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Herders Conversations-Lexikon. Bd. 3. Freiburg im Breisgau, 1855.

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russ. Minister Capo d'Istria, einem gebornen Corfioten, gestiftet, angeblich zur Beförderung der Bildung unter den Griechen. Die Fäden dieser Gesellschaft spannen vorzüglich die Fanarioten (die vornehmen Griechen in Konstantinopel selbst) u. sie überzogen damit das Festland u. die Inseln. Das Gelingen des Aufstandes schien keinem Zweifel unterworfen; die Pforte hatte keine disciplinirte Armee, der beste Theil der Flottenmannschaft waren Griechen, auf den Inseln war durchschnittlich kein Türke ansäßig, auf dem Festlande selbst die türk. Bevölkerung vielfach isolirt und nur in einzelnen Landstrichen massenhaft angesiedelt, das Zahlenverhältniß der Christen gegen die Türken in dem europäischen Theile des Reichs jedenfalls wie 3 gegen 1. Allein die sog. Griechen führen diesen gemeinschaftlichen Namen nur als Bekenner einer und derselben Religion, sonst aber sind sie als Walachen, Bulgaren, Rumelioten, Albanesen, Montenegriner, Moreaten etc. durch Sprache, Gesinnung u. Stammverschiedenheit getrennt und selbst gegenseitig verfeindet. Im Frühjahre 1821 überschritten einige Fanarioten (Ypsilanti, Kantucazeno etc.), die in russ. Kriegsdiensten gestanden waren, die Grenze u. proclamirten in den Donaufürstenthümern die Freiheit der Griechen. Sie fanden geringen Anhang, denn die Bojaren (die walachischen Edelleute) hatten bisher von den Türken ungehindert das Land aussaugen dürfen, u. die leibeigenen Bauern fanden in ihrem Schmutze der Armuth noch weniger Beruf, unbewaffnet sich gegen die Türken zu empören, die nur in den wenigen Festungen hausten. Der Aufstand wurde von den Türken ohne Anstrengung niedergeschlagen, die sog. hl. Schaar der Hetäristen den 15. Juni bei Targowitz vernichtet, Alexander Ypsilanti flüchtete nach Ungarn, wo er bis 1827 auf der Bergfeste Munkatsch in Hast gehalten wurde. Die kriegerischen Serben, die allein dem Aufstande einen Halt geben konnten, wollten von demselben nichts wissen, die Bulgaren und christl. Bosnier blieben theilnahmlos, die unsinnige Verschwörung in Konstantinopel selbst hatte die Ermordung des Patriarchen u. die Niedermetzelung von mehr als 10000 Griechen in der Hauptstadt zur Folge, welches Beispiel die türk. Bevölkerung in Adrianopel, Thessalonich, Smyrna etc. mehr od. weniger gräuelhaft nachahmte. Auch die Aufstände in Macedonien u. Thessalien wurden schnell und blutig unterdrückt, dagegen aber leisteten Mittel-G., Morea u. die Inseln, die im Frühjahre und Sommer 1821 die Fahne G.s aufgepflanzt hatten, erfolgreichen Widerstand. Die türk. Bevölkerung auf Morea flüchtete sich in die Küstenfestungen (Navarin, Patras, Modon, Koron, die beiden Napoli), und nach Tripolitza, wo sie beim Sturme am 5. Oktbr. niedergemetzelt wurde. Die Türken behaupteten in Mittel-G. Athen, Arta und Prevesa, sowie alle Festungen auf Euböa. Zu eigentl. Feldzügen u. Treffen kam es während des ganzen Krieges niemals; größere Operationen waren für die Türken in dem gebirgigen, aller Heerstraßen entbehrenden Lande eine Unmöglichkeit, weil sie die nothwendigen Lebensmittel nicht mitführen konnten. Ihre Angriffe beschränkten sich daher auf kurzdauernde Einfälle, bei denen sie gewöhnlich in den Gebirgspässen Verluste erlitten, während die Griechen jedesmal geschlagen wurden, wenn sie sich auf freieres Terrain wagten (so d. 16. Juli 1822 bei Peta, wo die meisten Philhellenen umkamen). Die Griechen waren noch weniger als die Türken im Stande einen festen Platz zu nehmen, da sie zum Sturme nicht den Muth, zur Belagerung keine Artillerie hatten, sie bemächtigten sich der türk. Festungen durch Aushungerung (Athen, Korinth, beide Napoli, Navarin), mit Modon, Koron u. Patras gelang es ihnen aber nicht, weil diese von dem Kapudan Pascha verproviantirt wurden. Die türk. Flotte spielte im Ganzen eine erbärmliche Rolle; einen Kampf mit ihren Linienschiffen u. schweren Fregatten vermieden die Griechen, deren leichte Schiffe meistens nur Sechspfünder führten, mit der größten Vorsicht, dagegen ängstigten sie den Kapudan Pascha durch ihre Brander dergestalt, daß er sich jedesmal hinter die Dardanellen barg, wenn er die Seeplätze

russ. Minister Capo dʼIstria, einem gebornen Corfioten, gestiftet, angeblich zur Beförderung der Bildung unter den Griechen. Die Fäden dieser Gesellschaft spannen vorzüglich die Fanarioten (die vornehmen Griechen in Konstantinopel selbst) u. sie überzogen damit das Festland u. die Inseln. Das Gelingen des Aufstandes schien keinem Zweifel unterworfen; die Pforte hatte keine disciplinirte Armee, der beste Theil der Flottenmannschaft waren Griechen, auf den Inseln war durchschnittlich kein Türke ansäßig, auf dem Festlande selbst die türk. Bevölkerung vielfach isolirt und nur in einzelnen Landstrichen massenhaft angesiedelt, das Zahlenverhältniß der Christen gegen die Türken in dem europäischen Theile des Reichs jedenfalls wie 3 gegen 1. Allein die sog. Griechen führen diesen gemeinschaftlichen Namen nur als Bekenner einer und derselben Religion, sonst aber sind sie als Walachen, Bulgaren, Rumelioten, Albanesen, Montenegriner, Moreaten etc. durch Sprache, Gesinnung u. Stammverschiedenheit getrennt und selbst gegenseitig verfeindet. Im Frühjahre 1821 überschritten einige Fanarioten (Ypsilanti, Kantucazeno etc.), die in russ. Kriegsdiensten gestanden waren, die Grenze u. proclamirten in den Donaufürstenthümern die Freiheit der Griechen. Sie fanden geringen Anhang, denn die Bojaren (die walachischen Edelleute) hatten bisher von den Türken ungehindert das Land aussaugen dürfen, u. die leibeigenen Bauern fanden in ihrem Schmutze der Armuth noch weniger Beruf, unbewaffnet sich gegen die Türken zu empören, die nur in den wenigen Festungen hausten. Der Aufstand wurde von den Türken ohne Anstrengung niedergeschlagen, die sog. hl. Schaar der Hetäristen den 15. Juni bei Targowitz vernichtet, Alexander Ypsilanti flüchtete nach Ungarn, wo er bis 1827 auf der Bergfeste Munkatsch in Hast gehalten wurde. Die kriegerischen Serben, die allein dem Aufstande einen Halt geben konnten, wollten von demselben nichts wissen, die Bulgaren und christl. Bosnier blieben theilnahmlos, die unsinnige Verschwörung in Konstantinopel selbst hatte die Ermordung des Patriarchen u. die Niedermetzelung von mehr als 10000 Griechen in der Hauptstadt zur Folge, welches Beispiel die türk. Bevölkerung in Adrianopel, Thessalonich, Smyrna etc. mehr od. weniger gräuelhaft nachahmte. Auch die Aufstände in Macedonien u. Thessalien wurden schnell und blutig unterdrückt, dagegen aber leisteten Mittel-G., Morea u. die Inseln, die im Frühjahre und Sommer 1821 die Fahne G.s aufgepflanzt hatten, erfolgreichen Widerstand. Die türk. Bevölkerung auf Morea flüchtete sich in die Küstenfestungen (Navarin, Patras, Modon, Koron, die beiden Napoli), und nach Tripolitza, wo sie beim Sturme am 5. Oktbr. niedergemetzelt wurde. Die Türken behaupteten in Mittel-G. Athen, Arta und Prevesa, sowie alle Festungen auf Euböa. Zu eigentl. Feldzügen u. Treffen kam es während des ganzen Krieges niemals; größere Operationen waren für die Türken in dem gebirgigen, aller Heerstraßen entbehrenden Lande eine Unmöglichkeit, weil sie die nothwendigen Lebensmittel nicht mitführen konnten. Ihre Angriffe beschränkten sich daher auf kurzdauernde Einfälle, bei denen sie gewöhnlich in den Gebirgspässen Verluste erlitten, während die Griechen jedesmal geschlagen wurden, wenn sie sich auf freieres Terrain wagten (so d. 16. Juli 1822 bei Peta, wo die meisten Philhellenen umkamen). Die Griechen waren noch weniger als die Türken im Stande einen festen Platz zu nehmen, da sie zum Sturme nicht den Muth, zur Belagerung keine Artillerie hatten, sie bemächtigten sich der türk. Festungen durch Aushungerung (Athen, Korinth, beide Napoli, Navarin), mit Modon, Koron u. Patras gelang es ihnen aber nicht, weil diese von dem Kapudan Pascha verproviantirt wurden. Die türk. Flotte spielte im Ganzen eine erbärmliche Rolle; einen Kampf mit ihren Linienschiffen u. schweren Fregatten vermieden die Griechen, deren leichte Schiffe meistens nur Sechspfünder führten, mit der größten Vorsicht, dagegen ängstigten sie den Kapudan Pascha durch ihre Brander dergestalt, daß er sich jedesmal hinter die Dardanellen barg, wenn er die Seeplätze

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[146/0147] russ. Minister Capo dʼIstria, einem gebornen Corfioten, gestiftet, angeblich zur Beförderung der Bildung unter den Griechen. Die Fäden dieser Gesellschaft spannen vorzüglich die Fanarioten (die vornehmen Griechen in Konstantinopel selbst) u. sie überzogen damit das Festland u. die Inseln. Das Gelingen des Aufstandes schien keinem Zweifel unterworfen; die Pforte hatte keine disciplinirte Armee, der beste Theil der Flottenmannschaft waren Griechen, auf den Inseln war durchschnittlich kein Türke ansäßig, auf dem Festlande selbst die türk. Bevölkerung vielfach isolirt und nur in einzelnen Landstrichen massenhaft angesiedelt, das Zahlenverhältniß der Christen gegen die Türken in dem europäischen Theile des Reichs jedenfalls wie 3 gegen 1. Allein die sog. Griechen führen diesen gemeinschaftlichen Namen nur als Bekenner einer und derselben Religion, sonst aber sind sie als Walachen, Bulgaren, Rumelioten, Albanesen, Montenegriner, Moreaten etc. durch Sprache, Gesinnung u. Stammverschiedenheit getrennt und selbst gegenseitig verfeindet. Im Frühjahre 1821 überschritten einige Fanarioten (Ypsilanti, Kantucazeno etc.), die in russ. Kriegsdiensten gestanden waren, die Grenze u. proclamirten in den Donaufürstenthümern die Freiheit der Griechen. Sie fanden geringen Anhang, denn die Bojaren (die walachischen Edelleute) hatten bisher von den Türken ungehindert das Land aussaugen dürfen, u. die leibeigenen Bauern fanden in ihrem Schmutze der Armuth noch weniger Beruf, unbewaffnet sich gegen die Türken zu empören, die nur in den wenigen Festungen hausten. Der Aufstand wurde von den Türken ohne Anstrengung niedergeschlagen, die sog. hl. Schaar der Hetäristen den 15. Juni bei Targowitz vernichtet, Alexander Ypsilanti flüchtete nach Ungarn, wo er bis 1827 auf der Bergfeste Munkatsch in Hast gehalten wurde. Die kriegerischen Serben, die allein dem Aufstande einen Halt geben konnten, wollten von demselben nichts wissen, die Bulgaren und christl. Bosnier blieben theilnahmlos, die unsinnige Verschwörung in Konstantinopel selbst hatte die Ermordung des Patriarchen u. die Niedermetzelung von mehr als 10000 Griechen in der Hauptstadt zur Folge, welches Beispiel die türk. Bevölkerung in Adrianopel, Thessalonich, Smyrna etc. mehr od. weniger gräuelhaft nachahmte. Auch die Aufstände in Macedonien u. Thessalien wurden schnell und blutig unterdrückt, dagegen aber leisteten Mittel-G., Morea u. die Inseln, die im Frühjahre und Sommer 1821 die Fahne G.s aufgepflanzt hatten, erfolgreichen Widerstand. Die türk. Bevölkerung auf Morea flüchtete sich in die Küstenfestungen (Navarin, Patras, Modon, Koron, die beiden Napoli), und nach Tripolitza, wo sie beim Sturme am 5. Oktbr. niedergemetzelt wurde. Die Türken behaupteten in Mittel-G. Athen, Arta und Prevesa, sowie alle Festungen auf Euböa. Zu eigentl. Feldzügen u. Treffen kam es während des ganzen Krieges niemals; größere Operationen waren für die Türken in dem gebirgigen, aller Heerstraßen entbehrenden Lande eine Unmöglichkeit, weil sie die nothwendigen Lebensmittel nicht mitführen konnten. Ihre Angriffe beschränkten sich daher auf kurzdauernde Einfälle, bei denen sie gewöhnlich in den Gebirgspässen Verluste erlitten, während die Griechen jedesmal geschlagen wurden, wenn sie sich auf freieres Terrain wagten (so d. 16. Juli 1822 bei Peta, wo die meisten Philhellenen umkamen). Die Griechen waren noch weniger als die Türken im Stande einen festen Platz zu nehmen, da sie zum Sturme nicht den Muth, zur Belagerung keine Artillerie hatten, sie bemächtigten sich der türk. Festungen durch Aushungerung (Athen, Korinth, beide Napoli, Navarin), mit Modon, Koron u. Patras gelang es ihnen aber nicht, weil diese von dem Kapudan Pascha verproviantirt wurden. Die türk. Flotte spielte im Ganzen eine erbärmliche Rolle; einen Kampf mit ihren Linienschiffen u. schweren Fregatten vermieden die Griechen, deren leichte Schiffe meistens nur Sechspfünder führten, mit der größten Vorsicht, dagegen ängstigten sie den Kapudan Pascha durch ihre Brander dergestalt, daß er sich jedesmal hinter die Dardanellen barg, wenn er die Seeplätze

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Zitationshilfe: Herders Conversations-Lexikon. Bd. 3. Freiburg im Breisgau, 1855, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationslexikon03_1855/147>, abgerufen am 23.11.2024.