chen Kuchenschmecker besuchen ihre Freunde gemeiniglich zwischen 11. und 12. Uhr, und dencken, solcher gestalt wür- de man, wenn sie sich stelleten, fortzuge- hen, ihnen doch ein Ehren-Wort vergön- nen, und sie beym Essen bleiben heissen, da denn ihre Resolution sogleich braun gebraten ist, und sich keiner den Rock dar- über zerreissen lässet. Solche Leute sind wie die unverschämten Bettler, denn die- se gehen auch um Essens-Zeit, für die Thü- ren zu bettlen, und trösten sich, daß man zu solcher Zeit sie desto weniger abschaffet.
Ein höflicher Mensch wird sich bey ei- nem Gastmahl und Zusammenkunfft gu- ter Freunde, ja nicht um die Ober-Stel- le zancken, ob ihm schon solche etwan, nach seiner Ehr und Würde, gebührete: zumal weil solches an einem Privat-Ort geschiehet: woselbst seine Reputation, in diesem Stuck, keinen Schaden leidet. Die vornehmste Stelle ist, wo ein kluger bescheidener Mensch sitzet, und wenn es auch bey dem Ofen seyn solte. Einen Narren aber würde man doch in seiner schönen Qualität erkennen, wenn auch
sein
chen Kuchenſchmecker beſuchen ihre Freunde gemeiniglich zwiſchen 11. und 12. Uhr, und dencken, ſolcher geſtalt wuͤr- de man, wenn ſie ſich ſtelleten, fortzuge- hen, ihnen doch ein Ehren-Wort vergoͤn- nen, und ſie beym Eſſen bleiben heiſſen, da denn ihre Reſolution ſogleich braun gebraten iſt, und ſich keiner den Rock dar- uͤber zerreiſſen laͤſſet. Solche Leute ſind wie die unverſchaͤmten Bettler, denn die- ſe gehen auch um Eſſens-Zeit, fuͤr die Thuͤ- ren zu bettlen, und troͤſten ſich, daß man zu ſolcher Zeit ſie deſto weniger abſchaffet.
Ein hoͤflicher Menſch wird ſich bey ei- nem Gaſtmahl und Zuſammenkunfft gu- ter Freunde, ja nicht um die Ober-Stel- le zancken, ob ihm ſchon ſolche etwan, nach ſeiner Ehr und Wuͤrde, gebuͤhrete: zumal weil ſolches an einem Privat-Ort geſchiehet: woſelbſt ſeine Reputation, in dieſem Stuck, keinen Schaden leidet. Die vornehmſte Stelle iſt, wo ein kluger beſcheidener Menſch ſitzet, und wenn es auch bey dem Ofen ſeyn ſolte. Einen Narren aber wuͤrde man doch in ſeiner ſchoͤnen Qualitaͤt erkennen, wenn auch
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chen Kuchenſchmecker beſuchen ihre
Freunde gemeiniglich zwiſchen 11. und
12. Uhr, und dencken, ſolcher geſtalt wuͤr-
de man, wenn ſie ſich ſtelleten, fortzuge-
hen, ihnen doch ein Ehren-Wort vergoͤn-
nen, und ſie beym Eſſen bleiben heiſſen,
da denn ihre Reſolution ſogleich braun
gebraten iſt, und ſich keiner den Rock dar-
uͤber zerreiſſen laͤſſet. Solche Leute ſind
wie die unverſchaͤmten Bettler, denn die-
ſe gehen auch um Eſſens-Zeit, fuͤr die Thuͤ-
ren zu bettlen, und troͤſten ſich, daß man
zu ſolcher Zeit ſie deſto weniger abſchaffet.
Ein hoͤflicher Menſch wird ſich bey ei-
nem Gaſtmahl und Zuſammenkunfft gu-
ter Freunde, ja nicht um die Ober-Stel-
le zancken, ob ihm ſchon ſolche etwan,
nach ſeiner Ehr und Wuͤrde, gebuͤhrete:
zumal weil ſolches an einem Privat-Ort
geſchiehet: woſelbſt ſeine Reputation, in
dieſem Stuck, keinen Schaden leidet.
Die vornehmſte Stelle iſt, wo ein kluger
beſcheidener Menſch ſitzet, und wenn es
auch bey dem Ofen ſeyn ſolte. Einen
Narren aber wuͤrde man doch in ſeiner
ſchoͤnen Qualitaͤt erkennen, wenn auch
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[N. N.]: Kürzliche Anweisung zu Complimenten und höflicher Condvite, für Personen Bürgerlichen Standes. Frankfurt [u. a.], 1736, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_complimente_1736/143>, abgerufen am 26.06.2024.
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