Marburger Zeitung. Nr. 141, Marburg, 24.11.1910.Marburger Zeitung Nr. 141. 24. November 1910 [Spaltenumbruch] Politische Umschau. Der Voranschlag. Bei dem heute erfolgten Wiederzusammentritt Die "Zolleinnahmen" sind nach dem Im Kapitel "Verzehrungssteuer" er- Die Einnahmen aus Stempel, Taxen und Ge- Parlament und Teuerung. Heute gegen Mittag trat das Parlament wieder Aus Obersteier. Aus Rottenmann erhalten wir einen Dr. Wanek schloß als erster Redner seine Die Versammlung nahm hierauf einstimmig "Die am 20. November in Rottenmann [Spaltenumbruch] Wie bereute sie im nächsten Augenblick, von der Grete lehnte müde und abgespannt in der Sofa- "Ist das eine angenehme Überraschung, daß "Liese wollte nicht länger mehr bei mir bleiben", Frau Sommer blickte fragend auf die Freundin, "Aber was sagt denn ihre Mutter zu alledem?" "Ach die", machte Tante Lina verächtlich, "die "Ich merke es", fuhr die Tante fort, "die Marburger Zeitung Nr. 141. 24. November 1910 [Spaltenumbruch] Politiſche Umſchau. Der Voranſchlag. Bei dem heute erfolgten Wiederzuſammentritt Die „Zolleinnahmen“ ſind nach dem Im Kapitel „Verzehrungsſteuer“ er- Die Einnahmen aus Stempel, Taxen und Ge- Parlament und Teuerung. Heute gegen Mittag trat das Parlament wieder Aus Oberſteier. Aus Rottenmann erhalten wir einen Dr. Wanek ſchloß als erſter Redner ſeine Die Verſammlung nahm hierauf einſtimmig „Die am 20. November in Rottenmann [Spaltenumbruch] Wie bereute ſie im nächſten Augenblick, von der Grete lehnte müde und abgeſpannt in der Sofa- „Iſt das eine angenehme Überraſchung, daß „Lieſe wollte nicht länger mehr bei mir bleiben“, Frau Sommer blickte fragend auf die Freundin, „Aber was ſagt denn ihre Mutter zu alledem?“ „Ach die“, machte Tante Lina verächtlich, „die „Ich merke es“, fuhr die Tante fort, „die <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0002" n="2"/> <fw place="top" type="header">Marburger Zeitung Nr. 141. 24. 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Er ſchraubt in die Höhe,<lb/> was er nur ſchrauben darf, und läßt andere preſſen,<lb/> wie die Geſchichte des Bierzuſchlags lehrt. Sollte der<lb/> Reichsrat jetzt wirklich nichts im Kopfe haben als<lb/> das Spiel zwiſchen Miniſterbank und Abgeordneten-<lb/> bank? Die Abgeordneten müſſen ſich über den<lb/> Kaſtengeiſt erheben. Der Krach des Wohlfahrts-<lb/> ſtaates, der immer mehr zum Fiskus zuſammen-<lb/> ſchrumpft, verbreitet Unglück im Lande. Das Volk<lb/> hat die ernſte Bitte: Genug mit den Odigkeiten der<lb/> parlamentariſchen Taktik und Technik. 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Das Mädchen richtete<lb/> ſich denn auch ſofort in die Höhe und ſah den An-<lb/> kommenden freundlich lächelnd eutgegen.</p><lb/> <p>„Iſt das eine angenehme Überraſchung, daß<lb/> du noch zu uns kommſt, Tante Lina“, ſagte ſie in<lb/> heiterem Ton und auch Frau Sommer nickte der<lb/> Jugendfreundin zu und reichte ihr herzlich die Hand.</p><lb/> <p>„Lieſe wollte nicht länger mehr bei mir bleiben“,<lb/> begann Tante Lina halb entſchuldigend, „ſo ent-<lb/> ſchloß ich mich, noch auf ein Stündchen zu Euch<lb/> zu kommen; denn allein bleiben wollte ich nicht,<lb/> ich muß jemand haben, mit dem ich mich über<lb/> meine bangen Beſorgniſſe ausſprechen kann, Mein<lb/> Gott, wenn ich nur wüßte, wie alles enden ſoll,<lb/> ich habe eine Angſt in mir, eine Angſt vor der<lb/> Zukunft!“</p><lb/> <p>Frau Sommer blickte fragend auf die Freundin,<lb/> und dieſe fuhr ſeufzend fort: „Seit Ottos Ver-<lb/> lobung habe ich faſt keine Nacht mehr ruhig ge-<lb/> ſchlafen. Die Sorge um ihn läßt mich nicht los.<lb/><cb/> Ich habe ihn lieb, wie mein eigenes Kind und die<lb/> Befürchtung, daß er unglücklich werden wird, kann<lb/> ich nicht abſchütteln. Ich habe ſeine Braut genau<lb/> beobachtet und bin zu der Überzeugung gelangt, daß<lb/> ſie ihn nur genommen, weil ſie weiß, daß er einſt<lb/> mein ganzes Vermögen erben wird. Und der dumme<lb/> Junge will auf keine Vorſtellung hören, läßt ſich<lb/> durch nichts überzeugen. Was habe ich nicht ſchon<lb/> verſucht, ihm klar zu machen, daß Charlotte Walter<lb/> ein herzloſes, kokettes Geſchöpf iſt, — umſonſt, es<lb/> hilft alles nichts, Aber vielleicht kommt er doch noch<lb/> zur Einſicht. Wenn es dann nur nicht zu ſpät iſt.<lb/> Ich habe ſogar erfahren, daß ſie ſich genau er-<lb/> kundigte, wie hoch ſich mein Vermögen beläuft und<lb/> ich bin feſt überzeugt, wenn ein anderer kommt, der<lb/> ihr mehr zu bieten hat, läßt ſie den armen Otto<lb/> laufen. Aber es geſchähe ihm ſchon recht, — warum<lb/> hört er nicht auf mich. Alles läßt er ſich von ihr<lb/> gefallen, weil er wie blind in ſie verliebt iſt; aber<lb/> ſie verdient doch ſeine treue Liebe gar nicht; denn<lb/> wie ſie es in der letzten Zeit treibt, das ſetzt allem<lb/> die Krone auf. Schon dreimal war Otto nun bei<lb/> ihr, um ſie zu einem Sparziergang abzuholen und<lb/> jedesmal war ſie nicht zu Hauſe. Iſt das ein Be-<lb/> nehmen von einer Braut? Otto drängt nun mit<lb/> der Hochzeit, aber Charlotte hat keine Eile damit“.</p><lb/> <p>„Aber was ſagt denn ihre Mutter zu alledem?“<lb/> warf Frau Sommer ein.</p><lb/> <p>„Ach die“, machte Tante Lina verächtlich, „die<lb/> iſt nicht beſſer als ihre Tochter. Sie zuckt immer<lb/> nur bedauernd die Achſeln und ſagt, Charlotte ſei<lb/><cb/> ausgegangen, um Beſorgungen zu machen. Das<lb/> Mädchen habe ſehr viel Kopfweh und müßte an die<lb/> friſche Luft. Ja, proſt Mahlzeit, dahinter ſteckt ſicher<lb/> etwas anders. Aber der dumme Junge will ja an<lb/> nichts glauben. Und doch ſehe ich es ihm an, wie<lb/> es ihm wurmt, er iſt ſchon ganz blaß und ſchmal<lb/> geworden bei der Geſchichte. Was war er früher<lb/> für ein luſtiger, heiterer Geſellſchafter. Wenn wir<lb/> des Abends beiſammen ſaßen, ging die Unterhaltung<lb/> nicht aus. Nun ſitzt er oft da und ſpricht kein Wort,<lb/> es iſt nicht mehr zum aushalten.“</p><lb/> <p>„Ich merke es“, fuhr die Tante fort, „die<lb/> Geſchichte geht ihm im Kopfe herum, wenn er es<lb/> auch leugnet. Aber was ſoll ich machen? Heute<lb/> nun iſt es das drittemal, daß Charlotte nicht zu<lb/> Hauſe war. Vorhin kam Otto mit allen Zeichen<lb/> einer großen Erregung heim und warf ſich auf das<lb/> Sofa, daß es in allen Fugen krachte. Ich meinte,<lb/> es müßte zerbrechen. Und als ich fragte, was ge-<lb/> ſchehen ſei, da bekam ich zuerſt keine Antwort, als<lb/> ich aber nicht nachließ, da geſtand Otto mit vor<lb/> Zorn bebender Stimme: Charlotte war wieder nicht<lb/> daheim. Tante, was ſoll man davon halten? —<lb/> Gleich darauf ſtand er auf und lief wie raſend im<lb/> Zimmer umher, dabei murmelte er etwas, das ich<lb/> nicht verſtond. Plötzlich blieb er plötzlich vor mir<lb/> ſtehen, ballte die Fauſt und rief drohend: „Wenn<lb/> ich erſt erfahre, was dahinter ſteckt, — — wenn<lb/> ſie mich betrügt, — dann gnade ihr Gott!“ Er<lb/> knirſchte mit den Zähnen vor Wut, riß ſeinen Hut<lb/> vom Haken und ſtürzte fort. <space dim="horizontal"/> <ref>Fortſ. folgt.</ref> </p> </div> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [2/0002]
Marburger Zeitung Nr. 141. 24. November 1910
Politiſche Umſchau.
Der Voranſchlag.
Bei dem heute erfolgten Wiederzuſammentritt
des Abgeordnetenhauſes wurde den Abgeordneten der
Entwurf des Finanzgeſetzes für das Jahr 1911 vor-
gelegt. Wir entnehmen ihm folgende Schlußziffern:
Der Staatsvoranſchlag für 1911 weiſt ein Geſamt-
erfordernis von 2.818,196.736 K.
und eine Geſamtbedeckung von 2.818,507.772 K.
mithin einen Überſchuß von 311.036 K.
auf. Dieſer „Überſchuß“ wurde einerſeits durch
höhere Steuerumſätze herbeigeführt. So
wurden die Einnahmen aus den direkten
Steuern um 19·6 Millionen höher veran-
ſchlagt u. zw. die Realſteuern um 4·3, die
Perſonalſteuern um 15·2 und die Neben-
gebühren um 0·1 Millionen Kronen. Bei den Real-
ſteuern wurde die Hauszinsſteuer um 4.8
Millionen Kronen höher, dagegen die Grund-
ſteuer um 0·45 Millionen Kronen niedriger
präliminiert. Bei den Perſonalſteuern ſind höher
veranſchlagt die allgemeine Erwerbſteuer um
0·8, die Erwerbſteuer von den zur öffentlichen
Rechnungslegung verpflichteten Unternehmungen um
1·8, die Rentenſteuer um 0·8, die Beſoldungsſteuer
um 0·7, und die Perſonaleinkommenſteuer
um 11·1 Millionen Kronen.
Die „Zolleinnahmen“ ſind nach dem
Durchſchnittserfolge der letzten drei Jahre um den
Betrag von 10,015.000 Kronen höher prälimi-
niert, der faſt zur Gänze auf die Eingangs-
zölle entſällt.
Im Kapitel „Verzehrungsſteuer“ er-
geben ſich Mehr einnahmen bei der Zuckerſteuer
um 8 Millionen Kronen, der Mineralölſteuer um
0·6 Millionen Kronen, der Wein- und Moſt-
ſteuer, bezw. der Fleiſch- und Schlachtvieh-
ſteuer um je 0·5 Millionen Kronen, während
die Bierſteuer um rund 1 Million Kronen niedriger
veranſchlagt werden mußte.
Die Einnahmen aus Stempel, Taxen und Ge-
bühren werden natürlich gegen das Jahr 1910 eben-
falls erhöht veranſchlagt, desgleichen die Fahr-
kartenſteuer; dieſe Titel werden insgeſamt um
18,668.800 K. höher veranſchlagt. Das Kapitel
Tabak wurde im Voranſchlage um 28 Millionen
höher veranſchlagt; aus der für das Jahr 1911
geplanten Verteuerung der Tabakfabri-
kate allein erwartet der Finanzminiſter eine Mehr-
einnahme von 10 Millionen. In ähnlicher Weiſe
geht es bei anderen Kapiteln fort. Das iſt die eine,
die poſitive Seite. Anderſeits wurden von den Mi-
niſterien gewaltſame Ausgaben droſſelungen
vorgenommen, d. h. es werden berechtigte Volks-
wünſche nicht erfüllt. Auf dieſe Weiſe gelangte man
bei dem Milliardenvoranſchlage zu einem
„Überſchuß“ von verhältnismäßig wenigen Kronen.
Es iſt in der Zeit, da der Staat ſelbſt als Ver-
teuerer auftritt, tür die minder- oder gar nicht be-
mittelten Bevölkrrungsſchichten wahrlich keine Luſt
zu leben ...
Parlament und Teuerung.
Heute gegen Mittag trat das Parlament wieder
zuſammen — hoffnungslos ſteht die Bevölkerung
dieſem anderwärts erregenden Ereigniſſe gegenüber.
Ein Wiener Blatt ſchrieb geſtern über die Parlaments-
eröffnung u. a.: Der Wähler, der ſteuerbeladen in
dieſen böſen Zeiten ſein Leben fortſchleppen muß,
fragt ſeufzend: Was hat der gewöhnliche Bürger,
den die Sorge um Frau und Kinder drückt, von
beiden Häuſern des Parlaments zu erwarten? Denn
der Kampf um die Erhaltung iſt bedenklich ſchwer
geworden. Die organiſierten Stände überwälzen ihre
Laſten auf das mittlere Unternehmungskapital, und
dieſes bricht zuſammen, weil es von oben durch die
großen Maſſenunternehmungen bedrängt wird und
weil von unten die Anſprüche wachſen und die
Hilfsquellen des Staates, der jeden Fehlbetrag aus
ſeinen Monopolen, Betrieben und Abgaben heraus-
preßt, nicht zur Verfügung ſind. Glauben die Ab-
geordneten wirklich, daß die Menſchen in Wien oder
in Öſterreich davon ſprechen, wer Miniſter iſt
und wer Miniſter ſein wird? Kehren die Mit-
glieder der beiden Häuſer des Parlaments wieder
in der Täuſchung zurück, daß ſich in der Gemüts-
verfaſſung der Millionen nichts geändert habe und
daß der Ekel vor den Zuſtänden im Juli, die eine
Schande für die Monarchie waren, nicht bereits
bis zum Halſe geſtiegen ſei? Wer ein bißchen hin-
horcht auf die Geſpräche im Publikum, hört nur
Berichte über das Ringen und Raufen bei der
Überwälzung der Preiſe. Was geſchieht
jedoch mit denen, die zuletzt übrig bleiben und
die nicht mehr abſchieben können? Lohn und Ge-
halt ſtrecken die Hand aus gegen den Unternehmer,
der Hausherr, der drei- und vierfach verſtockte Haus-
herr, wie Neſtroy ſagt, trifft den Mieter, der Ge-
hilfe den Meiſter, der Landwirt den Verbraucher,
der Warenerzeuger den Kunden, und ſo geht es fort.
Während ringsumher das Unbehagen ſich verbreitet
und die Gefahr beklemmend wird, ſitzen die parla-
mentariſchen Archimedes und drehen ihre Zirkel im
Sand und murmeln die alte Poſtille: Wird das
proviſoriſche Budget erledigt werden? Die Zeremonie
mit dem proviſoriſchen Budget iſt für das Volk ſo
gleichgiltig wie ein Fidibus, mit dem die Pfeife an-
gezündet wird. Früher waren die Budgets eine
Quelle der Arbeit und des Verdienſtes; jetzt muß
der Staat die Beſtellungen abknabbern und ſeine
wirtſchaftliche und finanzielle Politik macht ihn zum
ſchärfſten Preisbedränger. Er ſchraubt in die Höhe,
was er nur ſchrauben darf, und läßt andere preſſen,
wie die Geſchichte des Bierzuſchlags lehrt. Sollte der
Reichsrat jetzt wirklich nichts im Kopfe haben als
das Spiel zwiſchen Miniſterbank und Abgeordneten-
bank? Die Abgeordneten müſſen ſich über den
Kaſtengeiſt erheben. Der Krach des Wohlfahrts-
ſtaates, der immer mehr zum Fiskus zuſammen-
ſchrumpft, verbreitet Unglück im Lande. Das Volk
hat die ernſte Bitte: Genug mit den Odigkeiten der
parlamentariſchen Taktik und Technik. Die einzige
Politik, für die das Volk jetzt Herz und Sinn hat,
iſt die Nahrungspolitik — aber nicht eine übertriebene
Großmacht- und Hausmachtpolitik, fügen wir noch bei.
Aus Oberſteier.
Aus Rottenmann erhalten wir einen
längeren Verſammlungsbericht. welchem wir folgen-
des entnehmen: Am 20. d. fand hier im Hotel
„Tirolerhof“ eine Verſammlung des Alldeutſchen
Vereines für die Oſtmark ſtatt, in welcher die
Herren Reichsratsabgeordneter Vinzenz Malik über
die Landtagsobſtruktion der Slovenen und ihre po-
litiſchen Ziele, und Rechtsawalt Dr. Fritz Wanek
aus Wien über die deutſchnationale Politik im
Volkshauſe ſprachen. Herr Fritz Oraſch (Rotten-
mann) eröffnete die Verſammlung, begrüßte die
Erſchienenen, beſonders die beiden Herren Redner
und die Herren aus Leoben und Graz.
Dr. Wanek ſchloß als erſter Redner ſeine
glänzenden Darlegungen unter großem Beifall ſämt-
licher Anweſenden. Als zweiter Redner trat Herr
Reichsratsabgeordneter Vinzenz Malik auf, der in
ausführlicher Rede die wirtſchaftlichen Schäden
der ſloveniſchen Obſtruktion im ſteiriſchen Landtage
behandelt hat. Außerdem beſprach Herr Malik in
mehr als eineinhalbſtündiger Rede die Gefahren,
die uns durch das Vordrängen der Slaven auf,
allen Gebieten drohen. Um dieſen Gefahren wirkſam
zu begegnen, fordert auch er zum Zuſammenſchluß
aller ehrlich und redlich denkenden Deutſchen auf
empfiehlt, bei der nächſten Reichsratswahl Herrn
Dr. Wanek als Abgeordneten zu wählen, was von
allen Anweſenden freundlichſt begrüßt wird.
Die Verſammlung nahm hierauf einſtimmig
folgende Entſchließung an:
„Die am 20. November in Rottenmann
tagende alldeutſche Verſammlung ſpricht ihre vollſte
Zuſtimmung zu den Darlegungen der Redner
Abg. Malik und Dr. Wanek aus. Insbeſondere
iſt die Verſammlung im Sinne unentwegter deutſcher
Gemeinbürgſchaſt darin einig, daß die deutſchen
Alpenländer in ihrem völkiſchen Gewiſſen von den
böhmiſchen Ausgleichsverhandlungen auf das tiefſte
berührt werden. Denn was von den Deutſchen in
Böhmen eine ſogenannte deutſchfreundliche Regierung
erlangen will, kann ſie in abſehbarer Zukunft auch
von den Deutſchen in Steiermark fordern. Die Ver-
ſammlung ſieht eine tiefgreifende Förderung der
ſlaviſch-klerikalen Staatspolitik in dem von deutſchen
Regierungspolitikern wider alle Verſprechungen ge-
planten Abgehen von dem Gemeinbürgſchaftsantrage
Frengl, der die Mindeſtforderungen der Deutſch-
böhmen enthält, ohne deren Erfüllung es keine
böhmiſchen Landtage geben ſollte. Wozu man bei
dieſem Ausgehen gelangte, das iſt nichts anderes
als die Stremayer’ſche Sprachenverordnung und
die Badeni’ſche Sprachenvorlage. In Eger am be-
rühmten Volkstag hat man dieſe Anſchläge als
Rechtsbruch bezeichnet, deſſen rückſichtsloſe Be-
kämpfung man mit erhobener Hand beſchwor. Umſo
unbegreiflicher muß es den Deutſchen der Alpen-
länder erſcheinen, daß man jetzt dem verkappten
Wie bereute ſie im nächſten Augenblick, von der
Sache geſprochen zu haben; denn Grete war tief
erblaßt, ſie ſchien noch immer nicht ohne Erregung
an das Geld denken zu können, von dem der Vater
keinen Pfennig herausgegeben hatte. Es fragte ihn
auch niemand darnach.
Grete lehnte müde und abgeſpannt in der Sofa-
ecke und die Mutter betrachtete ſie mit beſorgten
Blicken. Sie war froh, als draußen Schritte ver-
nehmbar wurden und gleich darauf Lieſe, gefolgt
von Tante Lina, ins Zimmer trat. Das brachte
Grete auf andere Gedanken. Das Mädchen richtete
ſich denn auch ſofort in die Höhe und ſah den An-
kommenden freundlich lächelnd eutgegen.
„Iſt das eine angenehme Überraſchung, daß
du noch zu uns kommſt, Tante Lina“, ſagte ſie in
heiterem Ton und auch Frau Sommer nickte der
Jugendfreundin zu und reichte ihr herzlich die Hand.
„Lieſe wollte nicht länger mehr bei mir bleiben“,
begann Tante Lina halb entſchuldigend, „ſo ent-
ſchloß ich mich, noch auf ein Stündchen zu Euch
zu kommen; denn allein bleiben wollte ich nicht,
ich muß jemand haben, mit dem ich mich über
meine bangen Beſorgniſſe ausſprechen kann, Mein
Gott, wenn ich nur wüßte, wie alles enden ſoll,
ich habe eine Angſt in mir, eine Angſt vor der
Zukunft!“
Frau Sommer blickte fragend auf die Freundin,
und dieſe fuhr ſeufzend fort: „Seit Ottos Ver-
lobung habe ich faſt keine Nacht mehr ruhig ge-
ſchlafen. Die Sorge um ihn läßt mich nicht los.
Ich habe ihn lieb, wie mein eigenes Kind und die
Befürchtung, daß er unglücklich werden wird, kann
ich nicht abſchütteln. Ich habe ſeine Braut genau
beobachtet und bin zu der Überzeugung gelangt, daß
ſie ihn nur genommen, weil ſie weiß, daß er einſt
mein ganzes Vermögen erben wird. Und der dumme
Junge will auf keine Vorſtellung hören, läßt ſich
durch nichts überzeugen. Was habe ich nicht ſchon
verſucht, ihm klar zu machen, daß Charlotte Walter
ein herzloſes, kokettes Geſchöpf iſt, — umſonſt, es
hilft alles nichts, Aber vielleicht kommt er doch noch
zur Einſicht. Wenn es dann nur nicht zu ſpät iſt.
Ich habe ſogar erfahren, daß ſie ſich genau er-
kundigte, wie hoch ſich mein Vermögen beläuft und
ich bin feſt überzeugt, wenn ein anderer kommt, der
ihr mehr zu bieten hat, läßt ſie den armen Otto
laufen. Aber es geſchähe ihm ſchon recht, — warum
hört er nicht auf mich. Alles läßt er ſich von ihr
gefallen, weil er wie blind in ſie verliebt iſt; aber
ſie verdient doch ſeine treue Liebe gar nicht; denn
wie ſie es in der letzten Zeit treibt, das ſetzt allem
die Krone auf. Schon dreimal war Otto nun bei
ihr, um ſie zu einem Sparziergang abzuholen und
jedesmal war ſie nicht zu Hauſe. Iſt das ein Be-
nehmen von einer Braut? Otto drängt nun mit
der Hochzeit, aber Charlotte hat keine Eile damit“.
„Aber was ſagt denn ihre Mutter zu alledem?“
warf Frau Sommer ein.
„Ach die“, machte Tante Lina verächtlich, „die
iſt nicht beſſer als ihre Tochter. Sie zuckt immer
nur bedauernd die Achſeln und ſagt, Charlotte ſei
ausgegangen, um Beſorgungen zu machen. Das
Mädchen habe ſehr viel Kopfweh und müßte an die
friſche Luft. Ja, proſt Mahlzeit, dahinter ſteckt ſicher
etwas anders. Aber der dumme Junge will ja an
nichts glauben. Und doch ſehe ich es ihm an, wie
es ihm wurmt, er iſt ſchon ganz blaß und ſchmal
geworden bei der Geſchichte. Was war er früher
für ein luſtiger, heiterer Geſellſchafter. Wenn wir
des Abends beiſammen ſaßen, ging die Unterhaltung
nicht aus. Nun ſitzt er oft da und ſpricht kein Wort,
es iſt nicht mehr zum aushalten.“
„Ich merke es“, fuhr die Tante fort, „die
Geſchichte geht ihm im Kopfe herum, wenn er es
auch leugnet. Aber was ſoll ich machen? Heute
nun iſt es das drittemal, daß Charlotte nicht zu
Hauſe war. Vorhin kam Otto mit allen Zeichen
einer großen Erregung heim und warf ſich auf das
Sofa, daß es in allen Fugen krachte. Ich meinte,
es müßte zerbrechen. Und als ich fragte, was ge-
ſchehen ſei, da bekam ich zuerſt keine Antwort, als
ich aber nicht nachließ, da geſtand Otto mit vor
Zorn bebender Stimme: Charlotte war wieder nicht
daheim. Tante, was ſoll man davon halten? —
Gleich darauf ſtand er auf und lief wie raſend im
Zimmer umher, dabei murmelte er etwas, das ich
nicht verſtond. Plötzlich blieb er plötzlich vor mir
ſtehen, ballte die Fauſt und rief drohend: „Wenn
ich erſt erfahre, was dahinter ſteckt, — — wenn
ſie mich betrügt, — dann gnade ihr Gott!“ Er
knirſchte mit den Zähnen vor Wut, riß ſeinen Hut
vom Haken und ſtürzte fort. Fortſ. folgt.
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