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Das Heller-Blatt. Nr. 32. Breslau, 9. August 1834.

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Das Heller=Blatt.
[Beginn Spaltensatz] von 12 oder 15 Christen der griechischen Gemeinde be-
wacht. Bis jetzt hatten wir noch kein anderes leben-
des Wesen gesehen, als die Schakals, welche zwischen
den Säulen des großen Tempels hin und her liefen.
Der Bischof, durch das Geräusch unserer Karavane
aufmerksam gemacht, kam sogleich herbei, neigte sich
vor uns und bot uns Gastfreundschaft an. Es war
ein schöner Greis mit silbernem Haar und Bart, von
ernsten und sanften Gesichtszügen, ganz ähnlich dem
Bilde eines Priesters in einem Gedicht oder in einem
Roman, und durchaus würdig, seine Gestalt des Frie-
dens, der Ergebung und Milde auf diesem feierlichen
Schauplatze der Ruinen und des Nachdenkens zu zeigen.
Er ließ uns in einen kleinen Hof eintreten, der eben-
falls mit zertrümmerten Statuen, mit Stücken von
Mosaik und mit antiken Vasen gepflastert war, und
stellte uns sein ganzes Haus, d. h. zwei kleine, nie-
drige Gemächer ohne Möbeln und ohne Thüren zur
Verfügung; er zog sich darauf zurück und machte uns,
der orientalischen Sitte gemäß, zu unumschränkten
Herren seiner Wohnuug. Während unsre Araber rund
um das Haus die eisernen Stangen aufpflanzten, an
welche sie die Pferde mit einem Ringe befestigten, und
in dem Hofe ein Feuer anzündeten, um uns ein fruga-
les Mahl zu bereiten, traten wir noch einmal hinaus,
um einen zweiten Blick auf die uns umgebenden Denk-
mäler zu werfen. Die großen Tempel standen vor uns
wie Statuen auf ihren Fußgestellen, die Sonne be-
leuchtete sie mit einem letzten Strahle, der sich lang-
sam von einer Säule zur andern entfernte, wie der
Schein einer Lampe, die der Priester mit sich in das
Jnnere des Heiligthums nimmt. Wir blieben einige
Augenblicke sitzen, schweigsam und nachdenkend, vor
diesem Schauspiel ohne Worte, und kehrten dann lang-
samen Schrittes in den kleinen Hof zurück, der durch
das Feuer unserer Araber erhellt war.

Auf einigen Bruchstücken von Karnießen und Ka-
pitälern sitzend, welche als Bänke dienten, verzehrten
wir rasch das einfache Mahl des Reisenden in der Wüste,
und unterhielten uns dann noch eine Zeitlang von dem,
was unsere Gedanken beschäftigte. Das Feuer erlosch,
aber der Mond erhob sich voll und glänzend an dem
dunklen Himmel, und beleuchtete unsere wunderbare
Umgebung mit seinem melancholischen Lichte. Wir
versanken in Schweigen und Träumerei; was wir dach-
ten, in dieser Stunde, an diesem Ort, so weit von der
lebenden Welt in dieser Welt des Todes, in Gegenwart
so vieler stummen Zeugen einer unbekannten Vergan-
genheit, die aber alle unsere kleinen Theorien von Phi-
losophie und Geschichte über den Haufen stößt; was in
unsern Gemüthern, in unsern Herzen, in unsern Sy-
stemen, in unseren Jdeen vorging, Gott allein weiß es,
unsere Zungen versuchten nicht es auszusprechen; sie
würden gefürchtet haben, die Feierlichkeiten jener
Stunde, jenes Gestirns und jener Gedanken zu entwei-
[Spaltenumbruch] hen; wir schwiegen. Plötzlich, wie eine sanfte und
verliebte Klage, wie ein ernstes und durch Leidenschaft
betontes Gemurmel, hörten wir hinter den Ruinen ei-
nen Chor=Gesang ertönen, der in einfacher, rührender
Melodie bald schwächer, bald stärker erschallte; es war
das Abendgebet, welches der arabische Bischof mit sei-
ner kleinen Heerde verrichtete. Wir waren durch nichts
auf jene Musik der Seele, deren einzelne Noten Ge-
fühle oder Seufzer des menschlichen Herzens sind, in
dieser Einsamkeit vorbereitet worden. Wir wurden
tief erschüttert, und begleiteten mit dem Aufschwung
unserer Gedanken, unserer Gebete und unserer ganzen
innern Poesie die Töne jener heiligen Musik, bis der
Gesang zu Ende war, und der letzte Seufzer jener
frommen Stimmen in der gewohnten Stille der alten
Trümmer verhallte.

So wird, sagten wir, indem wir uns erhoben,
ohne Zweifel die Poesie der letzten Jahrhunderre seyn:
Seufzer und Gebet auf den Gräbern, ein klagender
Hauch gegen eine Welt, die weder Tod nach Ruinen
kennt.



Ueber den Maulbeerbaum Per-
rotet, morus multicaulis
.

Nach zahlreichen Mittheilungen scheint es, daß es
die Bestimmung dieses Maulbeerbaums ist, überall
den gewöhnlichen weißen Maulbeerbaum, zur Ernäh-
rung der Seidenwürmer, zu ersetzen. Seine Eigen-
schaft, niedrig und buschig zu bleiben, so daß man die
Blätter immer ohne Leiter abpflücken kann, die Breite,
die Menge und die Zartheit seiner Blätter müssen ihm
einen ganz entschiedenen Vorzug verschaffen. Man hat
sich bereits davon versichert, daß die Seidenwürmer sie
mit Begierde fressen, und daß die davon zu erhaltende
Seide von der ersten Qualität ist.

Dieser Maulbeerbaum läßt sich mit der größten
Leichtigkeit durch Stecklinge vermehren. Er hat nicht
im Geringsten von dem strengen Winter gelitten, der-
gestalt, daß die Acclimatisirung vollständig ist. Hier-
nach scheint es höchst rathsam, diesen nützlichen Maul-
beerbaum auch bei uns einheimisch zu machen, da es
wahrscheinlich ist, daß er in unserm Klima ausdauern
wird.



Ein Häuptling der Korannas.

Die Koras oder Korannas, ein Volksstamm aus
der Race der Hottentotten, wohnt theils unter diesen,
theils unter den Buschmännern zerstreut an den Quellen
des Orange=Flußes auf der Südspitze von Afrika, wo
dieses Volk für seine zahlreichen Rinderheerden die beste
Weide findet. Die Korannas sind ein überaus fried-
[Ende Spaltensatz]

Das Heller=Blatt.
[Beginn Spaltensatz] von 12 oder 15 Christen der griechischen Gemeinde be-
wacht. Bis jetzt hatten wir noch kein anderes leben-
des Wesen gesehen, als die Schakals, welche zwischen
den Säulen des großen Tempels hin und her liefen.
Der Bischof, durch das Geräusch unserer Karavane
aufmerksam gemacht, kam sogleich herbei, neigte sich
vor uns und bot uns Gastfreundschaft an. Es war
ein schöner Greis mit silbernem Haar und Bart, von
ernsten und sanften Gesichtszügen, ganz ähnlich dem
Bilde eines Priesters in einem Gedicht oder in einem
Roman, und durchaus würdig, seine Gestalt des Frie-
dens, der Ergebung und Milde auf diesem feierlichen
Schauplatze der Ruinen und des Nachdenkens zu zeigen.
Er ließ uns in einen kleinen Hof eintreten, der eben-
falls mit zertrümmerten Statuen, mit Stücken von
Mosaik und mit antiken Vasen gepflastert war, und
stellte uns sein ganzes Haus, d. h. zwei kleine, nie-
drige Gemächer ohne Möbeln und ohne Thüren zur
Verfügung; er zog sich darauf zurück und machte uns,
der orientalischen Sitte gemäß, zu unumschränkten
Herren seiner Wohnuug. Während unsre Araber rund
um das Haus die eisernen Stangen aufpflanzten, an
welche sie die Pferde mit einem Ringe befestigten, und
in dem Hofe ein Feuer anzündeten, um uns ein fruga-
les Mahl zu bereiten, traten wir noch einmal hinaus,
um einen zweiten Blick auf die uns umgebenden Denk-
mäler zu werfen. Die großen Tempel standen vor uns
wie Statuen auf ihren Fußgestellen, die Sonne be-
leuchtete sie mit einem letzten Strahle, der sich lang-
sam von einer Säule zur andern entfernte, wie der
Schein einer Lampe, die der Priester mit sich in das
Jnnere des Heiligthums nimmt. Wir blieben einige
Augenblicke sitzen, schweigsam und nachdenkend, vor
diesem Schauspiel ohne Worte, und kehrten dann lang-
samen Schrittes in den kleinen Hof zurück, der durch
das Feuer unserer Araber erhellt war.

Auf einigen Bruchstücken von Karnießen und Ka-
pitälern sitzend, welche als Bänke dienten, verzehrten
wir rasch das einfache Mahl des Reisenden in der Wüste,
und unterhielten uns dann noch eine Zeitlang von dem,
was unsere Gedanken beschäftigte. Das Feuer erlosch,
aber der Mond erhob sich voll und glänzend an dem
dunklen Himmel, und beleuchtete unsere wunderbare
Umgebung mit seinem melancholischen Lichte. Wir
versanken in Schweigen und Träumerei; was wir dach-
ten, in dieser Stunde, an diesem Ort, so weit von der
lebenden Welt in dieser Welt des Todes, in Gegenwart
so vieler stummen Zeugen einer unbekannten Vergan-
genheit, die aber alle unsere kleinen Theorien von Phi-
losophie und Geschichte über den Haufen stößt; was in
unsern Gemüthern, in unsern Herzen, in unsern Sy-
stemen, in unseren Jdeen vorging, Gott allein weiß es,
unsere Zungen versuchten nicht es auszusprechen; sie
würden gefürchtet haben, die Feierlichkeiten jener
Stunde, jenes Gestirns und jener Gedanken zu entwei-
[Spaltenumbruch] hen; wir schwiegen. Plötzlich, wie eine sanfte und
verliebte Klage, wie ein ernstes und durch Leidenschaft
betontes Gemurmel, hörten wir hinter den Ruinen ei-
nen Chor=Gesang ertönen, der in einfacher, rührender
Melodie bald schwächer, bald stärker erschallte; es war
das Abendgebet, welches der arabische Bischof mit sei-
ner kleinen Heerde verrichtete. Wir waren durch nichts
auf jene Musik der Seele, deren einzelne Noten Ge-
fühle oder Seufzer des menschlichen Herzens sind, in
dieser Einsamkeit vorbereitet worden. Wir wurden
tief erschüttert, und begleiteten mit dem Aufschwung
unserer Gedanken, unserer Gebete und unserer ganzen
innern Poesie die Töne jener heiligen Musik, bis der
Gesang zu Ende war, und der letzte Seufzer jener
frommen Stimmen in der gewohnten Stille der alten
Trümmer verhallte.

So wird, sagten wir, indem wir uns erhoben,
ohne Zweifel die Poesie der letzten Jahrhunderre seyn:
Seufzer und Gebet auf den Gräbern, ein klagender
Hauch gegen eine Welt, die weder Tod nach Ruinen
kennt.



Ueber den Maulbeerbaum Per-
rotet, morus multicaulis
.

Nach zahlreichen Mittheilungen scheint es, daß es
die Bestimmung dieses Maulbeerbaums ist, überall
den gewöhnlichen weißen Maulbeerbaum, zur Ernäh-
rung der Seidenwürmer, zu ersetzen. Seine Eigen-
schaft, niedrig und buschig zu bleiben, so daß man die
Blätter immer ohne Leiter abpflücken kann, die Breite,
die Menge und die Zartheit seiner Blätter müssen ihm
einen ganz entschiedenen Vorzug verschaffen. Man hat
sich bereits davon versichert, daß die Seidenwürmer sie
mit Begierde fressen, und daß die davon zu erhaltende
Seide von der ersten Qualität ist.

Dieser Maulbeerbaum läßt sich mit der größten
Leichtigkeit durch Stecklinge vermehren. Er hat nicht
im Geringsten von dem strengen Winter gelitten, der-
gestalt, daß die Acclimatisirung vollständig ist. Hier-
nach scheint es höchst rathsam, diesen nützlichen Maul-
beerbaum auch bei uns einheimisch zu machen, da es
wahrscheinlich ist, daß er in unserm Klima ausdauern
wird.



Ein Häuptling der Korannas.

Die Koras oder Korannas, ein Volksstamm aus
der Race der Hottentotten, wohnt theils unter diesen,
theils unter den Buschmännern zerstreut an den Quellen
des Orange=Flußes auf der Südspitze von Afrika, wo
dieses Volk für seine zahlreichen Rinderheerden die beste
Weide findet. Die Korannas sind ein überaus fried-
[Ende Spaltensatz]

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[255/0007] Das Heller=Blatt. von 12 oder 15 Christen der griechischen Gemeinde be- wacht. Bis jetzt hatten wir noch kein anderes leben- des Wesen gesehen, als die Schakals, welche zwischen den Säulen des großen Tempels hin und her liefen. Der Bischof, durch das Geräusch unserer Karavane aufmerksam gemacht, kam sogleich herbei, neigte sich vor uns und bot uns Gastfreundschaft an. Es war ein schöner Greis mit silbernem Haar und Bart, von ernsten und sanften Gesichtszügen, ganz ähnlich dem Bilde eines Priesters in einem Gedicht oder in einem Roman, und durchaus würdig, seine Gestalt des Frie- dens, der Ergebung und Milde auf diesem feierlichen Schauplatze der Ruinen und des Nachdenkens zu zeigen. 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Seine Eigen- schaft, niedrig und buschig zu bleiben, so daß man die Blätter immer ohne Leiter abpflücken kann, die Breite, die Menge und die Zartheit seiner Blätter müssen ihm einen ganz entschiedenen Vorzug verschaffen. Man hat sich bereits davon versichert, daß die Seidenwürmer sie mit Begierde fressen, und daß die davon zu erhaltende Seide von der ersten Qualität ist. Dieser Maulbeerbaum läßt sich mit der größten Leichtigkeit durch Stecklinge vermehren. Er hat nicht im Geringsten von dem strengen Winter gelitten, der- gestalt, daß die Acclimatisirung vollständig ist. Hier- nach scheint es höchst rathsam, diesen nützlichen Maul- beerbaum auch bei uns einheimisch zu machen, da es wahrscheinlich ist, daß er in unserm Klima ausdauern wird. Ein Häuptling der Korannas. Die Koras oder Korannas, ein Volksstamm aus der Race der Hottentotten, wohnt theils unter diesen, theils unter den Buschmännern zerstreut an den Quellen des Orange=Flußes auf der Südspitze von Afrika, wo dieses Volk für seine zahlreichen Rinderheerden die beste Weide findet. Die Korannas sind ein überaus fried-

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Zitationshilfe: Das Heller-Blatt. Nr. 32. Breslau, 9. August 1834, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_heller32_1834/7>, abgerufen am 23.11.2024.