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Mährisches Tagblatt. Nr. 20, Olmütz, 26.01.1891.

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[Spaltenumbruch]

Jahre ein neaes Dutzend gesellen will. Ist Graf
Taaffe der Mann, dieß zu erkennen, dann wird
er seinem Systeme bald nachfolgen.




Das "Sperrgeld."


Eine der letzten Erinnerungen aus der
sogenannten "Culturkampf" Epoche in Preußen
ist nunmehr beseitigt worden. Die dortige Re-
gierung hat nämlich dem Abgeordnetenhause
einen Gesetzentwurf unterbreitet, womit die
Sperrgelderfrage im Sinne des Centrums ge-
löst wird. Während des Culturkampfes in den
Siebzigerjahren sah sich bekanntlich die Staats-
regierung veranlaßt, dem Episcopat gegenüber,
welcher sich den sogenannten "Maigesetzen" nicht
unterwerfen wollte, strenge Maßnahmen zu er-
greifen. Unter Anderem wurden Einkünfte der
"todten Hand", für die Geistlichkeit bestimmte
Dotationen, mit Beschlag belegt und die Leistun-
gen aus Staatsmitteln für die römisch-katholi-
schen Bisthümer und Geistlichen "gesperrt", das
heißt eingestellt. Solchermaßen ist ein Fonds
von nicht weniger als 16,009.333 Mark, welche
für die Kirche bestimmt waren, derselben ent-
zogen worden. Im Laufe der Jahre ist jedoch
der "Culturkampf" zum großen Theile ver-
schwunden und hat einer milderen Auffassung
über das Verhältniß der katholischen Kirche zum
preußischen Staate platzgemacht, indem Bismarck
entgegen seinem stolzen Versprechen, einfach "nach
Canossa" ging. Die Bischöfe, welche ihre Diöce-
sansitze verlassen hatten, sind mit dem allmäligen
Verschwinden der Maigesetze wieder dahin zurück-
gekehrt und nunmehr hat sich denn die preußische
Regierung entschlossen, der Kirche ein weithin
sichtbares Zeichen ihrer Friedensliebe damit zu
geben, daß sie das "Sperrgeldgesetz" vom Jahre
1885 einfach aufhob und sich bereit erklärte, die
angesammelten "Sperrgelder" der Kirche heraus-
zuzahlen.

Die Regierung hat damit dem Centrum ge-
genüber ein ganz außergewöhnliches Entgegenkom-
men bekundet. Im vorigen Jahre noch wollte
die Staatsregierung den Bisthümern nur die
Rente zusprechen, jetzt gibt sie ihnen das Capital
preis. Noch mehr! Damals behielt sie die Be-
stimmung über die Verwendung der Rente einer
besonderen Vereinbarung zwischen dem Cultus-
minister und den Bischöfen vor, jetzt überläßt sie
die Verfügung über die Gelder vollständig den
Bischöfen allein. Die Diöcesanoberen werden hie-
[Spaltenumbruch] durch plötzlich über größere Summen verfügen;
dem Erzbisthum Köln werden beispielsweise über
drei Millionen, dem von Gnesen nahezu zwei
Millionen zur Verfügung gestellt. Aus diesen
Beträgen haben die Diöcesanoberen die von In-
stituten und Personen erhobenen Ansprüche zu
befriedigen, über welche in jeder Diöcese eine aus
drei Geistlichen und zwei richterlichen, nicht im
Staatsdienste stehenden Laien bestehende Commis-
sion endgiltig zu entscheiden hat. Die aus dem
Ueberschusse sich ergebenden Beträge werden von
den Diöcesanoberen für kirchliche Zwecke und zur
Unterstützung von Gemeinden bei Errichtung und
Wiederherstellung von kirchlichen Gebäuden ver-
wendet; über die Verwendung haben die Bischöfe
dem Cultusminister Mittheilung zu machen.

Begreiflicherweise wurde diese Vorlage von
den verschiedenen Parteien mit gemischten Gefüh-
len aufgenommen. Das Centrum ist von dersel-
ben sehr befriedigt, während andere Parteien da-
rin einen "Canossagang" erblicken. In Wirklich-
keit scheint uns, daß der junge von mancherlei
Vorurtheilen freie deutsche Kaiser damit nichts
Anderes bezweckte, als einen Zustand zu beseitigen,
welcher rechtlich und politisch nicht haltbar war.




Politische Nachrichten.
(Die Auflösung des Reichsrathes.)

Die
gestrige "Wiener Zeitung" veröffentlicht im amt-
lichen Theile ein kaiserliches Patent, welches die
Auflösung des Reichsrathes und die unverzüg-
liche Einleitung und Durchführung der allge-
meinen Neuwahlen für das Abgeordnetenhaus
anordnet. Wir würdigen die Bedeutung dieses
Ereignisses an leitender Stelle und fügen nur
hiezu, daß es Aufgabe unserer Parteileitung sein
wird sofort die Vorbereitungen für die unmittel-
bar bevorstehenden Wahlen zu treffen. Es ist
interessant zu lesen, wie die amtl. Zeitung die
Maßregel, die die Auflösung des Reichsrathes
verfügt, commentirt. Nach einer kurzen Aufzäh-
lung der hervorragenden Beschlüsse des Abgeord-
netenhauses schreibt sie:

"So wie in jedem Parlamente, wird auch in
unserem Parlamente naturgemäß gegen Ende
einer Wahlperiode die legislative Thätigkeit lang-
samer und schwersälliger, Verzögerungen in der
parlamentarischen Arbeit werden unvermeidlich,
die Schwierigkeiten, der Aufgabe zu genügen stei-
gern sich.

Die Kürze der bis zum gesetzlichen Ende
der Legislatur-Periode noch erübrigenden Frist
vielfach innerhalb der Parteien sich vollziehende
[Spaltenumbruch] Veränderungen, die hiedurch bedingten schwieri-
gen und zweifelhaften Majoritäts-Verhällnisse so
wie die Rücksichten auf die Aufgaben der Zu-
kunft ließen erkennen, daß der Augenblick gekom-
men sei für die Erneuerung des Abgeordneten-
hauses und die Klärung der politischen Lage.

Mögen nunmehr die Wähler ihr constitu-
tionelles Recht mit patriotischer Einsicht ansüben.
Oesterreich bedarf auch in Zukunft eines Par-
laments, welches österreichisch denkt, fühlt und
handelt, welches die Kraft und Würde der
Monarchie höher stellt als Partei-Interessen. Die
Parlamentsmajorität soll dem staatlichen Bedürf-
nisse Genüge leisten und in der Lage sein eine
kräftige, legislative Thätigkeit zu entfalten; sie
soll eine feste Schutzwehr gegen unpatriotische
und extreme Bestrebungen bilden; sie soll die
Verfassung des Reiches, sowie die verfassungs-
mäßig gewährleisteten Rechte der Königreiche und
Länder wahren, die Individualität der Völker
und die wichtigste Grundlage menschlicher Ge-
sitttung, religiöse Ueberzeugung achten und be-
rücksichtigen. Eine Majorität soll es sein, welche
die Zeichen der Zeit versteht; denn sowie unser
gesammtes privates und öffentliches Leben sich
gewissen socialen Erschütterungen gegenüber nicht
gleichgiltig verhalten darf, so muß auch die
gesetzgebende Gewalt innerhalb ihres Wir-
kungskreises ihr Verständniß für sociale Fragen
bethätigen. Schon die Thronreden in den
Jahren 1879 und 1885 bezeichnen eine
Reihe von legislativen Aufgaben, von welchen
ein großer Theil einer gedeihlichen Lösung zuge-
führt worden ist. Daß es aber auf weiten Ge-
bieten der wirthschaftlichen und geistigen Ent-
wicklung noch immer Vieles zu thun gibt, was
Zeit und Kraft der neu zu wählenden Volks-
vertretung in Anspruch nehmen wird, kann wohl
am wenigsten von Jenen bezweifelt werden,
welche ihre Bereitwilligkeit mitzuwirken in
schätzenswerther oft erfolgreicher Weise bereits er-
wiesen haben.

Oesterreichs Manigfaltigkeit in Natur,
Verhältnissen und Volksinteressen läßt die Even-
tualität der Bildung und des Bestandes großer,
völlig homogener Majoritäten kaum voraussetzen,
und es wird immer Aufgabe der Regierung Sr.
Majestät sein die Politik des Staates unter allen
Umständen mit Festigkeit richtigen Zielen zuzu-
führen. Wer jedoch unser Vaterland, seine Geschichte
und seine innere Entwicklung kennt, muß zuversicht-
lich erwarten, daß in Folge der bevorstehenden
Wahlen stets eine aus Politikern verschiedener
Parteirichtungen bestehende Majorität vorhanden




[Spaltenumbruch]

Theater leitet. Der zweite Komiker jener Zeit,
Herr Stauber, leitete mehrere Jahre hindurch
das Hamburger Karl-Schulze-Theater mit
wechselndem Glücke. Von den Liebhabern der Aera
Fritsche finden wir im Almanach nur mehr
Herrn Jelenko, der in Berlin engagirt ist. Auch
die Sängerinnen dieser Aera scheinen bereits
ausgemimt zu haben. Auch von den Mitgliedern
der Direction Schönerstädt finden wir nur wenige
Namen mehr, die in der Theaterwelt noch Klang
haben, darunter Frl. Moller in Prag, Herrn
Rub in Danzig, Herrn Reisiger (Tenor) in
Reval, Herrn Gottinger, der sich seither mit
Frau Wilt-Plankensteiner verheiratete, als be-
liebten Baritonisten in Graz und Frl. Franconi
in Reichenberg.

Reicher ist dagegen die Zahl von Namen, die
[a]us den Zeiten der Direction Müller hier noch
[i]n bester Erinnerung stehend, sich im Almanach
[u]nter den Mitgliedern größerer Bühnen vor-
[fin]den. Da ist vor Allen die temperamentvolle
[A]lexandrine Malten, die zuerst in Graz
[en]gagirt, jetzt in Hamburg thätig ist, die begabte
[unleserliches Material - 2 Zeichen fehlen]sti Brandt, welche die Nachfolgerin der
[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]alten in Graz wurde und jetzt in Baden bei
[W]ien engagirt ist, der Operettentenor, Herr
[B]auer, der in Preßburg ebenso ein Liebling
[de]s Publicums ist, wie er es hier war und die
[unv]ergessene Anatour, die durch ihre Grazie
[di]e Insbrucker ganz so wie uns vergessen macht,
[wi]e wenig Stimme sie besitzt.

Von den Komikern der Aera Müller ist der
[belie]bte Romani Mitglied des Wiener Volks-
[theate]rs geworden, Herr Augustin ist ein Liebling
[der] Linzer. Frl. Hassan hat es sogar zum
[Mit]gliede des Burgtheaters gebracht, Fräulein
[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]randeis ist an einem der vielen Berliner
[Thea]ter, Frl. Fleißig an der Budapester Hof-
[Spaltenumbruch] oper, Frl. Lerach in Insbruck, Frl. Köchel
in Reichenberg, Herr Weinau in Graz engagirt.
Herr Herzka ist Regisseur in W. Neustadt,
Frl. Rogall ist in Brünn seit Jahren mit
Erfolg thätig. Herr Capellmeister Reich ist
zweiter Capellmeister am deutschen Landestheater
in Prag, der Komiker Kirschner ein beliebtes
Mitglied der W. Neustädter Bühne, Herr
Dworsky, erster Tenor in Königsberg, Herr
Küch in gleicher Eigenschaft in Schweidnitz.
Herr Korb privasitirt in Stuttgart.

Nicht minder zahlreich sind die Namen der
Künstler, die wir aus der Westen'schen Direction
an größeren Bühnen wiederfinden. Da ist zuerst
Herr Greisnegger, der rasch am deutschen
Volkstheater in Wien beliebt gewordene Komiker
zu nennen. Die Altistin Weiner fand in Ham-
burg, die dramatische Sängerin Frl. v. Rodri-
guez
in Graz Engagement, während der Ba-
rytonist Herr Leon die Aachener eutzückt, Herr
Kühns in Straßburg gefällt, Hr. Tragau
zu den vornehmeren Kräften der Troppauer
Bühne zählt, Herr Weißmüller als Regisseur
und Schauspieler in Teplitz Beifall erringt und
Herr Erl sich der Gunst der Linzer erfreat.
Herr Verstl wirkt in Baden bei Wien als
Regisseur, Herr Trammer in Breslau.

Sonderbarer Weise suchen wir im Almanach
vergebens nach dem stimmbegabten Tenoristen der
Aera Westen, nach Herrn Martens. Der treff-
liche Capellmeister dieser Aera, Herr Hartl ist
in Wien als Correpetitor thätig, während der
Operettencapellmeister, Herr Einödshofer das
Directionsscepter in Znaim schwingt.

Die Namen, die uns in der Aera Stick als
Künstler gepriesen wurden, suchen wir im Alma-
nach vergebens in den Reihen der Mitglieder
größerer Bühnen. Den einzigen Norini finden
[Spaltenumbruch] wir im Wiener Carltheater. Frl. Friedberg
ist in Reichenberg, Herr Koch in Stettin, Frl.
Czendes, Fr. Windhop, Herr Wodika
und Herr Frankl sind in Troppau und Frl.
Gina Eibenschütz in Salzburg engagirt. Die
Namen Roll, Thalberg, Chalons u. s. w. meldet
kein Lied, kein Heldenbuch. Den alten Koloman
Schmidt aber finden wir als Schauspieler in
Iglau; Herr Benke ist in Innsbruck, Herr
Maixdoff in Meiningen und Herr Dreher
in Meran thätig. Noch sei in dieser Revue un-
seres Landsmannes, des Bassisten Herrn Pohl
gedacht, der in Rotterdam sich die volle Gunst
des Publikums erworben, und es sei auch nicht
dreier Künstler aus der Aera Czernits vergessen,
die heute in hervorragender Stellung thätig sind.
Es sind die Herren Dr. Tyrolt, der hier
zuerst die Bühne betrat und nun zu den ersten
Größen des deutschen Volkstheaters in Wien
zählt, Stoll, der die Regie an der Wiener
Hofoper führt und Dr. Kaser, der hier der
erste den Pfarrer von Kirchfeld spielte und nun-
mehr ein geachtetes Glied der Stuttgarter Hof-
bühne ist.

Wir wollen diese Revue nicht weiter aus-
dehnen, dürfen aber trotzdem die geniale Lucca
nicht vergessen, die ebenfalls an unserer Bühne
ihre glanzvolle Laufbahn begann und noch vor
Jahresfrist zu den Sternen der Wiener Hof-
oper zählte.

Es ziemt sich ihrer und aller Jener zeit-
weilig zu denken, die durch ihren ruhmvollen
Namen auch den Ruf unseres Theaters erhöht
haben, dessen Gedeihen und Blühen uns allen
eine Herzenssache ist.




[Spaltenumbruch]

Jahre ein neaes Dutzend geſellen will. Iſt Graf
Taaffe der Mann, dieß zu erkennen, dann wird
er ſeinem Syſteme bald nachfolgen.




Das „Sperrgeld.“


Eine der letzten Erinnerungen aus der
ſogenannten „Culturkampf“ Epoche in Preußen
iſt nunmehr beſeitigt worden. Die dortige Re-
gierung hat nämlich dem Abgeordnetenhauſe
einen Geſetzentwurf unterbreitet, womit die
Sperrgelderfrage im Sinne des Centrums ge-
löſt wird. Während des Culturkampfes in den
Siebzigerjahren ſah ſich bekanntlich die Staats-
regierung veranlaßt, dem Episcopat gegenüber,
welcher ſich den ſogenannten „Maigeſetzen“ nicht
unterwerfen wollte, ſtrenge Maßnahmen zu er-
greifen. Unter Anderem wurden Einkünfte der
„todten Hand“, für die Geiſtlichkeit beſtimmte
Dotationen, mit Beſchlag belegt und die Leiſtun-
gen aus Staatsmitteln für die römiſch-katholi-
ſchen Bisthümer und Geiſtlichen „geſperrt“, das
heißt eingeſtellt. Solchermaßen iſt ein Fonds
von nicht weniger als 16,009.333 Mark, welche
für die Kirche beſtimmt waren, derſelben ent-
zogen worden. Im Laufe der Jahre iſt jedoch
der „Culturkampf“ zum großen Theile ver-
ſchwunden und hat einer milderen Auffaſſung
über das Verhältniß der katholiſchen Kirche zum
preußiſchen Staate platzgemacht, indem Bismarck
entgegen ſeinem ſtolzen Verſprechen, einfach „nach
Canoſſa“ ging. Die Biſchöfe, welche ihre Diöce-
ſanſitze verlaſſen hatten, ſind mit dem allmäligen
Verſchwinden der Maigeſetze wieder dahin zurück-
gekehrt und nunmehr hat ſich denn die preußiſche
Regierung entſchloſſen, der Kirche ein weithin
ſichtbares Zeichen ihrer Friedensliebe damit zu
geben, daß ſie das „Sperrgeldgeſetz“ vom Jahre
1885 einfach aufhob und ſich bereit erklärte, die
angeſammelten „Sperrgelder“ der Kirche heraus-
zuzahlen.

Die Regierung hat damit dem Centrum ge-
genüber ein ganz außergewöhnliches Entgegenkom-
men bekundet. Im vorigen Jahre noch wollte
die Staatsregierung den Bisthümern nur die
Rente zuſprechen, jetzt gibt ſie ihnen das Capital
preis. Noch mehr! Damals behielt ſie die Be-
ſtimmung über die Verwendung der Rente einer
beſonderen Vereinbarung zwiſchen dem Cultus-
miniſter und den Biſchöfen vor, jetzt überläßt ſie
die Verfügung über die Gelder vollſtändig den
Biſchöfen allein. Die Diöceſanoberen werden hie-
[Spaltenumbruch] durch plötzlich über größere Summen verfügen;
dem Erzbisthum Köln werden beiſpielsweiſe über
drei Millionen, dem von Gneſen nahezu zwei
Millionen zur Verfügung geſtellt. Aus dieſen
Beträgen haben die Diöceſanoberen die von In-
ſtituten und Perſonen erhobenen Anſprüche zu
befriedigen, über welche in jeder Diöceſe eine aus
drei Geiſtlichen und zwei richterlichen, nicht im
Staatsdienſte ſtehenden Laien beſtehende Commiſ-
ſion endgiltig zu entſcheiden hat. Die aus dem
Ueberſchuſſe ſich ergebenden Beträge werden von
den Diöceſanoberen für kirchliche Zwecke und zur
Unterſtützung von Gemeinden bei Errichtung und
Wiederherſtellung von kirchlichen Gebäuden ver-
wendet; über die Verwendung haben die Biſchöfe
dem Cultusminiſter Mittheilung zu machen.

Begreiflicherweiſe wurde dieſe Vorlage von
den verſchiedenen Parteien mit gemiſchten Gefüh-
len aufgenommen. Das Centrum iſt von derſel-
ben ſehr befriedigt, während andere Parteien da-
rin einen „Canoſſagang“ erblicken. In Wirklich-
keit ſcheint uns, daß der junge von mancherlei
Vorurtheilen freie deutſche Kaiſer damit nichts
Anderes bezweckte, als einen Zuſtand zu beſeitigen,
welcher rechtlich und politiſch nicht haltbar war.




Politiſche Nachrichten.
(Die Auflöſung des Reichsrathes.)

Die
geſtrige „Wiener Zeitung“ veröffentlicht im amt-
lichen Theile ein kaiſerliches Patent, welches die
Auflöſung des Reichsrathes und die unverzüg-
liche Einleitung und Durchführung der allge-
meinen Neuwahlen für das Abgeordnetenhaus
anordnet. Wir würdigen die Bedeutung dieſes
Ereigniſſes an leitender Stelle und fügen nur
hiezu, daß es Aufgabe unſerer Parteileitung ſein
wird ſofort die Vorbereitungen für die unmittel-
bar bevorſtehenden Wahlen zu treffen. Es iſt
intereſſant zu leſen, wie die amtl. Zeitung die
Maßregel, die die Auflöſung des Reichsrathes
verfügt, commentirt. Nach einer kurzen Aufzäh-
lung der hervorragenden Beſchlüſſe des Abgeord-
netenhauſes ſchreibt ſie:

„So wie in jedem Parlamente, wird auch in
unſerem Parlamente naturgemäß gegen Ende
einer Wahlperiode die legislative Thätigkeit lang-
ſamer und ſchwerſälliger, Verzögerungen in der
parlamentariſchen Arbeit werden unvermeidlich,
die Schwierigkeiten, der Aufgabe zu genügen ſtei-
gern ſich.

Die Kürze der bis zum geſetzlichen Ende
der Legislatur-Periode noch erübrigenden Friſt
vielfach innerhalb der Parteien ſich vollziehende
[Spaltenumbruch] Veränderungen, die hiedurch bedingten ſchwieri-
gen und zweifelhaften Majoritäts-Verhällniſſe ſo
wie die Rückſichten auf die Aufgaben der Zu-
kunft ließen erkennen, daß der Augenblick gekom-
men ſei für die Erneuerung des Abgeordneten-
hauſes und die Klärung der politiſchen Lage.

Mögen nunmehr die Wähler ihr conſtitu-
tionelles Recht mit patriotiſcher Einſicht ansüben.
Oeſterreich bedarf auch in Zukunft eines Par-
laments, welches öſterreichiſch denkt, fühlt und
handelt, welches die Kraft und Würde der
Monarchie höher ſtellt als Partei-Intereſſen. Die
Parlamentsmajorität ſoll dem ſtaatlichen Bedürf-
niſſe Genüge leiſten und in der Lage ſein eine
kräftige, legislative Thätigkeit zu entfalten; ſie
ſoll eine feſte Schutzwehr gegen unpatriotiſche
und extreme Beſtrebungen bilden; ſie ſoll die
Verfaſſung des Reiches, ſowie die verfaſſungs-
mäßig gewährleiſteten Rechte der Königreiche und
Länder wahren, die Individualität der Völker
und die wichtigſte Grundlage menſchlicher Ge-
ſitttung, religiöſe Ueberzeugung achten und be-
rückſichtigen. Eine Majorität ſoll es ſein, welche
die Zeichen der Zeit verſteht; denn ſowie unſer
geſammtes privates und öffentliches Leben ſich
gewiſſen ſocialen Erſchütterungen gegenüber nicht
gleichgiltig verhalten darf, ſo muß auch die
geſetzgebende Gewalt innerhalb ihres Wir-
kungskreiſes ihr Verſtändniß für ſociale Fragen
bethätigen. Schon die Thronreden in den
Jahren 1879 und 1885 bezeichnen eine
Reihe von legislativen Aufgaben, von welchen
ein großer Theil einer gedeihlichen Löſung zuge-
führt worden iſt. Daß es aber auf weiten Ge-
bieten der wirthſchaftlichen und geiſtigen Ent-
wicklung noch immer Vieles zu thun gibt, was
Zeit und Kraft der neu zu wählenden Volks-
vertretung in Anſpruch nehmen wird, kann wohl
am wenigſten von Jenen bezweifelt werden,
welche ihre Bereitwilligkeit mitzuwirken in
ſchätzenswerther oft erfolgreicher Weiſe bereits er-
wieſen haben.

Oeſterreichs Manigfaltigkeit in Natur,
Verhältniſſen und Volksintereſſen läßt die Even-
tualität der Bildung und des Beſtandes großer,
völlig homogener Majoritäten kaum vorausſetzen,
und es wird immer Aufgabe der Regierung Sr.
Majeſtät ſein die Politik des Staates unter allen
Umſtänden mit Feſtigkeit richtigen Zielen zuzu-
führen. Wer jedoch unſer Vaterland, ſeine Geſchichte
und ſeine innere Entwicklung kennt, muß zuverſicht-
lich erwarten, daß in Folge der bevorſtehenden
Wahlen ſtets eine aus Politikern verſchiedener
Parteirichtungen beſtehende Majorität vorhanden




[Spaltenumbruch]

Theater leitet. Der zweite Komiker jener Zeit,
Herr Stauber, leitete mehrere Jahre hindurch
das Hamburger Karl-Schulze-Theater mit
wechſelndem Glücke. Von den Liebhabern der Aera
Fritſche finden wir im Almanach nur mehr
Herrn Jelenko, der in Berlin engagirt iſt. Auch
die Sängerinnen dieſer Aera ſcheinen bereits
ausgemimt zu haben. Auch von den Mitgliedern
der Direction Schönerſtädt finden wir nur wenige
Namen mehr, die in der Theaterwelt noch Klang
haben, darunter Frl. Moller in Prag, Herrn
Rub in Danzig, Herrn Reiſiger (Tenor) in
Reval, Herrn Gottinger, der ſich ſeither mit
Frau Wilt-Plankenſteiner verheiratete, als be-
liebten Baritoniſten in Graz und Frl. Franconi
in Reichenberg.

Reicher iſt dagegen die Zahl von Namen, die
[a]us den Zeiten der Direction Müller hier noch
[i]n beſter Erinnerung ſtehend, ſich im Almanach
[u]nter den Mitgliedern größerer Bühnen vor-
[fin]den. Da iſt vor Allen die temperamentvolle
[A]lexandrine Malten, die zuerſt in Graz
[en]gagirt, jetzt in Hamburg thätig iſt, die begabte
[unleserliches Material – 2 Zeichen fehlen]ſti Brandt, welche die Nachfolgerin der
[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]alten in Graz wurde und jetzt in Baden bei
[W]ien engagirt iſt, der Operettentenor, Herr
[B]auer, der in Preßburg ebenſo ein Liebling
[de]s Publicums iſt, wie er es hier war und die
[unv]ergeſſene Anatour, die durch ihre Grazie
[di]e Insbrucker ganz ſo wie uns vergeſſen macht,
[wi]e wenig Stimme ſie beſitzt.

Von den Komikern der Aera Müller iſt der
[belie]bte Romani Mitglied des Wiener Volks-
[theate]rs geworden, Herr Auguſtin iſt ein Liebling
[der] Linzer. Frl. Haſſan hat es ſogar zum
[Mit]gliede des Burgtheaters gebracht, Fräulein
[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]randeis iſt an einem der vielen Berliner
[Thea]ter, Frl. Fleißig an der Budapeſter Hof-
[Spaltenumbruch] oper, Frl. Lerach in Insbruck, Frl. Köchel
in Reichenberg, Herr Weinau in Graz engagirt.
Herr Herzka iſt Regiſſeur in W. Neuſtadt,
Frl. Rogall iſt in Brünn ſeit Jahren mit
Erfolg thätig. Herr Capellmeiſter Reich iſt
zweiter Capellmeiſter am deutſchen Landestheater
in Prag, der Komiker Kirſchner ein beliebtes
Mitglied der W. Neuſtädter Bühne, Herr
Dworsky, erſter Tenor in Königsberg, Herr
Küch in gleicher Eigenſchaft in Schweidnitz.
Herr Korb privaſitirt in Stuttgart.

Nicht minder zahlreich ſind die Namen der
Künſtler, die wir aus der Weſten’ſchen Direction
an größeren Bühnen wiederfinden. Da iſt zuerſt
Herr Greisnegger, der raſch am deutſchen
Volkstheater in Wien beliebt gewordene Komiker
zu nennen. Die Altiſtin Weiner fand in Ham-
burg, die dramatiſche Sängerin Frl. v. Rodri-
guez
in Graz Engagement, während der Ba-
rytoniſt Herr Leon die Aachener eutzückt, Herr
Kühns in Straßburg gefällt, Hr. Tragau
zu den vornehmeren Kräften der Troppauer
Bühne zählt, Herr Weißmüller als Regiſſeur
und Schauſpieler in Teplitz Beifall erringt und
Herr Erl ſich der Gunſt der Linzer erfreat.
Herr Verſtl wirkt in Baden bei Wien als
Regiſſeur, Herr Trammer in Breslau.

Sonderbarer Weiſe ſuchen wir im Almanach
vergebens nach dem ſtimmbegabten Tenoriſten der
Aera Weſten, nach Herrn Martens. Der treff-
liche Capellmeiſter dieſer Aera, Herr Hartl iſt
in Wien als Correpetitor thätig, während der
Operettencapellmeiſter, Herr Einödshofer das
Directionsſcepter in Znaim ſchwingt.

Die Namen, die uns in der Aera Stick als
Künſtler geprieſen wurden, ſuchen wir im Alma-
nach vergebens in den Reihen der Mitglieder
größerer Bühnen. Den einzigen Norini finden
[Spaltenumbruch] wir im Wiener Carltheater. Frl. Friedberg
iſt in Reichenberg, Herr Koch in Stettin, Frl.
Czendes, Fr. Windhop, Herr Wodika
und Herr Frankl ſind in Troppau und Frl.
Gina Eibenſchütz in Salzburg engagirt. Die
Namen Roll, Thalberg, Chalons u. ſ. w. meldet
kein Lied, kein Heldenbuch. Den alten Koloman
Schmidt aber finden wir als Schauſpieler in
Iglau; Herr Benke iſt in Innsbruck, Herr
Maixdoff in Meiningen und Herr Dreher
in Meran thätig. Noch ſei in dieſer Revue un-
ſeres Landsmannes, des Baſſiſten Herrn Pohl
gedacht, der in Rotterdam ſich die volle Gunſt
des Publikums erworben, und es ſei auch nicht
dreier Künſtler aus der Aera Czernits vergeſſen,
die heute in hervorragender Stellung thätig ſind.
Es ſind die Herren Dr. Tyrolt, der hier
zuerſt die Bühne betrat und nun zu den erſten
Größen des deutſchen Volkstheaters in Wien
zählt, Stoll, der die Regie an der Wiener
Hofoper führt und Dr. Kaſer, der hier der
erſte den Pfarrer von Kirchfeld ſpielte und nun-
mehr ein geachtetes Glied der Stuttgarter Hof-
bühne iſt.

Wir wollen dieſe Revue nicht weiter aus-
dehnen, dürfen aber trotzdem die geniale Lucca
nicht vergeſſen, die ebenfalls an unſerer Bühne
ihre glanzvolle Laufbahn begann und noch vor
Jahresfriſt zu den Sternen der Wiener Hof-
oper zählte.

Es ziemt ſich ihrer und aller Jener zeit-
weilig zu denken, die durch ihren ruhmvollen
Namen auch den Ruf unſeres Theaters erhöht
haben, deſſen Gedeihen und Blühen uns allen
eine Herzensſache iſt.




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[[3]/0003] Jahre ein neaes Dutzend geſellen will. Iſt Graf Taaffe der Mann, dieß zu erkennen, dann wird er ſeinem Syſteme bald nachfolgen. Das „Sperrgeld.“ Wien, 24. Jänner. Eine der letzten Erinnerungen aus der ſogenannten „Culturkampf“ Epoche in Preußen iſt nunmehr beſeitigt worden. Die dortige Re- gierung hat nämlich dem Abgeordnetenhauſe einen Geſetzentwurf unterbreitet, womit die Sperrgelderfrage im Sinne des Centrums ge- löſt wird. Während des Culturkampfes in den Siebzigerjahren ſah ſich bekanntlich die Staats- regierung veranlaßt, dem Episcopat gegenüber, welcher ſich den ſogenannten „Maigeſetzen“ nicht unterwerfen wollte, ſtrenge Maßnahmen zu er- greifen. Unter Anderem wurden Einkünfte der „todten Hand“, für die Geiſtlichkeit beſtimmte Dotationen, mit Beſchlag belegt und die Leiſtun- gen aus Staatsmitteln für die römiſch-katholi- ſchen Bisthümer und Geiſtlichen „geſperrt“, das heißt eingeſtellt. Solchermaßen iſt ein Fonds von nicht weniger als 16,009.333 Mark, welche für die Kirche beſtimmt waren, derſelben ent- zogen worden. Im Laufe der Jahre iſt jedoch der „Culturkampf“ zum großen Theile ver- ſchwunden und hat einer milderen Auffaſſung über das Verhältniß der katholiſchen Kirche zum preußiſchen Staate platzgemacht, indem Bismarck entgegen ſeinem ſtolzen Verſprechen, einfach „nach Canoſſa“ ging. Die Biſchöfe, welche ihre Diöce- ſanſitze verlaſſen hatten, ſind mit dem allmäligen Verſchwinden der Maigeſetze wieder dahin zurück- gekehrt und nunmehr hat ſich denn die preußiſche Regierung entſchloſſen, der Kirche ein weithin ſichtbares Zeichen ihrer Friedensliebe damit zu geben, daß ſie das „Sperrgeldgeſetz“ vom Jahre 1885 einfach aufhob und ſich bereit erklärte, die angeſammelten „Sperrgelder“ der Kirche heraus- zuzahlen. Die Regierung hat damit dem Centrum ge- genüber ein ganz außergewöhnliches Entgegenkom- men bekundet. Im vorigen Jahre noch wollte die Staatsregierung den Bisthümern nur die Rente zuſprechen, jetzt gibt ſie ihnen das Capital preis. Noch mehr! Damals behielt ſie die Be- ſtimmung über die Verwendung der Rente einer beſonderen Vereinbarung zwiſchen dem Cultus- miniſter und den Biſchöfen vor, jetzt überläßt ſie die Verfügung über die Gelder vollſtändig den Biſchöfen allein. Die Diöceſanoberen werden hie- durch plötzlich über größere Summen verfügen; dem Erzbisthum Köln werden beiſpielsweiſe über drei Millionen, dem von Gneſen nahezu zwei Millionen zur Verfügung geſtellt. Aus dieſen Beträgen haben die Diöceſanoberen die von In- ſtituten und Perſonen erhobenen Anſprüche zu befriedigen, über welche in jeder Diöceſe eine aus drei Geiſtlichen und zwei richterlichen, nicht im Staatsdienſte ſtehenden Laien beſtehende Commiſ- ſion endgiltig zu entſcheiden hat. Die aus dem Ueberſchuſſe ſich ergebenden Beträge werden von den Diöceſanoberen für kirchliche Zwecke und zur Unterſtützung von Gemeinden bei Errichtung und Wiederherſtellung von kirchlichen Gebäuden ver- wendet; über die Verwendung haben die Biſchöfe dem Cultusminiſter Mittheilung zu machen. Begreiflicherweiſe wurde dieſe Vorlage von den verſchiedenen Parteien mit gemiſchten Gefüh- len aufgenommen. Das Centrum iſt von derſel- ben ſehr befriedigt, während andere Parteien da- rin einen „Canoſſagang“ erblicken. In Wirklich- keit ſcheint uns, daß der junge von mancherlei Vorurtheilen freie deutſche Kaiſer damit nichts Anderes bezweckte, als einen Zuſtand zu beſeitigen, welcher rechtlich und politiſch nicht haltbar war. Politiſche Nachrichten. (Die Auflöſung des Reichsrathes.) Die geſtrige „Wiener Zeitung“ veröffentlicht im amt- lichen Theile ein kaiſerliches Patent, welches die Auflöſung des Reichsrathes und die unverzüg- liche Einleitung und Durchführung der allge- meinen Neuwahlen für das Abgeordnetenhaus anordnet. Wir würdigen die Bedeutung dieſes Ereigniſſes an leitender Stelle und fügen nur hiezu, daß es Aufgabe unſerer Parteileitung ſein wird ſofort die Vorbereitungen für die unmittel- bar bevorſtehenden Wahlen zu treffen. Es iſt intereſſant zu leſen, wie die amtl. Zeitung die Maßregel, die die Auflöſung des Reichsrathes verfügt, commentirt. Nach einer kurzen Aufzäh- lung der hervorragenden Beſchlüſſe des Abgeord- netenhauſes ſchreibt ſie: „So wie in jedem Parlamente, wird auch in unſerem Parlamente naturgemäß gegen Ende einer Wahlperiode die legislative Thätigkeit lang- ſamer und ſchwerſälliger, Verzögerungen in der parlamentariſchen Arbeit werden unvermeidlich, die Schwierigkeiten, der Aufgabe zu genügen ſtei- gern ſich. Die Kürze der bis zum geſetzlichen Ende der Legislatur-Periode noch erübrigenden Friſt vielfach innerhalb der Parteien ſich vollziehende Veränderungen, die hiedurch bedingten ſchwieri- gen und zweifelhaften Majoritäts-Verhällniſſe ſo wie die Rückſichten auf die Aufgaben der Zu- kunft ließen erkennen, daß der Augenblick gekom- men ſei für die Erneuerung des Abgeordneten- hauſes und die Klärung der politiſchen Lage. Mögen nunmehr die Wähler ihr conſtitu- tionelles Recht mit patriotiſcher Einſicht ansüben. Oeſterreich bedarf auch in Zukunft eines Par- laments, welches öſterreichiſch denkt, fühlt und handelt, welches die Kraft und Würde der Monarchie höher ſtellt als Partei-Intereſſen. Die Parlamentsmajorität ſoll dem ſtaatlichen Bedürf- niſſe Genüge leiſten und in der Lage ſein eine kräftige, legislative Thätigkeit zu entfalten; ſie ſoll eine feſte Schutzwehr gegen unpatriotiſche und extreme Beſtrebungen bilden; ſie ſoll die Verfaſſung des Reiches, ſowie die verfaſſungs- mäßig gewährleiſteten Rechte der Königreiche und Länder wahren, die Individualität der Völker und die wichtigſte Grundlage menſchlicher Ge- ſitttung, religiöſe Ueberzeugung achten und be- rückſichtigen. Eine Majorität ſoll es ſein, welche die Zeichen der Zeit verſteht; denn ſowie unſer geſammtes privates und öffentliches Leben ſich gewiſſen ſocialen Erſchütterungen gegenüber nicht gleichgiltig verhalten darf, ſo muß auch die geſetzgebende Gewalt innerhalb ihres Wir- kungskreiſes ihr Verſtändniß für ſociale Fragen bethätigen. Schon die Thronreden in den Jahren 1879 und 1885 bezeichnen eine Reihe von legislativen Aufgaben, von welchen ein großer Theil einer gedeihlichen Löſung zuge- führt worden iſt. Daß es aber auf weiten Ge- bieten der wirthſchaftlichen und geiſtigen Ent- wicklung noch immer Vieles zu thun gibt, was Zeit und Kraft der neu zu wählenden Volks- vertretung in Anſpruch nehmen wird, kann wohl am wenigſten von Jenen bezweifelt werden, welche ihre Bereitwilligkeit mitzuwirken in ſchätzenswerther oft erfolgreicher Weiſe bereits er- wieſen haben. Oeſterreichs Manigfaltigkeit in Natur, Verhältniſſen und Volksintereſſen läßt die Even- tualität der Bildung und des Beſtandes großer, völlig homogener Majoritäten kaum vorausſetzen, und es wird immer Aufgabe der Regierung Sr. Majeſtät ſein die Politik des Staates unter allen Umſtänden mit Feſtigkeit richtigen Zielen zuzu- führen. Wer jedoch unſer Vaterland, ſeine Geſchichte und ſeine innere Entwicklung kennt, muß zuverſicht- lich erwarten, daß in Folge der bevorſtehenden Wahlen ſtets eine aus Politikern verſchiedener Parteirichtungen beſtehende Majorität vorhanden Theater leitet. Der zweite Komiker jener Zeit, Herr Stauber, leitete mehrere Jahre hindurch das Hamburger Karl-Schulze-Theater mit wechſelndem Glücke. Von den Liebhabern der Aera Fritſche finden wir im Almanach nur mehr Herrn Jelenko, der in Berlin engagirt iſt. Auch die Sängerinnen dieſer Aera ſcheinen bereits ausgemimt zu haben. Auch von den Mitgliedern der Direction Schönerſtädt finden wir nur wenige Namen mehr, die in der Theaterwelt noch Klang haben, darunter Frl. Moller in Prag, Herrn Rub in Danzig, Herrn Reiſiger (Tenor) in Reval, Herrn Gottinger, der ſich ſeither mit Frau Wilt-Plankenſteiner verheiratete, als be- liebten Baritoniſten in Graz und Frl. Franconi in Reichenberg. Reicher iſt dagegen die Zahl von Namen, die aus den Zeiten der Direction Müller hier noch in beſter Erinnerung ſtehend, ſich im Almanach unter den Mitgliedern größerer Bühnen vor- finden. Da iſt vor Allen die temperamentvolle Alexandrine Malten, die zuerſt in Graz engagirt, jetzt in Hamburg thätig iſt, die begabte __ſti Brandt, welche die Nachfolgerin der _alten in Graz wurde und jetzt in Baden bei Wien engagirt iſt, der Operettentenor, Herr Bauer, der in Preßburg ebenſo ein Liebling des Publicums iſt, wie er es hier war und die unvergeſſene Anatour, die durch ihre Grazie die Insbrucker ganz ſo wie uns vergeſſen macht, wie wenig Stimme ſie beſitzt. Von den Komikern der Aera Müller iſt der beliebte Romani Mitglied des Wiener Volks- theaters geworden, Herr Auguſtin iſt ein Liebling der Linzer. Frl. Haſſan hat es ſogar zum Mitgliede des Burgtheaters gebracht, Fräulein _randeis iſt an einem der vielen Berliner Theater, Frl. Fleißig an der Budapeſter Hof- oper, Frl. Lerach in Insbruck, Frl. Köchel in Reichenberg, Herr Weinau in Graz engagirt. Herr Herzka iſt Regiſſeur in W. Neuſtadt, Frl. Rogall iſt in Brünn ſeit Jahren mit Erfolg thätig. Herr Capellmeiſter Reich iſt zweiter Capellmeiſter am deutſchen Landestheater in Prag, der Komiker Kirſchner ein beliebtes Mitglied der W. Neuſtädter Bühne, Herr Dworsky, erſter Tenor in Königsberg, Herr Küch in gleicher Eigenſchaft in Schweidnitz. Herr Korb privaſitirt in Stuttgart. Nicht minder zahlreich ſind die Namen der Künſtler, die wir aus der Weſten’ſchen Direction an größeren Bühnen wiederfinden. Da iſt zuerſt Herr Greisnegger, der raſch am deutſchen Volkstheater in Wien beliebt gewordene Komiker zu nennen. Die Altiſtin Weiner fand in Ham- burg, die dramatiſche Sängerin Frl. v. Rodri- guez in Graz Engagement, während der Ba- rytoniſt Herr Leon die Aachener eutzückt, Herr Kühns in Straßburg gefällt, Hr. Tragau zu den vornehmeren Kräften der Troppauer Bühne zählt, Herr Weißmüller als Regiſſeur und Schauſpieler in Teplitz Beifall erringt und Herr Erl ſich der Gunſt der Linzer erfreat. Herr Verſtl wirkt in Baden bei Wien als Regiſſeur, Herr Trammer in Breslau. Sonderbarer Weiſe ſuchen wir im Almanach vergebens nach dem ſtimmbegabten Tenoriſten der Aera Weſten, nach Herrn Martens. Der treff- liche Capellmeiſter dieſer Aera, Herr Hartl iſt in Wien als Correpetitor thätig, während der Operettencapellmeiſter, Herr Einödshofer das Directionsſcepter in Znaim ſchwingt. Die Namen, die uns in der Aera Stick als Künſtler geprieſen wurden, ſuchen wir im Alma- nach vergebens in den Reihen der Mitglieder größerer Bühnen. Den einzigen Norini finden wir im Wiener Carltheater. Frl. Friedberg iſt in Reichenberg, Herr Koch in Stettin, Frl. Czendes, Fr. Windhop, Herr Wodika und Herr Frankl ſind in Troppau und Frl. Gina Eibenſchütz in Salzburg engagirt. Die Namen Roll, Thalberg, Chalons u. ſ. w. meldet kein Lied, kein Heldenbuch. Den alten Koloman Schmidt aber finden wir als Schauſpieler in Iglau; Herr Benke iſt in Innsbruck, Herr Maixdoff in Meiningen und Herr Dreher in Meran thätig. Noch ſei in dieſer Revue un- ſeres Landsmannes, des Baſſiſten Herrn Pohl gedacht, der in Rotterdam ſich die volle Gunſt des Publikums erworben, und es ſei auch nicht dreier Künſtler aus der Aera Czernits vergeſſen, die heute in hervorragender Stellung thätig ſind. Es ſind die Herren Dr. Tyrolt, der hier zuerſt die Bühne betrat und nun zu den erſten Größen des deutſchen Volkstheaters in Wien zählt, Stoll, der die Regie an der Wiener Hofoper führt und Dr. Kaſer, der hier der erſte den Pfarrer von Kirchfeld ſpielte und nun- mehr ein geachtetes Glied der Stuttgarter Hof- bühne iſt. Wir wollen dieſe Revue nicht weiter aus- dehnen, dürfen aber trotzdem die geniale Lucca nicht vergeſſen, die ebenfalls an unſerer Bühne ihre glanzvolle Laufbahn begann und noch vor Jahresfriſt zu den Sternen der Wiener Hof- oper zählte. Es ziemt ſich ihrer und aller Jener zeit- weilig zu denken, die durch ihren ruhmvollen Namen auch den Ruf unſeres Theaters erhöht haben, deſſen Gedeihen und Blühen uns allen eine Herzensſache iſt.

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Zitationshilfe: Mährisches Tagblatt. Nr. 20, Olmütz, 26.01.1891, S. [3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maehrisches20_1891/3>, abgerufen am 21.11.2024.