlvorſchlag enthält, der zu Directions-
mitgliedern und deren Erſatzmännern die Herren
Strobach, Dr. Lueger, Dr. Geßmann, Joſeph Schöffel,
Leopold Steiner und Jacob Thoma, zu Ausſchuß-
mitgliedern eine Reihe antiſemitiſcher Größen zweiter
und dritter Ordnung namhaft macht. Eingeſendet
wurde dieſer Wahlvorſchlag den Bürgermeiſtern in
einem Couvert, das ebenfalls eine — frappante
Aehnlichkeit mit den üblichen Original-Couverts der
Geſellſchaft hat. In maßgebenden Kreiſen hatte
man nun die Abſicht, dieſe ſo überaus gelungenen
*) Siehe die Beantwortung der Interpellation bezüglich des
Salzburger Katholikentages.
*) In Oeſterreich fühlen ſie ſich auch ganz wohl! D. R.
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