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Mainzer Journal. Nr. 250. Mainz, 20. Oktober 1849.

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Erste Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 250. Sonntag, den 21. October. 1849.


[Beginn Spaltensatz]
Deutschland.

Wien. Am 13. October sind, wie die Wiener Ztg. meldet,
im Ministerium des Auswärtigen zu Wien die Radificationsur-
kunden des Vertrages über Einsetzung einer neuen proviso-
rischen Centralgewalt
von Seite des preußischen Gesandten
und des österreichischen Ministerpräsidenten ausgewechselt und von
letzterem zugleich die Abdankungsurkunde des Erzher-
zogs Johann
vorgelegt worden.

Berlin 15. October. Wie Preußen in Deutschland aufgeht,
beweist der nachfolgende Artikel des Hamburger Corresponden-
ten: "Ueber die Verhandlungen des Verwaltungsrathes vom
engeren deutschen Bunde ist zwar, mit Ausnahme der Abstim-
mungen wegen der Einberufung des Reichstages und der Ratifi-
cation der mit Oesterreich geschlossenen Abkunft, betreffend die
Einsetzung einer provisorischen Centralgewalt für das ganze
Deutschland, noch nichts Wesentliches zur Publicität gekom-
men, dennoch ist der eigentliche Kern der Resultate der Arbei-
ten und Feststellungen jenes hohen Collegiums kein Geheimniß
mehr. Die Erklärung, welche der vormalige Minister der aus-
wärtigen Angelegenheiten, der General=Lieutenant Baron von
Canitz, über seinen Austritt aus dem Verwaltungsrathe in der
ersten Kammer gab, in der er wörtlich äußerte: "Er sey in dem-
selben so lange thätig gewesen, als er die Ueberzeugung gehabt
habe, dem Vaterlande in dieser Stellung nützlich seyn zu kön-
nen," ließ manche Auslegung zu, welche die Erwartungen von
jenem Resultate sehr herabzustimmen geeignet waren. Jene
Aeußerung aber bezog sich vielleicht mehr auf die sich schon da-
mals in nahe Aussicht stellende factische Auflösung des Drei-
Königsbundes, als auf eine Alteration, Verwickelung oder rück-
gängige Bewegung in den Verhandlungen über die Feststellungen
des engeren deutschen Staatenbundes. Ueber dieses
hochwichtige Verhältniß sind wir im Stande, nach Mittheilun-
gen von hochachtbarer Seite Folgendes zu berichten. Das Bünd-
niß des neuen unter Preußens Vortritt sich bildenden Staa-
tenvereines
stützt sich auf drei in einen engeren Verein oder
Verband gebrachte Verhältnisse. Es sind dieses 1 ) die Grün-
dung eines gemeinschaftlichen Militärverhältnisses oder wenn
man will, Militärstaates, durch Annahme gleicher Organisirung
der Truppen, des Dienst= und des Exercierreglements, der
Vorschriften der Militärgerichtsbarkeit u. s. w. Zugleich setzt
man hinzu, daß die Staabsoffiziere der Truppen der kleinen
Staaten, wenn sie den Rang eines Brigadiers erreicht haben, der
preußischen Generalität angereiht oder ganz in dieselbe einrangirt
werden sollen. Das wäre allerdings sehr wichtig und eingreifend
in den Organismus des Ganzen und den ihm einzuhauchenden
Geist. Welchen hohen Werth die preußische Regierung gerade in
diesem Augenblicke auf ein solches Verhältniß legt, davon gab uns
noch vorgestern die Antwort, welche der Prinz von Preußen auf die
Anrede des Präsidenten der ersten Kammer ertheilte, einen deut-
lichen Beweis. Man findet, von oben herab, mehr wie je nur in
dem Organismus des Heeres und in dem darin herrschenden Geiste
eine sichere Bürgschaft für die weitere Entfernung der Gefahren,
in denen Deutschland schwebte und noch schwebt. 2 ) Gleiche Ver-
hältnisse im Handel und Wandel, im öffentlichen Verkehre mit dem
Jn= und Auslande oder mit anderen Worten, der Vereinsstaaten
unter einander oder der einzelnen Bundesländer mit fremden Staa-
ten, durch gemeinschaftliche Handelsgesetzgebung, gleiches Wechsel-
recht, gleiche Münzen, Maße und Gewichte, in Beziehung auf die
Zölle und Steuern, soweit die Eigenthümlichkeiten der einzelnen
Staaten, ihre Verhältnisse und ihre geographische Lage es zulassen,
oder ihren Bedürfnissen nach es fordern. Jn diesen Fällen sollen
besondere Verträge der betreffenden Staaten mit dem Bunde ge-
schlossen werden. 3 ) Die Preußen zufallende Vertretung der
diplomatischen Geschäfte des Bundes und der einzelnen Mitglie-
der desselben, wie der Handelsinteressen in Deutschland
und in= und außerhalb Europa, im Wege der Gesandtschaften
und Consulate. Zu diesem Zwecke wird Preußen nach wie vor
bei den Regierungen aller großen Staaten seine bevollmächtigten
Minister, Residenten und Geschäftsträger, denen neben den
preußischen oder mit den preußischen, nun auch die Wahrnehmung
der Jnteressen des Bundesstaates obliegt, halten, und die Gene-
ralconsulate, Consulate und Agenturen sollen da, wo es das neue
Verhältniß erheischt, vermehrt werden.

[Spaltenumbruch]

Sachsen. Wir glauben unseren Lesern den nachfolgenden Ar-
tikel der halbofficiellen "Leipziger Zeitung" über die deutsche
Frage nicht vorenthalten zu dürfen, zumal derselbe über die gegen-
wärtige Stellung Sachsens zu dem sogenannten Dreikönigsbunde
nähere Aufschlüsse gibt. Die "Leipziger Zeitung" ist zunächst
überzeugt, "daß keiner von den sächsischen Ministern auf öster-
reichischem, keiner auf preußischem, sondern alle, da sie sächsische
Minister sind, zunächst auf sächsischem und sodann, da Sachsen
zur Zeit weder ein Theil von Oesterreich, noch ein Theil von
Preußen, sondern ein Theil von Deutschland ist, auf deutschem
Standpunkte stehen." Dann wird fortgefahren: "Nach der Un-
terdrückung des Dresdner Aufstandes fühlte das Ministerium die
dringende Nothwendigkeit, daß Seitens der deutschen Regierungen
etwas geschehe, um dem allgemeinen, nach so vielen Seiten
hin vollständig berechtigten Drängen des deutschen Volkes nach
einer größeren nationalen Einheit Genüge zu leisten. Es ergriff
daher freudig die dargebotene Hand Preußens, was nach dem-
selben Ziele strebte, trat dem Verfassungsentwurfe vom 26. Mai
d. J. bei und schloß das bekannte Bündniß ab. Der Verfas-
sungsentwurf war für ganz Deutschland berechnet, mit alleiniger
vorläufiger Ausnahme Oesterreichs, hinsichtlich dessen besondere
Verständigung vorbehalten blieb. Er kann auf ein kleineres, nicht
das gesammte nicht=österreichische Deutschland umfassendes Bünd-
niß ohne wesentliche Abänderungen, die neue Verhandlungen vor-
aussetzen, nicht angewendet werden. Obgleich also die Absicht,
die Sachsen damals hatte, nicht verkannt werden konnte, so fügte
die sächsische Regierung ihrem Beitritte zu dem Verfassungsent-
wurfe dennoch die bestimmte Erklärung bei, daß sie, wenn es nicht
gelingen sollte, den Süden Deutschlands in den beabsichtigten
Reichsverband aufzunehmen, sich die Erneuerung der Verhand-
lungen und die Umgestaltung der vereinbarten Verfassung aus-
drücklich vorbehalte. Was nun damals als möglich vorausgesetzt
wurde, ist leider eingetreten. Bayern und Württemberg und
nebst ihnen einige kleinere Staaten haben bestimmt erklärt, dem
Berliner Verfassungsentwurfe nicht beizutreten; es ist also klar,
daß der Zweck, der mit demselben beabsichtigt wurde, nicht erreicht
werden kann. Was soll nun Sachsen thun? Uns dünkt, dasselbe,
was jeder ehrliche Mensch thut, der einen guten, edlen Zweck
will, nämlich an dem Streben nach demselben unveränderlich fest-
halten, und wenn klar wird, daß ein angewendetes Mittel nicht zu
diesem Zwecke, sondern zu einem gerade entgegengesetzten Erfolge
führen muß, dieses Mittel aufgeben. Der Berliner Ver-
fassungsentwurf verlangt von Sachsen sehr große Opfer, nicht
blos von der Krone und der Regierung, sondern namentlich auch
von den Kammern, deren Rechte zu einem großen Theil auf das
Parlament übertragen werden sollen. Diese Opfer zu bringen,
war Sachsen bereit und ist es noch immer, zum Besten Deutsch-
lands, zur Erlangung einer größeren Einigung des deutschen Vol-
kes! Soll es aber zu diesen Opfern auch dann noch bereit seyn,
wenn sie zur Zerreißung Deutschlands, zum ewigen unheilbaren
Bruch führen und damit nichts erlangt wird, als größere
Macht eines einzelnen,
an sich schon so mächtigen deut-
schen Staates? Mag sich diese Frage Jeder nach seinen Ansichten
beantworten, ein sächsisches Ministerium kann und darf sie nur
verneinen, wenn es anders pflichtgetreu handeln will. -- Man
hat die Politik Sachsens als unentschieden und schwankend geta-
delt. Aber Der handelt nicht unentschieden, der das Ziel fest im
Auge behält und es nicht über dem Mittel vergißt, Der schwankt
nicht, der einen möglichen Fall voraussieht, sich deshalb einen
Vorbehalt macht und, wenn dieser Fall wirklich eintritt, von dem
Vorbehalte Gebrauch macht. Wer freilich in dem Beitritte zu
dem Berliner Verfassungsentwurfe nichts Anderes sieht und sehen
will, als eine unbedingte Unterordnung Sachsens unter Preußen,
der mag das Ministerium tadeln; wer aber jenen Beitritt im
einzig richtigen Sinne als den Weg zur Einigung Deutschlands
auffaßt, der muß es natürlich und consequent finden, daß jetzt,
nachdem durch die späteren Thatsachen gewiß geworden ist, daß
jener Weg weit ab vom Ziele führt, unsere Regierung
nicht weiter vorgeht auf diesem Wege, sondern
auf den für den eingetretenen Fall gemachten
Vorbehalt zurückkommt.
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Stuttgart 19. October. ( D. Volksbl. ) Unsere " vaterländi-
sche " Presse bringt wieder einmal einen ellenlangen Gefühlserguß
[Ende Spaltensatz]

Erste Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 250. Sonntag, den 21. October. 1849.


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Deutschland.

Wien. Am 13. October sind, wie die Wiener Ztg. meldet,
im Ministerium des Auswärtigen zu Wien die Radificationsur-
kunden des Vertrages über Einsetzung einer neuen proviso-
rischen Centralgewalt
von Seite des preußischen Gesandten
und des österreichischen Ministerpräsidenten ausgewechselt und von
letzterem zugleich die Abdankungsurkunde des Erzher-
zogs Johann
vorgelegt worden.

Berlin 15. October. Wie Preußen in Deutschland aufgeht,
beweist der nachfolgende Artikel des Hamburger Corresponden-
ten: „Ueber die Verhandlungen des Verwaltungsrathes vom
engeren deutschen Bunde ist zwar, mit Ausnahme der Abstim-
mungen wegen der Einberufung des Reichstages und der Ratifi-
cation der mit Oesterreich geschlossenen Abkunft, betreffend die
Einsetzung einer provisorischen Centralgewalt für das ganze
Deutschland, noch nichts Wesentliches zur Publicität gekom-
men, dennoch ist der eigentliche Kern der Resultate der Arbei-
ten und Feststellungen jenes hohen Collegiums kein Geheimniß
mehr. Die Erklärung, welche der vormalige Minister der aus-
wärtigen Angelegenheiten, der General=Lieutenant Baron von
Canitz, über seinen Austritt aus dem Verwaltungsrathe in der
ersten Kammer gab, in der er wörtlich äußerte: „Er sey in dem-
selben so lange thätig gewesen, als er die Ueberzeugung gehabt
habe, dem Vaterlande in dieser Stellung nützlich seyn zu kön-
nen,“ ließ manche Auslegung zu, welche die Erwartungen von
jenem Resultate sehr herabzustimmen geeignet waren. Jene
Aeußerung aber bezog sich vielleicht mehr auf die sich schon da-
mals in nahe Aussicht stellende factische Auflösung des Drei-
Königsbundes, als auf eine Alteration, Verwickelung oder rück-
gängige Bewegung in den Verhandlungen über die Feststellungen
des engeren deutschen Staatenbundes. Ueber dieses
hochwichtige Verhältniß sind wir im Stande, nach Mittheilun-
gen von hochachtbarer Seite Folgendes zu berichten. Das Bünd-
niß des neuen unter Preußens Vortritt sich bildenden Staa-
tenvereines
stützt sich auf drei in einen engeren Verein oder
Verband gebrachte Verhältnisse. Es sind dieses 1 ) die Grün-
dung eines gemeinschaftlichen Militärverhältnisses oder wenn
man will, Militärstaates, durch Annahme gleicher Organisirung
der Truppen, des Dienst= und des Exercierreglements, der
Vorschriften der Militärgerichtsbarkeit u. s. w. Zugleich setzt
man hinzu, daß die Staabsoffiziere der Truppen der kleinen
Staaten, wenn sie den Rang eines Brigadiers erreicht haben, der
preußischen Generalität angereiht oder ganz in dieselbe einrangirt
werden sollen. Das wäre allerdings sehr wichtig und eingreifend
in den Organismus des Ganzen und den ihm einzuhauchenden
Geist. Welchen hohen Werth die preußische Regierung gerade in
diesem Augenblicke auf ein solches Verhältniß legt, davon gab uns
noch vorgestern die Antwort, welche der Prinz von Preußen auf die
Anrede des Präsidenten der ersten Kammer ertheilte, einen deut-
lichen Beweis. Man findet, von oben herab, mehr wie je nur in
dem Organismus des Heeres und in dem darin herrschenden Geiste
eine sichere Bürgschaft für die weitere Entfernung der Gefahren,
in denen Deutschland schwebte und noch schwebt. 2 ) Gleiche Ver-
hältnisse im Handel und Wandel, im öffentlichen Verkehre mit dem
Jn= und Auslande oder mit anderen Worten, der Vereinsstaaten
unter einander oder der einzelnen Bundesländer mit fremden Staa-
ten, durch gemeinschaftliche Handelsgesetzgebung, gleiches Wechsel-
recht, gleiche Münzen, Maße und Gewichte, in Beziehung auf die
Zölle und Steuern, soweit die Eigenthümlichkeiten der einzelnen
Staaten, ihre Verhältnisse und ihre geographische Lage es zulassen,
oder ihren Bedürfnissen nach es fordern. Jn diesen Fällen sollen
besondere Verträge der betreffenden Staaten mit dem Bunde ge-
schlossen werden. 3 ) Die Preußen zufallende Vertretung der
diplomatischen Geschäfte des Bundes und der einzelnen Mitglie-
der desselben, wie der Handelsinteressen in Deutschland
und in= und außerhalb Europa, im Wege der Gesandtschaften
und Consulate. Zu diesem Zwecke wird Preußen nach wie vor
bei den Regierungen aller großen Staaten seine bevollmächtigten
Minister, Residenten und Geschäftsträger, denen neben den
preußischen oder mit den preußischen, nun auch die Wahrnehmung
der Jnteressen des Bundesstaates obliegt, halten, und die Gene-
ralconsulate, Consulate und Agenturen sollen da, wo es das neue
Verhältniß erheischt, vermehrt werden.

[Spaltenumbruch]

Sachsen. Wir glauben unseren Lesern den nachfolgenden Ar-
tikel der halbofficiellen „Leipziger Zeitung“ über die deutsche
Frage nicht vorenthalten zu dürfen, zumal derselbe über die gegen-
wärtige Stellung Sachsens zu dem sogenannten Dreikönigsbunde
nähere Aufschlüsse gibt. Die „Leipziger Zeitung“ ist zunächst
überzeugt, „daß keiner von den sächsischen Ministern auf öster-
reichischem, keiner auf preußischem, sondern alle, da sie sächsische
Minister sind, zunächst auf sächsischem und sodann, da Sachsen
zur Zeit weder ein Theil von Oesterreich, noch ein Theil von
Preußen, sondern ein Theil von Deutschland ist, auf deutschem
Standpunkte stehen.“ Dann wird fortgefahren: „Nach der Un-
terdrückung des Dresdner Aufstandes fühlte das Ministerium die
dringende Nothwendigkeit, daß Seitens der deutschen Regierungen
etwas geschehe, um dem allgemeinen, nach so vielen Seiten
hin vollständig berechtigten Drängen des deutschen Volkes nach
einer größeren nationalen Einheit Genüge zu leisten. Es ergriff
daher freudig die dargebotene Hand Preußens, was nach dem-
selben Ziele strebte, trat dem Verfassungsentwurfe vom 26. Mai
d. J. bei und schloß das bekannte Bündniß ab. Der Verfas-
sungsentwurf war für ganz Deutschland berechnet, mit alleiniger
vorläufiger Ausnahme Oesterreichs, hinsichtlich dessen besondere
Verständigung vorbehalten blieb. Er kann auf ein kleineres, nicht
das gesammte nicht=österreichische Deutschland umfassendes Bünd-
niß ohne wesentliche Abänderungen, die neue Verhandlungen vor-
aussetzen, nicht angewendet werden. Obgleich also die Absicht,
die Sachsen damals hatte, nicht verkannt werden konnte, so fügte
die sächsische Regierung ihrem Beitritte zu dem Verfassungsent-
wurfe dennoch die bestimmte Erklärung bei, daß sie, wenn es nicht
gelingen sollte, den Süden Deutschlands in den beabsichtigten
Reichsverband aufzunehmen, sich die Erneuerung der Verhand-
lungen und die Umgestaltung der vereinbarten Verfassung aus-
drücklich vorbehalte. Was nun damals als möglich vorausgesetzt
wurde, ist leider eingetreten. Bayern und Württemberg und
nebst ihnen einige kleinere Staaten haben bestimmt erklärt, dem
Berliner Verfassungsentwurfe nicht beizutreten; es ist also klar,
daß der Zweck, der mit demselben beabsichtigt wurde, nicht erreicht
werden kann. Was soll nun Sachsen thun? Uns dünkt, dasselbe,
was jeder ehrliche Mensch thut, der einen guten, edlen Zweck
will, nämlich an dem Streben nach demselben unveränderlich fest-
halten, und wenn klar wird, daß ein angewendetes Mittel nicht zu
diesem Zwecke, sondern zu einem gerade entgegengesetzten Erfolge
führen muß, dieses Mittel aufgeben. Der Berliner Ver-
fassungsentwurf verlangt von Sachsen sehr große Opfer, nicht
blos von der Krone und der Regierung, sondern namentlich auch
von den Kammern, deren Rechte zu einem großen Theil auf das
Parlament übertragen werden sollen. Diese Opfer zu bringen,
war Sachsen bereit und ist es noch immer, zum Besten Deutsch-
lands, zur Erlangung einer größeren Einigung des deutschen Vol-
kes! Soll es aber zu diesen Opfern auch dann noch bereit seyn,
wenn sie zur Zerreißung Deutschlands, zum ewigen unheilbaren
Bruch führen und damit nichts erlangt wird, als größere
Macht eines einzelnen,
an sich schon so mächtigen deut-
schen Staates? Mag sich diese Frage Jeder nach seinen Ansichten
beantworten, ein sächsisches Ministerium kann und darf sie nur
verneinen, wenn es anders pflichtgetreu handeln will. — Man
hat die Politik Sachsens als unentschieden und schwankend geta-
delt. Aber Der handelt nicht unentschieden, der das Ziel fest im
Auge behält und es nicht über dem Mittel vergißt, Der schwankt
nicht, der einen möglichen Fall voraussieht, sich deshalb einen
Vorbehalt macht und, wenn dieser Fall wirklich eintritt, von dem
Vorbehalte Gebrauch macht. Wer freilich in dem Beitritte zu
dem Berliner Verfassungsentwurfe nichts Anderes sieht und sehen
will, als eine unbedingte Unterordnung Sachsens unter Preußen,
der mag das Ministerium tadeln; wer aber jenen Beitritt im
einzig richtigen Sinne als den Weg zur Einigung Deutschlands
auffaßt, der muß es natürlich und consequent finden, daß jetzt,
nachdem durch die späteren Thatsachen gewiß geworden ist, daß
jener Weg weit ab vom Ziele führt, unsere Regierung
nicht weiter vorgeht auf diesem Wege, sondern
auf den für den eingetretenen Fall gemachten
Vorbehalt zurückkommt.

Stuttgart 19. October. ( D. Volksbl. ) Unsere „ vaterländi-
sche “ Presse bringt wieder einmal einen ellenlangen Gefühlserguß
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[0005] Erste Beilage zum Mainzer Journal. Nro 250. Sonntag, den 21. October. 1849. Deutschland. Wien. Am 13. October sind, wie die Wiener Ztg. meldet, im Ministerium des Auswärtigen zu Wien die Radificationsur- kunden des Vertrages über Einsetzung einer neuen proviso- rischen Centralgewalt von Seite des preußischen Gesandten und des österreichischen Ministerpräsidenten ausgewechselt und von letzterem zugleich die Abdankungsurkunde des Erzher- zogs Johann vorgelegt worden. Berlin 15. October. Wie Preußen in Deutschland aufgeht, beweist der nachfolgende Artikel des Hamburger Corresponden- ten: „Ueber die Verhandlungen des Verwaltungsrathes vom engeren deutschen Bunde ist zwar, mit Ausnahme der Abstim- mungen wegen der Einberufung des Reichstages und der Ratifi- cation der mit Oesterreich geschlossenen Abkunft, betreffend die Einsetzung einer provisorischen Centralgewalt für das ganze Deutschland, noch nichts Wesentliches zur Publicität gekom- men, dennoch ist der eigentliche Kern der Resultate der Arbei- ten und Feststellungen jenes hohen Collegiums kein Geheimniß mehr. Die Erklärung, welche der vormalige Minister der aus- wärtigen Angelegenheiten, der General=Lieutenant Baron von Canitz, über seinen Austritt aus dem Verwaltungsrathe in der ersten Kammer gab, in der er wörtlich äußerte: „Er sey in dem- selben so lange thätig gewesen, als er die Ueberzeugung gehabt habe, dem Vaterlande in dieser Stellung nützlich seyn zu kön- nen,“ ließ manche Auslegung zu, welche die Erwartungen von jenem Resultate sehr herabzustimmen geeignet waren. Jene Aeußerung aber bezog sich vielleicht mehr auf die sich schon da- mals in nahe Aussicht stellende factische Auflösung des Drei- Königsbundes, als auf eine Alteration, Verwickelung oder rück- gängige Bewegung in den Verhandlungen über die Feststellungen des engeren deutschen Staatenbundes. Ueber dieses hochwichtige Verhältniß sind wir im Stande, nach Mittheilun- gen von hochachtbarer Seite Folgendes zu berichten. Das Bünd- niß des neuen unter Preußens Vortritt sich bildenden Staa- tenvereines stützt sich auf drei in einen engeren Verein oder Verband gebrachte Verhältnisse. Es sind dieses 1 ) die Grün- dung eines gemeinschaftlichen Militärverhältnisses oder wenn man will, Militärstaates, durch Annahme gleicher Organisirung der Truppen, des Dienst= und des Exercierreglements, der Vorschriften der Militärgerichtsbarkeit u. s. w. Zugleich setzt man hinzu, daß die Staabsoffiziere der Truppen der kleinen Staaten, wenn sie den Rang eines Brigadiers erreicht haben, der preußischen Generalität angereiht oder ganz in dieselbe einrangirt werden sollen. Das wäre allerdings sehr wichtig und eingreifend in den Organismus des Ganzen und den ihm einzuhauchenden Geist. Welchen hohen Werth die preußische Regierung gerade in diesem Augenblicke auf ein solches Verhältniß legt, davon gab uns noch vorgestern die Antwort, welche der Prinz von Preußen auf die Anrede des Präsidenten der ersten Kammer ertheilte, einen deut- lichen Beweis. Man findet, von oben herab, mehr wie je nur in dem Organismus des Heeres und in dem darin herrschenden Geiste eine sichere Bürgschaft für die weitere Entfernung der Gefahren, in denen Deutschland schwebte und noch schwebt. 2 ) Gleiche Ver- hältnisse im Handel und Wandel, im öffentlichen Verkehre mit dem Jn= und Auslande oder mit anderen Worten, der Vereinsstaaten unter einander oder der einzelnen Bundesländer mit fremden Staa- ten, durch gemeinschaftliche Handelsgesetzgebung, gleiches Wechsel- recht, gleiche Münzen, Maße und Gewichte, in Beziehung auf die Zölle und Steuern, soweit die Eigenthümlichkeiten der einzelnen Staaten, ihre Verhältnisse und ihre geographische Lage es zulassen, oder ihren Bedürfnissen nach es fordern. Jn diesen Fällen sollen besondere Verträge der betreffenden Staaten mit dem Bunde ge- schlossen werden. 3 ) Die Preußen zufallende Vertretung der diplomatischen Geschäfte des Bundes und der einzelnen Mitglie- der desselben, wie der Handelsinteressen in Deutschland und in= und außerhalb Europa, im Wege der Gesandtschaften und Consulate. Zu diesem Zwecke wird Preußen nach wie vor bei den Regierungen aller großen Staaten seine bevollmächtigten Minister, Residenten und Geschäftsträger, denen neben den preußischen oder mit den preußischen, nun auch die Wahrnehmung der Jnteressen des Bundesstaates obliegt, halten, und die Gene- ralconsulate, Consulate und Agenturen sollen da, wo es das neue Verhältniß erheischt, vermehrt werden. Sachsen. Wir glauben unseren Lesern den nachfolgenden Ar- tikel der halbofficiellen „Leipziger Zeitung“ über die deutsche Frage nicht vorenthalten zu dürfen, zumal derselbe über die gegen- wärtige Stellung Sachsens zu dem sogenannten Dreikönigsbunde nähere Aufschlüsse gibt. Die „Leipziger Zeitung“ ist zunächst überzeugt, „daß keiner von den sächsischen Ministern auf öster- reichischem, keiner auf preußischem, sondern alle, da sie sächsische Minister sind, zunächst auf sächsischem und sodann, da Sachsen zur Zeit weder ein Theil von Oesterreich, noch ein Theil von Preußen, sondern ein Theil von Deutschland ist, auf deutschem Standpunkte stehen.“ Dann wird fortgefahren: „Nach der Un- terdrückung des Dresdner Aufstandes fühlte das Ministerium die dringende Nothwendigkeit, daß Seitens der deutschen Regierungen etwas geschehe, um dem allgemeinen, nach so vielen Seiten hin vollständig berechtigten Drängen des deutschen Volkes nach einer größeren nationalen Einheit Genüge zu leisten. Es ergriff daher freudig die dargebotene Hand Preußens, was nach dem- selben Ziele strebte, trat dem Verfassungsentwurfe vom 26. Mai d. J. bei und schloß das bekannte Bündniß ab. Der Verfas- sungsentwurf war für ganz Deutschland berechnet, mit alleiniger vorläufiger Ausnahme Oesterreichs, hinsichtlich dessen besondere Verständigung vorbehalten blieb. Er kann auf ein kleineres, nicht das gesammte nicht=österreichische Deutschland umfassendes Bünd- niß ohne wesentliche Abänderungen, die neue Verhandlungen vor- aussetzen, nicht angewendet werden. Obgleich also die Absicht, die Sachsen damals hatte, nicht verkannt werden konnte, so fügte die sächsische Regierung ihrem Beitritte zu dem Verfassungsent- wurfe dennoch die bestimmte Erklärung bei, daß sie, wenn es nicht gelingen sollte, den Süden Deutschlands in den beabsichtigten Reichsverband aufzunehmen, sich die Erneuerung der Verhand- lungen und die Umgestaltung der vereinbarten Verfassung aus- drücklich vorbehalte. Was nun damals als möglich vorausgesetzt wurde, ist leider eingetreten. Bayern und Württemberg und nebst ihnen einige kleinere Staaten haben bestimmt erklärt, dem Berliner Verfassungsentwurfe nicht beizutreten; es ist also klar, daß der Zweck, der mit demselben beabsichtigt wurde, nicht erreicht werden kann. Was soll nun Sachsen thun? Uns dünkt, dasselbe, was jeder ehrliche Mensch thut, der einen guten, edlen Zweck will, nämlich an dem Streben nach demselben unveränderlich fest- halten, und wenn klar wird, daß ein angewendetes Mittel nicht zu diesem Zwecke, sondern zu einem gerade entgegengesetzten Erfolge führen muß, dieses Mittel aufgeben. Der Berliner Ver- fassungsentwurf verlangt von Sachsen sehr große Opfer, nicht blos von der Krone und der Regierung, sondern namentlich auch von den Kammern, deren Rechte zu einem großen Theil auf das Parlament übertragen werden sollen. Diese Opfer zu bringen, war Sachsen bereit und ist es noch immer, zum Besten Deutsch- lands, zur Erlangung einer größeren Einigung des deutschen Vol- kes! Soll es aber zu diesen Opfern auch dann noch bereit seyn, wenn sie zur Zerreißung Deutschlands, zum ewigen unheilbaren Bruch führen und damit nichts erlangt wird, als größere Macht eines einzelnen, an sich schon so mächtigen deut- schen Staates? Mag sich diese Frage Jeder nach seinen Ansichten beantworten, ein sächsisches Ministerium kann und darf sie nur verneinen, wenn es anders pflichtgetreu handeln will. — Man hat die Politik Sachsens als unentschieden und schwankend geta- delt. Aber Der handelt nicht unentschieden, der das Ziel fest im Auge behält und es nicht über dem Mittel vergißt, Der schwankt nicht, der einen möglichen Fall voraussieht, sich deshalb einen Vorbehalt macht und, wenn dieser Fall wirklich eintritt, von dem Vorbehalte Gebrauch macht. Wer freilich in dem Beitritte zu dem Berliner Verfassungsentwurfe nichts Anderes sieht und sehen will, als eine unbedingte Unterordnung Sachsens unter Preußen, der mag das Ministerium tadeln; wer aber jenen Beitritt im einzig richtigen Sinne als den Weg zur Einigung Deutschlands auffaßt, der muß es natürlich und consequent finden, daß jetzt, nachdem durch die späteren Thatsachen gewiß geworden ist, daß jener Weg weit ab vom Ziele führt, unsere Regierung nicht weiter vorgeht auf diesem Wege, sondern auf den für den eingetretenen Fall gemachten Vorbehalt zurückkommt. “ Stuttgart 19. October. ( D. Volksbl. ) Unsere „ vaterländi- sche “ Presse bringt wieder einmal einen ellenlangen Gefühlserguß

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 250. Mainz, 20. Oktober 1849, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal250_1849/5>, abgerufen am 17.09.2024.