[Braunschweig-Wolfenbüttel, Herzog Julius von]: Corpus Doctrinae, Das ist/ Die Summa/ Form und Fürbilde der reinen Christlichen Lehre/ aus der heiligen Göttlichen Schrifft der Propheten und Aposteln zusammen gezogen. Helmstedt, 1603.DEn XVIII. Artickel nemen die Widersacher an / vom Freyen Willen / wiewol sie etliche Sprüche der Schrifft anziehen / die sich zu der Sache nicht reimen / Auch machen sie ein gros geschrey dauon / daß man den Freyen Willen nicht solle zu hoch heben / wie die Pelagianer / So sol man jhm nicht zu viel nehmen / mit den Manicheern / ja alles wol geredt. Was ist aber für vnterscheid zwischen den Pelagianern / vnd vnsern Wiedersachern? So sie beyde lehren / daß die Menschen ohne den heiligen Geist können Gott lieben / Gottes Gebot halten / quo ad substantiam actuum, das ist / Die Werck können sie thun durch Natürlich Vernunfft / ohn den heiligen Geist / dadurch sie die Gnade Gottes verdienen. Wie viel vnzehlich Irrthumb erfolgen aus dieser Pelagianischen Lehre / die sie gleichwol in jhren Schulen gar starck treiben / vnd predigen. Dieselbigen Irrthumb wiederficht Augustinus aus Paulo auffs hefftigest / welchs meynung wir oben de Iustificatione gesetzt. Vnd wir sagen auch / daß die Vernunfft etlicher maß einen Freyen Willen hat. Denn in den dingen / welche mit der Vernunfft zu fassen / zu begreiffen seyn / haben wir einen Freyen Willen. Es ist etlicher maß in vns ein vermügen / eusserlich erbar zu leben / von Gott zu reden / ein eusserlichen Gottesdienst / oder heilig Geberde zu erzeigen / Obrigkeit vnd Eltern zu gehorchen / nicht stelen / nicht tödten. Denn dieweil nach Adams Fall / gleichwol bleibet die Natürlich Vernunfft / daß ich Böses vnd Gutes kenne in den dingen / die mit Sinnen vnd Vernunfft zu begreiffen seyn / So ist auch etlicher massen vnsers Freyen Willen vermügen / Erbar oder vnerbar zuleben. Das nennet die heilige Schrifft die Gerechtigkeit des Gesetzs oder Fleisch / welche die Vernunfft etlicher maß vermag / ohne den heiligen Geist / wiewol die angeborne böse Lust so gewaltig ist / daß die Menschen öffter denselben folgen / denn der Vernunfft / vnd der Teuffel / welcher / wie Paulus sagt / krefftiglich wircket / in den Gottlosen / reitzet ohn vnterlaß die arme / schwache Natur zu allen Sünden. Vnd das ist die Vrsache / warumb auch wenig der Natürlichen Vernunfft nach / ein erbar Leben führen / wie wir sehen / daß auch wenig Philosophi, welche doch darnach hefftig sich bemühet / ein Erbar / eusserlich Leben recht geführt haben. Das ist aber falsch vnd erticht / daß die jenigen solten ohne Sünde seyn / die solche Werck thun / ausserhalben der Gnaden / Oder / daß solche gute Wercke de congruo Vergebung der Sünde vnd Gnade verdienen solten. Denn solche Hertzen / die ohn den Heiligen Geist seyn / die sind ohne GOttes Furcht / ohn Glauben / Vertrawen / gleuben nicht / daß Gott sie erhöre / daß Er DEn XVIII. Artickel nemen die Widersacher an / vom Freyen Willen / wiewol sie etliche Sprüche der Schrifft anziehen / die sich zu der Sache nicht reimen / Auch machen sie ein gros geschrey dauon / daß man den Freyen Willen nicht solle zu hoch heben / wie die Pelagianer / So sol man jhm nicht zu viel nehmen / mit den Manicheern / ja alles wol geredt. Was ist aber für vnterscheid zwischen den Pelagianern / vnd vnsern Wiedersachern? So sie beyde lehren / daß die Menschen ohne den heiligen Geist können Gott lieben / Gottes Gebot halten / quò ad substantiam actuum, das ist / Die Werck können sie thun durch Natürlich Vernunfft / ohn den heiligen Geist / dadurch sie die Gnade Gottes verdienen. Wie viel vnzehlich Irrthumb erfolgen aus dieser Pelagianischen Lehre / die sie gleichwol in jhren Schulen gar starck treiben / vnd predigen. Dieselbigen Irrthumb wiederficht Augustinus aus Paulo auffs hefftigest / welchs meynung wir oben de Iustificatione gesetzt. Vnd wir sagen auch / daß die Vernunfft etlicher maß einen Freyen Willen hat. Deñ in den dingen / welche mit der Vernunfft zu fassen / zu begreiffen seyn / haben wir einen Freyen Willen. Es ist etlicher maß in vns ein vermügen / eusserlich erbar zu leben / von Gott zu reden / ein eusserlichen Gottesdienst / oder heilig Geberde zu erzeigen / Obrigkeit vnd Eltern zu gehorchen / nicht stelen / nicht tödten. Denn dieweil nach Adams Fall / gleichwol bleibet die Natürlich Vernunfft / daß ich Böses vnd Gutes kenne in den dingen / die mit Sinnen vnd Vernunfft zu begreiffen seyn / So ist auch etlicher massen vnsers Freyen Willen vermügen / Erbar oder vnerbar zuleben. Das nennet die heilige Schrifft die Gerechtigkeit des Gesetzs oder Fleisch / welche die Vernunfft etlicher maß vermag / ohne den heiligen Geist / wiewol die angeborne böse Lust so gewaltig ist / daß die Menschen öffter denselben folgen / deñ der Vernunfft / vnd der Teuffel / welcher / wie Paulus sagt / krefftiglich wircket / in den Gottlosen / reitzet ohn vnterlaß die arme / schwache Natur zu allen Sünden. Vnd das ist die Vrsache / warumb auch wenig der Natürlichen Vernunfft nach / ein erbar Leben führen / wie wir sehen / daß auch wenig Philosophi, welche doch darnach hefftig sich bemühet / ein Erbar / eusserlich Leben recht geführt haben. Das ist aber falsch vnd erticht / daß die jenigen solten ohne Sünde seyn / die solche Werck thun / ausserhalben der Gnaden / Oder / daß solche gute Wercke de congruo Vergebung der Sünde vnd Gnade verdienen solten. 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DEn XVIII. Artickel nemen die Widersacher an / vom Freyen Willen / wiewol sie etliche Sprüche der Schrifft anziehen / die sich zu der Sache nicht reimen / Auch machen sie ein gros geschrey dauon / daß man den Freyen Willen nicht solle zu hoch heben / wie die Pelagianer / So sol man jhm nicht zu viel nehmen / mit den Manicheern / ja alles wol geredt. Was ist aber für vnterscheid zwischen den Pelagianern / vnd vnsern Wiedersachern? So sie beyde lehren / daß die Menschen ohne den heiligen Geist können Gott lieben / Gottes Gebot halten / quò ad substantiam actuum, das ist / Die Werck können sie thun durch Natürlich Vernunfft / ohn den heiligen Geist / dadurch sie die Gnade Gottes verdienen.
Wie viel vnzehlich Irrthumb erfolgen aus dieser Pelagianischen Lehre / die sie gleichwol in jhren Schulen gar starck treiben / vnd predigen. Dieselbigen Irrthumb wiederficht Augustinus aus Paulo auffs hefftigest / welchs meynung wir oben de Iustificatione gesetzt. Vnd wir sagen auch / daß die Vernunfft etlicher maß einen Freyen Willen hat. Deñ in den dingen / welche mit der Vernunfft zu fassen / zu begreiffen seyn / haben wir einen Freyen Willen. Es ist etlicher maß in vns ein vermügen / eusserlich erbar zu leben / von Gott zu reden / ein eusserlichen Gottesdienst / oder heilig Geberde zu erzeigen / Obrigkeit vnd Eltern zu gehorchen / nicht stelen / nicht tödten.
Denn dieweil nach Adams Fall / gleichwol bleibet die Natürlich Vernunfft / daß ich Böses vnd Gutes kenne in den dingen / die mit Sinnen vnd Vernunfft zu begreiffen seyn / So ist auch etlicher massen vnsers Freyen Willen vermügen / Erbar oder vnerbar zuleben. Das nennet die heilige Schrifft die Gerechtigkeit des Gesetzs oder Fleisch / welche die Vernunfft etlicher maß vermag / ohne den heiligen Geist / wiewol die angeborne böse Lust so gewaltig ist / daß die Menschen öffter denselben folgen / deñ der Vernunfft / vnd der Teuffel / welcher / wie Paulus sagt / krefftiglich wircket / in den Gottlosen / reitzet ohn vnterlaß die arme / schwache Natur zu allen Sünden.
Vnd das ist die Vrsache / warumb auch wenig der Natürlichen Vernunfft nach / ein erbar Leben führen / wie wir sehen / daß auch wenig Philosophi, welche doch darnach hefftig sich bemühet / ein Erbar / eusserlich Leben recht geführt haben. Das ist aber falsch vnd erticht / daß die jenigen solten ohne Sünde seyn / die solche Werck thun / ausserhalben der Gnaden / Oder / daß solche gute Wercke de congruo Vergebung der Sünde vnd Gnade verdienen solten. Deñ solche Hertzen / die ohn den Heiligen Geist seyn / die sind ohne GOttes Furcht / ohn Glauben / Vertrawen / gleuben nicht / daß Gott sie erhöre / daß Er
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