Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 5. Burg/Berlin, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite
73 Conversations=Blatt. 74

[Abbildung] [Beginn Spaltensatz]
Gibraltar,

(B. M. 1835. V.)

An der Meerenge von Gibraltar, der einzigen
Verbindungsstraße des mittelländischen Meeres, des
größten Binnenmeeres der alten Welt, mit dem at-
landischen Ozean, liegt das gleichnamige Vorgebirge,
welches die südlichste Spitze von Spanien und zugleich
die äußerste Spitze von Europa nach Afrika hin bildet.
Mit dem spanischen Festlande ist es durch eine kurze
und schmale Landenge verbunden. Jhm gegenüber auf
der Küste der Berberei liegt das Vorgebirge von
Ceuta, welches die äußerste Spitze von Afrika nach
Europa hin bildet; beide Vorgebirge waren im Alter-
thum unter dem Namen der Säulen des Herku-
les
berühmt. Es besteht aus einem etwas über eine
halbe deutsche Meile langen und ungefähr ein Fünftel
breiten, zwischen zwölf bis vierzehn hundert Fuß über
den Spiegel der Meerenge und der Bai steil, ja meist
lothrecht emporsteigenden terrassenförmigen Felsen oder
Felsterrassenzuge, dessen höchster Gipfel stets von
Wolken und die niedern von unzähligen Habichten um-
schwebt werden; auf den Zacken und in den Klüften
hausen Makakos oder Seekatzen.

Dieses Felsenvorgebirge bildet seit dem Anfange
des achtzehnten Jahrhunderts, wo es, obschon ein
spanisches Vorland und ein spanisches Bollwerk, in
den Besitz Englands gerieth, welches dessen unermeß-
liche, die Herrschaft auf dem Mittelmeere sichernde
[Spaltenumbruch] Wichtigkeit wohl längst vorher erkannt hatte, eine der
stärksten und unüberwindlichsten Zitadellen des Erdkrei-
ses. Jm südatlantischen Ozean entspricht ihm die
gleich unüberwindliche Jnsel St. Helena, beide die
eigentlichen Horte der englischen Seemacht.

Es ist auf allen Seiten, wo der Felsen nicht
durchaus unzugänglich ist, mit Festungswerken und
Batterien besetzt; vorzüglich ist dies auf der Westseite,
welche von der See her die zugänglichste ist, und ge-
gen welche daher von jeher alle feindlichen Angriffe ge-
richtet worden sind, und auf der nach Spanien zuge-
kehrten Seite der Fall. Die dort angelegten Festungs-
werke sind im wahren Sinne des Wortes unermeßlich.
Die durch Pulvergewalt in den lebendigen Felsen ge-
sprengten Kasematten sind so hoch und weitläuftig,
daß im Fall einer Belagerung die gesammte 6 bis
7000 Mann starke Besatzung darin Platz hat.

Diese Kasematten stehen mittelst eines gleichfalls
unterirdischen, zum Reiten und Fahren eingerichteten
Weges mit allen Batterien der Felsenfeste in Verbin-
dung. Außer diesen künstlichen Gewölben oder Höhlen
befinden sich in dem Felsen auch viele natürliche, wor-
unter die St. Miguelshöhle sich nach einer alten Ueber-
lieferung einem Tunnel gleich unter der zwei Meilen
breiten Meerenge bis nach der gegenüber liegenden
Küste der Berberei erstrecken soll.

Diese angebliche große Längenerstreckung der
Haupthöhle des Vorgebirges wird jedoch von der un-
geheuren Strecke der Aus= und Umsicht, welche die
[Ende Spaltensatz]

73 Conversations=Blatt. 74

[Abbildung] [Beginn Spaltensatz]
Gibraltar,

(B. M. 1835. V.)

An der Meerenge von Gibraltar, der einzigen
Verbindungsstraße des mittelländischen Meeres, des
größten Binnenmeeres der alten Welt, mit dem at-
landischen Ozean, liegt das gleichnamige Vorgebirge,
welches die südlichste Spitze von Spanien und zugleich
die äußerste Spitze von Europa nach Afrika hin bildet.
Mit dem spanischen Festlande ist es durch eine kurze
und schmale Landenge verbunden. Jhm gegenüber auf
der Küste der Berberei liegt das Vorgebirge von
Ceuta, welches die äußerste Spitze von Afrika nach
Europa hin bildet; beide Vorgebirge waren im Alter-
thum unter dem Namen der Säulen des Herku-
les
berühmt. Es besteht aus einem etwas über eine
halbe deutsche Meile langen und ungefähr ein Fünftel
breiten, zwischen zwölf bis vierzehn hundert Fuß über
den Spiegel der Meerenge und der Bai steil, ja meist
lothrecht emporsteigenden terrassenförmigen Felsen oder
Felsterrassenzuge, dessen höchster Gipfel stets von
Wolken und die niedern von unzähligen Habichten um-
schwebt werden; auf den Zacken und in den Klüften
hausen Makakos oder Seekatzen.

Dieses Felsenvorgebirge bildet seit dem Anfange
des achtzehnten Jahrhunderts, wo es, obschon ein
spanisches Vorland und ein spanisches Bollwerk, in
den Besitz Englands gerieth, welches dessen unermeß-
liche, die Herrschaft auf dem Mittelmeere sichernde
[Spaltenumbruch] Wichtigkeit wohl längst vorher erkannt hatte, eine der
stärksten und unüberwindlichsten Zitadellen des Erdkrei-
ses. Jm südatlantischen Ozean entspricht ihm die
gleich unüberwindliche Jnsel St. Helena, beide die
eigentlichen Horte der englischen Seemacht.

Es ist auf allen Seiten, wo der Felsen nicht
durchaus unzugänglich ist, mit Festungswerken und
Batterien besetzt; vorzüglich ist dies auf der Westseite,
welche von der See her die zugänglichste ist, und ge-
gen welche daher von jeher alle feindlichen Angriffe ge-
richtet worden sind, und auf der nach Spanien zuge-
kehrten Seite der Fall. Die dort angelegten Festungs-
werke sind im wahren Sinne des Wortes unermeßlich.
Die durch Pulvergewalt in den lebendigen Felsen ge-
sprengten Kasematten sind so hoch und weitläuftig,
daß im Fall einer Belagerung die gesammte 6 bis
7000 Mann starke Besatzung darin Platz hat.

Diese Kasematten stehen mittelst eines gleichfalls
unterirdischen, zum Reiten und Fahren eingerichteten
Weges mit allen Batterien der Felsenfeste in Verbin-
dung. Außer diesen künstlichen Gewölben oder Höhlen
befinden sich in dem Felsen auch viele natürliche, wor-
unter die St. Miguelshöhle sich nach einer alten Ueber-
lieferung einem Tunnel gleich unter der zwei Meilen
breiten Meerenge bis nach der gegenüber liegenden
Küste der Berberei erstrecken soll.

Diese angebliche große Längenerstreckung der
Haupthöhle des Vorgebirges wird jedoch von der un-
geheuren Strecke der Aus= und Umsicht, welche die
[Ende Spaltensatz]

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0005"/>
      <fw type="header" place="top">73 <hi rendition="#c">Conversations=Blatt.</hi> <hi rendition="#right">74</hi></fw><lb/>
      <figure/>
      <cb type="start" n="73"/>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#fr">Gibraltar,</hi> </head><lb/>
        <argument>
          <p> <hi rendition="#c"> (B. M. 1835. <hi rendition="#aq">V.)</hi></hi> </p>
        </argument><lb/>
        <p>An der Meerenge von <hi rendition="#g">Gibraltar,</hi> der einzigen<lb/>
Verbindungsstraße des mittelländischen Meeres, des<lb/>
größten Binnenmeeres der alten Welt, mit dem at-<lb/>
landischen Ozean, liegt das gleichnamige Vorgebirge,<lb/>
welches die südlichste Spitze von Spanien und zugleich<lb/>
die äußerste Spitze von Europa nach Afrika hin bildet.<lb/>
Mit dem spanischen Festlande ist es durch eine kurze<lb/>
und schmale Landenge verbunden. Jhm gegenüber auf<lb/>
der Küste der Berberei liegt das Vorgebirge von<lb/><hi rendition="#g">Ceuta,</hi> welches die äußerste Spitze von Afrika nach<lb/>
Europa hin bildet; beide Vorgebirge waren im Alter-<lb/>
thum unter dem Namen der <hi rendition="#g">Säulen des Herku-<lb/>
les</hi> berühmt. Es besteht aus einem etwas über eine<lb/>
halbe deutsche Meile langen und ungefähr ein Fünftel<lb/>
breiten, zwischen zwölf bis vierzehn hundert Fuß über<lb/>
den Spiegel der Meerenge und der Bai steil, ja meist<lb/>
lothrecht emporsteigenden terrassenförmigen Felsen oder<lb/>
Felsterrassenzuge, dessen höchster Gipfel stets von<lb/>
Wolken und die niedern von unzähligen Habichten um-<lb/>
schwebt werden; auf den Zacken und in den Klüften<lb/>
hausen Makakos oder Seekatzen.</p><lb/>
        <p>Dieses Felsenvorgebirge bildet seit dem Anfange<lb/>
des achtzehnten Jahrhunderts, wo es, obschon ein<lb/>
spanisches Vorland und ein spanisches Bollwerk, in<lb/>
den Besitz Englands gerieth, welches dessen unermeß-<lb/>
liche, die Herrschaft auf dem Mittelmeere sichernde<lb/><cb n="74"/>
Wichtigkeit wohl längst vorher erkannt hatte, eine der<lb/>
stärksten und unüberwindlichsten Zitadellen des Erdkrei-<lb/>
ses. Jm südatlantischen Ozean entspricht ihm die<lb/>
gleich unüberwindliche Jnsel St. <hi rendition="#g">Helena,</hi> beide die<lb/>
eigentlichen Horte der englischen Seemacht.</p><lb/>
        <p>Es ist auf allen Seiten, wo der Felsen nicht<lb/>
durchaus unzugänglich ist, mit Festungswerken und<lb/>
Batterien besetzt; vorzüglich ist dies auf der Westseite,<lb/>
welche von der See her die zugänglichste ist, und ge-<lb/>
gen welche daher von jeher alle feindlichen Angriffe ge-<lb/>
richtet worden sind, und auf der nach Spanien zuge-<lb/>
kehrten Seite der Fall. Die dort angelegten Festungs-<lb/>
werke sind im wahren Sinne des Wortes unermeßlich.<lb/>
Die durch Pulvergewalt in den lebendigen Felsen ge-<lb/>
sprengten Kasematten sind so hoch und weitläuftig,<lb/>
daß im Fall einer Belagerung die gesammte 6 bis<lb/>
7000 Mann starke Besatzung darin Platz hat.</p><lb/>
        <p>Diese Kasematten stehen mittelst eines gleichfalls<lb/>
unterirdischen, zum Reiten und Fahren eingerichteten<lb/>
Weges mit allen Batterien der Felsenfeste in Verbin-<lb/>
dung. Außer diesen künstlichen Gewölben oder Höhlen<lb/>
befinden sich in dem Felsen auch viele natürliche, wor-<lb/>
unter die St. Miguelshöhle sich nach einer alten Ueber-<lb/>
lieferung einem Tunnel gleich unter der zwei Meilen<lb/>
breiten Meerenge bis nach der gegenüber liegenden<lb/>
Küste der Berberei erstrecken soll.</p><lb/>
        <p>Diese angebliche große Längenerstreckung der<lb/>
Haupthöhle des Vorgebirges wird jedoch von der un-<lb/>
geheuren Strecke der Aus= und Umsicht, welche die<lb/><cb type="end"/>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0005] 73 Conversations=Blatt. 74 [Abbildung] Gibraltar, (B. M. 1835. V.) An der Meerenge von Gibraltar, der einzigen Verbindungsstraße des mittelländischen Meeres, des größten Binnenmeeres der alten Welt, mit dem at- landischen Ozean, liegt das gleichnamige Vorgebirge, welches die südlichste Spitze von Spanien und zugleich die äußerste Spitze von Europa nach Afrika hin bildet. Mit dem spanischen Festlande ist es durch eine kurze und schmale Landenge verbunden. Jhm gegenüber auf der Küste der Berberei liegt das Vorgebirge von Ceuta, welches die äußerste Spitze von Afrika nach Europa hin bildet; beide Vorgebirge waren im Alter- thum unter dem Namen der Säulen des Herku- les berühmt. Es besteht aus einem etwas über eine halbe deutsche Meile langen und ungefähr ein Fünftel breiten, zwischen zwölf bis vierzehn hundert Fuß über den Spiegel der Meerenge und der Bai steil, ja meist lothrecht emporsteigenden terrassenförmigen Felsen oder Felsterrassenzuge, dessen höchster Gipfel stets von Wolken und die niedern von unzähligen Habichten um- schwebt werden; auf den Zacken und in den Klüften hausen Makakos oder Seekatzen. Dieses Felsenvorgebirge bildet seit dem Anfange des achtzehnten Jahrhunderts, wo es, obschon ein spanisches Vorland und ein spanisches Bollwerk, in den Besitz Englands gerieth, welches dessen unermeß- liche, die Herrschaft auf dem Mittelmeere sichernde Wichtigkeit wohl längst vorher erkannt hatte, eine der stärksten und unüberwindlichsten Zitadellen des Erdkrei- ses. Jm südatlantischen Ozean entspricht ihm die gleich unüberwindliche Jnsel St. Helena, beide die eigentlichen Horte der englischen Seemacht. Es ist auf allen Seiten, wo der Felsen nicht durchaus unzugänglich ist, mit Festungswerken und Batterien besetzt; vorzüglich ist dies auf der Westseite, welche von der See her die zugänglichste ist, und ge- gen welche daher von jeher alle feindlichen Angriffe ge- richtet worden sind, und auf der nach Spanien zuge- kehrten Seite der Fall. Die dort angelegten Festungs- werke sind im wahren Sinne des Wortes unermeßlich. Die durch Pulvergewalt in den lebendigen Felsen ge- sprengten Kasematten sind so hoch und weitläuftig, daß im Fall einer Belagerung die gesammte 6 bis 7000 Mann starke Besatzung darin Platz hat. Diese Kasematten stehen mittelst eines gleichfalls unterirdischen, zum Reiten und Fahren eingerichteten Weges mit allen Batterien der Felsenfeste in Verbin- dung. Außer diesen künstlichen Gewölben oder Höhlen befinden sich in dem Felsen auch viele natürliche, wor- unter die St. Miguelshöhle sich nach einer alten Ueber- lieferung einem Tunnel gleich unter der zwei Meilen breiten Meerenge bis nach der gegenüber liegenden Küste der Berberei erstrecken soll. Diese angebliche große Längenerstreckung der Haupthöhle des Vorgebirges wird jedoch von der un- geheuren Strecke der Aus= und Umsicht, welche die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

Weitere Informationen:

Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationsblatt05_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationsblatt05_1836/5
Zitationshilfe: Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 5. Burg/Berlin, 1836, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationsblatt05_1836/5>, abgerufen am 03.12.2024.