Marburger Zeitung. Nr. 155, Marburg, 27.12.1906.Marburger Zeitung Nr. 155, 27. Dezember 1906. [Spaltenumbruch] Politische Umschau. Von der Wahlreform. Die Wahlreform konnte also in der amtlichen Der Lohn. Wie verlautet, sollen aus Anlaß der Verab- Pensionsversicherung der Privat- bediensteten. Das Gesetz über die Pensionierungsversicherung Französische Steuerpolitik. Die französische Kammer hat ein Gesetz über Aus Serbien. Über die Folgen unserer Grenzsperre Aus Rußland. Das Morden nimmt in Rußland kein Ende. Tagesneuigkeiten. Tod eines Kommunarden. Aus Paris, Engelmacherei. "Daily Chronicle" meldet Ein heißblütiger Magyar und der Eisenbahnzug. In der Nähe des Klostertors Tod durch Kurzschluß. Im Berliner Eine neue Verbindung zwischen Berlin und Petersburg. Wie man dem "Berliner Benützen Sie auch Malzkaffee? Wird [Spaltenumbruch] ewigen, unsterblichen Keimen befruchtet, die ihre Esther schwieg, während sie gedankenvoll das Und sie behielt sie, ohne jedoch den zerstören- Bald darauf ging sie durch den Wald nach Eins wollte Esther dulden, wenigstens auf Ein Vogel fliegt vorüber, im Schnäbelchen Alles webt und strebt, sich auf das große Er- Selbstvergessen lauscht Esther den Erlebnisseu -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- Am Bauplatz hat schon seit vielen Wochen Von seinem Standpunkte auf dem Hügel hat Es hatte wohl eine Stunde gedauert. Als ihn Esther kommen sah, regte sich neben Trotz aller verständigen Vorsätze pocht ihr Die Sonne stand schon tief jenseits des Meeres; Marburger Zeitung Nr. 155, 27. Dezember 1906. [Spaltenumbruch] Politiſche Umſchau. Von der Wahlreform. Die Wahlreform konnte alſo in der amtlichen Der Lohn. Wie verlautet, ſollen aus Anlaß der Verab- Penſionsverſicherung der Privat- bedienſteten. Das Geſetz über die Penſionierungsverſicherung Franzöſiſche Steuerpolitik. Die franzöſiſche Kammer hat ein Geſetz über Aus Serbien. Über die Folgen unſerer Grenzſperre Aus Rußland. Das Morden nimmt in Rußland kein Ende. Tagesneuigkeiten. Tod eines Kommunarden. Aus Paris, Engelmacherei. „Daily Chronicle“ meldet Ein heißblütiger Magyar und der Eiſenbahnzug. In der Nähe des Kloſtertors Tod durch Kurzſchluß. Im Berliner Eine neue Verbindung zwiſchen Berlin und Petersburg. Wie man dem „Berliner Benützen Sie auch Malzkaffee? Wird [Spaltenumbruch] ewigen, unſterblichen Keimen befruchtet, die ihre Eſther ſchwieg, während ſie gedankenvoll das Und ſie behielt ſie, ohne jedoch den zerſtören- Bald darauf ging ſie durch den Wald nach Eins wollte Eſther dulden, wenigſtens auf Ein Vogel fliegt vorüber, im Schnäbelchen Alles webt und ſtrebt, ſich auf das große Er- Selbſtvergeſſen lauſcht Eſther den Erlebniſſeu — — — — — — — — — — — — — — Am Bauplatz hat ſchon ſeit vielen Wochen Von ſeinem Standpunkte auf dem Hügel hat Es hatte wohl eine Stunde gedauert. Als ihn Eſther kommen ſah, regte ſich neben Trotz aller verſtändigen Vorſätze pocht ihr Die Sonne ſtand ſchon tief jenſeits des Meeres; <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0002" n="2"/> <fw place="top" type="header">Marburger Zeitung Nr. 155, 27. 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Inzwiſchen war ein<lb/> Schutzmann herbeigekommen, der aber von dem<lb/> heißblütigen Magyaren ebenfalls mit dem Meſſer<lb/> bedroht wurde. Erſt nach langem Kampfe gelang<lb/><cb/> es, den Ungarn zu überwältigen und gefeſſelt zur<lb/> Wache zu bringen. Er wird ſich wegen Beleidigung,<lb/> Widerſtands gegen die Staatsgewalt, Bedrohung<lb/> und Gefährdung eines Eiſenbahntransports zu ver-<lb/> antworten haben.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Tod durch Kurzſchluß.</hi> </head> <p>Im Berliner<lb/> Zentraltheater entſtand am 23. d. beim Kinemato-<lb/> graphen ein Kurzſchluß. Der Maſchinenmeiſter<lb/> Jahnke wurde ſofort getötet. Der Direktor des<lb/> Theaters erlitt ſchwere Brandwunden. Das Publikum<lb/> wurde von einer großen Panik ergriffen, doch kam<lb/> niemand zu Schaden.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Eine neue Verbindung zwiſchen Berlin<lb/> und Petersburg.</hi> </head> <p>Wie man dem „Berliner<lb/> Tagblatt“ aus Stockholm ſchreibt, erregt dort ein<lb/> der Regierung unterbreitenes Projekt lebhaftes<lb/> Intereſſe, das den Zweck verfolgt, eine ſchnelle und<lb/> luxuriöſe Verbindung zwiſchen Berlin und Peters-<lb/> burg über Stockholm herzuſtellen. Nach dieſem<lb/> Plane ſoll zwiſchen Stockholm und Trelleborg oder<lb/> einem anderen dazu geeigneten Hafen Südſchwedens<lb/> eine elektriſche Bahn angelegt, die Verbindung zwiſchen<lb/> dieſem Hafen und Saßnitz auf der Inſel Rügen mittels<lb/> Rieſendampffähren aufrecht gehalten und von Saßnitz<lb/> aus nach Berlin ebenfalls eine elektriſche Bahn ge-<lb/> baut werden. Des weiteren wäre zwiſchen Stock-<lb/> holm und Abo in Finnland eine Dampffährenver-<lb/> bindung zu errichten und zwiſchen Abo und Peters-<lb/> burg eine elektriſche Schnellbahn anzulegen. Nach<lb/> Herſtellung dieſer Anlagen wird es möglich ſein, die<lb/> Reiſe zwiſchen Petersburg und Berlin in 20 Stunden<lb/> zu machen, während gegenwärtig die Fahrt zwiſchen<lb/> den beiden Hauptſtädten via Eydtkuhnen 31 Stunden<lb/> beanſprucht.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Benützen Sie auch Malzkaffee?</hi> </head> <p>Wird<lb/> dieſe Frage in Geſellſchaft von Damen aufgeworfen,<lb/> begegnet ſie oft einem mitleidig verneinenden Lächeln<lb/> und es zeigt ſich, daß viele noch gegen den Malz-<lb/> kaffee ein ſtarkes Vorurteil hegen. Zum Teil iſt<lb/> das auch erklärlich, denn was unter dem Namen<lb/> Malzkaffee verkauft wird, iſt zumeiſt gar kein Malz-<lb/> kaffee, ſondern faſt immer nur gewöhnlich gebrannte<lb/> Gerſte oder einfach geröſtetes Braumalz, und dieſe<lb/> geben nur eine fade, ſüßliche Brühe, die gewiß<lb/> nicht nach Kaffee ſchmeckt. Sehr viele wiſſen eben<lb/> noch nicht oder überzeugten ſich noch nicht, daß nur<lb/> in Kathreiners Kneipp-Malzkaffee ein Produkt<lb/> exiſtiert, das ſelbſt einen wohligen Kaffeegeſchmack<lb/> beſitzt, weil ſeine Körner mit einem Extrakt aus<lb/> der Kaffeekirſche durchtränkt werden, ohne daß das<lb/> giftige Koffein des Bohnenkaffees mit übertragen<lb/> wird. Kathreiners Kneipp-Malzkaffee vereinigt daher<lb/> allein in hohem Grade den beliebten Geſchmack und<lb/> das Arome des Bohnenkaffees mit den bekannten,<lb/> geſundheitlichen Vorzügen des Malzes. Wer daher<lb/> den <hi rendition="#g">echten</hi> Kathreiner probiert hat, wird gewiß<lb/> die Vorurteile gegen den guten Malzkaffee nicht<lb/> länger hegen. Der echte Kathreiner wird aber nur<lb/> in verſchloſſenen Paketen mit dem Namen Kathreiner<lb/> verkauft und beim Einkauf iſt es daher dringend<lb/> notwendig, den Namen Kathreiner immer ausdrück-<lb/> lich zu betonen.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div next="#holm3" xml:id="holm2" prev="#holm1" type="jArticle" n="2"> <p>ewigen, unſterblichen Keimen befruchtet, die ihre<lb/> Wunderblaſen unaufhaltſam zum Tageslichte<lb/> fördern; und wie mörderiſch Du auch unter ihnen,<lb/> alſo gegen Dich ſelbſt wüten magſt, Du wirſt nie<lb/> imſtande ſein, ſie zu zerſtören. Zuletzt wirſt Du,<lb/> das Vergebliche des Auflehnens einſehend, nach-<lb/> geben oder an dem Übermaß des auf Dich ein-<lb/> ſtrömenden Reichtums allmählich zu Grunde gehen.“</p><lb/> <p>Eſther ſchwieg, während ſie gedankenvoll das<lb/> überall aus der Erde quellende Wachſen betrachtete;<lb/> Thomas Holm nahm ſeine Arbeit wieder auf und<lb/> ſetzte das Geſpräch für heute nicht fort. Er wußte,<lb/> daß er genug geſagt und Eſther ſeine Worte in<lb/> ihrem Herzem bewahren würde.</p><lb/> <p>Und ſie behielt ſie, ohne jedoch den zerſtören-<lb/> den Kampf in ihrem Innern aufzugeben, immer<lb/> unter dem großen Refrain, der, wie ſie meinte,<lb/> trotz allem endlich doch zum Siege führen mußte.</p><lb/> <p>Bald darauf ging ſie durch den Wald nach<lb/> Wiken zu.</p><lb/> <p>Eins wollte Eſther dulden, wenigſtens auf<lb/> kurze Zeit, ſolange der Frühling währte; das hatten<lb/> zu ihrem eigenen Erſtaunen des Vaters Worte<lb/> bewirkt —; das innere, gegenwärtige Erleben, er<lb/> hatte Recht — ſobald ſie ruhig war und horchte,<lb/> gingen da drinnen unbeſchreiblich holde Wunder<lb/> vor. Das ließ ſich auch durchaus nicht verbannen<lb/> — es war da; mit jedem Schritt durch den<lb/> ſtillen Wald lächelte es geheimnisvoll aus Blüten<lb/> und Knoſpen. Da klang es wie Jubel aus<lb/><cb/> allen Tiefen ſo leicht und frohbewegt! Der Vater<lb/> hatte Recht; aus ihrem Blute ſproß ein nie geahntes,<lb/> ſchwellendes Werden, die Welt war wie ein einziges<lb/> jubelndes Lied geworden, in das alle Töne ihrer<lb/> eigenen Seele jauchzend einſtimmten.</p><lb/> <p>Ein Vogel fliegt vorüber, im Schnäbelchen<lb/> eine weiße Flocke tragend, die er emſig zum Neſt-<lb/> chen bringt — am ſandigen Wegrand grünen freudig<lb/> ſpärliche Gräſer — dort an den Gebüſchen ſprengten<lb/> winzige Blättchen die braunen Hülſen und lugen<lb/> nun rundlich und keck in die Welt hinein. Eſther<lb/> findet das rührend und zugleich entzückend. Das<lb/> Brauſen der brandenden Waſſerwogen klingt melodiſch,<lb/> durch die Kieferkronen dort oben klingt es harmo-<lb/> niſch wie Sphärenmuſik — lauter Wunder, die des<lb/> Frühlings belebende Macht bewirkt; oder denkt das<lb/> eigene freudetrunkene Herz es in die lebendige Natur<lb/> hinein?</p><lb/> <p>Alles webt und ſtrebt, ſich auf das große Er-<lb/> eignis vorzubereiten, das die Sonne im Wald ins<lb/> Leben ruft: die Liebe. Denn was iſt Werden,<lb/> Wachſen, Leben, Sterben anderes als die ewige<lb/> Liebe?</p><lb/> <p>Selbſtvergeſſen lauſcht Eſther den Erlebniſſeu<lb/> des Innern. Ganz allein mit ſich ſelbſt das Wunder-<lb/> bare zu durchleben, iſt doch auch keine Schwäche,<lb/> ſie iſt ſanft und demütig um dieſe Stunde, befreit<lb/> von dem geſtrengen Richter des vernichtenden<lb/> Zwanges, unter den ſie ſelbſt ſich geſtellt, verklärt<lb/><cb/> und verſchönt wie von der Morgenröte eines neuen<lb/> Tages.</p><lb/> <p>— — — — — — — — — — — — — —</p><lb/> <p>Am Bauplatz hat ſchon ſeit vielen Wochen<lb/> reges Treiben geherrſcht, die ſtarken Mauern der<lb/> neuen Kirche erheben ſich zuſehends, der Herbſt wird<lb/> den ſtolzen Bau vollendet ſehen.</p><lb/> <p>Von ſeinem Standpunkte auf dem Hügel hat<lb/> Uwe Jens Eſther in das Holz gehen ſehen. Faſt<lb/> einen Moment hat er es über ſich vermocht, ihr<lb/> Begegnen zu vermeiden; doch auch Eſther hat nichts<lb/> getan, ein Zuſammentreffen zu erleichtern, will er<lb/> ſie nicht ganz verlieren, muß er der erſte ſein, der<lb/> die Hand zu einer ſcheinbaren Verſöhnung bietet;<lb/> er muß ihr heute folgen und wartet nicht weit vom<lb/> Ausgang des Gehölzes ihre Rückkehr ab.</p><lb/> <p>Es hatte wohl eine Stunde gedauert.</p><lb/> <p>Als ihn Eſther kommen ſah, regte ſich neben<lb/> der verborgenen Freude über ſein Erſcheinen auch<lb/> der Zorn. Aber ſie nimmt ſich vor, ruhig zu bleiben,<lb/> nicht mehr mit der früheren unſchönen Heftigkeit,<lb/> ſondern mit gehaltenem Ernſt, wenn auch nicht<lb/> weniger energiſch, jede Annäherung zurückzuweiſen.</p><lb/> <p>Trotz aller verſtändigen Vorſätze pocht ihr<lb/> Herz bei ſeinem Näherkommen in immer wilderen<lb/> Schlägen.</p><lb/> <p>Die Sonne ſtand ſchon tief jenſeits des Meeres;<lb/> ihr purpurrotes Licht durchdrang den Tannenwald,<lb/> in dem der Frühling webte, ſang und duftete. Ein<lb/> kräftiger Hauch von geſprengten harzigen Knoſpen-</p> </div> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [2/0002]
Marburger Zeitung Nr. 155, 27. Dezember 1906.
Politiſche Umſchau.
Von der Wahlreform.
Die Wahlreform konnte alſo in der amtlichen
„Wiener Zeitung“ nicht als „Weihnachtsgeſchenk“
erſcheinen. Das Herrenhaus macht ſeine endgiltige
Zuſtimmung zu den Wahlreform-Geſetzentwürfen
davon abhängig, daß das Abgeordnetenhaus vorerſt
die ſogenannte numerus clausus-Vorlage annimmt,
jenen Geſetzentwurf, der die Höchſtzahl der Herren-
hausmitglieder feſtlegt, damit das Herrenhaus nicht
durch beliebige Pairsſchübe weſentlichen Verän-
derungen unterworfen werden kann. Man ſieht,
daß die Mitglieder des Herrenhauſes einem Ver-
ſprechen des Miniſterpräſidenten Beck, der ihnen
die numerus clausus-Vorlage nach Erledigung der
Wahlreform zuſicherte, nicht über den Weg trauen.
Nun, ſie müſſen ihn ja kennen, den Herrn v. Beck.
Der Lohn.
Wie verlautet, ſollen aus Anlaß der Verab-
ſchiedung der Wahlreformvorlage im Parlamente
außer der Verleihung der Geheimratswürde
an die Miniſter, welche dieſe Würde noch nicht
beſitzen, an 40 Parlamentarier Ordens-
auszeichnungen erhalten; außerdem ſollen an
etwa 30 Beamte, die tatkräftig ſowohl bei den
Vorarbeiten als auch bei der Durchberatung dieſer
Geſetze mitgearbeitet haben, teils durch Ordens-
verleihungen ausgezeichnet werden. Bekommt das
deutſche Volk mit dieſer Wahlreform ſein „Kreuz“,
ſo ſollen auch alle jene, die es ſchaffen halfen, ihre
Kreuze bekommen. Das iſt nur recht und billig.
Penſionsverſicherung der Privat-
bedienſteten.
Das Geſetz über die Penſionierungsverſicherung
der Privatbedienſteten hat die kaiſerliche Sanktion
erhalten. Da das Geſetz zwei Jahre nach ſeiner
Kundmachung in Wirkſamkeit zu treten hat, wird
die Verlautbarung im Reichsgeſetzblatte am 1. Jänner
1907 erfolgen, um die Eröffnung des Betriebes der
zu errichtenden Penſionsanſtalt am Anfange eines
Kalenderjahres ſicherzuſtellen.
Franzöſiſche Steuerpolitik.
Die franzöſiſche Kammer hat ein Geſetz über
die Beſteuerung von berechtigten Adels-
titeln angenommen, ebenſo eine Klavierſteuer.
Vom nächſten Jahre ab haben die Beſitzer von
Klavieren 10 Franken, von Flügeln 20 Franken
und von Orgeln 100 Franken Steuer zu bezahlen.
Es mag hiebei bemerkt werden, daß eine örtliche
Klavierſteuer bereits in 21 Städten exiſtiert.
Aus Serbien.
Über die Folgen unſerer Grenzſperre
gegen Serbien wurde aus Belgrad gemeldet:
Die kritiſche ökonomiſche Situation iſt nunmehr
allerorten fühlbar geworden. Die Folgen der
Grenzſperre machen ſich überall geltend. Mit
Beſorgnis ſieht man dem hieſigen Weihnachtsfeſt
entgegen. (Die ſerbiſchen Weihnachten ſind bekanntlich
wie die ruſſiſchen ſpäter als die unſeren — d. Schriftl.)
Man erwartet, daß Miniſterpräſident Paſitſch durch
einen neuen Trick, etwa durch Beantwortung der
öſterreichiſch-ungariſchen Note, die Gärung beſchwich-
tigen wird, und hält den Ausbruch ernſtlicher Un-
ruhen an verſchiedenen Orten Serbiens zu dem
ſerbiſchen Weihnachtsfeſt für ſehr wahrſcheinlich.
Aus Rußland.
Das Morden nimmt in Rußland kein Ende.
Faſt gewinnt es den Anſchein, als ob ganz Rußland
eine einzige große Mörderhöhle ſei. Von den vielen
Fällen der letzten Tage ſeien nur einige angeführt.
Aus Koſtroma, 22. d., wurde berichtet: Die
Inhaber einer Mietswohnung, bei denen eine
Hausdurchſuchung vorgenommen werden ſollte,
erſchoſſen den damit beauftragten Polizei-
kommiſſär und verwundeten einen Polizei-
ſergeanten. Es gelang den Tätern, durch eine
Hintertür zu entkommen. — Aus Twer wird vom
gleichen Tage gemeldet: Das Mitglied des Reichs-
rates Graf Alexis Janatiew, früher General-
gouverneur von Kiew, Wolhynien und Podolien, iſt
heute im Buffettzimmer der Adelsverſammlung von
einem Unbekannten durch ſechs Revolver-
ſchüſſe getötet worden. Der Verbrecher ver-
ſuchte ſich darauf ſelbſt zu erſchießen. Es gelang
jedoch, ihn lebend zu verhaften.
Tagesneuigkeiten.
Tod eines Kommunarden. Aus Paris,
21. d. wird berichtet: Hier ſtarb im Alter von
60 Jahren Emile Fortin, der als Kommunard
im Mai 1871 im Auftrag der damaligen Pariſer
Autoritäten die Exekution der Geiſeln im
Geſängnis Roquette leitete und den von der Salve
verſchont gebliebenen Erzbiſchof Darboy durch
einen Schuß niederſtreckte.
Engelmacherei. „Daily Chronicle“ meldet
aus Paris die Entdeckung eines grauenhaften Falles
von Engelmacherei. Eine Hebamme habe ſeit Jahr
und Tag Säuglinge, deren ſich die Eltern entledigen
wollten, in Pflege genommen und ſie auf ſchreckliche
Weiſe getötet, indem ſie die Kleinen in ſiedendem
Öl verbrühte. Die Verbrecherin wurde Sonnabend
verhaftet.
Ein heißblütiger Magyar und der
Eiſenbahnzug. In der Nähe des Kloſtertors
in Hamburg ſtellte ſich ein Ungar mitten auf das
Eiſenbahngleis vor einen Rangierzug. Der Lokomotiv-
führer des Zuges gab wiederholt Signale mit der
Dampfpfeife; der Ungar rührte ſich nicht; wie eine
Statue ſtand er da. Dem Lokomotivführer blieb
nichts anderes übrig, als den Zug zum Halten zu
bringen. Als er dann den Ungarn aufforderte, die
Strecke frei zu geben, zog der Pußtaſohn ein Meſſer,
ſprang auf die Lokomotive und drang mit gezücktem
Meſſer auf den Führer ein. Inzwiſchen war ein
Schutzmann herbeigekommen, der aber von dem
heißblütigen Magyaren ebenfalls mit dem Meſſer
bedroht wurde. Erſt nach langem Kampfe gelang
es, den Ungarn zu überwältigen und gefeſſelt zur
Wache zu bringen. Er wird ſich wegen Beleidigung,
Widerſtands gegen die Staatsgewalt, Bedrohung
und Gefährdung eines Eiſenbahntransports zu ver-
antworten haben.
Tod durch Kurzſchluß. Im Berliner
Zentraltheater entſtand am 23. d. beim Kinemato-
graphen ein Kurzſchluß. Der Maſchinenmeiſter
Jahnke wurde ſofort getötet. Der Direktor des
Theaters erlitt ſchwere Brandwunden. Das Publikum
wurde von einer großen Panik ergriffen, doch kam
niemand zu Schaden.
Eine neue Verbindung zwiſchen Berlin
und Petersburg. Wie man dem „Berliner
Tagblatt“ aus Stockholm ſchreibt, erregt dort ein
der Regierung unterbreitenes Projekt lebhaftes
Intereſſe, das den Zweck verfolgt, eine ſchnelle und
luxuriöſe Verbindung zwiſchen Berlin und Peters-
burg über Stockholm herzuſtellen. Nach dieſem
Plane ſoll zwiſchen Stockholm und Trelleborg oder
einem anderen dazu geeigneten Hafen Südſchwedens
eine elektriſche Bahn angelegt, die Verbindung zwiſchen
dieſem Hafen und Saßnitz auf der Inſel Rügen mittels
Rieſendampffähren aufrecht gehalten und von Saßnitz
aus nach Berlin ebenfalls eine elektriſche Bahn ge-
baut werden. Des weiteren wäre zwiſchen Stock-
holm und Abo in Finnland eine Dampffährenver-
bindung zu errichten und zwiſchen Abo und Peters-
burg eine elektriſche Schnellbahn anzulegen. Nach
Herſtellung dieſer Anlagen wird es möglich ſein, die
Reiſe zwiſchen Petersburg und Berlin in 20 Stunden
zu machen, während gegenwärtig die Fahrt zwiſchen
den beiden Hauptſtädten via Eydtkuhnen 31 Stunden
beanſprucht.
Benützen Sie auch Malzkaffee? Wird
dieſe Frage in Geſellſchaft von Damen aufgeworfen,
begegnet ſie oft einem mitleidig verneinenden Lächeln
und es zeigt ſich, daß viele noch gegen den Malz-
kaffee ein ſtarkes Vorurteil hegen. Zum Teil iſt
das auch erklärlich, denn was unter dem Namen
Malzkaffee verkauft wird, iſt zumeiſt gar kein Malz-
kaffee, ſondern faſt immer nur gewöhnlich gebrannte
Gerſte oder einfach geröſtetes Braumalz, und dieſe
geben nur eine fade, ſüßliche Brühe, die gewiß
nicht nach Kaffee ſchmeckt. Sehr viele wiſſen eben
noch nicht oder überzeugten ſich noch nicht, daß nur
in Kathreiners Kneipp-Malzkaffee ein Produkt
exiſtiert, das ſelbſt einen wohligen Kaffeegeſchmack
beſitzt, weil ſeine Körner mit einem Extrakt aus
der Kaffeekirſche durchtränkt werden, ohne daß das
giftige Koffein des Bohnenkaffees mit übertragen
wird. Kathreiners Kneipp-Malzkaffee vereinigt daher
allein in hohem Grade den beliebten Geſchmack und
das Arome des Bohnenkaffees mit den bekannten,
geſundheitlichen Vorzügen des Malzes. Wer daher
den echten Kathreiner probiert hat, wird gewiß
die Vorurteile gegen den guten Malzkaffee nicht
länger hegen. Der echte Kathreiner wird aber nur
in verſchloſſenen Paketen mit dem Namen Kathreiner
verkauft und beim Einkauf iſt es daher dringend
notwendig, den Namen Kathreiner immer ausdrück-
lich zu betonen.
ewigen, unſterblichen Keimen befruchtet, die ihre
Wunderblaſen unaufhaltſam zum Tageslichte
fördern; und wie mörderiſch Du auch unter ihnen,
alſo gegen Dich ſelbſt wüten magſt, Du wirſt nie
imſtande ſein, ſie zu zerſtören. Zuletzt wirſt Du,
das Vergebliche des Auflehnens einſehend, nach-
geben oder an dem Übermaß des auf Dich ein-
ſtrömenden Reichtums allmählich zu Grunde gehen.“
Eſther ſchwieg, während ſie gedankenvoll das
überall aus der Erde quellende Wachſen betrachtete;
Thomas Holm nahm ſeine Arbeit wieder auf und
ſetzte das Geſpräch für heute nicht fort. Er wußte,
daß er genug geſagt und Eſther ſeine Worte in
ihrem Herzem bewahren würde.
Und ſie behielt ſie, ohne jedoch den zerſtören-
den Kampf in ihrem Innern aufzugeben, immer
unter dem großen Refrain, der, wie ſie meinte,
trotz allem endlich doch zum Siege führen mußte.
Bald darauf ging ſie durch den Wald nach
Wiken zu.
Eins wollte Eſther dulden, wenigſtens auf
kurze Zeit, ſolange der Frühling währte; das hatten
zu ihrem eigenen Erſtaunen des Vaters Worte
bewirkt —; das innere, gegenwärtige Erleben, er
hatte Recht — ſobald ſie ruhig war und horchte,
gingen da drinnen unbeſchreiblich holde Wunder
vor. Das ließ ſich auch durchaus nicht verbannen
— es war da; mit jedem Schritt durch den
ſtillen Wald lächelte es geheimnisvoll aus Blüten
und Knoſpen. Da klang es wie Jubel aus
allen Tiefen ſo leicht und frohbewegt! Der Vater
hatte Recht; aus ihrem Blute ſproß ein nie geahntes,
ſchwellendes Werden, die Welt war wie ein einziges
jubelndes Lied geworden, in das alle Töne ihrer
eigenen Seele jauchzend einſtimmten.
Ein Vogel fliegt vorüber, im Schnäbelchen
eine weiße Flocke tragend, die er emſig zum Neſt-
chen bringt — am ſandigen Wegrand grünen freudig
ſpärliche Gräſer — dort an den Gebüſchen ſprengten
winzige Blättchen die braunen Hülſen und lugen
nun rundlich und keck in die Welt hinein. Eſther
findet das rührend und zugleich entzückend. Das
Brauſen der brandenden Waſſerwogen klingt melodiſch,
durch die Kieferkronen dort oben klingt es harmo-
niſch wie Sphärenmuſik — lauter Wunder, die des
Frühlings belebende Macht bewirkt; oder denkt das
eigene freudetrunkene Herz es in die lebendige Natur
hinein?
Alles webt und ſtrebt, ſich auf das große Er-
eignis vorzubereiten, das die Sonne im Wald ins
Leben ruft: die Liebe. Denn was iſt Werden,
Wachſen, Leben, Sterben anderes als die ewige
Liebe?
Selbſtvergeſſen lauſcht Eſther den Erlebniſſeu
des Innern. Ganz allein mit ſich ſelbſt das Wunder-
bare zu durchleben, iſt doch auch keine Schwäche,
ſie iſt ſanft und demütig um dieſe Stunde, befreit
von dem geſtrengen Richter des vernichtenden
Zwanges, unter den ſie ſelbſt ſich geſtellt, verklärt
und verſchönt wie von der Morgenröte eines neuen
Tages.
— — — — — — — — — — — — — —
Am Bauplatz hat ſchon ſeit vielen Wochen
reges Treiben geherrſcht, die ſtarken Mauern der
neuen Kirche erheben ſich zuſehends, der Herbſt wird
den ſtolzen Bau vollendet ſehen.
Von ſeinem Standpunkte auf dem Hügel hat
Uwe Jens Eſther in das Holz gehen ſehen. Faſt
einen Moment hat er es über ſich vermocht, ihr
Begegnen zu vermeiden; doch auch Eſther hat nichts
getan, ein Zuſammentreffen zu erleichtern, will er
ſie nicht ganz verlieren, muß er der erſte ſein, der
die Hand zu einer ſcheinbaren Verſöhnung bietet;
er muß ihr heute folgen und wartet nicht weit vom
Ausgang des Gehölzes ihre Rückkehr ab.
Es hatte wohl eine Stunde gedauert.
Als ihn Eſther kommen ſah, regte ſich neben
der verborgenen Freude über ſein Erſcheinen auch
der Zorn. Aber ſie nimmt ſich vor, ruhig zu bleiben,
nicht mehr mit der früheren unſchönen Heftigkeit,
ſondern mit gehaltenem Ernſt, wenn auch nicht
weniger energiſch, jede Annäherung zurückzuweiſen.
Trotz aller verſtändigen Vorſätze pocht ihr
Herz bei ſeinem Näherkommen in immer wilderen
Schlägen.
Die Sonne ſtand ſchon tief jenſeits des Meeres;
ihr purpurrotes Licht durchdrang den Tannenwald,
in dem der Frühling webte, ſang und duftete. Ein
kräftiger Hauch von geſprengten harzigen Knoſpen-
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