Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 3. Burg/Berlin, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite

45 Conversations=Blatt. 46
[Beginn Spaltensatz] sige Porzelan=Figur vorangetragen, ihm zur Seite gehen
Musikanten mit Posaunen, Priester mit Rauchfässern und
Fliegenwädler mit Fächer. Hinter ihm folgt eben so der
Großkolao, oder Vice=König der Provinz, der an die-
sem einen Tage dem Volke nur sichtbar ist. Neben ihm
werden große Tafeln getragen, die seinen Namen, seine
guten Eigenschaften und edlen Thaten enthalten. Hin-
ter ihm folgen die verschiedenen Classen der Mandari-
nen oder Beamte nach ihrem Range, dann die Vorneh-
men der Privatleute nach ihrer Dicke, die ihre Würde
bestimmt. Zuletzt kommt eine große Anzahl von Deli-
quenten, die vom sogenannten Studien=Direktor geführt
werden. Nur gegen große Opfer an den Ackerbau-
Gott, werden europäische Barbaren, die das himmlische
Reich besuchen, welches seit Ewigkeit oben auf der
Mitte des großen viereckigen Granit = Blocks der Erde
ruht, zugelassen. Auf dem Felde angelangt, wird der
Ackerbau=Gott bis an den Hals in die Erde gegraben,
und ein Zelt über ihn ausgespannt. Die Mandarinen
selbst ziehen mit weißen Stieren rund um ihn her, Fur-
chen in die Erde, und Alles fällt nieder um diese Fur-
che zu küssen. Der Großkolao vollzieht nun im Na-
men des Ackerbau=Gottes die Feierlichkeiten in allen Ar-
ten von Genüssen an der Tafel, und mit den geweihe-
ten Weibern. Dem Gott zu Ehren wird nun Gerichts-
tag gehalten, über alle verschiedenartige Missethäter die
zu diesem Tage aufgesparrt sind. Es wird nun ge-
köpft und gehängt, im Bock gespannt *) und mit dem
Pscha umringt **). Den Entlassenen von der Duldungs-
Akademie (Strafanstalt) werden die Nasen oder Ohren
abgeschnitten, die der Studien = Direktor zum Andenken,
mit dem Namen des ehemaligen Schülers, an eine große
Tafel nagelt. - Nachdem der Großkolao den Acker
vor dem Gotte in dessen Namen höchst selbst gedüngt
hat, bereiten die Priester kleine, mit Erde gemischte
Kügelchen daraus, und verkaufen diese an den reichen
Ackerbesitzern und in den Apotheken. Zuletzt wird das
Volk durch Peitschenknall zum Opfer aufgefordert. Al-
les drängt sich heran und steckt eine Gabe in den weit
geöffneten Nachen des Ackerbau=Gottes, der dann wie-
der ausgegraben und der Prozession voran, unter grö-
ßerer Mühe in seinen Tempel zurückgeschleppt wird.



Miscellen.

Zu Lexder in der Grafschaft Essex starb kürzlich
ein alter Hagestolz, Namens Humm, der ein Vermö-
gen von einer Million und 700,000 Pfund Sterling,
größtentheils in liegenden Gütern hinterläßt. Trotz die-
ses unermeßlichen Vermögens war Thomas Humm, der
gar keine nähere Verwandte hatte, unerhört geizig und
nicht zufrieden damit nur ein Dachstübchen in einem
seiner Häuser zu bewohnen, nur auf Stroh zu schla-
[Spaltenumbruch] fen, die allergeringste Nahrung zu sich zu nehmen, und
nur in Lumpen gehüllt einherzugehen, bettelte er sogar
immer auf dem Wege nach London, wenn er dahin
ging, um seine Renten zu erheben, und sein kränkliches,
elendes Aussehen, so wie seine schmutzigen Lumpen er-
weckten auch das Mitleid der Vorübergehenden. Er
nahm nicht allein Geld, sondern alles, was man ihm
anbot, selbst kaum genießbares Brod. Nach seinem
Tode fand man in einem alten Koffer auf seinem Dach-
stübchen ungefähr 6000 Pfund Sterl. in Golde baar
vor, denn alles was er während seines Lebens in diesem
Metalle empfangen hatte, konnte er sich nie entschließen
auszuleihen, so hohe Zinsen er auch daraus hätte zie-
hen können. Thomas Humm's ganzes Vermögen fiel
entfernten Verwandten zu.

**) Ein breites, rundes Brett mit einem Loche in der Mitte,
worin der Hals kommt. Der Träger kann dabei mit den
Händen nicht nach dem Gesichte kommen.



Jdiosin=rasien.

Es ist merkwürdig wie viele große Männer an
eigenen Antipathien litten, die oft zur Jdiosin=rasie aus-
arteten.

Heinrich, Herzog von Guise, konnte keine Ro-
sen riechen.

HeinrichIII. von Frankreich, hatte eine entsetz-
liche Aversion gegen Katzen.

HeinrichIV. konnte, wie im ahnenden Gefühl,
keine zweischneidige Messer leiden, und fühlte schon
14 Tage vor seiner Ermordung Ravaillac's Dolch in
seinem Herzen.

Heinrich der Vogelsteller haßte die Raub-
vögel eben so wie die Hunnen.

JohannII. von Moskau, soll bei dem Anblick
eines Frauenzimmers das Fieber bekommen haben. -
Ob das Kalte oder ein Hitziges, hat sein Biograph
nicht angegeben.

Der Herzog von Epernon fiel bei dem Anblick
eines Kaninchens in Ohnmacht.

Wladislaus, König von Polen, bekam Erbre-
chen wenn er einen Apfel sah.

Carl d. G. konnte keine Eier sehen, ohne drein
zu schlagen.

Friedrich d. G. mochte die gebornen Berliner
nicht leiden.

Napoleon waren Frauen in gesegneten Um-
ständen zuwider.

Lamothe=Lavayer konnte den Ton keines Jn-
strumentes vertragen.

Laroche=Jaquelin, der Held der Vendee,
zitterte bei dem Anblick eines Kaninchens.

Tycho de Brahe bekam Knieschlottern wenn
er einen jungen Hasen sah.

Der Kanzler Baco stürzte bei jeder Mondfin-
sterniß bewußtlos zusammen.

Erasmus bekam das Fieber, wenn er Fische roch.

Scalinger zitterte am ganzen Leibe, wenn er
Brunnenkresse sah.

CatharinaII. gerieth in Schrecken vor Mäuse.

Pabst Leo II. konnte bei dem Anblick von Frö-
schen sich der Flüche nicht erwehren.

[Ende Spaltensatz]
*) Hände und Füße zusammengeschlossen.
**) Ein breites, rundes Brett mit einem Loche in der Mitte,
worin der Hals kommt. Der Träger kann dabei mit den
Händen nicht nach dem Gesichte kommen.

45 Conversations=Blatt. 46
[Beginn Spaltensatz] sige Porzelan=Figur vorangetragen, ihm zur Seite gehen
Musikanten mit Posaunen, Priester mit Rauchfässern und
Fliegenwädler mit Fächer. Hinter ihm folgt eben so der
Großkolao, oder Vice=König der Provinz, der an die-
sem einen Tage dem Volke nur sichtbar ist. Neben ihm
werden große Tafeln getragen, die seinen Namen, seine
guten Eigenschaften und edlen Thaten enthalten. Hin-
ter ihm folgen die verschiedenen Classen der Mandari-
nen oder Beamte nach ihrem Range, dann die Vorneh-
men der Privatleute nach ihrer Dicke, die ihre Würde
bestimmt. Zuletzt kommt eine große Anzahl von Deli-
quenten, die vom sogenannten Studien=Direktor geführt
werden. Nur gegen große Opfer an den Ackerbau-
Gott, werden europäische Barbaren, die das himmlische
Reich besuchen, welches seit Ewigkeit oben auf der
Mitte des großen viereckigen Granit = Blocks der Erde
ruht, zugelassen. Auf dem Felde angelangt, wird der
Ackerbau=Gott bis an den Hals in die Erde gegraben,
und ein Zelt über ihn ausgespannt. Die Mandarinen
selbst ziehen mit weißen Stieren rund um ihn her, Fur-
chen in die Erde, und Alles fällt nieder um diese Fur-
che zu küssen. Der Großkolao vollzieht nun im Na-
men des Ackerbau=Gottes die Feierlichkeiten in allen Ar-
ten von Genüssen an der Tafel, und mit den geweihe-
ten Weibern. Dem Gott zu Ehren wird nun Gerichts-
tag gehalten, über alle verschiedenartige Missethäter die
zu diesem Tage aufgesparrt sind. Es wird nun ge-
köpft und gehängt, im Bock gespannt *) und mit dem
Pscha umringt **). Den Entlassenen von der Duldungs-
Akademie (Strafanstalt) werden die Nasen oder Ohren
abgeschnitten, die der Studien = Direktor zum Andenken,
mit dem Namen des ehemaligen Schülers, an eine große
Tafel nagelt. – Nachdem der Großkolao den Acker
vor dem Gotte in dessen Namen höchst selbst gedüngt
hat, bereiten die Priester kleine, mit Erde gemischte
Kügelchen daraus, und verkaufen diese an den reichen
Ackerbesitzern und in den Apotheken. Zuletzt wird das
Volk durch Peitschenknall zum Opfer aufgefordert. Al-
les drängt sich heran und steckt eine Gabe in den weit
geöffneten Nachen des Ackerbau=Gottes, der dann wie-
der ausgegraben und der Prozession voran, unter grö-
ßerer Mühe in seinen Tempel zurückgeschleppt wird.



Miscellen.

Zu Lexder in der Grafschaft Essex starb kürzlich
ein alter Hagestolz, Namens Humm, der ein Vermö-
gen von einer Million und 700,000 Pfund Sterling,
größtentheils in liegenden Gütern hinterläßt. Trotz die-
ses unermeßlichen Vermögens war Thomas Humm, der
gar keine nähere Verwandte hatte, unerhört geizig und
nicht zufrieden damit nur ein Dachstübchen in einem
seiner Häuser zu bewohnen, nur auf Stroh zu schla-
[Spaltenumbruch] fen, die allergeringste Nahrung zu sich zu nehmen, und
nur in Lumpen gehüllt einherzugehen, bettelte er sogar
immer auf dem Wege nach London, wenn er dahin
ging, um seine Renten zu erheben, und sein kränkliches,
elendes Aussehen, so wie seine schmutzigen Lumpen er-
weckten auch das Mitleid der Vorübergehenden. Er
nahm nicht allein Geld, sondern alles, was man ihm
anbot, selbst kaum genießbares Brod. Nach seinem
Tode fand man in einem alten Koffer auf seinem Dach-
stübchen ungefähr 6000 Pfund Sterl. in Golde baar
vor, denn alles was er während seines Lebens in diesem
Metalle empfangen hatte, konnte er sich nie entschließen
auszuleihen, so hohe Zinsen er auch daraus hätte zie-
hen können. Thomas Humm's ganzes Vermögen fiel
entfernten Verwandten zu.

**) Ein breites, rundes Brett mit einem Loche in der Mitte,
worin der Hals kommt. Der Träger kann dabei mit den
Händen nicht nach dem Gesichte kommen.



Jdiosin=rasien.

Es ist merkwürdig wie viele große Männer an
eigenen Antipathien litten, die oft zur Jdiosin=rasie aus-
arteten.

Heinrich, Herzog von Guise, konnte keine Ro-
sen riechen.

HeinrichIII. von Frankreich, hatte eine entsetz-
liche Aversion gegen Katzen.

HeinrichIV. konnte, wie im ahnenden Gefühl,
keine zweischneidige Messer leiden, und fühlte schon
14 Tage vor seiner Ermordung Ravaillac's Dolch in
seinem Herzen.

Heinrich der Vogelsteller haßte die Raub-
vögel eben so wie die Hunnen.

JohannII. von Moskau, soll bei dem Anblick
eines Frauenzimmers das Fieber bekommen haben. –
Ob das Kalte oder ein Hitziges, hat sein Biograph
nicht angegeben.

Der Herzog von Epernon fiel bei dem Anblick
eines Kaninchens in Ohnmacht.

Wladislaus, König von Polen, bekam Erbre-
chen wenn er einen Apfel sah.

Carl d. G. konnte keine Eier sehen, ohne drein
zu schlagen.

Friedrich d. G. mochte die gebornen Berliner
nicht leiden.

Napoleon waren Frauen in gesegneten Um-
ständen zuwider.

Lamothe=Lavayer konnte den Ton keines Jn-
strumentes vertragen.

Laroche=Jaquelin, der Held der Vendee,
zitterte bei dem Anblick eines Kaninchens.

Tycho de Brahe bekam Knieschlottern wenn
er einen jungen Hasen sah.

Der Kanzler Baco stürzte bei jeder Mondfin-
sterniß bewußtlos zusammen.

Erasmus bekam das Fieber, wenn er Fische roch.

Scalinger zitterte am ganzen Leibe, wenn er
Brunnenkresse sah.

CatharinaII. gerieth in Schrecken vor Mäuse.

Pabst Leo II. konnte bei dem Anblick von Frö-
schen sich der Flüche nicht erwehren.

[Ende Spaltensatz]
*) Hände und Füße zusammengeschlossen.
**) Ein breites, rundes Brett mit einem Loche in der Mitte,
worin der Hals kommt. Der Träger kann dabei mit den
Händen nicht nach dem Gesichte kommen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jArticle" n="1">
        <p><pb facs="#f0007"/><fw type="header" place="top">45 <hi rendition="#c">Conversations=Blatt.</hi> <hi rendition="#right">46</hi></fw><cb type="start" n="45"/>
sige Porzelan=Figur vorangetragen, ihm zur Seite gehen<lb/>
Musikanten mit Posaunen, Priester mit Rauchfässern und<lb/>
Fliegenwädler mit Fächer. Hinter ihm folgt eben so der<lb/>
Großkolao, oder Vice=König der Provinz, der an die-<lb/>
sem einen Tage dem Volke nur sichtbar ist. Neben ihm<lb/>
werden große Tafeln getragen, die seinen Namen, seine<lb/>
guten Eigenschaften und edlen Thaten enthalten. Hin-<lb/>
ter ihm folgen die verschiedenen Classen der Mandari-<lb/>
nen oder Beamte nach ihrem Range, dann die Vorneh-<lb/>
men der Privatleute nach ihrer Dicke, die ihre Würde<lb/>
bestimmt. Zuletzt kommt eine große Anzahl von Deli-<lb/>
quenten, die vom sogenannten Studien=Direktor geführt<lb/>
werden. Nur gegen große Opfer an den Ackerbau-<lb/>
Gott, werden europäische Barbaren, die das himmlische<lb/>
Reich besuchen, welches seit Ewigkeit oben auf der<lb/>
Mitte des großen viereckigen Granit = Blocks der Erde<lb/>
ruht, zugelassen. Auf dem Felde angelangt, wird der<lb/>
Ackerbau=Gott bis an den Hals in die Erde gegraben,<lb/>
und ein Zelt über ihn ausgespannt. Die Mandarinen<lb/>
selbst ziehen mit weißen Stieren rund um ihn her, Fur-<lb/>
chen in die Erde, und Alles fällt nieder um diese Fur-<lb/>
che zu küssen. Der Großkolao vollzieht nun im Na-<lb/>
men des Ackerbau=Gottes die Feierlichkeiten in allen Ar-<lb/>
ten von Genüssen an der Tafel, und mit den geweihe-<lb/>
ten Weibern. Dem Gott zu Ehren wird nun Gerichts-<lb/>
tag gehalten, über alle verschiedenartige Missethäter die<lb/>
zu diesem Tage aufgesparrt sind. Es wird nun ge-<lb/>
köpft und gehängt, im Bock gespannt <note place="foot" n="*)">Hände und Füße zusammengeschlossen. </note> und mit dem<lb/>
Pscha umringt <note place="foot" n="**)">Ein breites, rundes Brett mit einem Loche in der Mitte,<lb/>
worin der Hals kommt. Der Träger kann dabei mit den<lb/>
Händen nicht nach dem Gesichte kommen.</note>. Den Entlassenen von der Duldungs-<lb/>
Akademie (Strafanstalt) werden die Nasen oder Ohren<lb/>
abgeschnitten, die der Studien = Direktor zum Andenken,<lb/>
mit dem Namen des ehemaligen Schülers, an eine große<lb/>
Tafel nagelt. &#x2013; Nachdem der Großkolao den Acker<lb/>
vor dem Gotte in dessen Namen höchst selbst gedüngt<lb/>
hat, bereiten die Priester kleine, mit Erde gemischte<lb/>
Kügelchen daraus, und verkaufen diese an den reichen<lb/>
Ackerbesitzern und in den Apotheken. Zuletzt wird das<lb/>
Volk durch Peitschenknall zum Opfer aufgefordert. Al-<lb/>
les drängt sich heran und steckt eine Gabe in den weit<lb/>
geöffneten Nachen des Ackerbau=Gottes, der dann wie-<lb/>
der ausgegraben und der Prozession voran, unter grö-<lb/>
ßerer Mühe in seinen Tempel zurückgeschleppt wird.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div type="jVarious" n="1">
        <head> <hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Miscellen</hi>.</hi> </head><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <p>Zu Lexder in der Grafschaft Essex starb kürzlich<lb/>
ein alter Hagestolz, Namens Humm, der ein Vermö-<lb/>
gen von einer Million und 700,000 Pfund Sterling,<lb/>
größtentheils in liegenden Gütern hinterläßt. Trotz die-<lb/>
ses unermeßlichen Vermögens war Thomas Humm, der<lb/>
gar keine nähere Verwandte hatte, unerhört geizig und<lb/>
nicht zufrieden damit nur ein Dachstübchen in einem<lb/>
seiner Häuser zu bewohnen, nur auf Stroh zu schla-<lb/><cb n="46"/>
fen, die allergeringste Nahrung zu sich zu nehmen, und<lb/>
nur in Lumpen gehüllt einherzugehen, bettelte er sogar<lb/>
immer auf dem Wege nach London, wenn er dahin<lb/>
ging, um seine Renten zu erheben, und sein kränkliches,<lb/>
elendes Aussehen, so wie seine schmutzigen Lumpen er-<lb/>
weckten auch das Mitleid der Vorübergehenden. Er<lb/>
nahm nicht allein Geld, sondern alles, was man ihm<lb/>
anbot, selbst kaum genießbares Brod. Nach seinem<lb/>
Tode fand man in einem alten Koffer auf seinem Dach-<lb/>
stübchen ungefähr 6000 Pfund Sterl. in Golde baar<lb/>
vor, denn alles was er während seines Lebens in diesem<lb/>
Metalle empfangen hatte, konnte er sich nie entschließen<lb/>
auszuleihen, so hohe Zinsen er auch daraus hätte zie-<lb/>
hen können. Thomas Humm's ganzes Vermögen fiel<lb/>
entfernten Verwandten zu.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#sup">**</hi>) Ein breites, rundes Brett mit einem Loche in der Mitte,<lb/>
worin der Hals kommt. Der Träger kann dabei mit den<lb/>
Händen nicht nach dem Gesichte kommen. </p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <head> <hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Jdiosin=rasien</hi>.</hi> </head><lb/>
          <p>Es ist merkwürdig wie viele große Männer an<lb/>
eigenen Antipathien litten, die oft zur Jdiosin=rasie aus-<lb/>
arteten.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Heinrich,</hi> Herzog von Guise, konnte keine Ro-<lb/>
sen riechen.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Heinrich</hi><hi rendition="#aq">III</hi>. von Frankreich, hatte eine entsetz-<lb/>
liche Aversion gegen Katzen.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Heinrich</hi><hi rendition="#aq">IV</hi>. konnte, wie im ahnenden Gefühl,<lb/>
keine zweischneidige Messer leiden, und fühlte schon<lb/>
14 Tage vor seiner Ermordung Ravaillac's Dolch in<lb/>
seinem Herzen.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Heinrich der Vogelsteller</hi> haßte die Raub-<lb/>
vögel eben so wie die Hunnen.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Johann</hi><hi rendition="#aq">II</hi>. von Moskau, soll bei dem Anblick<lb/>
eines Frauenzimmers das Fieber bekommen haben. &#x2013;<lb/>
Ob das Kalte oder ein Hitziges, hat sein Biograph<lb/>
nicht angegeben.</p><lb/>
          <p>Der Herzog von <hi rendition="#g">Epernon</hi> fiel bei dem Anblick<lb/>
eines Kaninchens in Ohnmacht.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Wladislaus,</hi> König von Polen, bekam Erbre-<lb/>
chen wenn er einen Apfel sah.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Carl</hi> d. G. konnte keine Eier sehen, ohne drein<lb/>
zu schlagen.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Friedrich</hi> d. G. mochte die gebornen Berliner<lb/>
nicht leiden.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Napoleon</hi> waren Frauen in gesegneten Um-<lb/>
ständen zuwider.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Lamothe=Lavayer</hi> konnte den Ton keines Jn-<lb/>
strumentes vertragen.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Laroche=Jaquelin,</hi> der Held der Vendee,<lb/>
zitterte bei dem Anblick eines Kaninchens.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Tycho de Brahe</hi> bekam Knieschlottern wenn<lb/>
er einen jungen Hasen sah.</p><lb/>
          <p>Der Kanzler <hi rendition="#g">Baco</hi> stürzte bei jeder Mondfin-<lb/>
sterniß bewußtlos zusammen.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Erasmus</hi> bekam das Fieber, wenn er Fische roch.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Scalinger</hi> zitterte am ganzen Leibe, wenn er<lb/>
Brunnenkresse sah.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Catharina</hi><hi rendition="#aq">II</hi>. gerieth in Schrecken vor Mäuse.</p><lb/>
          <p>Pabst <hi rendition="#g">Leo</hi> <hi rendition="#aq">II</hi>. konnte bei dem Anblick von Frö-<lb/>
schen sich der Flüche nicht erwehren.</p><lb/>
          <cb type="end"/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0007] 45 Conversations=Blatt. 46 sige Porzelan=Figur vorangetragen, ihm zur Seite gehen Musikanten mit Posaunen, Priester mit Rauchfässern und Fliegenwädler mit Fächer. Hinter ihm folgt eben so der Großkolao, oder Vice=König der Provinz, der an die- sem einen Tage dem Volke nur sichtbar ist. Neben ihm werden große Tafeln getragen, die seinen Namen, seine guten Eigenschaften und edlen Thaten enthalten. Hin- ter ihm folgen die verschiedenen Classen der Mandari- nen oder Beamte nach ihrem Range, dann die Vorneh- men der Privatleute nach ihrer Dicke, die ihre Würde bestimmt. Zuletzt kommt eine große Anzahl von Deli- quenten, die vom sogenannten Studien=Direktor geführt werden. Nur gegen große Opfer an den Ackerbau- Gott, werden europäische Barbaren, die das himmlische Reich besuchen, welches seit Ewigkeit oben auf der Mitte des großen viereckigen Granit = Blocks der Erde ruht, zugelassen. Auf dem Felde angelangt, wird der Ackerbau=Gott bis an den Hals in die Erde gegraben, und ein Zelt über ihn ausgespannt. Die Mandarinen selbst ziehen mit weißen Stieren rund um ihn her, Fur- chen in die Erde, und Alles fällt nieder um diese Fur- che zu küssen. Der Großkolao vollzieht nun im Na- men des Ackerbau=Gottes die Feierlichkeiten in allen Ar- ten von Genüssen an der Tafel, und mit den geweihe- ten Weibern. Dem Gott zu Ehren wird nun Gerichts- tag gehalten, über alle verschiedenartige Missethäter die zu diesem Tage aufgesparrt sind. Es wird nun ge- köpft und gehängt, im Bock gespannt *) und mit dem Pscha umringt **). Den Entlassenen von der Duldungs- Akademie (Strafanstalt) werden die Nasen oder Ohren abgeschnitten, die der Studien = Direktor zum Andenken, mit dem Namen des ehemaligen Schülers, an eine große Tafel nagelt. – Nachdem der Großkolao den Acker vor dem Gotte in dessen Namen höchst selbst gedüngt hat, bereiten die Priester kleine, mit Erde gemischte Kügelchen daraus, und verkaufen diese an den reichen Ackerbesitzern und in den Apotheken. Zuletzt wird das Volk durch Peitschenknall zum Opfer aufgefordert. Al- les drängt sich heran und steckt eine Gabe in den weit geöffneten Nachen des Ackerbau=Gottes, der dann wie- der ausgegraben und der Prozession voran, unter grö- ßerer Mühe in seinen Tempel zurückgeschleppt wird. Miscellen. Zu Lexder in der Grafschaft Essex starb kürzlich ein alter Hagestolz, Namens Humm, der ein Vermö- gen von einer Million und 700,000 Pfund Sterling, größtentheils in liegenden Gütern hinterläßt. Trotz die- ses unermeßlichen Vermögens war Thomas Humm, der gar keine nähere Verwandte hatte, unerhört geizig und nicht zufrieden damit nur ein Dachstübchen in einem seiner Häuser zu bewohnen, nur auf Stroh zu schla- fen, die allergeringste Nahrung zu sich zu nehmen, und nur in Lumpen gehüllt einherzugehen, bettelte er sogar immer auf dem Wege nach London, wenn er dahin ging, um seine Renten zu erheben, und sein kränkliches, elendes Aussehen, so wie seine schmutzigen Lumpen er- weckten auch das Mitleid der Vorübergehenden. Er nahm nicht allein Geld, sondern alles, was man ihm anbot, selbst kaum genießbares Brod. Nach seinem Tode fand man in einem alten Koffer auf seinem Dach- stübchen ungefähr 6000 Pfund Sterl. in Golde baar vor, denn alles was er während seines Lebens in diesem Metalle empfangen hatte, konnte er sich nie entschließen auszuleihen, so hohe Zinsen er auch daraus hätte zie- hen können. Thomas Humm's ganzes Vermögen fiel entfernten Verwandten zu. **) Ein breites, rundes Brett mit einem Loche in der Mitte, worin der Hals kommt. Der Träger kann dabei mit den Händen nicht nach dem Gesichte kommen. Jdiosin=rasien. Es ist merkwürdig wie viele große Männer an eigenen Antipathien litten, die oft zur Jdiosin=rasie aus- arteten. Heinrich, Herzog von Guise, konnte keine Ro- sen riechen. HeinrichIII. von Frankreich, hatte eine entsetz- liche Aversion gegen Katzen. HeinrichIV. konnte, wie im ahnenden Gefühl, keine zweischneidige Messer leiden, und fühlte schon 14 Tage vor seiner Ermordung Ravaillac's Dolch in seinem Herzen. Heinrich der Vogelsteller haßte die Raub- vögel eben so wie die Hunnen. JohannII. von Moskau, soll bei dem Anblick eines Frauenzimmers das Fieber bekommen haben. – Ob das Kalte oder ein Hitziges, hat sein Biograph nicht angegeben. Der Herzog von Epernon fiel bei dem Anblick eines Kaninchens in Ohnmacht. Wladislaus, König von Polen, bekam Erbre- chen wenn er einen Apfel sah. Carl d. G. konnte keine Eier sehen, ohne drein zu schlagen. Friedrich d. G. mochte die gebornen Berliner nicht leiden. Napoleon waren Frauen in gesegneten Um- ständen zuwider. Lamothe=Lavayer konnte den Ton keines Jn- strumentes vertragen. Laroche=Jaquelin, der Held der Vendee, zitterte bei dem Anblick eines Kaninchens. Tycho de Brahe bekam Knieschlottern wenn er einen jungen Hasen sah. Der Kanzler Baco stürzte bei jeder Mondfin- sterniß bewußtlos zusammen. Erasmus bekam das Fieber, wenn er Fische roch. Scalinger zitterte am ganzen Leibe, wenn er Brunnenkresse sah. CatharinaII. gerieth in Schrecken vor Mäuse. Pabst Leo II. konnte bei dem Anblick von Frö- schen sich der Flüche nicht erwehren. *) Hände und Füße zusammengeschlossen. **) Ein breites, rundes Brett mit einem Loche in der Mitte, worin der Hals kommt. Der Träger kann dabei mit den Händen nicht nach dem Gesichte kommen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

Weitere Informationen:

Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationsblatt03_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationsblatt03_1838/7
Zitationshilfe: Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 3. Burg/Berlin, 1838, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationsblatt03_1838/7>, abgerufen am 21.11.2024.