[N. N.]: Der reisende Engelländer. Frankfurt u. a., 1734.
Raminio. Ja, nach Jndianischer Art. Sie war etwas grösserer Gestalt als die Landes-Art mit sich bringet, die Haud war zart aber gelblicht, die Augen munter und verliebt, die Lippen wie der schönste Carmin, und ein paar Rey- hen Schneeweisser Zähne boten dem reinsten Helfenbein einen Wettstreit an. Von den Geheimnissen ihres Leibes will ich nichts gedencken, dencket nicht, Mylord, daß ich so unverschämt von Natur sey, euch alles so offenhertzig zu erzehlen, sondern weil meine Historie in gantz Jndien und zum Theil auch in Holland bekand ist, so trage ich kein Bedencken, euch davon Nachricht zu ge- ben. Jedoch ich wende mich wieder zurück. Hilf Himmel! wie erschrack ich da ich diese Person erblickte. Jch vermuthete, sie würde nunmehro die- se verdächtige Bekandschafft durch mein Blut der Unwissenheit anbefehlen wollen, da sie unvermuthet auferwachte, und mich auf die liebreichste Art ansahe. Die Worte musten endlich dem innerlichen Vergnügen Platz ma- chen, und sie bat mich noch dazu um Verzeihung, daß sie mich zu sich hät- te fordern lassen, und versprach mir eine Vergeltung nach meinem Wunsch, wenn er nur ihrem Bermögen gemäß wär. Sie machte mich zum Für- sten und Geheimden Rath, und jedermann wuste, daß ich der Köni- gin Mann war, welches man bey den kleinesten Kinderu sehen konte, wel- che mit Fingern auf mich wiesen. Diese Herrlichkeit daurete nicht länger als ein Jahr, da sie einen so schlüpfrigen Grund hatte. Die Königin starb jähling, und setzte dadurch ihre Unterthanen in den Wäysen-mich aber in den erbarmens würdigen Wittwer-Stand. Jch liebte sie nach und nach recht hertzlich, und der Verlust meiner Ehre und Titel schmertzte mich um destomehr, da ich nicht sahe, wie ich mich länger dabey erhalten konte. Denn die Holländer hatten kaum Nachricht in Batavia von dem Abster- ben dieser Königin erhalten, da sie ihr Land so gleich als daß ihrige ansahen, und etliche Schiffe, es wegzunehmen, hinschickten. Sie eroberten es auch glücklich, und ich war so unglücklich, in Ketten und Banden nach Bata- via gebracht zu werden. Mir wurden allda einige Dinge vorge- leget, die ich wieder den Nutzen meines Vaterlandes solte vorgenom- men haben, worunter die Anschläge, die ich der Königin das Pulver zu machen gegeben hätte, nicht die geringsten waren. Man schwatzte starck davon, mich auf ewig in die Gold-Gruben zu schicken, mein Verhäng. niß war mir aber doch noch so günstig, und der Vorspruch meiner Freunde so mächtig, daß ich nur den Befehl erhielt, Jndien zu meyden. Jch setzte mich auf ein Schiff, und trat meine Reise nach Europa an, muste aber die Tücke des Meeres unterschiedliche mahl erfahren, biß ich endlich in Holland an-
Raminio. Ja, nach Jndianiſcher Art. Sie war etwas groͤſſerer Geſtalt als die Landes-Art mit ſich bringet, die Haud war zart aber gelblicht, die Augen munter und verliebt, die Lippen wie der ſchoͤnſte Carmin, und ein paar Rey- hen Schneeweiſſer Zaͤhne boten dem reinſten Helfenbein einen Wettſtreit an. Von den Geheimniſſen ihres Leibes will ich nichts gedencken, dencket nicht, Mylord, daß ich ſo unverſchaͤmt von Natur ſey, euch alles ſo offenhertzig zu erzehlen, ſondern weil meine Hiſtorie in gantz Jndien und zum Theil auch in Holland bekand iſt, ſo trage ich kein Bedencken, euch davon Nachricht zu ge- ben. Jedoch ich wende mich wieder zuruͤck. Hilf Himmel! wie erſchrack ich da ich dieſe Perſon erblickte. Jch vermuthete, ſie wuͤrde nunmehro die- ſe verdaͤchtige Bekandſchafft durch mein Blut der Unwiſſenheit anbefehlen wollen, da ſie unvermuthet auferwachte, und mich auf die liebreichſte Art anſahe. Die Worte muſten endlich dem innerlichen Vergnuͤgen Platz ma- chen, und ſie bat mich noch dazu um Verzeihung, daß ſie mich zu ſich haͤt- te fordern laſſen, und verſprach mir eine Vergeltung nach meinem Wunſch, wenn er nur ihrem Bermoͤgen gemaͤß waͤr. Sie machte mich zum Fuͤr- ſten und Geheimden Rath, und jedermann wuſte, daß ich der Koͤni- gin Mann war, welches man bey den kleineſten Kinderu ſehen konte, wel- che mit Fingern auf mich wieſen. Dieſe Herrlichkeit daurete nicht laͤnger als ein Jahr, da ſie einen ſo ſchluͤpfrigen Grund hatte. Die Koͤnigin ſtarb jaͤhling, und ſetzte dadurch ihre Unterthanen in den Waͤyſen-mich aber in den erbarmens wuͤrdigen Wittwer-Stand. Jch liebte ſie nach und nach recht hertzlich, und der Verluſt meiner Ehre und Titel ſchmertzte mich um deſtomehr, da ich nicht ſahe, wie ich mich laͤnger dabey erhalten konte. Denn die Hollaͤnder hatten kaum Nachricht in Batavia von dem Abſter- ben dieſer Koͤnigin erhalten, da ſie ihr Land ſo gleich als daß ihrige anſahen, und etliche Schiffe, es wegzunehmen, hinſchickten. Sie eroberten es auch gluͤcklich, und ich war ſo ungluͤcklich, in Ketten und Banden nach Bata- via gebracht zu werden. Mir wurden allda einige Dinge vorge- leget, die ich wieder den Nutzen meines Vaterlandes ſolte vorgenom- men haben, worunter die Anſchlaͤge, die ich der Koͤnigin das Pulver zu machen gegeben haͤtte, nicht die geringſten waren. Man ſchwatzte ſtarck davon, mich auf ewig in die Gold-Gruben zu ſchicken, mein Verhaͤng. niß war mir aber doch noch ſo guͤnſtig, und der Vorſpruch meiner Freunde ſo maͤchtig, daß ich nur den Befehl erhielt, Jndien zu meyden. Jch ſetzte mich auf ein Schiff, und trat meine Reiſe nach Europa an, muſte aber die Tuͤcke des Meeres unterſchiedliche mahl erfahren, biß ich endlich in Holland an-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0072" n="62"/> <sp> <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Raminio.</hi> </hi> </hi> </speaker><lb/> <p>Ja, nach Jndianiſcher Art. Sie war etwas groͤſſerer Geſtalt als die<lb/> Landes-Art mit ſich bringet, die Haud war zart aber gelblicht, die Augen<lb/> munter und verliebt, die Lippen wie der ſchoͤnſte Carmin, und ein paar Rey-<lb/> hen Schneeweiſſer Zaͤhne boten dem reinſten Helfenbein einen Wettſtreit an.<lb/> Von den Geheimniſſen ihres Leibes will ich nichts gedencken, dencket nicht,<lb/><hi rendition="#aq">Mylord,</hi> daß ich ſo unverſchaͤmt von Natur ſey, euch alles ſo offenhertzig zu<lb/> erzehlen, ſondern weil meine Hiſtorie in gantz Jndien und zum Theil auch in<lb/> Holland bekand iſt, ſo trage ich kein Bedencken, euch davon Nachricht zu ge-<lb/> ben. Jedoch ich wende mich wieder zuruͤck. Hilf Himmel! wie erſchrack<lb/> ich da ich dieſe Perſon erblickte. Jch vermuthete, ſie wuͤrde nunmehro die-<lb/> ſe verdaͤchtige Bekandſchafft durch mein Blut der Unwiſſenheit anbefehlen<lb/> wollen, da ſie unvermuthet auferwachte, und mich auf die liebreichſte Art<lb/> anſahe. Die Worte muſten endlich dem innerlichen Vergnuͤgen Platz ma-<lb/> chen, und ſie bat mich noch dazu um Verzeihung, daß ſie mich zu ſich haͤt-<lb/> te fordern laſſen, und verſprach mir eine Vergeltung nach meinem Wunſch,<lb/> wenn er nur ihrem Bermoͤgen gemaͤß waͤr. Sie machte mich zum <hi rendition="#fr">Fuͤr-<lb/> ſten</hi> und <hi rendition="#fr">Geheimden Rath,</hi> und jedermann wuſte, daß ich der <hi rendition="#fr">Koͤni-<lb/> gin</hi> Mann war, welches man bey den kleineſten Kinderu ſehen konte, wel-<lb/> che mit Fingern auf mich wieſen. Dieſe Herrlichkeit daurete nicht laͤnger<lb/> als ein Jahr, da ſie einen ſo ſchluͤpfrigen Grund hatte. Die Koͤnigin<lb/><hi rendition="#fr">ſtarb</hi> jaͤhling, und ſetzte dadurch ihre Unterthanen in den <hi rendition="#fr">Waͤyſen-</hi>mich<lb/> aber in den erbarmens wuͤrdigen <hi rendition="#fr">Wittwer-Stand.</hi> Jch liebte ſie nach und<lb/> nach recht hertzlich, und der Verluſt meiner <hi rendition="#fr">Ehre</hi> und <hi rendition="#fr">Titel</hi> ſchmertzte mich<lb/> um deſtomehr, da ich nicht ſahe, wie ich mich laͤnger dabey erhalten konte.<lb/> Denn die <hi rendition="#fr">Hollaͤnder</hi> hatten kaum Nachricht in Batavia von dem Abſter-<lb/> ben dieſer Koͤnigin erhalten, da ſie ihr Land ſo gleich als daß ihrige anſahen,<lb/> und etliche Schiffe, es wegzunehmen, hinſchickten. Sie eroberten es auch<lb/> gluͤcklich, und ich war ſo ungluͤcklich, in <hi rendition="#fr">Ketten</hi> und <hi rendition="#fr">Banden</hi> nach Bata-<lb/> via gebracht zu werden. Mir wurden allda einige Dinge vorge-<lb/> leget, die ich wieder den Nutzen meines Vaterlandes ſolte vorgenom-<lb/> men haben, worunter die Anſchlaͤge, die ich der Koͤnigin das <hi rendition="#fr">Pulver</hi><lb/> zu machen gegeben haͤtte, nicht die geringſten waren. Man ſchwatzte ſtarck<lb/> davon, mich auf ewig in die <hi rendition="#fr">Gold-Gruben</hi> zu ſchicken, mein Verhaͤng.<lb/> niß war mir aber doch noch ſo guͤnſtig, und der Vorſpruch meiner Freunde<lb/> ſo maͤchtig, daß ich nur den Befehl erhielt, <hi rendition="#fr">Jndien</hi> zu meyden. Jch ſetzte<lb/> mich auf ein Schiff, und trat meine Reiſe nach Europa an, muſte aber die<lb/> Tuͤcke des Meeres unterſchiedliche mahl erfahren, biß ich endlich in Holland<lb/> <fw place="bottom" type="catch">an-</fw><lb/></p> </sp> </div> </body> </text> </TEI> [62/0072]
Raminio.
Ja, nach Jndianiſcher Art. Sie war etwas groͤſſerer Geſtalt als die
Landes-Art mit ſich bringet, die Haud war zart aber gelblicht, die Augen
munter und verliebt, die Lippen wie der ſchoͤnſte Carmin, und ein paar Rey-
hen Schneeweiſſer Zaͤhne boten dem reinſten Helfenbein einen Wettſtreit an.
Von den Geheimniſſen ihres Leibes will ich nichts gedencken, dencket nicht,
Mylord, daß ich ſo unverſchaͤmt von Natur ſey, euch alles ſo offenhertzig zu
erzehlen, ſondern weil meine Hiſtorie in gantz Jndien und zum Theil auch in
Holland bekand iſt, ſo trage ich kein Bedencken, euch davon Nachricht zu ge-
ben. Jedoch ich wende mich wieder zuruͤck. Hilf Himmel! wie erſchrack
ich da ich dieſe Perſon erblickte. Jch vermuthete, ſie wuͤrde nunmehro die-
ſe verdaͤchtige Bekandſchafft durch mein Blut der Unwiſſenheit anbefehlen
wollen, da ſie unvermuthet auferwachte, und mich auf die liebreichſte Art
anſahe. Die Worte muſten endlich dem innerlichen Vergnuͤgen Platz ma-
chen, und ſie bat mich noch dazu um Verzeihung, daß ſie mich zu ſich haͤt-
te fordern laſſen, und verſprach mir eine Vergeltung nach meinem Wunſch,
wenn er nur ihrem Bermoͤgen gemaͤß waͤr. Sie machte mich zum Fuͤr-
ſten und Geheimden Rath, und jedermann wuſte, daß ich der Koͤni-
gin Mann war, welches man bey den kleineſten Kinderu ſehen konte, wel-
che mit Fingern auf mich wieſen. Dieſe Herrlichkeit daurete nicht laͤnger
als ein Jahr, da ſie einen ſo ſchluͤpfrigen Grund hatte. Die Koͤnigin
ſtarb jaͤhling, und ſetzte dadurch ihre Unterthanen in den Waͤyſen-mich
aber in den erbarmens wuͤrdigen Wittwer-Stand. Jch liebte ſie nach und
nach recht hertzlich, und der Verluſt meiner Ehre und Titel ſchmertzte mich
um deſtomehr, da ich nicht ſahe, wie ich mich laͤnger dabey erhalten konte.
Denn die Hollaͤnder hatten kaum Nachricht in Batavia von dem Abſter-
ben dieſer Koͤnigin erhalten, da ſie ihr Land ſo gleich als daß ihrige anſahen,
und etliche Schiffe, es wegzunehmen, hinſchickten. Sie eroberten es auch
gluͤcklich, und ich war ſo ungluͤcklich, in Ketten und Banden nach Bata-
via gebracht zu werden. Mir wurden allda einige Dinge vorge-
leget, die ich wieder den Nutzen meines Vaterlandes ſolte vorgenom-
men haben, worunter die Anſchlaͤge, die ich der Koͤnigin das Pulver
zu machen gegeben haͤtte, nicht die geringſten waren. Man ſchwatzte ſtarck
davon, mich auf ewig in die Gold-Gruben zu ſchicken, mein Verhaͤng.
niß war mir aber doch noch ſo guͤnſtig, und der Vorſpruch meiner Freunde
ſo maͤchtig, daß ich nur den Befehl erhielt, Jndien zu meyden. Jch ſetzte
mich auf ein Schiff, und trat meine Reiſe nach Europa an, muſte aber die
Tuͤcke des Meeres unterſchiedliche mahl erfahren, biß ich endlich in Holland
an-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
| URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/nn_engellaender_1734 |
| URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/nn_engellaender_1734/72 |
| Zitationshilfe: | [N. N.]: Der reisende Engelländer. Frankfurt u. a., 1734, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_engellaender_1734/72>, abgerufen am 24.11.2024. |
