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Mährisches Tagblatt. Nr. 20, Olmütz, 26.01.1891.

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[Spaltenumbruch]

sein werde, bereit den Aufgaben unserer Gesetz-
gebung gerecht zu werden und in diesem Sinne
eine Regierung zu unterstützen, welcher die Mit-
wirkung eines jedes gemäßigten patriotisch Ge-
sinnten willkommen sein wird."

Dieses Communique des Amtsblattes ent-
hält einige für die bisherige Parlamentsmajorität
keineswegs schmeichelhafte Bemerkungen. Es wird
derselben nahezu völlig jene patriotische Gesin-
nung abgesprochen, die man in Regierungskreisen
als nothwendige Voraussetzung einer gerechten
Gesetzgebung bezeichnet.

(Die Reichsrathswahlen.)

Es geht mit
Windeseile. Gestern erfolgte die Auflösung des
Reichsrathes, heute liegt uns schon die Kund-
machung vor, mit welcher die Neuwahlen aus-
geschrieben werden. Sie lautet: Nachdem mit
dem Allerhächsten Patente vom 23. Jänner l. J.
das Haus der Abgeordneten des Reichsrathes
aufgelöst und die Einleitung und Durchführung
der allgemeinen Neuwahlen für das Abgeordneten-
haus nach den Bestimmungen der Gesetze vom
2. April 1873 (R.-G.-Bl. Nr. 40 und 41),
dann vom 4. October 1882 (R.-G.-Bl. Nr.
142) angeordnet worden ist, werden in Gemäßheit
der §§ 21 und 22 der Reichsrathswahlordnung
die allgemeinen Wahlen für die Markgrafschaft
Mähren ausgeschrieben und deren Vornahme in
den durch die R.-R.-W.-O. bezeichneten Wahl-
orten auf folgende Tage bestimmt: 1. für
die Wahlbezirke der Landgemeinden auf den 2.
März d. J. 2. für die Wahlbezirke der Städte
auf den 4. März d. J. 3. für die Handels- und
Gewerbekammern in Brünn und Olmütz auf den
5. März d. J. 4. für die Wählerclasse des
Großgrundbesitzes auf den 6. März d. J. Dieß
wird mit dem Beifügen zur öffentlichen Kennt-
nis gebracht, daß den Wahlberechtigten die Legi-
timationskarten, welche Ort und Stunde des
Anfanges der Wahlhandlung, sowie die Stunde
des Schlußes der Stimmgebung enthalten, von
den betreffenden Behörden zukommen werden.
Der k. k. Statthalter: Hermann Ritter v. Loebl m. p.
Die rasche Ausschreibung der Neuwahlen erfolgt
wol mit Rücksicht darauf, daß das Budgetpro-
visorium nur bis 1. April bewilligt wurde, die
neugewählte Reichsvertretung also noch im März
zusammentreten muß, um den Staatshaushalt
zu berathen, oder ein weiteres Provisorium zu
bewilligen.

(Auszeichnung.)

Wie die "Presse" meldet,
hat der Kaiser dem Fürsterzbischof von Wien,
Dr. Gruscha, das Großkreuz des Leopoldordens
verliehen und den Kirchenfürsten gleichzeitig zum
Prälaten dieses Ordens ernannt.


[Spaltenumbruch]
(Der Tiroler Landtag.)

Die Versöhnungs-
action der Regierung in Tirol ist also geschei-
tert. Graf Taaffe hat nicht abgewartet, bis seine
clerikalen Freunde ihm vor aller Welt den Stuhl
vor die Thüre setzten, sondern sie heimgeschickt,
bevor sie ihre Weisheit und Keckheit zur Schau
bringen konnten. Näheres über jene Forderungen
der Clerikalen, welche den Bruch herbeigesührt
haben, ist bereits bekannt. Sie forderten nichts-
weniger als die Aufsicht der Kirche über die Schule,
und diese kirchliche Schulaufsicht sollte mit der
staatlichen Aufsicht concurriren. Sehr unrecht han-
deln die italienischen Abgeordneten Tirols; mehr
als ihnen die Deutschen bewilligen wollen, werden
sie nie und nimmer durchsetzen und sie gehen
mithin einem ganz und gar aussichtslosen Kampfe
entgegen.

(Steierischer Katholikeatag.)

Das
clericale "Volksblatt" theilt mit, daß für den
6. bis 8. April ein steierischer Katholikentag nach
Graz einberufen werden soll. Offenbar handelte
es sich hiebei darum, für die Reichsrathswahlen
Stimmung zu machen. Der Plan isi mit Rück-
sicht auf die inzwischen erfolgte Auflösung des
Reichsrathes etwas verspätet gefaßt worden.

(U[n]g[a]rische Frachtentarife.)

Die nun-
mehr veröffentlichten Ausnahmstarife der unga-
rischen Staatsbahnen, durch welche der Transport
ungarischer Artikel gegenüber den österreichischen
und ausländischen begünstigt wird, hat dem In-
dustriellenclub und dem Montanvereine in Wien
Veranlassung gegeben, gegen diese Maßnahme
der ungarischen Regierung Stellung zu nehmen.
Die Ausschüsse der genannten Corporationen be-
schlossen, unmittelbar nach dem Zusammentritte
des Reichsrathes an den Handelsminister eine
Interpellation in dieser Angelegenheit richten zu
lassen. Der neue ungarische Frachtentarif enthält
die größten Begünstigungen für die ungarische
Production. Für alle wichtigen Waarengattungen
ungarischer Provenienz sind Ausnahmetarife ein-
geführt worden, welche bis zu 50, 100, 200 und
mehr Procent billiger sind als die Tarife, welche
für Einfuhr aus Oesterreich und dem Auslande
Geltung haben. Der neue Tarif ist am 1. Jän-
ner d. J. eingeführt worden, also zu einer Zeit,
wo die deutch-österreichischen Handelsvertragsver-
handlungen bereits eingeleitet waren. Er wird,
wenn diese Verhandlungen von Erfolg gekrönt
sein sollen, wieder beseitigt werden müssen. Das
"Neue Wiener Tagblatt" meldet, daß die unga-
rische Regierung in Folge einer Pression von
maßgebender Stelle bezüglich der Tarifpolitik
sowohl Deutschland als Oesterreich gegenüber nach-
geben und Oesterreich gegenüber eine besondere
[Spaltenumbruch] Tarifpolitik im Sinne eines loyalen Handels-
bündnisses befolgen wird.

(Kaiser und Papst.)

Ein englisches Blatt
meldet aus Rom, der Papst habe ein Schreiben
an den deutschen Kaiser gerichtet, worin er seine
höchste Befriedigung über das Ende des Cultur-
kampfes in Deutschland ausdrückt und dem
Kaiser in beredten Worten dankt für seine thätige
Mitwirkung bei der Herbeiführung der Lösung.
Das deutsche Volk scheint darüber weniger be-
friedigt zu sein. Im Deutschen Reichstage fand
diese Volfsstimmung bereits am Samstag kräf-
tigen Ausdruck.

(Die irischen Führer.)

Es hat den An-
schein, daß die Führer des irischen Volkes zu
keiner Einigung untereinander gelaugen können.
Conferenzen folgen auf Conferenzen ohne greif-
bares Resultat. Mac Charthy und Sexton gingen
letzten Samstag nach Boulogne sur Mer, um
mit O'Brien und Dillon zu einer endgiltigen
Verständigung zu gelangen. Die Aussichten auf
eine friedliche Lösung und Wiedervereinigung
der beiden Gruppen der Irenpartei ist indeß
gering, da Parnell seinen Rücktritt noch
immer davon abhängig macht, daß dem
Irenparlament die Controle der Polizei einge-
räumt werde.

(Rußland gegen die Juden.)

Aus
Petersburg wird gemeldet: Die Maßregelung
der Juden nimmt ihren Fortgang. Aus Mos-
kau werden die jüdischen Handwerker ausgewiesen.
Der Aufenthalt in Turkestan und den hinter-
kaspischen Ländern ist allen Juden außer den
Kaufleuten erster Gilde und Denjenigen, welche
akademische Berufsfächer bekleiden verboten, Zu
Taschkend petitionirten sämmtliche Kaufmanns-
firmen um bedingungslose Ausweisung aller
Juden." Wie die "Nowoje Wremja" hört, hat
der Senat die Frage, ob die Juden berechtigt
sein sollen, überall in einer Entfernung von
5 Werst von der westlichen Landesgrenze unbe-
wegliches Eigenthum zu erwerben oder nur im
Weichbilde jener Städte und Flecken, wo sie
vor dem 27. August 1858 eingeschrieben waren,
dahin entschieden, daß dieselben nur im Weich-
bilde der vorbezeichneten Städte und Flecken
unbewegliches Eigenthum erwerben dürfen.




Locales und Provinzielles.


(Auf zur Arbeit.)

Sonntag am 25. d.
M. versammelte sich in Brünn der von der Ver-
trauensmännerversammlung der Deutschen in




[Spaltenumbruch]
Brautwahl.
Ein Märchen.

I.

(Nachdruck verboten.)

Es war einmal ein Märchenprinz, der edelste
schönste, liebenswertheste von allen, die es je gege-
ben hat. Als er sechsundzwanzig Jahre alt gewor-
den, ließ die Königin, seine Mutter, ihn rufen
und sprach zu ihm:

"Die Zeit ist gekommen, in welcher du eine
Lebensgesährtin wählen und einen Hausstand
gründen sollst. Bekanntermaßen findet man die
besten Frauen, die es heutzutage gibt, auf dem
Planeten Erde. Dort lebt auch die holde, Dir
bestimmte Braut, ein Wesen, lieber Sohn, Dir
gleich an Seelenadel."

Der Prinz eröthete aus Bescheidenheit, und
die Königin fuhr fort:

"Aber nicht ohne Weiteres kann ein köstli-
ches Gut Dir zu Theil werden, Du mußt es
Dir verdienen."

"Wodurch, o Mutter?"

"Durch rastloses Suchen, o Sohn."

"In welcher Gegend der Erde?"

"In Europa."

"Auf dem Lande; in den Städten?"

"In einer Hauptstadt, unter den Töchtern
des höchsten Adels, Du weißt genug, nun gehe,
mein Sohn."

Aber dieser rief: "Und das Erkennungs-
zeichen? ... Nur das noch sage mir: woran
erkenn' ich sie?"

Die Königin stieg von ihrem Throne nieder
[Spaltenumbruch] und flüsterte ihrem Sohne einige Worte in's
Ohr.

II.

In den Gesellschaftskreisen einer großen
Stadt war plötzlich ein junger Mann aufgeta[u]cht,
der allenthalben Liebe und Bewunderung erweckte.
Keiner der historischen Namen durfte sich mit dem
seinen messen, der in die Sagenzeit zurückragte.
Sein Stammbaum war so lang, daß er nicht
einmal in der längsten Straße der Stadt ganz
aufgerollt werden konnte; sein Reichthum schien
unermeßlich, seine Großmuth war es auch. Hoch-
geboren edel und reich, was brachte er außerdem
noch zu sein, um die Herzen der Töchter und
die Zustimmung der Eltern im Sturme zu
erobern? So ritterlich und so bescheiden wie er
hatte noch nie ein Mann den jungen Damen
den Hof gemacht. Was sie aber am meisten an
ihm entzückte, das war seine Heiterkeit und sein
Witz. Daß er den letzteren stets auf Kosten des
lieben Nächsten übte, daß der himmlische Prinz
ein Spötter war, hatten sie bald entdeckt und
bemühten sich aus vollen Kräften, diesen faden-
dünnen Spalt an dem Panzer seiner Vollkom-
menheit zu erweitern.

Dies geschah aus weiblichem Instinkt.

Jedes Edelfräulein, mit dem er gelacht und
gescherzt, war überzeugt, seiner Schwäche am ge-
schicktesten geschmeichett und damit sein Herz ge-
wonnen zu haben. Doch keine dieser Hoffnungen
erfüllte sich, und eines schönen Tages war der
Prinz eben so plötzlich wie er gekommen --
verschwunden.

III.

Dasselbe wiederholte sich in vielen anderen
Städten. Der Prinz begann seine Freudigkeit
[Spaltenumbruch] einzubüßen, sein Witz wurde immer schonungs-
loser, er spottete nicht mehr, er lästerte. Sein
Erdenwallen, das fühlte er wohl, machte ihn nicht
besser, und am meisten kränkte ihn, daß er nun
in seinem eigenen Augen an Werth verlor. Die
Väter, die Mütter, die Töchter trieben nach wie
vor Abgötterei mit ihm und verehrten jedes seiner
Worte.

"Ewiges Einerlei!" sagte er oft laut vor
seinem ganzen Gefolge. "Ich werde heimkehren
zu meiner königlichen Mutter als Junggeselle."

Und wirklich begann er zu versauern wie
ein solcher.

Endlich ergriff ihn ein ungeheurer Ekel.
"Laß' satteln! Unsere Wolken vor! Die schwär-
zeste für mich!" befahl er seinem Oberstallmei-
ster. "Wir reiten!"

"Heute, Euer Hoheit?" versetzte der Wür-
denträger. "Ist heute nicht Hofball, den Eure
Hoheit besuchen müssen?"

Der Prinz gab das zu und ging auf den
Ball. Aber er tanzte nicht, schwatzte nicht, lachte
nicht. Er stand in einer Ecke, sah den schönen,
jungen Damen, die im Takt an ihm vorüber
schwebten, traurig nach und seufzte: "Keine, keine
Einzige!"

IV.

Die Melancholie des Prinzen war auf's
Höchste gestiegen, als er plötzlich am an-
deren Ende des Saales ein liebliches Mädchen
erblickte, das ruhig dasaß, und wie er dem Tanze
zusah. Sie jedoch that es mit heller Zufrieden-
heit und schien seelenvergnügt.

"O Seele!" dachte der Prinz, "wie schön
mußt Du sein, um Dich so zu vergnügen am
Vergnügen der Andern!" Sauft aber unwider-
stehlich angezogen, trat er vor das liebliche Mäd-


[Spaltenumbruch]

ſein werde, bereit den Aufgaben unſerer Geſetz-
gebung gerecht zu werden und in dieſem Sinne
eine Regierung zu unterſtützen, welcher die Mit-
wirkung eines jedes gemäßigten patriotiſch Ge-
ſinnten willkommen ſein wird.“

Dieſes Communique des Amtsblattes ent-
hält einige für die bisherige Parlamentsmajorität
keineswegs ſchmeichelhafte Bemerkungen. Es wird
derſelben nahezu völlig jene patriotiſche Geſin-
nung abgeſprochen, die man in Regierungskreiſen
als nothwendige Vorausſetzung einer gerechten
Geſetzgebung bezeichnet.

(Die Reichsrathswahlen.)

Es geht mit
Windeseile. Geſtern erfolgte die Auflöſung des
Reichsrathes, heute liegt uns ſchon die Kund-
machung vor, mit welcher die Neuwahlen aus-
geſchrieben werden. Sie lautet: Nachdem mit
dem Allerhächſten Patente vom 23. Jänner l. J.
das Haus der Abgeordneten des Reichsrathes
aufgelöſt und die Einleitung und Durchführung
der allgemeinen Neuwahlen für das Abgeordneten-
haus nach den Beſtimmungen der Geſetze vom
2. April 1873 (R.-G.-Bl. Nr. 40 und 41),
dann vom 4. October 1882 (R.-G.-Bl. Nr.
142) angeordnet worden iſt, werden in Gemäßheit
der §§ 21 und 22 der Reichsrathswahlordnung
die allgemeinen Wahlen für die Markgrafſchaft
Mähren ausgeſchrieben und deren Vornahme in
den durch die R.-R.-W.-O. bezeichneten Wahl-
orten auf folgende Tage beſtimmt: 1. für
die Wahlbezirke der Landgemeinden auf den 2.
März d. J. 2. für die Wahlbezirke der Städte
auf den 4. März d. J. 3. für die Handels- und
Gewerbekammern in Brünn und Olmütz auf den
5. März d. J. 4. für die Wählerclaſſe des
Großgrundbeſitzes auf den 6. März d. J. Dieß
wird mit dem Beifügen zur öffentlichen Kennt-
nis gebracht, daß den Wahlberechtigten die Legi-
timationskarten, welche Ort und Stunde des
Anfanges der Wahlhandlung, ſowie die Stunde
des Schlußes der Stimmgebung enthalten, von
den betreffenden Behörden zukommen werden.
Der k. k. Statthalter: Hermann Ritter v. Loebl m. p.
Die raſche Ausſchreibung der Neuwahlen erfolgt
wol mit Rückſicht darauf, daß das Budgetpro-
viſorium nur bis 1. April bewilligt wurde, die
neugewählte Reichsvertretung alſo noch im März
zuſammentreten muß, um den Staatshaushalt
zu berathen, oder ein weiteres Proviſorium zu
bewilligen.

(Auszeichnung.)

Wie die „Preſſe“ meldet,
hat der Kaiſer dem Fürſterzbiſchof von Wien,
Dr. Gruſcha, das Großkreuz des Leopoldordens
verliehen und den Kirchenfürſten gleichzeitig zum
Prälaten dieſes Ordens ernannt.


[Spaltenumbruch]
(Der Tiroler Landtag.)

Die Verſöhnungs-
action der Regierung in Tirol iſt alſo geſchei-
tert. Graf Taaffe hat nicht abgewartet, bis ſeine
clerikalen Freunde ihm vor aller Welt den Stuhl
vor die Thüre ſetzten, ſondern ſie heimgeſchickt,
bevor ſie ihre Weisheit und Keckheit zur Schau
bringen konnten. Näheres über jene Forderungen
der Clerikalen, welche den Bruch herbeigeſührt
haben, iſt bereits bekannt. Sie forderten nichts-
weniger als die Aufſicht der Kirche über die Schule,
und dieſe kirchliche Schulaufſicht ſollte mit der
ſtaatlichen Aufſicht concurriren. Sehr unrecht han-
deln die italieniſchen Abgeordneten Tirols; mehr
als ihnen die Deutſchen bewilligen wollen, werden
ſie nie und nimmer durchſetzen und ſie gehen
mithin einem ganz und gar ausſichtsloſen Kampfe
entgegen.

(Steieriſcher Katholikeatag.)

Das
clericale „Volksblatt“ theilt mit, daß für den
6. bis 8. April ein ſteieriſcher Katholikentag nach
Graz einberufen werden ſoll. Offenbar handelte
es ſich hiebei darum, für die Reichsrathswahlen
Stimmung zu machen. Der Plan iſi mit Rück-
ſicht auf die inzwiſchen erfolgte Auflöſung des
Reichsrathes etwas verſpätet gefaßt worden.

(U[n]g[a]riſche Frachtentarife.)

Die nun-
mehr veröffentlichten Ausnahmstarife der unga-
riſchen Staatsbahnen, durch welche der Transport
ungariſcher Artikel gegenüber den öſterreichiſchen
und ausländiſchen begünſtigt wird, hat dem In-
duſtriellenclub und dem Montanvereine in Wien
Veranlaſſung gegeben, gegen dieſe Maßnahme
der ungariſchen Regierung Stellung zu nehmen.
Die Ausſchüſſe der genannten Corporationen be-
ſchloſſen, unmittelbar nach dem Zuſammentritte
des Reichsrathes an den Handelsminiſter eine
Interpellation in dieſer Angelegenheit richten zu
laſſen. Der neue ungariſche Frachtentarif enthält
die größten Begünſtigungen für die ungariſche
Production. Für alle wichtigen Waarengattungen
ungariſcher Provenienz ſind Ausnahmetarife ein-
geführt worden, welche bis zu 50, 100, 200 und
mehr Procent billiger ſind als die Tarife, welche
für Einfuhr aus Oeſterreich und dem Auslande
Geltung haben. Der neue Tarif iſt am 1. Jän-
ner d. J. eingeführt worden, alſo zu einer Zeit,
wo die deutch-öſterreichiſchen Handelsvertragsver-
handlungen bereits eingeleitet waren. Er wird,
wenn dieſe Verhandlungen von Erfolg gekrönt
ſein ſollen, wieder beſeitigt werden müſſen. Das
„Neue Wiener Tagblatt“ meldet, daß die unga-
riſche Regierung in Folge einer Preſſion von
maßgebender Stelle bezüglich der Tarifpolitik
ſowohl Deutſchland als Oeſterreich gegenüber nach-
geben und Oeſterreich gegenüber eine beſondere
[Spaltenumbruch] Tarifpolitik im Sinne eines loyalen Handels-
bündniſſes befolgen wird.

(Kaiſer und Papſt.)

Ein engliſches Blatt
meldet aus Rom, der Papſt habe ein Schreiben
an den deutſchen Kaiſer gerichtet, worin er ſeine
höchſte Befriedigung über das Ende des Cultur-
kampfes in Deutſchland ausdrückt und dem
Kaiſer in beredten Worten dankt für ſeine thätige
Mitwirkung bei der Herbeiführung der Löſung.
Das deutſche Volk ſcheint darüber weniger be-
friedigt zu ſein. Im Deutſchen Reichstage fand
dieſe Volfsſtimmung bereits am Samstag kräf-
tigen Ausdruck.

(Die iriſchen Führer.)

Es hat den An-
ſchein, daß die Führer des iriſchen Volkes zu
keiner Einigung untereinander gelaugen können.
Conferenzen folgen auf Conferenzen ohne greif-
bares Reſultat. Mac Charthy und Sexton gingen
letzten Samstag nach Boulogne ſur Mer, um
mit O’Brien und Dillon zu einer endgiltigen
Verſtändigung zu gelangen. Die Ausſichten auf
eine friedliche Löſung und Wiedervereinigung
der beiden Gruppen der Irenpartei iſt indeß
gering, da Parnell ſeinen Rücktritt noch
immer davon abhängig macht, daß dem
Irenparlament die Controle der Polizei einge-
räumt werde.

(Rußland gegen die Juden.)

Aus
Petersburg wird gemeldet: Die Maßregelung
der Juden nimmt ihren Fortgang. Aus Mos-
kau werden die jüdiſchen Handwerker ausgewieſen.
Der Aufenthalt in Turkeſtan und den hinter-
kaſpiſchen Ländern iſt allen Juden außer den
Kaufleuten erſter Gilde und Denjenigen, welche
akademiſche Berufsfächer bekleiden verboten, Zu
Taſchkend petitionirten ſämmtliche Kaufmanns-
firmen um bedingungsloſe Ausweiſung aller
Juden.“ Wie die „Nowoje Wremja“ hört, hat
der Senat die Frage, ob die Juden berechtigt
ſein ſollen, überall in einer Entfernung von
5 Werſt von der weſtlichen Landesgrenze unbe-
wegliches Eigenthum zu erwerben oder nur im
Weichbilde jener Städte und Flecken, wo ſie
vor dem 27. Auguſt 1858 eingeſchrieben waren,
dahin entſchieden, daß dieſelben nur im Weich-
bilde der vorbezeichneten Städte und Flecken
unbewegliches Eigenthum erwerben dürfen.




Locales und Provinzielles.


(Auf zur Arbeit.)

Sonntag am 25. d.
M. verſammelte ſich in Brünn der von der Ver-
trauensmännerverſammlung der Deutſchen in




[Spaltenumbruch]
Brautwahl.
Ein Märchen.

I.

(Nachdruck verboten.)

Es war einmal ein Märchenprinz, der edelſte
ſchönſte, liebenswertheſte von allen, die es je gege-
ben hat. Als er ſechsundzwanzig Jahre alt gewor-
den, ließ die Königin, ſeine Mutter, ihn rufen
und ſprach zu ihm:

„Die Zeit iſt gekommen, in welcher du eine
Lebensgeſährtin wählen und einen Hausſtand
gründen ſollſt. Bekanntermaßen findet man die
beſten Frauen, die es heutzutage gibt, auf dem
Planeten Erde. Dort lebt auch die holde, Dir
beſtimmte Braut, ein Weſen, lieber Sohn, Dir
gleich an Seelenadel.“

Der Prinz eröthete aus Beſcheidenheit, und
die Königin fuhr fort:

„Aber nicht ohne Weiteres kann ein köſtli-
ches Gut Dir zu Theil werden, Du mußt es
Dir verdienen.“

„Wodurch, o Mutter?“

„Durch raſtloſes Suchen, o Sohn.“

„In welcher Gegend der Erde?“

„In Europa.“

„Auf dem Lande; in den Städten?“

„In einer Hauptſtadt, unter den Töchtern
des höchſten Adels, Du weißt genug, nun gehe,
mein Sohn.“

Aber dieſer rief: „Und das Erkennungs-
zeichen? ... Nur das noch ſage mir: woran
erkenn’ ich ſie?“

Die Königin ſtieg von ihrem Throne nieder
[Spaltenumbruch] und flüſterte ihrem Sohne einige Worte in’s
Ohr.

II.

In den Geſellſchaftskreiſen einer großen
Stadt war plötzlich ein junger Mann aufgeta[u]cht,
der allenthalben Liebe und Bewunderung erweckte.
Keiner der hiſtoriſchen Namen durfte ſich mit dem
ſeinen meſſen, der in die Sagenzeit zurückragte.
Sein Stammbaum war ſo lang, daß er nicht
einmal in der längſten Straße der Stadt ganz
aufgerollt werden konnte; ſein Reichthum ſchien
unermeßlich, ſeine Großmuth war es auch. Hoch-
geboren edel und reich, was brachte er außerdem
noch zu ſein, um die Herzen der Töchter und
die Zuſtimmung der Eltern im Sturme zu
erobern? So ritterlich und ſo beſcheiden wie er
hatte noch nie ein Mann den jungen Damen
den Hof gemacht. Was ſie aber am meiſten an
ihm entzückte, das war ſeine Heiterkeit und ſein
Witz. Daß er den letzteren ſtets auf Koſten des
lieben Nächſten übte, daß der himmliſche Prinz
ein Spötter war, hatten ſie bald entdeckt und
bemühten ſich aus vollen Kräften, dieſen faden-
dünnen Spalt an dem Panzer ſeiner Vollkom-
menheit zu erweitern.

Dies geſchah aus weiblichem Inſtinkt.

Jedes Edelfräulein, mit dem er gelacht und
geſcherzt, war überzeugt, ſeiner Schwäche am ge-
ſchickteſten geſchmeichett und damit ſein Herz ge-
wonnen zu haben. Doch keine dieſer Hoffnungen
erfüllte ſich, und eines ſchönen Tages war der
Prinz eben ſo plötzlich wie er gekommen —
verſchwunden.

III.

Dasſelbe wiederholte ſich in vielen anderen
Städten. Der Prinz begann ſeine Freudigkeit
[Spaltenumbruch] einzubüßen, ſein Witz wurde immer ſchonungs-
loſer, er ſpottete nicht mehr, er läſterte. Sein
Erdenwallen, das fühlte er wohl, machte ihn nicht
beſſer, und am meiſten kränkte ihn, daß er nun
in ſeinem eigenen Augen an Werth verlor. Die
Väter, die Mütter, die Töchter trieben nach wie
vor Abgötterei mit ihm und verehrten jedes ſeiner
Worte.

„Ewiges Einerlei!“ ſagte er oft laut vor
ſeinem ganzen Gefolge. „Ich werde heimkehren
zu meiner königlichen Mutter als Junggeſelle.“

Und wirklich begann er zu verſauern wie
ein ſolcher.

Endlich ergriff ihn ein ungeheurer Ekel.
„Laß’ ſatteln! Unſere Wolken vor! Die ſchwär-
zeſte für mich!“ befahl er ſeinem Oberſtallmei-
ſter. „Wir reiten!“

„Heute, Euer Hoheit?“ verſetzte der Wür-
denträger. „Iſt heute nicht Hofball, den Eure
Hoheit beſuchen müſſen?“

Der Prinz gab das zu und ging auf den
Ball. Aber er tanzte nicht, ſchwatzte nicht, lachte
nicht. Er ſtand in einer Ecke, ſah den ſchönen,
jungen Damen, die im Takt an ihm vorüber
ſchwebten, traurig nach und ſeufzte: „Keine, keine
Einzige!“

IV.

Die Melancholie des Prinzen war auf’s
Höchſte geſtiegen, als er plötzlich am an-
deren Ende des Saales ein liebliches Mädchen
erblickte, das ruhig daſaß, und wie er dem Tanze
zuſah. Sie jedoch that es mit heller Zufrieden-
heit und ſchien ſeelenvergnügt.

„O Seele!“ dachte der Prinz, „wie ſchön
mußt Du ſein, um Dich ſo zu vergnügen am
Vergnügen der Andern!“ Sauft aber unwider-
ſtehlich angezogen, trat er vor das liebliche Mäd-


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[[4]/0004] ſein werde, bereit den Aufgaben unſerer Geſetz- gebung gerecht zu werden und in dieſem Sinne eine Regierung zu unterſtützen, welcher die Mit- wirkung eines jedes gemäßigten patriotiſch Ge- ſinnten willkommen ſein wird.“ Dieſes Communique des Amtsblattes ent- hält einige für die bisherige Parlamentsmajorität keineswegs ſchmeichelhafte Bemerkungen. Es wird derſelben nahezu völlig jene patriotiſche Geſin- nung abgeſprochen, die man in Regierungskreiſen als nothwendige Vorausſetzung einer gerechten Geſetzgebung bezeichnet. (Die Reichsrathswahlen.) Es geht mit Windeseile. Geſtern erfolgte die Auflöſung des Reichsrathes, heute liegt uns ſchon die Kund- machung vor, mit welcher die Neuwahlen aus- geſchrieben werden. Sie lautet: Nachdem mit dem Allerhächſten Patente vom 23. Jänner l. J. das Haus der Abgeordneten des Reichsrathes aufgelöſt und die Einleitung und Durchführung der allgemeinen Neuwahlen für das Abgeordneten- haus nach den Beſtimmungen der Geſetze vom 2. April 1873 (R.-G.-Bl. Nr. 40 und 41), dann vom 4. October 1882 (R.-G.-Bl. Nr. 142) angeordnet worden iſt, werden in Gemäßheit der §§ 21 und 22 der Reichsrathswahlordnung die allgemeinen Wahlen für die Markgrafſchaft Mähren ausgeſchrieben und deren Vornahme in den durch die R.-R.-W.-O. bezeichneten Wahl- orten auf folgende Tage beſtimmt: 1. für die Wahlbezirke der Landgemeinden auf den 2. März d. J. 2. für die Wahlbezirke der Städte auf den 4. März d. J. 3. für die Handels- und Gewerbekammern in Brünn und Olmütz auf den 5. März d. J. 4. für die Wählerclaſſe des Großgrundbeſitzes auf den 6. März d. J. Dieß wird mit dem Beifügen zur öffentlichen Kennt- nis gebracht, daß den Wahlberechtigten die Legi- timationskarten, welche Ort und Stunde des Anfanges der Wahlhandlung, ſowie die Stunde des Schlußes der Stimmgebung enthalten, von den betreffenden Behörden zukommen werden. Der k. k. Statthalter: Hermann Ritter v. Loebl m. p. Die raſche Ausſchreibung der Neuwahlen erfolgt wol mit Rückſicht darauf, daß das Budgetpro- viſorium nur bis 1. April bewilligt wurde, die neugewählte Reichsvertretung alſo noch im März zuſammentreten muß, um den Staatshaushalt zu berathen, oder ein weiteres Proviſorium zu bewilligen. (Auszeichnung.) Wie die „Preſſe“ meldet, hat der Kaiſer dem Fürſterzbiſchof von Wien, Dr. Gruſcha, das Großkreuz des Leopoldordens verliehen und den Kirchenfürſten gleichzeitig zum Prälaten dieſes Ordens ernannt. (Der Tiroler Landtag.) Die Verſöhnungs- action der Regierung in Tirol iſt alſo geſchei- tert. Graf Taaffe hat nicht abgewartet, bis ſeine clerikalen Freunde ihm vor aller Welt den Stuhl vor die Thüre ſetzten, ſondern ſie heimgeſchickt, bevor ſie ihre Weisheit und Keckheit zur Schau bringen konnten. Näheres über jene Forderungen der Clerikalen, welche den Bruch herbeigeſührt haben, iſt bereits bekannt. Sie forderten nichts- weniger als die Aufſicht der Kirche über die Schule, und dieſe kirchliche Schulaufſicht ſollte mit der ſtaatlichen Aufſicht concurriren. Sehr unrecht han- deln die italieniſchen Abgeordneten Tirols; mehr als ihnen die Deutſchen bewilligen wollen, werden ſie nie und nimmer durchſetzen und ſie gehen mithin einem ganz und gar ausſichtsloſen Kampfe entgegen. (Steieriſcher Katholikeatag.) Das clericale „Volksblatt“ theilt mit, daß für den 6. bis 8. April ein ſteieriſcher Katholikentag nach Graz einberufen werden ſoll. Offenbar handelte es ſich hiebei darum, für die Reichsrathswahlen Stimmung zu machen. Der Plan iſi mit Rück- ſicht auf die inzwiſchen erfolgte Auflöſung des Reichsrathes etwas verſpätet gefaßt worden. (Ungariſche Frachtentarife.) Die nun- mehr veröffentlichten Ausnahmstarife der unga- riſchen Staatsbahnen, durch welche der Transport ungariſcher Artikel gegenüber den öſterreichiſchen und ausländiſchen begünſtigt wird, hat dem In- duſtriellenclub und dem Montanvereine in Wien Veranlaſſung gegeben, gegen dieſe Maßnahme der ungariſchen Regierung Stellung zu nehmen. Die Ausſchüſſe der genannten Corporationen be- ſchloſſen, unmittelbar nach dem Zuſammentritte des Reichsrathes an den Handelsminiſter eine Interpellation in dieſer Angelegenheit richten zu laſſen. Der neue ungariſche Frachtentarif enthält die größten Begünſtigungen für die ungariſche Production. Für alle wichtigen Waarengattungen ungariſcher Provenienz ſind Ausnahmetarife ein- geführt worden, welche bis zu 50, 100, 200 und mehr Procent billiger ſind als die Tarife, welche für Einfuhr aus Oeſterreich und dem Auslande Geltung haben. Der neue Tarif iſt am 1. Jän- ner d. J. eingeführt worden, alſo zu einer Zeit, wo die deutch-öſterreichiſchen Handelsvertragsver- handlungen bereits eingeleitet waren. Er wird, wenn dieſe Verhandlungen von Erfolg gekrönt ſein ſollen, wieder beſeitigt werden müſſen. Das „Neue Wiener Tagblatt“ meldet, daß die unga- riſche Regierung in Folge einer Preſſion von maßgebender Stelle bezüglich der Tarifpolitik ſowohl Deutſchland als Oeſterreich gegenüber nach- geben und Oeſterreich gegenüber eine beſondere Tarifpolitik im Sinne eines loyalen Handels- bündniſſes befolgen wird. (Kaiſer und Papſt.) Ein engliſches Blatt meldet aus Rom, der Papſt habe ein Schreiben an den deutſchen Kaiſer gerichtet, worin er ſeine höchſte Befriedigung über das Ende des Cultur- kampfes in Deutſchland ausdrückt und dem Kaiſer in beredten Worten dankt für ſeine thätige Mitwirkung bei der Herbeiführung der Löſung. Das deutſche Volk ſcheint darüber weniger be- friedigt zu ſein. Im Deutſchen Reichstage fand dieſe Volfsſtimmung bereits am Samstag kräf- tigen Ausdruck. (Die iriſchen Führer.) Es hat den An- ſchein, daß die Führer des iriſchen Volkes zu keiner Einigung untereinander gelaugen können. Conferenzen folgen auf Conferenzen ohne greif- bares Reſultat. Mac Charthy und Sexton gingen letzten Samstag nach Boulogne ſur Mer, um mit O’Brien und Dillon zu einer endgiltigen Verſtändigung zu gelangen. Die Ausſichten auf eine friedliche Löſung und Wiedervereinigung der beiden Gruppen der Irenpartei iſt indeß gering, da Parnell ſeinen Rücktritt noch immer davon abhängig macht, daß dem Irenparlament die Controle der Polizei einge- räumt werde. (Rußland gegen die Juden.) Aus Petersburg wird gemeldet: Die Maßregelung der Juden nimmt ihren Fortgang. Aus Mos- kau werden die jüdiſchen Handwerker ausgewieſen. Der Aufenthalt in Turkeſtan und den hinter- kaſpiſchen Ländern iſt allen Juden außer den Kaufleuten erſter Gilde und Denjenigen, welche akademiſche Berufsfächer bekleiden verboten, Zu Taſchkend petitionirten ſämmtliche Kaufmanns- firmen um bedingungsloſe Ausweiſung aller Juden.“ Wie die „Nowoje Wremja“ hört, hat der Senat die Frage, ob die Juden berechtigt ſein ſollen, überall in einer Entfernung von 5 Werſt von der weſtlichen Landesgrenze unbe- wegliches Eigenthum zu erwerben oder nur im Weichbilde jener Städte und Flecken, wo ſie vor dem 27. Auguſt 1858 eingeſchrieben waren, dahin entſchieden, daß dieſelben nur im Weich- bilde der vorbezeichneten Städte und Flecken unbewegliches Eigenthum erwerben dürfen. Locales und Provinzielles. Olmütz, 26. Jänner. (Auf zur Arbeit.) Sonntag am 25. d. M. verſammelte ſich in Brünn der von der Ver- trauensmännerverſammlung der Deutſchen in Brautwahl. Ein Märchen. Von Maria von Ebner-Eſchenbach. I. (Nachdruck verboten.) Es war einmal ein Märchenprinz, der edelſte ſchönſte, liebenswertheſte von allen, die es je gege- ben hat. Als er ſechsundzwanzig Jahre alt gewor- den, ließ die Königin, ſeine Mutter, ihn rufen und ſprach zu ihm: „Die Zeit iſt gekommen, in welcher du eine Lebensgeſährtin wählen und einen Hausſtand gründen ſollſt. Bekanntermaßen findet man die beſten Frauen, die es heutzutage gibt, auf dem Planeten Erde. Dort lebt auch die holde, Dir beſtimmte Braut, ein Weſen, lieber Sohn, Dir gleich an Seelenadel.“ Der Prinz eröthete aus Beſcheidenheit, und die Königin fuhr fort: „Aber nicht ohne Weiteres kann ein köſtli- ches Gut Dir zu Theil werden, Du mußt es Dir verdienen.“ „Wodurch, o Mutter?“ „Durch raſtloſes Suchen, o Sohn.“ „In welcher Gegend der Erde?“ „In Europa.“ „Auf dem Lande; in den Städten?“ „In einer Hauptſtadt, unter den Töchtern des höchſten Adels, Du weißt genug, nun gehe, mein Sohn.“ Aber dieſer rief: „Und das Erkennungs- zeichen? ... Nur das noch ſage mir: woran erkenn’ ich ſie?“ Die Königin ſtieg von ihrem Throne nieder und flüſterte ihrem Sohne einige Worte in’s Ohr. II. In den Geſellſchaftskreiſen einer großen Stadt war plötzlich ein junger Mann aufgetaucht, der allenthalben Liebe und Bewunderung erweckte. Keiner der hiſtoriſchen Namen durfte ſich mit dem ſeinen meſſen, der in die Sagenzeit zurückragte. Sein Stammbaum war ſo lang, daß er nicht einmal in der längſten Straße der Stadt ganz aufgerollt werden konnte; ſein Reichthum ſchien unermeßlich, ſeine Großmuth war es auch. Hoch- geboren edel und reich, was brachte er außerdem noch zu ſein, um die Herzen der Töchter und die Zuſtimmung der Eltern im Sturme zu erobern? So ritterlich und ſo beſcheiden wie er hatte noch nie ein Mann den jungen Damen den Hof gemacht. Was ſie aber am meiſten an ihm entzückte, das war ſeine Heiterkeit und ſein Witz. Daß er den letzteren ſtets auf Koſten des lieben Nächſten übte, daß der himmliſche Prinz ein Spötter war, hatten ſie bald entdeckt und bemühten ſich aus vollen Kräften, dieſen faden- dünnen Spalt an dem Panzer ſeiner Vollkom- menheit zu erweitern. Dies geſchah aus weiblichem Inſtinkt. Jedes Edelfräulein, mit dem er gelacht und geſcherzt, war überzeugt, ſeiner Schwäche am ge- ſchickteſten geſchmeichett und damit ſein Herz ge- wonnen zu haben. Doch keine dieſer Hoffnungen erfüllte ſich, und eines ſchönen Tages war der Prinz eben ſo plötzlich wie er gekommen — verſchwunden. III. Dasſelbe wiederholte ſich in vielen anderen Städten. Der Prinz begann ſeine Freudigkeit einzubüßen, ſein Witz wurde immer ſchonungs- loſer, er ſpottete nicht mehr, er läſterte. Sein Erdenwallen, das fühlte er wohl, machte ihn nicht beſſer, und am meiſten kränkte ihn, daß er nun in ſeinem eigenen Augen an Werth verlor. Die Väter, die Mütter, die Töchter trieben nach wie vor Abgötterei mit ihm und verehrten jedes ſeiner Worte. „Ewiges Einerlei!“ ſagte er oft laut vor ſeinem ganzen Gefolge. „Ich werde heimkehren zu meiner königlichen Mutter als Junggeſelle.“ Und wirklich begann er zu verſauern wie ein ſolcher. Endlich ergriff ihn ein ungeheurer Ekel. „Laß’ ſatteln! Unſere Wolken vor! Die ſchwär- zeſte für mich!“ befahl er ſeinem Oberſtallmei- ſter. „Wir reiten!“ „Heute, Euer Hoheit?“ verſetzte der Wür- denträger. „Iſt heute nicht Hofball, den Eure Hoheit beſuchen müſſen?“ Der Prinz gab das zu und ging auf den Ball. Aber er tanzte nicht, ſchwatzte nicht, lachte nicht. Er ſtand in einer Ecke, ſah den ſchönen, jungen Damen, die im Takt an ihm vorüber ſchwebten, traurig nach und ſeufzte: „Keine, keine Einzige!“ IV. Die Melancholie des Prinzen war auf’s Höchſte geſtiegen, als er plötzlich am an- deren Ende des Saales ein liebliches Mädchen erblickte, das ruhig daſaß, und wie er dem Tanze zuſah. Sie jedoch that es mit heller Zufrieden- heit und ſchien ſeelenvergnügt. „O Seele!“ dachte der Prinz, „wie ſchön mußt Du ſein, um Dich ſo zu vergnügen am Vergnügen der Andern!“ Sauft aber unwider- ſtehlich angezogen, trat er vor das liebliche Mäd-

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Zitationshilfe: Mährisches Tagblatt. Nr. 20, Olmütz, 26.01.1891, S. [4]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maehrisches20_1891/4>, abgerufen am 21.11.2024.