Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 31. Burg/Berlin, 1837.483 Conversations=Blatt. 484 [Abbildung] [Beginn Spaltensatz] gelegen, als ich beschloß, mein Glück im Holze zu ver- [Ende Spaltensatz] 483 Conversations=Blatt. 484 [Abbildung] [Beginn Spaltensatz] gelegen, als ich beschloß, mein Glück im Holze zu ver- [Ende Spaltensatz] <TEI> <text> <body> <div type="jArticle" n="1"> <pb facs="#f0004"/> <fw type="header" place="top">483 <hi rendition="#c">Conversations=Blatt.</hi> <hi rendition="#right">484</hi></fw><lb/> <figure/> <cb type="start" n="483"/> <p>gelegen, als ich beschloß, mein Glück im Holze zu ver-<lb/> suchen. Jch war noch nicht weit gegangen, als ich einen<lb/> großen Rehbock auf der Erde liegen sah, der sehr stark<lb/> verwundet zu sein schien. Jch untersuchte ihn und fand<lb/> ihn völlig todt. Er war offenbar die Beute eines ge-<lb/> fräßigen Raubthieres; denn wäre er von den Hunden<lb/> so zerfleischt worden, hätte ich das Bellen derselben ge-<lb/> hört. Jch untersuchte sorgfältig alle Büsche, worein sich<lb/> das Raubthier bei meinem Annähern verborgen haben<lb/> konnte, um dann auch auf mich zu stürzen, aber ich<lb/> fand keine Spur eines Thieres in der Nähe. Jch be-<lb/> trachtete den schönen Hirschbock als meine Beute und<lb/> keine Gefahr bemerkend, hob ich ihn auf, um ihn wei-<lb/> ter ins offene Feld zu tragen, dort ihn abzuziehen und<lb/> zu zertheilen, wie es bei den dortigen Jägern Sitte ist.<lb/> Jch war kaum einige Schritte gegangen, als ich den<lb/> Hirsch ablegte, um auszuruhen – denn es war keine<lb/> Kleinigkeit, das schwere Thier fortzubringen – und<lb/> mich umsehend, erblickte ich zu meinem großen Mißver-<lb/> gnügen nicht weit hinter mir einen ungeheuren Panther,<lb/> der mir langsam nachfolgte. Jch hob den Hirsch wie-<lb/> der auf und ging weiter, nicht ohne mich ängstlich um-<lb/> zusehen, um die Bewegungen meines Verfolgers zu be-<lb/> obachten. Jch blieb stehen, er that dasselbe, und als<lb/> ich wieder fortging, folgte er mir wieder langsam. Jch<lb/> sah ein, daß er seine Ansprüche auf den Hirsch, der<lb/> wahrscheinlich die Beute seiner Wuth war, geltend machte,<lb/> und hielt es daher für das Beste, ihm meine Last zu<lb/> überlassen und ging, den Hirsch abwerfend, fort. Wie<lb/> groß war aber mein Erstaunen, als ich sah, daß er an<lb/><cb n="484"/> dem Hirsche vorbei rannte und im Begriff war, auf<lb/> mich loszustürzen. Jch erkletterte mit großer Mühe,<lb/> – die Angst gab mir unbegreifliche Gewandtheit –<lb/> einen Felsenvorsprung, der mir einige Sicherheit gewährte.<lb/> Das Thier legte sich auf die Vorderpfoten, als ob es<lb/> einen furchtbaren Sprung nach meinem Zufluchtsort wa-<lb/> gen wollte und warf Blicke auf mich, die deutlich seine<lb/> Absichten verriethen. Jch war überzeugt, daß einer von<lb/> uns Beiden als Beute des andern fallen müßte. Jch<lb/> nahm meine Büchse zur Hand – und ich muß beken-<lb/> nen, ich zitterte – und fand es nach vielen Jahren<lb/> zum ersten Male nöthig, das Gewehr aufzulegen. Jch<lb/> zielte auf die Brust des Thieres und drückte ab; es<lb/> stieß ein furchtbares Geheul aus, machte einen ungeheu-<lb/> ren Sprung, so daß es mit den Vorderpfoten bis auf<lb/> den Felsenvorsprung kam, wo ich stand, und stierte mich<lb/> so eine Weile an. Jch sah mich schon in den Klauen<lb/> dieses wüthenden Thieres – da fiel es plötzlich zurück,<lb/> drehte sich mehrmals auf der Erde mit wüthendem Ge-<lb/> heul herum und sank endlich zusammen. Jch hatte es<lb/> zwar in die Brust geschossen, aber die Verzweiflung<lb/> hatte es noch zu dem wüthenden Angriff getrieben. Es<lb/> lag jetzt ruhig da und heulte dumpf; ehe ich es wagte,<lb/> von meinem Zufluchtsort herabzusteigen, ladete ich schnell<lb/> meine Büchse noch einmal und schoß dem Panther die<lb/> Kugel in den Kopf. Dann stieg ich herab und trug<lb/> Hirsch und Panther als Beute nach Hause.</p><lb/> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb type="end"/> </body> </text> </TEI> [0004]
483 Conversations=Blatt. 484
[Abbildung]
gelegen, als ich beschloß, mein Glück im Holze zu ver-
suchen. Jch war noch nicht weit gegangen, als ich einen
großen Rehbock auf der Erde liegen sah, der sehr stark
verwundet zu sein schien. Jch untersuchte ihn und fand
ihn völlig todt. Er war offenbar die Beute eines ge-
fräßigen Raubthieres; denn wäre er von den Hunden
so zerfleischt worden, hätte ich das Bellen derselben ge-
hört. Jch untersuchte sorgfältig alle Büsche, worein sich
das Raubthier bei meinem Annähern verborgen haben
konnte, um dann auch auf mich zu stürzen, aber ich
fand keine Spur eines Thieres in der Nähe. Jch be-
trachtete den schönen Hirschbock als meine Beute und
keine Gefahr bemerkend, hob ich ihn auf, um ihn wei-
ter ins offene Feld zu tragen, dort ihn abzuziehen und
zu zertheilen, wie es bei den dortigen Jägern Sitte ist.
Jch war kaum einige Schritte gegangen, als ich den
Hirsch ablegte, um auszuruhen – denn es war keine
Kleinigkeit, das schwere Thier fortzubringen – und
mich umsehend, erblickte ich zu meinem großen Mißver-
gnügen nicht weit hinter mir einen ungeheuren Panther,
der mir langsam nachfolgte. Jch hob den Hirsch wie-
der auf und ging weiter, nicht ohne mich ängstlich um-
zusehen, um die Bewegungen meines Verfolgers zu be-
obachten. Jch blieb stehen, er that dasselbe, und als
ich wieder fortging, folgte er mir wieder langsam. Jch
sah ein, daß er seine Ansprüche auf den Hirsch, der
wahrscheinlich die Beute seiner Wuth war, geltend machte,
und hielt es daher für das Beste, ihm meine Last zu
überlassen und ging, den Hirsch abwerfend, fort. Wie
groß war aber mein Erstaunen, als ich sah, daß er an
dem Hirsche vorbei rannte und im Begriff war, auf
mich loszustürzen. Jch erkletterte mit großer Mühe,
– die Angst gab mir unbegreifliche Gewandtheit –
einen Felsenvorsprung, der mir einige Sicherheit gewährte.
Das Thier legte sich auf die Vorderpfoten, als ob es
einen furchtbaren Sprung nach meinem Zufluchtsort wa-
gen wollte und warf Blicke auf mich, die deutlich seine
Absichten verriethen. Jch war überzeugt, daß einer von
uns Beiden als Beute des andern fallen müßte. Jch
nahm meine Büchse zur Hand – und ich muß beken-
nen, ich zitterte – und fand es nach vielen Jahren
zum ersten Male nöthig, das Gewehr aufzulegen. Jch
zielte auf die Brust des Thieres und drückte ab; es
stieß ein furchtbares Geheul aus, machte einen ungeheu-
ren Sprung, so daß es mit den Vorderpfoten bis auf
den Felsenvorsprung kam, wo ich stand, und stierte mich
so eine Weile an. Jch sah mich schon in den Klauen
dieses wüthenden Thieres – da fiel es plötzlich zurück,
drehte sich mehrmals auf der Erde mit wüthendem Ge-
heul herum und sank endlich zusammen. Jch hatte es
zwar in die Brust geschossen, aber die Verzweiflung
hatte es noch zu dem wüthenden Angriff getrieben. Es
lag jetzt ruhig da und heulte dumpf; ehe ich es wagte,
von meinem Zufluchtsort herabzusteigen, ladete ich schnell
meine Büchse noch einmal und schoß dem Panther die
Kugel in den Kopf. Dann stieg ich herab und trug
Hirsch und Panther als Beute nach Hause.
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