Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 1069, Czernowitz, 06.08.1907.Czernowitzer Allgemeine Zeitung. 6. August 1907 [Spaltenumbruch] Vom Tage. Czernowitz, 15. August. Fürst Ferdinand von Bulgarien in Ischl. Eine kleine, aber durchaus nicht ganz bedeutungslose Ischl, 4. August. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.") Der Die Entrevue von Swinemünde. Die Berichterstattung über die Entrevue von Swine- Der Sonntag. Sinemünde, 4. August. (Tel, der "Cz. Allg. Ztg.") Heut Vormittags fand auf den "Hohenzollern" ein Gottes- Auszeichnungen. Swinemünde, 4. August. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.") Kaiser Wilhelm hat dem Gefolge des Zaren zahlreiche Die Ruthenen. Lemberg, 4. August. Der altruthenische Abgeordnete Die Deutschenhetze in Südtirol. Neue Ausschreitungen. Innsbruck, 4. August. Aus Südtirol werden neue Aeußerungen der polnischen Presse. Lemberg, 4. August. Die polnischen Blätter Galiziens Hundstagsphantasien. Wien, 4. August. Bezüglich einer Petersburger Meldung Der polnische Schulkampf in Preußen. Der Kampf der Polen in östlichen Provinzen Preußens Posen, 4. August. Die "Gazeta Grudziadzka" schreibt: Aus Rußland. Das Kronstädter Komplott. Petersburg, 4. August. (Tei. d. "Cz. Allg. Ztg.") Durch den Spruch des Kriegsgerichtes in Angelegenheit der Die neue Reichsduma. [P]etersburg, 4. August. Trotz der unklaren politischen Die Vorgänge in Marokko. Die nächsten Schritte Frankreichs und Spaniens in [Spaltenumbruch] Gerade, als der Straßenbahnwagen anhalten w[o]llte, weil Das war wie Feuer auf Pulver. Alle Anwesenden sympatisierten mit den Streikern. Keine "Schnell," rief der Fahrer dem Mädchen zu, "verstecken Annie kauerte bereits zwischen den Sitzen nieder. Ueber ihr krachte etwas, und ein Stein fiel auf ihren Der Schaffner hatte sich flach hinter ihr auf den Boden Jetzt stieß der Fahrer einen Strolch hinunter, der auf- Er hatte den Führer -- mitten zwischen den Augen Sie sah seine Hände am Rad beben und das rote Blut Sie sprang auf und hinaus, zog den Verletzten so unge- Vor Ueberraschung verhielt sich der Mob einige Sekunden "Aus dem Weg dort," rief sie mit ihrer hohen Mädchen- Es schien sie aus ihrer Erstarrung zu wecken. "Halt's Maul!" schrie eine Stimme. "Es ist nur ein Ein Stein sauste dicht an ihrem Kops vorüber. Sie "Fort, fort," rief sie noch einmal. "Wenn einer zu Und ohne ein weiteres Wort drehte sie das Rad herum, Sie sah, daß ein paar Leute fielen, aber keiner kam Nicht hinter sich wagte sie zu blicken. Wenn der Fahrer Vor der Redaktion war eine Haltestelle. An die anderen Nun sing sie an zu schluchzen und Tränen traten ihr in Da hörte sie ihren Namen rufen und sah jemand neben Mechanisch drehte sie an der Bremsvorrichtung, die "Fräulein Meister, Annie, stammelte er, "um Himmels- Statt aller Antwort deutete sie auf den wimmernden "Sie -- sie wollten ihn töten," sagte sie mit schriller "Hier ist das Bild, Herr Lauten," murmelte sie beinahe "Nun?" konnte er sich nicht enthalten den Freund zu "Du," erwiderte der andere zögernd, und sein Blick Czernowitzer Allgemeine Zeitung. 6. Auguſt 1907 [Spaltenumbruch] Vom Tage. Czernowitz, 15. Auguſt. Fürſt Ferdinand von Bulgarien in Iſchl. Eine kleine, aber durchaus nicht ganz bedeutungsloſe Iſchl, 4. Auguſt. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Der Die Entrevue von Swinemünde. Die Berichterſtattung über die Entrevue von Swine- Der Sonntag. Sinemünde, 4. Auguſt. (Tel, der „Cz. Allg. Ztg.“) Heut Vormittags fand auf den „Hohenzollern“ ein Gottes- Auszeichnungen. Swinemünde, 4. Auguſt. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Kaiſer Wilhelm hat dem Gefolge des Zaren zahlreiche Die Ruthenen. Lemberg, 4. Auguſt. Der altrutheniſche Abgeordnete Die Deutſchenhetze in Südtirol. Neue Ausſchreitungen. Innsbruck, 4. Auguſt. Aus Südtirol werden neue Aeußerungen der polniſchen Preſſe. Lemberg, 4. Auguſt. Die polniſchen Blätter Galiziens Hundstagsphantaſien. Wien, 4. Auguſt. Bezüglich einer Petersburger Meldung Der polniſche Schulkampf in Preußen. Der Kampf der Polen in öſtlichen Provinzen Preußens Poſen, 4. Auguſt. Die „Gazeta Grudziadzka“ ſchreibt: Aus Rußland. Das Kronſtädter Komplott. Petersburg, 4. Auguſt. (Tei. d. „Cz. Allg. Ztg.“) Durch den Spruch des Kriegsgerichtes in Angelegenheit der Die neue Reichsduma. [P]etersburg, 4. Auguſt. Trotz der unklaren politiſchen Die Vorgänge in Marokko. Die nächſten Schritte Frankreichs und Spaniens in [Spaltenumbruch] Gerade, als der Straßenbahnwagen anhalten w[o]llte, weil Das war wie Feuer auf Pulver. Alle Anweſenden ſympatiſierten mit den Streikern. Keine „Schnell,“ rief der Fahrer dem Mädchen zu, „verſtecken Annie kauerte bereits zwiſchen den Sitzen nieder. Ueber ihr krachte etwas, und ein Stein fiel auf ihren Der Schaffner hatte ſich flach hinter ihr auf den Boden Jetzt ſtieß der Fahrer einen Strolch hinunter, der auf- Er hatte den Führer — mitten zwiſchen den Augen Sie ſah ſeine Hände am Rad beben und das rote Blut Sie ſprang auf und hinaus, zog den Verletzten ſo unge- Vor Ueberraſchung verhielt ſich der Mob einige Sekunden „Aus dem Weg dort,“ rief ſie mit ihrer hohen Mädchen- Es ſchien ſie aus ihrer Erſtarrung zu wecken. „Halt’s Maul!“ ſchrie eine Stimme. „Es iſt nur ein Ein Stein ſauſte dicht an ihrem Kopſ vorüber. Sie „Fort, fort,“ rief ſie noch einmal. „Wenn einer zu Und ohne ein weiteres Wort drehte ſie das Rad herum, Sie ſah, daß ein paar Leute fielen, aber keiner kam Nicht hinter ſich wagte ſie zu blicken. Wenn der Fahrer Vor der Redaktion war eine Halteſtelle. An die anderen Nun ſing ſie an zu ſchluchzen und Tränen traten ihr in Da hörte ſie ihren Namen rufen und ſah jemand neben Mechaniſch drehte ſie an der Bremsvorrichtung, die „Fräulein Meiſter, Annie, ſtammelte er, „um Himmels- Statt aller Antwort deutete ſie auf den wimmernden „Sie — ſie wollten ihn töten,“ ſagte ſie mit ſchriller „Hier iſt das Bild, Herr Lauten,“ murmelte ſie beinahe „Nun?“ konnte er ſich nicht enthalten den Freund zu „Du,“ erwiderte der andere zögernd, und ſein Blick <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0002" n="2"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Czernowitzer Allgemeine Zeitung. 6. Auguſt 1907</hi> </fw><lb/> <cb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#aq">Vom Tage.</hi> </hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#g">Czernowitz,</hi> 15. Auguſt.</dateline><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Fürſt Ferdinand von Bulgarien in Iſchl.</hi> </head><lb/> <p>Eine kleine, aber durchaus nicht ganz bedeutungsloſe<lb/> Monarchenentrevue hat ſich geſtern in Iſchl vollzogen. Fürſt<lb/><hi rendition="#g">Ferdinand</hi> von <hi rendition="#g">Bulgarien</hi> iſt bei Kaiſer <hi rendition="#g">Franz<lb/> Joſeph</hi> in Audienz erſchienen. Fürſt Ferdinand gehört zwar<lb/> unter den Herrſchern Europas zu den <hi rendition="#aq">dii minorum gentium,</hi><lb/> in den Balkanfragen aber, bezüglich deren erſt kürzlich in<lb/> Deſio ein neues Uebereinkommen erzielt worden iſt, dem<lb/> nunmehr auch England beitreten wird, iſt Fürſt Ferdinand<lb/> und ſein Land von beſonderer Bedeutung, denn Bulgarien<lb/> iſt nicht unſchuldig daran, daß die Bandenbewegung auf dem<lb/> Balkan in letzter Zeit beſorgniserregende Dimenſionen ange-<lb/> nommen hat. Es iſt alſo anzunehmen, daß die Ausſprache<lb/> zwiſchen Kaiſer Franz Joſeph und dem Fürſten F<supplied>e</supplied>rdinand<lb/> den Balkanfragen gegolten hat und, da den Fürſten von<lb/> Bulgarien an den engliſchen Hof verwandſchaftliche Beziehungen<lb/> knüpfen, auch mit dem bevorſtehenden Beſuche König <hi rendition="#g">Eduards</hi><lb/> in Iſchl zuſammenhängt. — Ein Telegramm meldet dazu:</p><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">Iſchl,</hi> 4. Auguſt.</dateline> <bibl>(Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)</bibl> <p>Der<lb/><hi rendition="#g">Kaiſer</hi> empfieng heute den Fürſten <hi rendition="#g">Ferdinand</hi> von<lb/> Bulgarien in einſtündiger Audienz und ſtattete ihm ſpäter<lb/> einen faſt halbſtündigen Beſuch ab. 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Außerdem hat Kaiſer Wilhelm dem Miniſter des<lb/> Aeußern Iswolski und dem Miniſter des kaiſerlichen Hofes,<lb/> Baron Fredericks, wertvolle Doſen und dem General Tatiſcht-<lb/> ſchew ſein Bild mit ſeiner Unterſchrift zum Geſchenk gemacht.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Die Ruthenen.</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">Lemberg,</hi> 4. Auguſt.</dateline> <p>Der altrutheniſche Abgeordnete<lb/><hi rendition="#g">Kurylowicz</hi> iſt infolge des bekannten Beſchluſſes der<lb/> altrutheniſchen Vertrauensmänner aus dem Ruthenenklub<lb/> ausgetreten. Die beiden anderen Altruthenen, Pater <hi rendition="#g">Dawydiak</hi><lb/> und Dr. <hi rendition="#g">Korol,</hi> die bisher dem Ruthenenklub angehörten,<lb/> haben beſchloſſen, ſich an ihre Wähler zu wenden, um deren<lb/> Meinung über den Ruthenenklub kennen zu lernen. Die erſte<lb/> Wählerverſammlung fand in Zolkiew ſtatt, zu der achtzig<lb/> Vertrauensmänner erſchienen waren. Sie forderten Korol auf,<lb/> aus dem Ruthenenklub <hi rendition="#g">auszutreten.</hi> Dieſer aber<lb/><cb/> <hi rendition="#g">weigerte ſich</hi> entſchieden, der Aufforderung Folge<lb/> zu leiſten, weil er niemals ein Ruſſe geweſen ſei: er bleibe<lb/> bis zu ſeinem Tode ein Ruthene. Er könne nicht mit<lb/> Markow zuſammengehen, falls er aber gezwungen werden<lb/> ſollte, aus dem Ruthenenklub auszutreten, ſo wolle er ſich<lb/> überhaupt keiner Partei anſchließen. Dieſe Erklärung rief<lb/> unter den Vertrauensmännern <hi rendition="#g">große Entrüſtung</hi><lb/> hervor, die ſich in heftigen Worten gegen Korol äußerten.<lb/> Gleichzeitig fand eine rutheniſche Verſammlung ſtatt, in<lb/> welcher dem Abg. <hi rendition="#g">Markow</hi> die <hi rendition="#g">Mißbilligung</hi> aus-<lb/> geſchprocheu wurde.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Die Deutſchenhetze in Südtirol.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#g">Neue Ausſchreitungen.</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">Innsbruck,</hi> 4. Auguſt.</dateline> <p>Aus Südtirol werden neue<lb/> Gewalttaten gemeldet. Ein Mann, der die nach Perſen ge-<lb/> liehenen Fahnen in öſterreichiſchen und tiroliſchen Farben<lb/> zurückbringen ſollte, wurde von einer Italienerhorde überfallen<lb/> und die Fahnen geraubt. Ein anderer Deutſcher, der nach<lb/> Perſen fuhr, wurde angehalten. Man fiel dem Pferd in<lb/> die Zügel und zwang den Wagen zur Umkehr. Der Reiſende<lb/> wurde inſultiert. Unter den Demonſtranten befanden ſich<lb/> angeſehene Bürger von Trient.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#g">Aeußerungen der polniſchen Preſſe.</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">Lemberg,</hi> 4. Auguſt.</dateline> <p>Die polniſchen Blätter Galiziens<lb/> veröffentlichen Artikel über die Vorgänge in Perſen und<lb/> Calliano, in welchen die polniſchen Abgeordneten aufgefordert<lb/> werden, an die öſterreichiſche Regierung das Verlangen zu<lb/> ſtellen, das Profeſſor Edgar Meyer und andere preußiſche<lb/> Agitatoren, welche mit ihrer Propaganda die friedliche Be-<lb/> völkerung im Trienter Gebiet beunruhigen, ausgewieſen<lb/> werden. Die Polen fordern die Ausweiſungeu als Repreſſalien<lb/> gegen die häufigen Ausweiſungen polniſcher Bürger aus<lb/> Preußen.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Hundstagsphantaſien.</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">Wien,</hi> 4. Auguſt.</dateline> <p>Bezüglich einer Petersburger Meldung<lb/> der „Times“, daß die öſterreichiſche Diplomatie ſeit einiger<lb/> Zeit bemüht ſei, ein neues Dreikaiſerbündnis zu gründen,<lb/> deſſen Zweck darin beſtehe, für die Dreikaiſermächte das<lb/> Monopol eines politiſchen Einfluſſes im nahen Orient zu be-<lb/> gründen, bemerkt man an hieſiger unterrichteter Stelle, dieſer<lb/> Artikel der „Times“ werde am beſten durch die Tatſache<lb/> widerlegt, daß König Eduard binnen kurzem mit Kaiſer<lb/> Franz Joſeph in Iſchl zuſammenkommen und daß bei dieſer<lb/> Gelegenheit auch Baron <hi rendition="#g">Aehrenthal</hi> und der engliſche<lb/> Staatsſekretär Sir Charles <hi rendition="#g">Hardinge</hi> anweſend ſein<lb/> werden. Es iſt zweifellos, daß bei dieſer Gelegenheit über die<lb/> Zuſtände auf dem Balkan bezw. über die weitere Reform-<lb/> aktion geſprochen werden wird, aber man kann mit Sicherheit<lb/> annehmen, daß die Beſprechungen ſich in derſelben Linie<lb/> bewegen, die Sir Edward Grey im engliſchen Unterhauſe<lb/> gezogen hat und wie ſie in den Anſchauungen Oeſtecreich-<lb/> Ungarns längſt feſtſtehen. Schon daraus geht hervor, daß die<lb/> Aeußerungen der „Times“ jeder Begründung entbehren.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Der polniſche Schulkampf in Preußen.</hi> </head><lb/> <p>Der Kampf der Polen in öſtlichen Provinzen Preußens<lb/> gegen die deutſche Schule ſcheint vor einer neuen Auflage zu<lb/> ſtehen. Der Streik der Schulkinder iſt bekanntlich mißglückt,<lb/><cb/> und nun predigen die polniſchen Organe der Boykott gegen<lb/> die deutſchen Lehrer. Die preußiſchen Polen können bei ihrem<lb/> Kampfe um ihre Sprache gewiß der Sympathie aller Billig-<lb/> denkenden ſicher ſein; alles Mitgefühl mit einem unterdrückten<lb/> Volke kann aber die Ablehnung von Kampfesmitteln ſolcher<lb/> Art, wie das jetzt vorgeſchlagene, nicht ausſchließen. Das ſind<lb/> Gewaltmaßregeln, die naturgemäß den behördlichen Druck nur<lb/> erhöhen müſſen und ein <hi rendition="#g">Kompromiß,</hi> das vielleicht doch<lb/> noch gefunden werden könnte, unmöglich machen. Uebrigens<lb/> ſchaffen Märtyrer erfahrungsgemäß nur der Sache Freunde,<lb/> für die ſie leiden. Es iſt daher unklug von den preußiſchen<lb/> Polen, die deutſchen Lehrer zu Märtyrern zu ſtempeln. —<lb/> Dazu wird berichtet:</p><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">Poſen,</hi> 4. Auguſt.</dateline> <p>Die „Gazeta Grudziadzka“ ſchreibt:<lb/> „Ueberall dort, wo der deutſche Religionsunterricht eingeführt<lb/> iſt, wo die Eltern und Kindern darunter zu leiden hatten und<lb/> haben, dort müßten den Lehrer jede Hilfe verſagt werden,<lb/> jede, auch die allerkleinſte Gefälligkeit. Solch ein Lehrer muß<lb/> als unſer <hi rendition="#g">allergrößter Feind</hi> behandelt werden; man<lb/> muß ihn fühlen laſſen, daß das polniſche Volk ihm jede<lb/> Unterſtützung verſagt. Es geht uns auch darum, den<lb/> Lehrern zu erkennen zu geben, wie das polniſche Volk die-<lb/> jenigen zu ſtrafen verſteht, die ihm und ſeinen Kindern<lb/> Unrecht zufügen. Das polniſche Volk muß einem ſolchen<lb/> Lehrer das Leben verſauern, ihm Leiden verſchiedener Art<lb/> bereiten, ſo daß er bei Nacht und Nebel aus dem Dorfe<lb/> ausrückt. Jeden andern, der ſolchem Lehrer beiſteht und<lb/> Hilfe leiſtet, ſieh, o polniſches Volk, als Verräter, als Aus-<lb/> wurf der Geſamtheit an.“</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Aus Rußland.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#g">Das Kronſtädter Komplott.</hi> </head> <dateline><hi rendition="#b">Petersburg,</hi> 4. Auguſt.</dateline> <bibl>(Tei. d. „Cz. Allg. Ztg.“)</bibl><lb/> <p>Durch den Spruch des Kriegsgerichtes in Angelegenheit der<lb/> Kronſtädter revolutionären Organiſation wurden 21 Angeklagte<lb/> zu Zwangsarbeit von 4 bis 8 Jahren, ein Student zu 2 Jahren<lb/> Feſtung und ein Marinearzt zur Deportation verurteilt; ein<lb/> Student und eine Bäuerin wurden freigeſprochen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#g">Die neue Reichsduma.</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b"><supplied>P</supplied>etersburg,</hi> 4. Auguſt.</dateline> <p>Trotz der unklaren politiſchen<lb/> Lage kann man ſchon jetzt, wenigſtens einigermaßen, die Aus-<lb/> ſichten für die Zuſammenſetzung der kommenden Reichsdnma<lb/> beurteilen. Miniſterpräſident Stolypin wandte ſich wiederholt<lb/> direkt an alle Gouverneure mit dem Erſuchen, ihm mitzu-<lb/> teilen, welches Reſultat in dem betreffenden Gouvernements<lb/> erzielt werden könne, wenn das neue Wahlrecht ſtrikte durch-<lb/> geführt wird. Nun erhielt Stolypin von den Gouverneuren<lb/> Antworten, von denen die meiſten die Behauptung enthalten,<lb/> daß <hi rendition="#g">abſolut kein Grund</hi> vorhanden ſei, den Ausgang<lb/> der neuen Wahlen lediglich in dem von der ruſſiſchen Re-<lb/> gierung gewünſchten Sinne zu erwarten. Einige Gouverneure<lb/> haben die Hoffnung ausgeſprochen, daß es bei milderem<lb/> Vorgehen ſeitens der ruſſiſchen Regierung und bei einer ge-<lb/> nügenden Propagandatätigkeit der Regierungskommiſſäre, wie<lb/> bei einem vernünftigen Vorgehen der ruſſiſchen Adminiſtration<lb/> doch möglich ſein wird, ruhige und ſelbſtbewußte Elemente<lb/> für die neue Reichsduma in dem betreffenden Gouvernement<lb/> durchzuſetzen.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div xml:id="marokko1" next="#marokko2" type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Die Vorgänge in Marokko.</hi> </head><lb/> <p>Die nächſten Schritte Frankreichs und Spaniens in<lb/> Marokko werden in der Entſendung beträchtlicher Streitkräfte</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div xml:id="fahrt2" prev="#fahrt1" type="jArticle" n="2"> <p>Gerade, als der Straßenbahnwagen anhalten w<supplied>o</supplied>llte, weil<lb/> er nicht weiter konnte, bewegten ſich die Gäule, die das Klingel-<lb/> zeichen gehört hatten, inſtinktiv aus eigenem Antrieb vorwärts.<lb/> Wütend verſuchte der Bierkutſcher, ſie zurückzutreiben, aber<lb/> ſchon fuhr die Elektriſche über den frei gewordenen Raum,<lb/> und ihr Führer lachte.</p><lb/> <p>Das war wie Feuer auf Pulver.</p><lb/> <p>Alle Anweſenden ſympatiſierten mit den Streikern. Keine<lb/> ſollte ſich unterſtehen, über ſie zu lachen. Mit wildem Toben<lb/> raſten ſie hinter dem Wagen her und umſtellten ihn.</p><lb/> <p>„Schnell,“ rief der Fahrer dem Mädchen zu, „verſtecken<lb/> Sie ſich, ſie werfen!“</p><lb/> <p>Annie kauerte bereits zwiſchen den Sitzen nieder.</p><lb/> <p>Ueber ihr krachte etwas, und ein Stein fiel auf ihren<lb/> Rock. Sie ſtrich ſich die Glasſplitter aus dem Haar und<lb/> kroch näher zu dem Fahrer heran. Ein Ei kam durch die<lb/> Luft geflogen und zerſchellte an ſeiner Mütze. Nur rückweiſe<lb/> kam der Wagen vorwärts.</p><lb/> <p>Der Schaffner hatte ſich flach hinter ihr auf den Boden<lb/> gelegt und ſeinen Kopf unter einem Sitz verborgen. Es kam<lb/> ihr plötzlich erbärmllch vor, daß ſie den Mann da draußen<lb/> ganz allein kämpfen ließ. Hunderte von Menſchen umringten<lb/> ihn, ſie konnte ihre Geſichter ſehen, wenn ſie die Augen zum<lb/> Fenſter hob.</p><lb/> <p>Jetzt ſtieß der Fahrer einen Strolch hinunter, der auf-<lb/> ſpringen wollte; der Kerl ſtürzte ab. Wilderes Geſchrei ertönte,<lb/> und ein anderer Stein, größer als der vorherige, fiel neben<lb/> ihr nieder.</p><lb/> <p>Er hatte den Führer — mitten zwiſchen den Augen<lb/> getroffen.</p><lb/> <p>Sie ſah ſeine Hände am Rad beben und das rote Blut<lb/> aus dem Munde fließen. Da vergaß ſie ihre Furcht —<lb/> vergaß alles, außer daß ein Menſch in Gefahr war.</p><lb/> <p>Sie ſprang auf und hinaus, zog den Verletzten ſo unge-<lb/><cb/> ſtüm hinter ſich, daß er zuſammengekauert zu Boden ſank,<lb/> und trat an ſeine Stelle. Ihre Hände lagen auf dem Rad<lb/> wie kurz vorher die ſeinigen, ihre Röcke bedeckten ihn teil-<lb/> weiſe vor der wütenden Menge.</p><lb/> <p>Vor Ueberraſchung verhielt ſich der Mob einige Sekunden<lb/> ſchweigſam, und ſie wußte, was dieſes Schweigen wert war.</p><lb/> <p>„Aus dem Weg dort,“ rief ſie mit ihrer hohen Mädchen-<lb/> ſtimme, die laut über den Platz ſchallte. „Aus dem Weg,<lb/> und laßt den Wagen weiterfahren. Feiglinge — Ihr Feig-<lb/> linge — ſo viele gegen einen! Fort, oder ich überfahre Euch!<lb/> Ich warne Euch! Ich tue es! Ich habe die Kraft und ich<lb/> benutze ſie. Geht, geht, geht!“ Und ihr Abſatz ſtieß ſcharf<lb/> auf die Klingel, deren warnendes Signal alle ſo gut kannten.</p><lb/> <p>Es ſchien ſie aus ihrer Erſtarrung zu wecken.</p><lb/> <p>„Halt’s Maul!“ ſchrie eine Stimme. „Es iſt nur ein<lb/> Mädel, Genoſſen! Laßt Euch nichts ins Bockshorn jagen!“</p><lb/> <p>Ein Stein ſauſte dicht an ihrem Kopſ vorüber. Sie<lb/> ſtand unbeweglich da.</p><lb/> <p>„Fort, fort,“ rief ſie noch einmal. „Wenn einer zu<lb/> Schaden kommt, trifft mich keine Schuld!“</p><lb/> <p>Und ohne ein weiteres Wort drehte ſie das Rad herum,<lb/> lockerte die Bremſe, und der große Wagen ſprang mit<lb/> einem Satz vorwärts. Heulend und fluchend wich die Menge<lb/> zurück.</p><lb/> <p>Sie ſah, daß ein paar Leute fielen, aber keiner kam<lb/> unter die Räder. Finſter ſtand ſie auf ihrem Poſten, die<lb/> Augen geradeaus gerichtet, ſelbſt, als der Marktplatz ſchon<lb/> weit hinter ihr lag und das Lärmen der Maſſen nur noch<lb/> dumpf zu ihr herüberklang.</p><lb/> <p>Nicht hinter ſich wagte ſie zu blicken. Wenn der Fahrer<lb/> nun tot war? Der Wagen flog ſurrend über die Schienen.<lb/> Erregte Zurufe tönten an ihr Ohr, aber ſie raſte weiter. Hilfe<lb/> wollte ſie herbeiholen, Hilfe von ihrer Zeitung.</p><lb/> <p>Vor der Redaktion war eine Halteſtelle. An die anderen<lb/><cb/> Linien hatte ſie gar nicht gedacht, und nur wie durch ein<lb/> Wunder war ein Zuſammenſtoß vermieden worden.</p><lb/> <p>Nun ſing ſie an zu ſchluchzen und Tränen traten ihr in<lb/> die Augen. Als ſie ſie auf ihren Händen fühlte, erinnerte ſie<lb/> ſich plötzlich an die Blutstropfen, die auf die kräftigen Finger<lb/> des Fahrers gefallen waren, und ein Zittern überlief ihren<lb/> Körper.</p><lb/> <p>Da hörte ſie ihren Namen rufen und ſah jemand neben<lb/> dem Wagen herlaufen.</p><lb/> <p>Mechaniſch drehte ſie an der Bremsvorrichtung, die<lb/> Fahrgeſchwindigkeit verringerte ſich zuſehends, und im Augen-<lb/> blick, wo ſich Stahl keuchend und atemlos an ihre Seite<lb/> ſchwang, hielt ſie mit einem Ruck an.</p><lb/> <p>„Fräulein Meiſter, Annie, ſtammelte er, „um Himmels-<lb/> willen, was iſt geſchehen? Sind Sie verwundet?“</p><lb/> <p>Statt aller Antwort deutete ſie auf den wimmernden<lb/> Mann, zu ihren Füßen.</p><lb/> <p>„Sie — ſie wollten ihn töten,“ ſagte ſie mit ſchriller<lb/> Stimme, „und ich ſprang für ihn ein. Das iſt alles.“ Dann<lb/> als ſie Lautens bleiches, verängſtigtes Antlitz vor ſich auf-<lb/> tauchen ſah, raffte ſie ihre letzte Kraft zuſammen, richtete ſich<lb/> ſtolz auf und reichte ihm die kleine, zerknitterte Photographie.</p><lb/> <p>„Hier iſt das Bild, Herr Lauten,“ murmelte ſie beinahe<lb/> unverſtändlich, „die Geſchichte dazu werde ich — werde ich<lb/> — heute —.“ Sie wankte und fiel Stahl bewußtlos in die<lb/> Arme, der ſie zärtlich emporhob und in das Redaktions<lb/> gebäude trug.</p><lb/> <p>„Nun?“ konnte er ſich nicht enthalten den Freund zu<lb/> fragen, während er das Mädchen ſanft auf ein Sofa gleiten<lb/> ließ, „nun, Walter, wer hat recht gehabt?“</p><lb/> <p>„Du,“ erwiderte der andere zögernd, und ſein Blick<lb/> weilte mit ſeltſamem Ausdruck auf der langſam wieder Er-<lb/> wachenden, „Du haſt ſie beſſer erkannt als ich, wahre Dir<lb/> Dein Glück!“</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </body> </text> </TEI> [2/0002]
Czernowitzer Allgemeine Zeitung. 6. Auguſt 1907
Vom Tage.
Czernowitz, 15. Auguſt.
Fürſt Ferdinand von Bulgarien in Iſchl.
Eine kleine, aber durchaus nicht ganz bedeutungsloſe
Monarchenentrevue hat ſich geſtern in Iſchl vollzogen. Fürſt
Ferdinand von Bulgarien iſt bei Kaiſer Franz
Joſeph in Audienz erſchienen. Fürſt Ferdinand gehört zwar
unter den Herrſchern Europas zu den dii minorum gentium,
in den Balkanfragen aber, bezüglich deren erſt kürzlich in
Deſio ein neues Uebereinkommen erzielt worden iſt, dem
nunmehr auch England beitreten wird, iſt Fürſt Ferdinand
und ſein Land von beſonderer Bedeutung, denn Bulgarien
iſt nicht unſchuldig daran, daß die Bandenbewegung auf dem
Balkan in letzter Zeit beſorgniserregende Dimenſionen ange-
nommen hat. Es iſt alſo anzunehmen, daß die Ausſprache
zwiſchen Kaiſer Franz Joſeph und dem Fürſten Ferdinand
den Balkanfragen gegolten hat und, da den Fürſten von
Bulgarien an den engliſchen Hof verwandſchaftliche Beziehungen
knüpfen, auch mit dem bevorſtehenden Beſuche König Eduards
in Iſchl zuſammenhängt. — Ein Telegramm meldet dazu:
Iſchl, 4. Auguſt. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Der
Kaiſer empfieng heute den Fürſten Ferdinand von
Bulgarien in einſtündiger Audienz und ſtattete ihm ſpäter
einen faſt halbſtündigen Beſuch ab. Der Fürſt mit Be-
gleitung wurde dem Familiendiner beigezogen und reiſte
nachmittags ab.
Die Entrevue von Swinemünde.
Die Berichterſtattung über die Entrevue von Swine-
münde beſchränkt ſich, wie nicht anders zu erwarten, auf die
Anführung der Beſuche und Gegenbeſuch, Diners, Soupers
und — Ordensverleihungen, und was die beiden Kaiſer und
ihre Reichskanzler verhandeln, bleibt ſelbſtverſtändlich tiefſtes
Geheimnis. Heute wird berichtet:
Der Sonntag. Sinemünde, 4. Auguſt. (Tel, der „Cz. Allg. Ztg.“)
Heut Vormittags fand auf den „Hohenzollern“ ein Gottes-
dienſt in Anweſenheit des Zaren ſtatt. Mittags wurde auf
dem „Standart“ ein Gottesdienſt anläßlich des Namens-
tages der Kaiſerinmutter von Rußland abgehalten. Der deutſche
Kaiſer und Fürſt Bölow nahmen an der Feier teil.
Auszeichnungen. Swinemünde, 4. Auguſt. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)
Kaiſer Wilhelm hat dem Gefolge des Zaren zahlreiche
Ordensauszeichnungen, unter anderem dem Hofmarſchall
Grafen Benkendorff das Großkreuz des Roten Adler-Ordens
verliehen. Außerdem hat Kaiſer Wilhelm dem Miniſter des
Aeußern Iswolski und dem Miniſter des kaiſerlichen Hofes,
Baron Fredericks, wertvolle Doſen und dem General Tatiſcht-
ſchew ſein Bild mit ſeiner Unterſchrift zum Geſchenk gemacht.
Die Ruthenen.
Lemberg, 4. Auguſt. Der altrutheniſche Abgeordnete
Kurylowicz iſt infolge des bekannten Beſchluſſes der
altrutheniſchen Vertrauensmänner aus dem Ruthenenklub
ausgetreten. Die beiden anderen Altruthenen, Pater Dawydiak
und Dr. Korol, die bisher dem Ruthenenklub angehörten,
haben beſchloſſen, ſich an ihre Wähler zu wenden, um deren
Meinung über den Ruthenenklub kennen zu lernen. Die erſte
Wählerverſammlung fand in Zolkiew ſtatt, zu der achtzig
Vertrauensmänner erſchienen waren. Sie forderten Korol auf,
aus dem Ruthenenklub auszutreten. Dieſer aber
weigerte ſich entſchieden, der Aufforderung Folge
zu leiſten, weil er niemals ein Ruſſe geweſen ſei: er bleibe
bis zu ſeinem Tode ein Ruthene. Er könne nicht mit
Markow zuſammengehen, falls er aber gezwungen werden
ſollte, aus dem Ruthenenklub auszutreten, ſo wolle er ſich
überhaupt keiner Partei anſchließen. Dieſe Erklärung rief
unter den Vertrauensmännern große Entrüſtung
hervor, die ſich in heftigen Worten gegen Korol äußerten.
Gleichzeitig fand eine rutheniſche Verſammlung ſtatt, in
welcher dem Abg. Markow die Mißbilligung aus-
geſchprocheu wurde.
Die Deutſchenhetze in Südtirol.
Neue Ausſchreitungen.
Innsbruck, 4. Auguſt. Aus Südtirol werden neue
Gewalttaten gemeldet. Ein Mann, der die nach Perſen ge-
liehenen Fahnen in öſterreichiſchen und tiroliſchen Farben
zurückbringen ſollte, wurde von einer Italienerhorde überfallen
und die Fahnen geraubt. Ein anderer Deutſcher, der nach
Perſen fuhr, wurde angehalten. Man fiel dem Pferd in
die Zügel und zwang den Wagen zur Umkehr. Der Reiſende
wurde inſultiert. Unter den Demonſtranten befanden ſich
angeſehene Bürger von Trient.
Aeußerungen der polniſchen Preſſe.
Lemberg, 4. Auguſt. Die polniſchen Blätter Galiziens
veröffentlichen Artikel über die Vorgänge in Perſen und
Calliano, in welchen die polniſchen Abgeordneten aufgefordert
werden, an die öſterreichiſche Regierung das Verlangen zu
ſtellen, das Profeſſor Edgar Meyer und andere preußiſche
Agitatoren, welche mit ihrer Propaganda die friedliche Be-
völkerung im Trienter Gebiet beunruhigen, ausgewieſen
werden. Die Polen fordern die Ausweiſungeu als Repreſſalien
gegen die häufigen Ausweiſungen polniſcher Bürger aus
Preußen.
Hundstagsphantaſien.
Wien, 4. Auguſt. Bezüglich einer Petersburger Meldung
der „Times“, daß die öſterreichiſche Diplomatie ſeit einiger
Zeit bemüht ſei, ein neues Dreikaiſerbündnis zu gründen,
deſſen Zweck darin beſtehe, für die Dreikaiſermächte das
Monopol eines politiſchen Einfluſſes im nahen Orient zu be-
gründen, bemerkt man an hieſiger unterrichteter Stelle, dieſer
Artikel der „Times“ werde am beſten durch die Tatſache
widerlegt, daß König Eduard binnen kurzem mit Kaiſer
Franz Joſeph in Iſchl zuſammenkommen und daß bei dieſer
Gelegenheit auch Baron Aehrenthal und der engliſche
Staatsſekretär Sir Charles Hardinge anweſend ſein
werden. Es iſt zweifellos, daß bei dieſer Gelegenheit über die
Zuſtände auf dem Balkan bezw. über die weitere Reform-
aktion geſprochen werden wird, aber man kann mit Sicherheit
annehmen, daß die Beſprechungen ſich in derſelben Linie
bewegen, die Sir Edward Grey im engliſchen Unterhauſe
gezogen hat und wie ſie in den Anſchauungen Oeſtecreich-
Ungarns längſt feſtſtehen. Schon daraus geht hervor, daß die
Aeußerungen der „Times“ jeder Begründung entbehren.
Der polniſche Schulkampf in Preußen.
Der Kampf der Polen in öſtlichen Provinzen Preußens
gegen die deutſche Schule ſcheint vor einer neuen Auflage zu
ſtehen. Der Streik der Schulkinder iſt bekanntlich mißglückt,
und nun predigen die polniſchen Organe der Boykott gegen
die deutſchen Lehrer. Die preußiſchen Polen können bei ihrem
Kampfe um ihre Sprache gewiß der Sympathie aller Billig-
denkenden ſicher ſein; alles Mitgefühl mit einem unterdrückten
Volke kann aber die Ablehnung von Kampfesmitteln ſolcher
Art, wie das jetzt vorgeſchlagene, nicht ausſchließen. Das ſind
Gewaltmaßregeln, die naturgemäß den behördlichen Druck nur
erhöhen müſſen und ein Kompromiß, das vielleicht doch
noch gefunden werden könnte, unmöglich machen. Uebrigens
ſchaffen Märtyrer erfahrungsgemäß nur der Sache Freunde,
für die ſie leiden. Es iſt daher unklug von den preußiſchen
Polen, die deutſchen Lehrer zu Märtyrern zu ſtempeln. —
Dazu wird berichtet:
Poſen, 4. Auguſt. Die „Gazeta Grudziadzka“ ſchreibt:
„Ueberall dort, wo der deutſche Religionsunterricht eingeführt
iſt, wo die Eltern und Kindern darunter zu leiden hatten und
haben, dort müßten den Lehrer jede Hilfe verſagt werden,
jede, auch die allerkleinſte Gefälligkeit. Solch ein Lehrer muß
als unſer allergrößter Feind behandelt werden; man
muß ihn fühlen laſſen, daß das polniſche Volk ihm jede
Unterſtützung verſagt. Es geht uns auch darum, den
Lehrern zu erkennen zu geben, wie das polniſche Volk die-
jenigen zu ſtrafen verſteht, die ihm und ſeinen Kindern
Unrecht zufügen. Das polniſche Volk muß einem ſolchen
Lehrer das Leben verſauern, ihm Leiden verſchiedener Art
bereiten, ſo daß er bei Nacht und Nebel aus dem Dorfe
ausrückt. Jeden andern, der ſolchem Lehrer beiſteht und
Hilfe leiſtet, ſieh, o polniſches Volk, als Verräter, als Aus-
wurf der Geſamtheit an.“
Aus Rußland.
Das Kronſtädter Komplott. Petersburg, 4. Auguſt. (Tei. d. „Cz. Allg. Ztg.“)
Durch den Spruch des Kriegsgerichtes in Angelegenheit der
Kronſtädter revolutionären Organiſation wurden 21 Angeklagte
zu Zwangsarbeit von 4 bis 8 Jahren, ein Student zu 2 Jahren
Feſtung und ein Marinearzt zur Deportation verurteilt; ein
Student und eine Bäuerin wurden freigeſprochen.
Die neue Reichsduma.
Petersburg, 4. Auguſt. Trotz der unklaren politiſchen
Lage kann man ſchon jetzt, wenigſtens einigermaßen, die Aus-
ſichten für die Zuſammenſetzung der kommenden Reichsdnma
beurteilen. Miniſterpräſident Stolypin wandte ſich wiederholt
direkt an alle Gouverneure mit dem Erſuchen, ihm mitzu-
teilen, welches Reſultat in dem betreffenden Gouvernements
erzielt werden könne, wenn das neue Wahlrecht ſtrikte durch-
geführt wird. Nun erhielt Stolypin von den Gouverneuren
Antworten, von denen die meiſten die Behauptung enthalten,
daß abſolut kein Grund vorhanden ſei, den Ausgang
der neuen Wahlen lediglich in dem von der ruſſiſchen Re-
gierung gewünſchten Sinne zu erwarten. Einige Gouverneure
haben die Hoffnung ausgeſprochen, daß es bei milderem
Vorgehen ſeitens der ruſſiſchen Regierung und bei einer ge-
nügenden Propagandatätigkeit der Regierungskommiſſäre, wie
bei einem vernünftigen Vorgehen der ruſſiſchen Adminiſtration
doch möglich ſein wird, ruhige und ſelbſtbewußte Elemente
für die neue Reichsduma in dem betreffenden Gouvernement
durchzuſetzen.
Die Vorgänge in Marokko.
Die nächſten Schritte Frankreichs und Spaniens in
Marokko werden in der Entſendung beträchtlicher Streitkräfte
Gerade, als der Straßenbahnwagen anhalten wollte, weil
er nicht weiter konnte, bewegten ſich die Gäule, die das Klingel-
zeichen gehört hatten, inſtinktiv aus eigenem Antrieb vorwärts.
Wütend verſuchte der Bierkutſcher, ſie zurückzutreiben, aber
ſchon fuhr die Elektriſche über den frei gewordenen Raum,
und ihr Führer lachte.
Das war wie Feuer auf Pulver.
Alle Anweſenden ſympatiſierten mit den Streikern. Keine
ſollte ſich unterſtehen, über ſie zu lachen. Mit wildem Toben
raſten ſie hinter dem Wagen her und umſtellten ihn.
„Schnell,“ rief der Fahrer dem Mädchen zu, „verſtecken
Sie ſich, ſie werfen!“
Annie kauerte bereits zwiſchen den Sitzen nieder.
Ueber ihr krachte etwas, und ein Stein fiel auf ihren
Rock. Sie ſtrich ſich die Glasſplitter aus dem Haar und
kroch näher zu dem Fahrer heran. Ein Ei kam durch die
Luft geflogen und zerſchellte an ſeiner Mütze. Nur rückweiſe
kam der Wagen vorwärts.
Der Schaffner hatte ſich flach hinter ihr auf den Boden
gelegt und ſeinen Kopf unter einem Sitz verborgen. Es kam
ihr plötzlich erbärmllch vor, daß ſie den Mann da draußen
ganz allein kämpfen ließ. Hunderte von Menſchen umringten
ihn, ſie konnte ihre Geſichter ſehen, wenn ſie die Augen zum
Fenſter hob.
Jetzt ſtieß der Fahrer einen Strolch hinunter, der auf-
ſpringen wollte; der Kerl ſtürzte ab. Wilderes Geſchrei ertönte,
und ein anderer Stein, größer als der vorherige, fiel neben
ihr nieder.
Er hatte den Führer — mitten zwiſchen den Augen
getroffen.
Sie ſah ſeine Hände am Rad beben und das rote Blut
aus dem Munde fließen. Da vergaß ſie ihre Furcht —
vergaß alles, außer daß ein Menſch in Gefahr war.
Sie ſprang auf und hinaus, zog den Verletzten ſo unge-
ſtüm hinter ſich, daß er zuſammengekauert zu Boden ſank,
und trat an ſeine Stelle. Ihre Hände lagen auf dem Rad
wie kurz vorher die ſeinigen, ihre Röcke bedeckten ihn teil-
weiſe vor der wütenden Menge.
Vor Ueberraſchung verhielt ſich der Mob einige Sekunden
ſchweigſam, und ſie wußte, was dieſes Schweigen wert war.
„Aus dem Weg dort,“ rief ſie mit ihrer hohen Mädchen-
ſtimme, die laut über den Platz ſchallte. „Aus dem Weg,
und laßt den Wagen weiterfahren. Feiglinge — Ihr Feig-
linge — ſo viele gegen einen! Fort, oder ich überfahre Euch!
Ich warne Euch! Ich tue es! Ich habe die Kraft und ich
benutze ſie. Geht, geht, geht!“ Und ihr Abſatz ſtieß ſcharf
auf die Klingel, deren warnendes Signal alle ſo gut kannten.
Es ſchien ſie aus ihrer Erſtarrung zu wecken.
„Halt’s Maul!“ ſchrie eine Stimme. „Es iſt nur ein
Mädel, Genoſſen! Laßt Euch nichts ins Bockshorn jagen!“
Ein Stein ſauſte dicht an ihrem Kopſ vorüber. Sie
ſtand unbeweglich da.
„Fort, fort,“ rief ſie noch einmal. „Wenn einer zu
Schaden kommt, trifft mich keine Schuld!“
Und ohne ein weiteres Wort drehte ſie das Rad herum,
lockerte die Bremſe, und der große Wagen ſprang mit
einem Satz vorwärts. Heulend und fluchend wich die Menge
zurück.
Sie ſah, daß ein paar Leute fielen, aber keiner kam
unter die Räder. Finſter ſtand ſie auf ihrem Poſten, die
Augen geradeaus gerichtet, ſelbſt, als der Marktplatz ſchon
weit hinter ihr lag und das Lärmen der Maſſen nur noch
dumpf zu ihr herüberklang.
Nicht hinter ſich wagte ſie zu blicken. Wenn der Fahrer
nun tot war? Der Wagen flog ſurrend über die Schienen.
Erregte Zurufe tönten an ihr Ohr, aber ſie raſte weiter. Hilfe
wollte ſie herbeiholen, Hilfe von ihrer Zeitung.
Vor der Redaktion war eine Halteſtelle. An die anderen
Linien hatte ſie gar nicht gedacht, und nur wie durch ein
Wunder war ein Zuſammenſtoß vermieden worden.
Nun ſing ſie an zu ſchluchzen und Tränen traten ihr in
die Augen. Als ſie ſie auf ihren Händen fühlte, erinnerte ſie
ſich plötzlich an die Blutstropfen, die auf die kräftigen Finger
des Fahrers gefallen waren, und ein Zittern überlief ihren
Körper.
Da hörte ſie ihren Namen rufen und ſah jemand neben
dem Wagen herlaufen.
Mechaniſch drehte ſie an der Bremsvorrichtung, die
Fahrgeſchwindigkeit verringerte ſich zuſehends, und im Augen-
blick, wo ſich Stahl keuchend und atemlos an ihre Seite
ſchwang, hielt ſie mit einem Ruck an.
„Fräulein Meiſter, Annie, ſtammelte er, „um Himmels-
willen, was iſt geſchehen? Sind Sie verwundet?“
Statt aller Antwort deutete ſie auf den wimmernden
Mann, zu ihren Füßen.
„Sie — ſie wollten ihn töten,“ ſagte ſie mit ſchriller
Stimme, „und ich ſprang für ihn ein. Das iſt alles.“ Dann
als ſie Lautens bleiches, verängſtigtes Antlitz vor ſich auf-
tauchen ſah, raffte ſie ihre letzte Kraft zuſammen, richtete ſich
ſtolz auf und reichte ihm die kleine, zerknitterte Photographie.
„Hier iſt das Bild, Herr Lauten,“ murmelte ſie beinahe
unverſtändlich, „die Geſchichte dazu werde ich — werde ich
— heute —.“ Sie wankte und fiel Stahl bewußtlos in die
Arme, der ſie zärtlich emporhob und in das Redaktions
gebäude trug.
„Nun?“ konnte er ſich nicht enthalten den Freund zu
fragen, während er das Mädchen ſanft auf ein Sofa gleiten
ließ, „nun, Walter, wer hat recht gehabt?“
„Du,“ erwiderte der andere zögernd, und ſein Blick
weilte mit ſeltſamem Ausdruck auf der langſam wieder Er-
wachenden, „Du haſt ſie beſſer erkannt als ich, wahre Dir
Dein Glück!“
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