Marburger Zeitung. Nr. 148, Marburg, 10.12.1907.Nr. 148, 10. Dezember 1907 Marburger Zeitung [Spaltenumbruch] eines heimischen Vereines in so geringem Maße zu unterstützen. Der Männergesangverein verfügt über volle, in angenehmster Harmonie zusammenklingende Stimmen, wodurch die exakten Darbietungen bald wie im sanften Säuseln, bald wie im Waldes- rauschen zum Ausdruck kommen konnten. Alle be- geisterte Anerkennung der Bemühungen der beiden Sangwarte, der Herren Rudolf Wagner und Franz Schönherr war eine redlich verdiente. Unter der Leitung des Herrn Wagner wurden in der ersten Abteilung zu Gehör gebracht: der Männer- vollgesang mit Flügelbegleitung das "Lied der Städte" von Max Bruch und die Ballade für Männervoll- gesang "Die Ablösung" von Hermann Hutter, in der letzten Abteilung der Schultz'sche Männervoll- gesang mit Flügelbegleitung "Waldharfen." Der Tenor-Einzelgesang des Herrn Karl Glaser kam wie immer so recht zur Geltung. In der dritten Abteilung leitete Herr Franz Schönherr die Symphonie-Ode für Männervollgesang von J. L. Nicode "Das Meer", den Vollgesang von Jüngst "Wie ging das Lied?" und den von Kremser "Das Volkslied", welch' beide letzten sich durch sehr an- sprechende Melodien auszeichnen. Einen unstreitig größeren Beifall errang sich Herr Musikdirektor Alfred Klietmann als Künstler auf der Geige. Seine Darbietungen lösten einen stets gesteigerten Beifall aus, der ihn schließlich mit einer Zugabe danken ließ. Den Vorträgen der Edvard Grieg'schen Sonate in F-Dur, sowie der "Legende" von Wieniawski und "Hejre Kati" von Hubay lauschte das Publikum mit gespanntester Aufmerksamkeit. Eine bekanntlich nicht dankbare Aufgabe, die Über- nahme der Flügelbegleitung zu den Gesangs- und Geigenvorträgen, fiel wie gewöhnlich Herrn Lehrer Köle zu, der sie auch in bekannt vorzüglicher Weise löste; das Bewußtsein, Anteil an dem herrlichen Gelingen der Veranstaltung zu haben, möge ihn mit Befriedigung erfüllen. Der Verband der deutschen Hochschüler Marburgs spendete der deutschen Volksschule in Tiroler Bund. Morgen, Mittwoch, den Konzert Slezak. Wie uns mitgeteilt wird, Verein Frauenhilfe. Von heute an finden Öffentliche Handwerkerversammlung. Übermorgen, Donnerstag, den 12. d. findet in der Umban des Hauptbahnhofes. Wie das Todesfall. Am 9. d. ist hier der k. u. k. Panorama International. Die Wochen- Unseren Standeskollegen zur Auf- klärung. Unter dieser Spitzmarke erhalten wir Marburg, den 9. Dezember 1907. Vom Herrn Oberinspektor Werkstättenchef C. Nr. 148, 10. Dezember 1907 Marburger Zeitung [Spaltenumbruch] eines heimiſchen Vereines in ſo geringem Maße zu unterſtützen. Der Männergeſangverein verfügt über volle, in angenehmſter Harmonie zuſammenklingende Stimmen, wodurch die exakten Darbietungen bald wie im ſanften Säuſeln, bald wie im Waldes- rauſchen zum Ausdruck kommen konnten. Alle be- geiſterte Anerkennung der Bemühungen der beiden Sangwarte, der Herren Rudolf Wagner und Franz Schönherr war eine redlich verdiente. Unter der Leitung des Herrn Wagner wurden in der erſten Abteilung zu Gehör gebracht: der Männer- vollgeſang mit Flügelbegleitung das „Lied der Städte“ von Max Bruch und die Ballade für Männervoll- geſang „Die Ablöſung“ von Hermann Hutter, in der letzten Abteilung der Schultz’ſche Männervoll- geſang mit Flügelbegleitung „Waldharfen.“ Der Tenor-Einzelgeſang des Herrn Karl Glaſer kam wie immer ſo recht zur Geltung. In der dritten Abteilung leitete Herr Franz Schönherr die Symphonie-Ode für Männervollgeſang von J. L. Nicode „Das Meer“, den Vollgeſang von Jüngſt „Wie ging das Lied?“ und den von Kremſer „Das Volkslied“, welch’ beide letzten ſich durch ſehr an- ſprechende Melodien auszeichnen. Einen unſtreitig größeren Beifall errang ſich Herr Muſikdirektor Alfred Klietmann als Künſtler auf der Geige. Seine Darbietungen löſten einen ſtets geſteigerten Beifall aus, der ihn ſchließlich mit einer Zugabe danken ließ. Den Vorträgen der Edvard Grieg’ſchen Sonate in F-Dur, ſowie der „Legende“ von Wieniawski und „Hejre Kati“ von Hubay lauſchte das Publikum mit geſpannteſter Aufmerkſamkeit. Eine bekanntlich nicht dankbare Aufgabe, die Über- nahme der Flügelbegleitung zu den Geſangs- und Geigenvorträgen, fiel wie gewöhnlich Herrn Lehrer Köle zu, der ſie auch in bekannt vorzüglicher Weiſe löſte; das Bewußtſein, Anteil an dem herrlichen Gelingen der Veranſtaltung zu haben, möge ihn mit Befriedigung erfüllen. Der Verband der deutſchen Hochſchüler Marburgs ſpendete der deutſchen Volksſchule in Tiroler Bund. Morgen, Mittwoch, den Konzert Slezak. Wie uns mitgeteilt wird, Verein Frauenhilfe. Von heute an finden Öffentliche Handwerkerverſammlung. Übermorgen, Donnerstag, den 12. d. findet in der Umban des Hauptbahnhofes. Wie das Todesfall. Am 9. d. iſt hier der k. u. k. Panorama International. Die Wochen- Unſeren Standeskollegen zur Auf- klärung. Unter dieſer Spitzmarke erhalten wir Marburg, den 9. Dezember 1907. Vom Herrn Oberinſpektor Werkſtättenchef C. <TEI> <text> <body> <div type="jLocal" n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <p><pb facs="#f0003" n="3"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Nr. 148, 10. Dezember 1907 Marburger Zeitung</hi></fw><lb/><cb/> eines heimiſchen Vereines in ſo geringem Maße zu<lb/> unterſtützen. Der Männergeſangverein verfügt über<lb/> volle, in angenehmſter Harmonie zuſammenklingende<lb/> Stimmen, wodurch die exakten Darbietungen bald<lb/> wie im ſanften Säuſeln, bald wie im Waldes-<lb/> rauſchen zum Ausdruck kommen konnten. 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Den Vorträgen der Edvard Grieg’ſchen<lb/> Sonate in F-Dur, ſowie der „Legende“ von<lb/> Wieniawski und „Hejre Kati“ von Hubay lauſchte<lb/> das Publikum mit geſpannteſter Aufmerkſamkeit.<lb/> Eine bekanntlich nicht dankbare Aufgabe, die Über-<lb/> nahme der Flügelbegleitung zu den Geſangs- und<lb/> Geigenvorträgen, fiel wie gewöhnlich Herrn Lehrer<lb/><hi rendition="#g">Köle</hi> zu, der ſie auch in bekannt vorzüglicher Weiſe<lb/> löſte; das Bewußtſein, Anteil an dem herrlichen<lb/> Gelingen der Veranſtaltung zu haben, möge ihn mit<lb/> Befriedigung erfüllen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Der Verband der deutſchen Hochſchüler<lb/> Marburgs</hi> </head> <p>ſpendete der deutſchen Volksſchule in<lb/> Wind.-Feiſtritz 20 Kronen zur Anſchaffung eines<lb/> Harmoniums.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Tiroler Bund.</hi> </head> <p>Morgen, Mittwoch, den<lb/> 11. d. zwangloſe Zuſammenkunft der in Marburg<lb/> anweſenden Tiroler uvd Tirolerfreuude in Werhonigs<lb/> „Alldeutſcher Weinſtube“; eventuell Beſprechung be-<lb/> hufs Gründung einer Ortsgruppe des Tiroler Volks-<lb/> bundes. Beginn 8 bis halb 9 Uhr.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Konzert Slezak.</hi> </head> <p>Wie uns mitgeteilt wird,<lb/> findet dieſes Konzert beſtimmt am Sonntag, den<lb/> 15. d. M., halb 8 Uhr abends im großen Kaſino-<lb/> ſaale ſtatt. Wir werden erſucht, nochmals bekannt-<lb/> zugeben, daß die Vormerkung auf Sitze für die be-<lb/> ſtimmte Annahme der Karten bindend iſt. Karten-<lb/> verkauf in der Muſikalienhandlung des Herrn Joſef<lb/> Höfer, Burggaſſe 2.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Verein Frauenhilfe.</hi> </head> <p>Von heute an finden<lb/> die Vereinskurſe aus Franzöſiſch, Italieniſch, Eng-<lb/> liſch, Schnittzeichnen und Brandmalen in den neuen,<lb/> von der Gemeinde zur Verfügung geſtellten Vereins-<lb/> lokalitäten ſtatt u. zw. Eliſabethſtraße 16 (Muſeum),<lb/> 2. Stock, rechts, zur gewohnten Stunde. Die litera-<lb/> riſchen Vorträge und der orthographiſche Kurs ver-<lb/> bleiben am Gymnaſium, die letzten Stunden des<lb/> 1. Friſierkurſes im Hutſalon Holli<hi rendition="#aq">č</hi>ek. Der 2. Friſier-<lb/> kurs beginnt anfangs Jänner und findet dann auch<lb/> im Vereinszimmer ſtatt. Anmeldungen zu demſelben,<lb/> wie auch zu einem 2. engliſchen Kurſe werden<lb/> bereits entgegengenommen. Auch eine Kandidatin<lb/> in den Pflegerinnenkurs kann zum Jänner-Termin<lb/> noch aufgenommen werden. Sprechſtunden Sonntag<lb/> 9—10, Mittwoch 5—6 im Vereinszimmer.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Öffentliche Handwerkerverſammlung.</hi> </head><lb/> <p>Übermorgen, Donnerstag, den 12. d. findet in der<lb/> Gambrinushalle die in der Verſammlung vom 3. d.<lb/> beſchloſſene, für jeden Gewerbetreibenden frei zu-<lb/> gängliche Verſammlung des deutſchen Handwerker-<lb/> vereines ſtatt, in welcher die <hi rendition="#g">Verlegung</hi> des<lb/> derzeitigen Unterrichtsbeginnes an der gewerblichen<lb/> Fortbildungsſchule beſprochen werden ſoll. 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Das Projekt, das eine ſehr<lb/> namhafte Umgeſtaltung und Vergrößerung der bis-<lb/> herigen Bahnhofanlagen in Marburg vorſieht, wird<lb/> geprüft und ſodann den vorgeſchriebenen kommiſſio-<lb/><cb/> nellen Amtshandlungen unterzogen werden, ſo daß<lb/> an die Inangriffnahme des Baues jedenfalls im<lb/> Laufe des Jahres 1908 geſchritten werden wird.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Todesfall.</hi> </head> <p>Am 9. d. iſt hier der k. u. k.<lb/> Oberſt i. R. Herr Johann <hi rendition="#g">Tuſch</hi> im 73. Lebens-<lb/> jahre geſtorben. Er war Mitglied der Eliſabeth<lb/> Thereſien-Militärſtiftung und Beſitzer mehrerer<lb/> Auszeichnungen. Die Beſtattung erfolgt Mittwoch<lb/> um halb 3 Uhr vom Hauſe Nr. 6 der Ferdinand-<lb/> ſtraße aus.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Panorama International.</hi> </head> <p>Die Wochen-<lb/> ſerie „Schweiz, Interlaken, Lauterbrunnen, Grindel-<lb/> wald“ führt uns in die großartig romantiſche<lb/> Hochgebirgswelt der Schweiz. Die prachtvollen Ge-<lb/> birgs- und Gletſcherſzenerien dieſes weltbekannten<lb/> Reiſezieles ſo vieler Tauſender alljährlich, wie die<lb/> großartig hochintereſſanten Gebirgslandſchaften mit<lb/> den berühmten Hotels werden gewiß das Intereſſe<lb/> jedermanns erwecken. 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Obſchon nun die<lb/> erfolgten Ausführungen förmlich den Anreiz zu<lb/> einer heiteren Erwiderung bieten, ſo wollen wir<lb/> uns doch bemühen, dem Ernſte der Sache wegen<lb/> klar und deutlich anzuführen, welches Verbrechen<lb/> wir eigentlich begangen haben und was uns — bei<lb/> unſerer Abweſenheit — zu ſtürmiſchen Entrüſtungs-<lb/> rufen verhalf. Der Wunſch der Verlegung der ehe-<lb/> mals beſtandenen Unterrichtsſtunden von 7 bis<lb/> 9 Uhr abends war ein allgemeiner und durchaus<lb/> wohlbegründeter, weil man nach der bereits überall<lb/> durchgeführten zehnſtündigen Arbeitszeit der Gehilfen-<lb/> ſchaft, auch zur Erkenntnis gelangen mußte, daß<lb/> man füglich von einem Knaben, der ſich ja doch<lb/> noch im körperlichen Entwicklungsſtadium befindet,<lb/> aus Billigkeitsgründen nicht fordern kann, daß er<lb/> nach zehnſtündiger Arbeitszeit noch weitere zwei<lb/> Stunden mit der nötigen Aufmerkſamkeit den Unter-<lb/> richt verfolge. Abgeſehen von dieſem allein ſchon<lb/> ausſchlaggebenden Moment, haben aber die ſpäten<lb/> Unterrichtsſtunden eine ganze Reihe von Klagen ge-<lb/> zeitigt, die durch den jugendlichen Übermut beim<lb/> nächtlichen Zuhauſegehen durch allerlei Unzukömm-<lb/> lichkeiten hervorgerufen wurden, wofür ſich keine<lb/> Abhilfe fand, zumal man vom Lehrherrn doch nicht<lb/> auch noch verlangen kann, daß er ſeine Lehrlinge<lb/> (z. B. wie Mädchen durch Gouvernanten) von der<lb/> Schule abholen laſſen ſoll. Anderſeits gelangten<lb/> aber auch zahlreiche Klagen an den Schulausſchuß<lb/> und zwar namentlich von ſolchen Lehrherren, welche<lb/> ihre Lehrlinge zu verköſtigen haben. Es iſt auch für<lb/> jeden Haushalt unangenehm, wenn das Eſſen ein-<lb/> mal für dieſe, einmal für jene Stunde beſtimmt<lb/> wird oder wenn gar das Nachtmahl für verſchiedene<lb/> Stunden geteilt hergerichtet werden muß. Aus dieſen<lb/> und noch anderen Gründen hat das k. k. Unterrichts-<lb/> miniſterium die vor vier Jahren vom, Schulausſchuß<lb/> reiflich überdachte Verlegung der Unterrichtsſtunden<lb/> von 7 bis 9 Uhr auf 5 bis 7 Uhr genehmigt und<lb/> die k. k. Statthalterei hat ſie mit Erlaß vom<lb/> 18. März 1903, Z. 7809, beſtätigt. Was iſt nun<lb/> geſchehen? Zunächſt konſtatieren wir aus den amt-<lb/> lichen Ausweiſen, daß ſeit dieſer Zeit der Beſuch<lb/> an dieſer Schule von 60 auf 85 ſich erhöht hat.<lb/> Die mannigfachen Klagen der Herren Lehrer, daß<lb/> die Lehrlinge während der Unterrichtszeit ſogar<lb/> ſchlafen uſw., haben aufgehört und nach den über-<lb/> einſtimmenden Erfahrungen des Lehrkörpers ſind<lb/> die Unterrichtserfolge gegen frühere Jahre weſentlich<lb/> beſſere, was den aufmerkſamen regelmäßigen Be-<lb/> obachtern der ausgeſtellten Arbeiten wohl nicht ent-<lb/> gangen ſein dürfte. Weiters müſſen wir aber auch<lb/> konſtatieren, daß die Gewerbetreibenden durch die<lb/> erfolgte Verlegung der Unterrichtsſtunden von der<lb/> Arbeitsleiſtung der Lehrlinge faktiſch nur zwei<lb/> Stunden pro Woche verlieren, da der Lehrherr ſeine<lb/> Lehrlinge im allgemeinen doch nicht länger als bis<lb/> 6 Uhr abends zur Arbeit verhalten kann. Zudem<lb/><cb/> iſt aber wohl auch bekannt, daß der Unterricht nicht<lb/> das ganze Jahr, ſondern nur acht Monat währte,<lb/> und iſt die Behauptung des Herrn Kral, daß durch<lb/> den Entfall dieſer zwei wöchentlichen Stunden die<lb/> manuelle Fertigkeit der Lehrlinge eine Einbuße er-<lb/> leidet, vollſtändig haltlos. Herr Zollenſtein führte<lb/> bei dieſer Sitzung den ihm unangenehmen Umſtand<lb/> ins Treffen, daß er oftmals dringend um 6 Uhr<lb/> Stiefeln zur Poſtaufgabe bringen muß. Nun wird<lb/> der Gehilfe gerade um 5 Uhr (und das an einem<lb/> Tag, wo gerade der Lehrling in die Schule muß)<lb/> mit ſeiner Arbeit fertig. Der Gehilfe putzt nun keine<lb/> Schuhe! Wer aber ſoll nun die Schuhe putzen, was<lb/> doch auch zur Vollendung des Erzeugniſſes gehöre!!?<lb/> Ein anderer Herr bekämpfte „dieſe den Gewerbe-<lb/> ſtand ſo drückende Stundeneinteilung“ mit dem<lb/> Bemerk: „Was macht denn z. B. ein Schmied,<lb/> wenn ihm ſein Bub nicht den Blasbalg zieht und<lb/> ſchon um 5 Uhr in die Schule muß? Der kann<lb/> ja einfach nicht mehr weiter arbeiten.“ Schuhe<lb/> putzen, Blasbalg ziehen uſw. ſind untergeordnete<lb/> Arbeiten, die allerdings jeder Lehrling bei Beginn<lb/> ſeiner Lehrzeit üben muß; den Inhalt ſeiner Lehr-<lb/> zeit können aber derartige Arbeiten ebenſowenig<lb/> bilden, als von deren ausſchließlicher Verrichtung<lb/> durch Lehrlinge die Exiſtenz des Meiſters abhängig<lb/> iſt. Die Zeiten ſind ernſter geworden. Das heutige<lb/> Erwerbsleben ſtellt nicht nur an den Meiſter, ſon-<lb/> dern auch an den Gehilfen erhöhte Anforderungen<lb/> und jeder gewiſſenhafte Meiſter läßt es ſich ange-<lb/> legen ſein, daß ſein Lehrling ſich außer der manu-<lb/> ellen Fertigkeit auch wenigſtens die notwendigſten<lb/> theoretiſchen Kenntniſſe ſeines Faches aneignet, da-<lb/> mit er ſich dann als Gehilfe in der Welt leichter<lb/> fortbringen kann. Und nun ſehe man ſich einmal<lb/> unſer Lehrlingsmaterial an. Viele vom Lande in<lb/> die Stadt gekommene Lehrlinge ſind nicht einmal<lb/> der deutſchen Sprache mächtig, abgeſehen auch von<lb/> den noch vorkommenden Analphabeten. Da wird es<lb/> wohl jedem objektiv Denkenden klar werden, daß<lb/> gerade dem Schulunterricht eine erhöhte Aufmerk-<lb/> ſamkeit zuzuwenden iſt. Daß aber die dermaligen<lb/> Unterrichtsſtunden manchen Gewerben, insbeſondere<lb/> den Schloſſern, nicht paſſen, ſei ohneweiters zuge-<lb/> geben. Bei den ſo vielen Branchen iſt es aber einer<lb/> Schule allein unmöglich, für jede Branche eine<lb/> eigene Stundeneinteilung zu treffen. Deshalb waren<lb/> auch die früheren Einſprachen und Geſuche des<lb/> Gewerbevereines erfolglos und wurde das letzte<lb/> Geſuch dieſes Vereines von der Statthalterei mit<lb/> dem Bemerk abgewieſen, daß man auch an allen<lb/> anderen Orten die dermaligen gewerblichen Unter-<lb/> richtsſtunden auf eine frühere Zeit verlegen wird.<lb/> Für große Genoſſenſchaften wird es ohnedies nur<lb/> eine Zeitfrage ſein, daß ſie für ihre Lehrlinge ört-<lb/> liche Fachſchulen errichten. Greifen wir beiſpiels-<lb/> weiſe nur das Schloſſer- und Mechanikergewerbe<lb/> heraus. Laut Erhebungen der Schulleitung haben<lb/> die Herren Mechaniker Franz Neger 10, die<lb/> Schloſſermeiſter Polatſchek 7, Baizer 6, Riegler 6,<lb/> Karl Pirch 5, Sirak 7, Kerth 7, Kotbauer 4,<lb/> Jagoditſch 5, Sinkowitſch 5, Swetlitſch 4 und<lb/> Schell 5 Lehrlinge. (Meiſter, die weniger Lehrlinge<lb/> halten, ſind hier nicht angeführt.) — Bei einer ſo<lb/> großen Lehrlingszahl einer einzigen Genoſſenſchaft<lb/> kann an die Errichtung einer eigenen Fachſchule —<lb/> mit ſelbſtgewählten Unterrichtsſtunden — geſchritten<lb/> werden und iſt in ſolchen Fällen die Genoſſenſchaft<lb/> ſicher, von den in Betracht kommenden Behörden<lb/> und Körperſchaften ſubventioniert zu werden. Hier<lb/> ſei z. B. auf unſere Gaſtwirtgenoſſenſchaft mit dem<lb/> rührigen Vorſtand (Herren Sauer und Roſchanz)<lb/> verwieſen, welche ſich keine Mühe verdrießen ließen<lb/> und für <hi rendition="#g">ſchreibe neun Lehrlinge</hi> eine Fach-<lb/> ſchule errichtet haben, weil den Genoſſenſchafts-<lb/> mitgliedern die Unterrichtsſtunden von 5 bis 7 Uhr<lb/> abends nicht konvenierten und ſie dieſe Stunden<lb/> in der Zeit von 3 bis 5 Uhr nachmittags abge-<lb/> halten wiſſen wollten. Es würde zu weit führen,<lb/> wollten wir an dieſer Stelle alle Argumente an-<lb/> führen, die gegen eine weitere Verlegung der Unter-<lb/> richtsſtunden in der Fortbildungsſchule ſprechen.<lb/> Stets und immer werden wir uns aber gegen alle<lb/> Angriffe wider den Fortſchritt ſtemmen und meinen<lb/> ſchließlich, daß auch bei uns die ehrliche Überzeu-<lb/> gung einer guten Sache, unbedeutender Vorteile<lb/> willen, nicht in der erfolgten Form geſchmäht<lb/> werden darf.</p><lb/> <dateline>Marburg, den 9. Dezember 1907.</dateline><lb/> <byline>J. F. Peyer, J. Leeb.</byline> </div><lb/> <div n="3"> <p>Vom Herrn Oberinſpektor Werkſtättenchef C.<lb/><hi rendition="#g">Walenta</hi> erhielten wir folgende Zuſchrift: „Sehr<lb/> geehrte Redaktion: Mit Bezug auf den in Ihrer<lb/> Zeitung Nr. 147 vom 7. Dezember 1907 unter<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [3/0003]
Nr. 148, 10. Dezember 1907 Marburger Zeitung
eines heimiſchen Vereines in ſo geringem Maße zu
unterſtützen. Der Männergeſangverein verfügt über
volle, in angenehmſter Harmonie zuſammenklingende
Stimmen, wodurch die exakten Darbietungen bald
wie im ſanften Säuſeln, bald wie im Waldes-
rauſchen zum Ausdruck kommen konnten. Alle be-
geiſterte Anerkennung der Bemühungen der beiden
Sangwarte, der Herren Rudolf Wagner und
Franz Schönherr war eine redlich verdiente.
Unter der Leitung des Herrn Wagner wurden in
der erſten Abteilung zu Gehör gebracht: der Männer-
vollgeſang mit Flügelbegleitung das „Lied der Städte“
von Max Bruch und die Ballade für Männervoll-
geſang „Die Ablöſung“ von Hermann Hutter, in
der letzten Abteilung der Schultz’ſche Männervoll-
geſang mit Flügelbegleitung „Waldharfen.“ Der
Tenor-Einzelgeſang des Herrn Karl Glaſer kam
wie immer ſo recht zur Geltung. In der dritten
Abteilung leitete Herr Franz Schönherr die
Symphonie-Ode für Männervollgeſang von J. L.
Nicode „Das Meer“, den Vollgeſang von Jüngſt
„Wie ging das Lied?“ und den von Kremſer „Das
Volkslied“, welch’ beide letzten ſich durch ſehr an-
ſprechende Melodien auszeichnen. Einen unſtreitig
größeren Beifall errang ſich Herr Muſikdirektor
Alfred Klietmann als Künſtler auf der Geige.
Seine Darbietungen löſten einen ſtets geſteigerten
Beifall aus, der ihn ſchließlich mit einer Zugabe
danken ließ. Den Vorträgen der Edvard Grieg’ſchen
Sonate in F-Dur, ſowie der „Legende“ von
Wieniawski und „Hejre Kati“ von Hubay lauſchte
das Publikum mit geſpannteſter Aufmerkſamkeit.
Eine bekanntlich nicht dankbare Aufgabe, die Über-
nahme der Flügelbegleitung zu den Geſangs- und
Geigenvorträgen, fiel wie gewöhnlich Herrn Lehrer
Köle zu, der ſie auch in bekannt vorzüglicher Weiſe
löſte; das Bewußtſein, Anteil an dem herrlichen
Gelingen der Veranſtaltung zu haben, möge ihn mit
Befriedigung erfüllen.
Der Verband der deutſchen Hochſchüler
Marburgs ſpendete der deutſchen Volksſchule in
Wind.-Feiſtritz 20 Kronen zur Anſchaffung eines
Harmoniums.
Tiroler Bund. Morgen, Mittwoch, den
11. d. zwangloſe Zuſammenkunft der in Marburg
anweſenden Tiroler uvd Tirolerfreuude in Werhonigs
„Alldeutſcher Weinſtube“; eventuell Beſprechung be-
hufs Gründung einer Ortsgruppe des Tiroler Volks-
bundes. Beginn 8 bis halb 9 Uhr.
Konzert Slezak. Wie uns mitgeteilt wird,
findet dieſes Konzert beſtimmt am Sonntag, den
15. d. M., halb 8 Uhr abends im großen Kaſino-
ſaale ſtatt. Wir werden erſucht, nochmals bekannt-
zugeben, daß die Vormerkung auf Sitze für die be-
ſtimmte Annahme der Karten bindend iſt. Karten-
verkauf in der Muſikalienhandlung des Herrn Joſef
Höfer, Burggaſſe 2.
Verein Frauenhilfe. Von heute an finden
die Vereinskurſe aus Franzöſiſch, Italieniſch, Eng-
liſch, Schnittzeichnen und Brandmalen in den neuen,
von der Gemeinde zur Verfügung geſtellten Vereins-
lokalitäten ſtatt u. zw. Eliſabethſtraße 16 (Muſeum),
2. Stock, rechts, zur gewohnten Stunde. Die litera-
riſchen Vorträge und der orthographiſche Kurs ver-
bleiben am Gymnaſium, die letzten Stunden des
1. Friſierkurſes im Hutſalon Holliček. Der 2. Friſier-
kurs beginnt anfangs Jänner und findet dann auch
im Vereinszimmer ſtatt. Anmeldungen zu demſelben,
wie auch zu einem 2. engliſchen Kurſe werden
bereits entgegengenommen. Auch eine Kandidatin
in den Pflegerinnenkurs kann zum Jänner-Termin
noch aufgenommen werden. Sprechſtunden Sonntag
9—10, Mittwoch 5—6 im Vereinszimmer.
Öffentliche Handwerkerverſammlung.
Übermorgen, Donnerstag, den 12. d. findet in der
Gambrinushalle die in der Verſammlung vom 3. d.
beſchloſſene, für jeden Gewerbetreibenden frei zu-
gängliche Verſammlung des deutſchen Handwerker-
vereines ſtatt, in welcher die Verlegung des
derzeitigen Unterrichtsbeginnes an der gewerblichen
Fortbildungsſchule beſprochen werden ſoll. Da der
Gegenſtand jeden einzelnen Gewerbetreibenden und
Handwerker betrifft, ſo wird auf eine äußerſt zahl-
reiche Beteiligung an der Verſammlung gerechnet.
Umban des Hauptbahnhofes. Wie das
„Eiſenbahnblatt“ vernimmt, hat die Verwaltung der
Südbahngeſellſchaft dem Eiſenbahnminiſterium dieſer
Tage das Detailprojekt für den programmgemäß in
Ausſicht genommenen Umbau des Hauptbahnhofes
in Marburg vorgelegt. Das Projekt, das eine ſehr
namhafte Umgeſtaltung und Vergrößerung der bis-
herigen Bahnhofanlagen in Marburg vorſieht, wird
geprüft und ſodann den vorgeſchriebenen kommiſſio-
nellen Amtshandlungen unterzogen werden, ſo daß
an die Inangriffnahme des Baues jedenfalls im
Laufe des Jahres 1908 geſchritten werden wird.
Todesfall. Am 9. d. iſt hier der k. u. k.
Oberſt i. R. Herr Johann Tuſch im 73. Lebens-
jahre geſtorben. Er war Mitglied der Eliſabeth
Thereſien-Militärſtiftung und Beſitzer mehrerer
Auszeichnungen. Die Beſtattung erfolgt Mittwoch
um halb 3 Uhr vom Hauſe Nr. 6 der Ferdinand-
ſtraße aus.
Panorama International. Die Wochen-
ſerie „Schweiz, Interlaken, Lauterbrunnen, Grindel-
wald“ führt uns in die großartig romantiſche
Hochgebirgswelt der Schweiz. Die prachtvollen Ge-
birgs- und Gletſcherſzenerien dieſes weltbekannten
Reiſezieles ſo vieler Tauſender alljährlich, wie die
großartig hochintereſſanten Gebirgslandſchaften mit
den berühmten Hotels werden gewiß das Intereſſe
jedermanns erwecken. Die Reinheit und wunderbare
Plaſtik der ſchönen einzelnen Bilder verdienen vollſte
Anerkennung.
Unſeren Standeskollegen zur Auf-
klärung. Unter dieſer Spitzmarke erhalten wir
nachſtehende Ausführungen mit dem Erſuchen um
Veröffentlichung: In der am 3. Dezember im Hotel
„Mohr“ vom Deutſchen Handwerkerverein — zwecks
Gründung einer Spar- und Darlehenskaſſe — ein-
berufenen Verſammlung fand es der Obmann Herr
Franz Kral für geboten, Einzelheiten von der am
30. November ſtattgefundenen Schulausſchußſitzung
der gewerblichen Fortbildungsſchule zur Sprache zu
bringen und endete ſeine Ausführungen mit der
hübſchen Schlußfolgerung, daß die Gefertigten
förmlich eine Schande des Gewerbeſtandes bilden,
weil, man leſe und ſtaune, wir es wagten, eine
ſelbſtändige Meinung zu vertreten. Obſchon nun die
erfolgten Ausführungen förmlich den Anreiz zu
einer heiteren Erwiderung bieten, ſo wollen wir
uns doch bemühen, dem Ernſte der Sache wegen
klar und deutlich anzuführen, welches Verbrechen
wir eigentlich begangen haben und was uns — bei
unſerer Abweſenheit — zu ſtürmiſchen Entrüſtungs-
rufen verhalf. Der Wunſch der Verlegung der ehe-
mals beſtandenen Unterrichtsſtunden von 7 bis
9 Uhr abends war ein allgemeiner und durchaus
wohlbegründeter, weil man nach der bereits überall
durchgeführten zehnſtündigen Arbeitszeit der Gehilfen-
ſchaft, auch zur Erkenntnis gelangen mußte, daß
man füglich von einem Knaben, der ſich ja doch
noch im körperlichen Entwicklungsſtadium befindet,
aus Billigkeitsgründen nicht fordern kann, daß er
nach zehnſtündiger Arbeitszeit noch weitere zwei
Stunden mit der nötigen Aufmerkſamkeit den Unter-
richt verfolge. Abgeſehen von dieſem allein ſchon
ausſchlaggebenden Moment, haben aber die ſpäten
Unterrichtsſtunden eine ganze Reihe von Klagen ge-
zeitigt, die durch den jugendlichen Übermut beim
nächtlichen Zuhauſegehen durch allerlei Unzukömm-
lichkeiten hervorgerufen wurden, wofür ſich keine
Abhilfe fand, zumal man vom Lehrherrn doch nicht
auch noch verlangen kann, daß er ſeine Lehrlinge
(z. B. wie Mädchen durch Gouvernanten) von der
Schule abholen laſſen ſoll. Anderſeits gelangten
aber auch zahlreiche Klagen an den Schulausſchuß
und zwar namentlich von ſolchen Lehrherren, welche
ihre Lehrlinge zu verköſtigen haben. Es iſt auch für
jeden Haushalt unangenehm, wenn das Eſſen ein-
mal für dieſe, einmal für jene Stunde beſtimmt
wird oder wenn gar das Nachtmahl für verſchiedene
Stunden geteilt hergerichtet werden muß. Aus dieſen
und noch anderen Gründen hat das k. k. Unterrichts-
miniſterium die vor vier Jahren vom, Schulausſchuß
reiflich überdachte Verlegung der Unterrichtsſtunden
von 7 bis 9 Uhr auf 5 bis 7 Uhr genehmigt und
die k. k. Statthalterei hat ſie mit Erlaß vom
18. März 1903, Z. 7809, beſtätigt. Was iſt nun
geſchehen? Zunächſt konſtatieren wir aus den amt-
lichen Ausweiſen, daß ſeit dieſer Zeit der Beſuch
an dieſer Schule von 60 auf 85 ſich erhöht hat.
Die mannigfachen Klagen der Herren Lehrer, daß
die Lehrlinge während der Unterrichtszeit ſogar
ſchlafen uſw., haben aufgehört und nach den über-
einſtimmenden Erfahrungen des Lehrkörpers ſind
die Unterrichtserfolge gegen frühere Jahre weſentlich
beſſere, was den aufmerkſamen regelmäßigen Be-
obachtern der ausgeſtellten Arbeiten wohl nicht ent-
gangen ſein dürfte. Weiters müſſen wir aber auch
konſtatieren, daß die Gewerbetreibenden durch die
erfolgte Verlegung der Unterrichtsſtunden von der
Arbeitsleiſtung der Lehrlinge faktiſch nur zwei
Stunden pro Woche verlieren, da der Lehrherr ſeine
Lehrlinge im allgemeinen doch nicht länger als bis
6 Uhr abends zur Arbeit verhalten kann. Zudem
iſt aber wohl auch bekannt, daß der Unterricht nicht
das ganze Jahr, ſondern nur acht Monat währte,
und iſt die Behauptung des Herrn Kral, daß durch
den Entfall dieſer zwei wöchentlichen Stunden die
manuelle Fertigkeit der Lehrlinge eine Einbuße er-
leidet, vollſtändig haltlos. Herr Zollenſtein führte
bei dieſer Sitzung den ihm unangenehmen Umſtand
ins Treffen, daß er oftmals dringend um 6 Uhr
Stiefeln zur Poſtaufgabe bringen muß. Nun wird
der Gehilfe gerade um 5 Uhr (und das an einem
Tag, wo gerade der Lehrling in die Schule muß)
mit ſeiner Arbeit fertig. Der Gehilfe putzt nun keine
Schuhe! Wer aber ſoll nun die Schuhe putzen, was
doch auch zur Vollendung des Erzeugniſſes gehöre!!?
Ein anderer Herr bekämpfte „dieſe den Gewerbe-
ſtand ſo drückende Stundeneinteilung“ mit dem
Bemerk: „Was macht denn z. B. ein Schmied,
wenn ihm ſein Bub nicht den Blasbalg zieht und
ſchon um 5 Uhr in die Schule muß? Der kann
ja einfach nicht mehr weiter arbeiten.“ Schuhe
putzen, Blasbalg ziehen uſw. ſind untergeordnete
Arbeiten, die allerdings jeder Lehrling bei Beginn
ſeiner Lehrzeit üben muß; den Inhalt ſeiner Lehr-
zeit können aber derartige Arbeiten ebenſowenig
bilden, als von deren ausſchließlicher Verrichtung
durch Lehrlinge die Exiſtenz des Meiſters abhängig
iſt. Die Zeiten ſind ernſter geworden. Das heutige
Erwerbsleben ſtellt nicht nur an den Meiſter, ſon-
dern auch an den Gehilfen erhöhte Anforderungen
und jeder gewiſſenhafte Meiſter läßt es ſich ange-
legen ſein, daß ſein Lehrling ſich außer der manu-
ellen Fertigkeit auch wenigſtens die notwendigſten
theoretiſchen Kenntniſſe ſeines Faches aneignet, da-
mit er ſich dann als Gehilfe in der Welt leichter
fortbringen kann. Und nun ſehe man ſich einmal
unſer Lehrlingsmaterial an. Viele vom Lande in
die Stadt gekommene Lehrlinge ſind nicht einmal
der deutſchen Sprache mächtig, abgeſehen auch von
den noch vorkommenden Analphabeten. Da wird es
wohl jedem objektiv Denkenden klar werden, daß
gerade dem Schulunterricht eine erhöhte Aufmerk-
ſamkeit zuzuwenden iſt. Daß aber die dermaligen
Unterrichtsſtunden manchen Gewerben, insbeſondere
den Schloſſern, nicht paſſen, ſei ohneweiters zuge-
geben. Bei den ſo vielen Branchen iſt es aber einer
Schule allein unmöglich, für jede Branche eine
eigene Stundeneinteilung zu treffen. Deshalb waren
auch die früheren Einſprachen und Geſuche des
Gewerbevereines erfolglos und wurde das letzte
Geſuch dieſes Vereines von der Statthalterei mit
dem Bemerk abgewieſen, daß man auch an allen
anderen Orten die dermaligen gewerblichen Unter-
richtsſtunden auf eine frühere Zeit verlegen wird.
Für große Genoſſenſchaften wird es ohnedies nur
eine Zeitfrage ſein, daß ſie für ihre Lehrlinge ört-
liche Fachſchulen errichten. Greifen wir beiſpiels-
weiſe nur das Schloſſer- und Mechanikergewerbe
heraus. Laut Erhebungen der Schulleitung haben
die Herren Mechaniker Franz Neger 10, die
Schloſſermeiſter Polatſchek 7, Baizer 6, Riegler 6,
Karl Pirch 5, Sirak 7, Kerth 7, Kotbauer 4,
Jagoditſch 5, Sinkowitſch 5, Swetlitſch 4 und
Schell 5 Lehrlinge. (Meiſter, die weniger Lehrlinge
halten, ſind hier nicht angeführt.) — Bei einer ſo
großen Lehrlingszahl einer einzigen Genoſſenſchaft
kann an die Errichtung einer eigenen Fachſchule —
mit ſelbſtgewählten Unterrichtsſtunden — geſchritten
werden und iſt in ſolchen Fällen die Genoſſenſchaft
ſicher, von den in Betracht kommenden Behörden
und Körperſchaften ſubventioniert zu werden. Hier
ſei z. B. auf unſere Gaſtwirtgenoſſenſchaft mit dem
rührigen Vorſtand (Herren Sauer und Roſchanz)
verwieſen, welche ſich keine Mühe verdrießen ließen
und für ſchreibe neun Lehrlinge eine Fach-
ſchule errichtet haben, weil den Genoſſenſchafts-
mitgliedern die Unterrichtsſtunden von 5 bis 7 Uhr
abends nicht konvenierten und ſie dieſe Stunden
in der Zeit von 3 bis 5 Uhr nachmittags abge-
halten wiſſen wollten. Es würde zu weit führen,
wollten wir an dieſer Stelle alle Argumente an-
führen, die gegen eine weitere Verlegung der Unter-
richtsſtunden in der Fortbildungsſchule ſprechen.
Stets und immer werden wir uns aber gegen alle
Angriffe wider den Fortſchritt ſtemmen und meinen
ſchließlich, daß auch bei uns die ehrliche Überzeu-
gung einer guten Sache, unbedeutender Vorteile
willen, nicht in der erfolgten Form geſchmäht
werden darf.
Marburg, den 9. Dezember 1907.
J. F. Peyer, J. Leeb.
Vom Herrn Oberinſpektor Werkſtättenchef C.
Walenta erhielten wir folgende Zuſchrift: „Sehr
geehrte Redaktion: Mit Bezug auf den in Ihrer
Zeitung Nr. 147 vom 7. Dezember 1907 unter
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