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[N. N.]: Der reisende Engelländer. Frankfurt u. a., 1734.

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Raminio.
Kein Geheimniß steckt dahinter, Mylord, sondern einigermassen eine
Betrübniß, die mir die unglückliche Menge meiner Lebens-Begebenheiten
einflösset. Mein Nahme ist Raminio, welchen die Gebuhrt zu einem Jn-
dianer,
die nunmehrige Wohnung aber zu einem Holländer gemacht hat.
Mein Vater befand sich in Diensten der Ost-Jndianischen Gesellschafft in
dem so viel hundert Meilen von hier entlegenen Batavia, und heyrathete
eine Mestizin.
Bingley.
Was bedeutet dieser Nahme, mein Freund, und ist vielleicht dieses ei-
ne andre Art von Weibes-Personen, als hier zu Lande?
Raminio.
Einigermassen, Mylord, aber nicht völlig. Denn man theilet das Ba-
tavianische
Frauenzimmer in fünf Ordnungen, nehmlich in Europäe-
rinnen,
welche gantz weiß seyn, und entweder mit den Schiffen aus Eu-
ropa kommen, oder zu Batavia von Europäischen Eltern gebohren werden.
2.) Mestizinnen, deren Vater ein Europäer, und die Mutter eine von den
Portugiesen herstammende Schwartze ist. Die Farbe ihrer Haut ist
braungelb, und ihre Kleidung am Ober-Leib ein Baytgen, oder Brüst-
gen,
von der zärtesten Leinwand, wodurch man das Brustwerck so gut als
wenn es ohne Decke wär, sehen kan. 3) in Castizinnen, welche von Eu-
ropäern und Mestizinnen zusammen gezeuget sind. 4.) Postizinnen, die
einen Europäer und eine Castizinn zu Eltern haben. 5.) endlich in die von
den Protugiesen abstammende Schwartzen. Jhre Haut ist pechschwartz,
ihre Augen weiß und gelblicht, ihre Lippen wie Purpur, und ihre Zähne
wie Schnee. Mein Vater heyrathete, wie gedacht eine von der andern
Ordnung, nehmlich eine Mestizin. Als ich mein 16. Jahr erreichet hat-
te, wurde ich von meinem Vater schon auf die See geschickt, um auf einer
Barque nach einer etliche zwantzig Meilen von da entfernten Stadt unter-
schiedene Wahren zu überbringen. Mein Schicksal zertheilte zugleich mit
meinem Schiffe die Wellen, nicht aber mein bevorstehendes Unglück. Denn
wir hatten kaum Batavia aus den Augen verlohren, als uns eine Rauberi-
sche Barque auf den Hals kam, und unser Schiff vermöge ihrer Menge
übermeisterte. Sie schleppten uns als Gefangene hin nach der Jnsul Cu-
ma,
und mir wurde noch den Tag angesaget, daß weil ich mich vor andern
etwa gewehret haben möchte, die Königin dieses Landes ein Exempel an
mir statuiren, und ich mit einer neu erfundnen Art von Marter morgen
früh hingerichtet würde. Als dieser vor mich betrübte Tag angebrochen
war,
Raminio.
Kein Geheimniß ſteckt dahinter, Mylord, ſondern einigermaſſen eine
Betruͤbniß, die mir die ungluͤckliche Menge meiner Lebens-Begebenheiten
einfloͤſſet. Mein Nahme iſt Raminio, welchen die Gebuhrt zu einem Jn-
dianer,
die nunmehrige Wohnung aber zu einem Hollaͤnder gemacht hat.
Mein Vater befand ſich in Dienſten der Oſt-Jndianiſchen Geſellſchafft in
dem ſo viel hundert Meilen von hier entlegenen Batavia, und heyrathete
eine Meſtizin.
Bingley.
Was bedeutet dieſer Nahme, mein Freund, und iſt vielleicht dieſes ei-
ne andre Art von Weibes-Perſonen, als hier zu Lande?
Raminio.
Einigermaſſen, Mylord, aber nicht voͤllig. Denn man theilet das Ba-
tavianiſche
Frauenzimmer in fuͤnf Ordnungen, nehmlich in Europaͤe-
rinnen,
welche gantz weiß ſeyn, und entweder mit den Schiffen aus Eu-
ropa kommen, oder zu Batavia von Europaͤiſchen Eltern gebohren werden.
2.) Meſtizinnen, deren Vater ein Europaͤer, und die Mutter eine von den
Portugieſen herſtammende Schwartze iſt. Die Farbe ihrer Haut iſt
braungelb, und ihre Kleidung am Ober-Leib ein Baytgen, oder Bruͤſt-
gen,
von der zaͤrteſten Leinwand, wodurch man das Bruſtwerck ſo gut als
wenn es ohne Decke waͤr, ſehen kan. 3) in Caſtizinnen, welche von Eu-
ropaͤern und Meſtizinnen zuſammen gezeuget ſind. 4.) Poſtizinnen, die
einen Europaͤer und eine Caſtizinn zu Eltern haben. 5.) endlich in die von
den Protugieſen abſtammende Schwartzen. Jhre Haut iſt pechſchwartz,
ihre Augen weiß und gelblicht, ihre Lippen wie Purpur, und ihre Zaͤhne
wie Schnee. Mein Vater heyrathete, wie gedacht eine von der andern
Ordnung, nehmlich eine Meſtizin. Als ich mein 16. Jahr erreichet hat-
te, wurde ich von meinem Vater ſchon auf die See geſchickt, um auf einer
Barque nach einer etliche zwantzig Meilen von da entfernten Stadt unter-
ſchiedene Wahren zu uͤberbringen. Mein Schickſal zertheilte zugleich mit
meinem Schiffe die Wellen, nicht aber mein bevorſtehendes Ungluͤck. Denn
wir hatten kaum Batavia aus den Augen verlohren, als uns eine Rauberi-
ſche Barque auf den Hals kam, und unſer Schiff vermoͤge ihrer Menge
uͤbermeiſterte. Sie ſchleppten uns als Gefangene hin nach der Jnſul Cu-
ma,
und mir wurde noch den Tag angeſaget, daß weil ich mich vor andern
etwa gewehret haben moͤchte, die Koͤnigin dieſes Landes ein Exempel an
mir ſtatuiren, und ich mit einer neu erfundnen Art von Marter morgen
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[60/0070] Raminio. Kein Geheimniß ſteckt dahinter, Mylord, ſondern einigermaſſen eine Betruͤbniß, die mir die ungluͤckliche Menge meiner Lebens-Begebenheiten einfloͤſſet. Mein Nahme iſt Raminio, welchen die Gebuhrt zu einem Jn- dianer, die nunmehrige Wohnung aber zu einem Hollaͤnder gemacht hat. Mein Vater befand ſich in Dienſten der Oſt-Jndianiſchen Geſellſchafft in dem ſo viel hundert Meilen von hier entlegenen Batavia, und heyrathete eine Meſtizin. Bingley. Was bedeutet dieſer Nahme, mein Freund, und iſt vielleicht dieſes ei- ne andre Art von Weibes-Perſonen, als hier zu Lande? Raminio. Einigermaſſen, Mylord, aber nicht voͤllig. Denn man theilet das Ba- tavianiſche Frauenzimmer in fuͤnf Ordnungen, nehmlich in Europaͤe- rinnen, welche gantz weiß ſeyn, und entweder mit den Schiffen aus Eu- ropa kommen, oder zu Batavia von Europaͤiſchen Eltern gebohren werden. 2.) Meſtizinnen, deren Vater ein Europaͤer, und die Mutter eine von den Portugieſen herſtammende Schwartze iſt. Die Farbe ihrer Haut iſt braungelb, und ihre Kleidung am Ober-Leib ein Baytgen, oder Bruͤſt- gen, von der zaͤrteſten Leinwand, wodurch man das Bruſtwerck ſo gut als wenn es ohne Decke waͤr, ſehen kan. 3) in Caſtizinnen, welche von Eu- ropaͤern und Meſtizinnen zuſammen gezeuget ſind. 4.) Poſtizinnen, die einen Europaͤer und eine Caſtizinn zu Eltern haben. 5.) endlich in die von den Protugieſen abſtammende Schwartzen. Jhre Haut iſt pechſchwartz, ihre Augen weiß und gelblicht, ihre Lippen wie Purpur, und ihre Zaͤhne wie Schnee. Mein Vater heyrathete, wie gedacht eine von der andern Ordnung, nehmlich eine Meſtizin. Als ich mein 16. Jahr erreichet hat- te, wurde ich von meinem Vater ſchon auf die See geſchickt, um auf einer Barque nach einer etliche zwantzig Meilen von da entfernten Stadt unter- ſchiedene Wahren zu uͤberbringen. Mein Schickſal zertheilte zugleich mit meinem Schiffe die Wellen, nicht aber mein bevorſtehendes Ungluͤck. Denn wir hatten kaum Batavia aus den Augen verlohren, als uns eine Rauberi- ſche Barque auf den Hals kam, und unſer Schiff vermoͤge ihrer Menge uͤbermeiſterte. Sie ſchleppten uns als Gefangene hin nach der Jnſul Cu- ma, und mir wurde noch den Tag angeſaget, daß weil ich mich vor andern etwa gewehret haben moͤchte, die Koͤnigin dieſes Landes ein Exempel an mir ſtatuiren, und ich mit einer neu erfundnen Art von Marter morgen fruͤh hingerichtet wuͤrde. Als dieſer vor mich betruͤbte Tag angebrochen war,

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Zitationshilfe: [N. N.]: Der reisende Engelländer. Frankfurt u. a., 1734, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_engellaender_1734/70>, abgerufen am 24.11.2024.