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[N. N.]: Kürzliche Anweisung zu Complimenten und höflicher Condvite, für Personen Bürgerlichen Standes. Frankfurt [u. a.], 1736.

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Spenditor zu hüten hat, daß ers in
nichts dabey versehe: so haben auch die-
se, welche darzu eingeladen werden, eben-
falls verschiedenes in Obacht zu nehmen,
damit sie nichts versehen, und darüber
einer groben Unhöflichkeit mögen beschul-
diget werden.



Wenn ein höflicher Mensch zu einem
Gastmahl erbetten und eingeladen wird;
so schlägt er solches so leichte nicht aus;
bezeiget auch darinnen keinen Anstand,
wenn schon der Spenditor dem Stande
nach etwas geringer, als er wäre. Wenn
hingegen mancher arme Schlucker sich
mit einbildischen Gedancken speiset, so
wird er alle höfliche Einladungen, ver-
schlagen, und sich mit seiner bereits ein-
genommenen Sättigung, entschuldi-
gen; ohnerachtet man weiß, daß sich
der Hunger Haus-hoch bey ihme aufbäu-
met, und schon ein halbes Jahr das Gras
auf seinen Heerd gewachsen seye. Was
aber ein solcher, wegen seiner bedürffti-
gen Einbildung und hohen Gedancken
unterläßt, das ersezt ein verdrießlicher
Schmarotzer gedoppelt: Denn derglei-

chen

Spenditor zu huͤten hat, daß ers in
nichts dabey verſehe: ſo haben auch die-
ſe, welche darzu eingeladen werden, eben-
falls verſchiedenes in Obacht zu nehmen,
damit ſie nichts verſehen, und daruͤber
einer groben Unhoͤflichkeit moͤgen beſchul-
diget werden.



Wenn ein hoͤflicher Menſch zu einem
Gaſtmahl erbetten und eingeladen wird;
ſo ſchlaͤgt er ſolches ſo leichte nicht aus;
bezeiget auch darinnen keinen Anſtand,
wenn ſchon der Spenditor dem Stande
nach etwas geringer, als er waͤre. Wenn
hingegen mancher arme Schlucker ſich
mit einbildiſchen Gedancken ſpeiſet, ſo
wird er alle hoͤfliche Einladungen, ver-
ſchlagen, und ſich mit ſeiner bereits ein-
genommenen Saͤttigung, entſchuldi-
gen; ohnerachtet man weiß, daß ſich
der Hunger Haus-hoch bey ihme aufbaͤu-
met, und ſchon ein halbes Jahr das Gras
auf ſeinen Heerd gewachſen ſeye. Was
aber ein ſolcher, wegen ſeiner beduͤrffti-
gen Einbildung und hohen Gedancken
unterlaͤßt, das erſezt ein verdrießlicher
Schmarotzer gedoppelt: Denn derglei-

chen
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[136/0142] Spenditor zu huͤten hat, daß ers in nichts dabey verſehe: ſo haben auch die- ſe, welche darzu eingeladen werden, eben- falls verſchiedenes in Obacht zu nehmen, damit ſie nichts verſehen, und daruͤber einer groben Unhoͤflichkeit moͤgen beſchul- diget werden. Wenn ein hoͤflicher Menſch zu einem Gaſtmahl erbetten und eingeladen wird; ſo ſchlaͤgt er ſolches ſo leichte nicht aus; bezeiget auch darinnen keinen Anſtand, wenn ſchon der Spenditor dem Stande nach etwas geringer, als er waͤre. Wenn hingegen mancher arme Schlucker ſich mit einbildiſchen Gedancken ſpeiſet, ſo wird er alle hoͤfliche Einladungen, ver- ſchlagen, und ſich mit ſeiner bereits ein- genommenen Saͤttigung, entſchuldi- gen; ohnerachtet man weiß, daß ſich der Hunger Haus-hoch bey ihme aufbaͤu- met, und ſchon ein halbes Jahr das Gras auf ſeinen Heerd gewachſen ſeye. Was aber ein ſolcher, wegen ſeiner beduͤrffti- gen Einbildung und hohen Gedancken unterlaͤßt, das erſezt ein verdrießlicher Schmarotzer gedoppelt: Denn derglei- chen

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Zitationshilfe: [N. N.]: Kürzliche Anweisung zu Complimenten und höflicher Condvite, für Personen Bürgerlichen Standes. Frankfurt [u. a.], 1736, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_complimente_1736/142>, abgerufen am 28.04.2024.