Marburger Zeitung. Nr. 222, Marburg, 30.09.1917.Marburger Zeitung Nr. 220 28 September 1917 [Spaltenumbruch] England im Kampfe mit Irland. [Spaltenumbruch] Bern. 28. September. Die Beunruhiung In Cork hielt am Sonntag Arthur [Spaltenumbruch] Amerika. Amerikanisch-"demokratische" Deutschenjagd. KB. New-York, 28. September. (Reuter.) Riesenstreik in Westamerika. Rotterdam, 27. September. Nach einer Peru. Ein peruanisches Ultimatum. K.-B. Haag, 18. September. "Niuwe Cou- China. Ausbruch einer Militärrevolte. Peking, 26. September. (Reuter.) Die Schweden. Beratungen mit Wilson? München, 28. September. Die "München- Die Kriegslage. Wien, 29. September. Der gewaltige englische Krafteinsatz an Kurz und kürzer werden unsere Generalstabs- Zwischen der Ostsee und dem Schwarzen Innerpolitisches. Taboritenlied des Tschechenpriesters. Die letzte fanatische Parlamentsrede des "Abg. Zahradnik, dessen beleidigende Worte Hingewiesen muß aber darauf werden, daß die [Spaltenumbruch] Im stillen Winkel. Referendar Balden betrachtete die aufgeregte "Warum sind Sie so bitter, Fräulein Helmer? Sie lachte wieder schneidend auf. "In den seltesten Fällen! Hätte ich Geld wie Sie legte einen besonderen Nachdruck auf das Referendar Balden schaute mit höchsten Inter- [Spaltenumbruch] "Liebesbund?" wiederholte sie verächtlich, "eine "Gab er Ihnen ein Heiratsversprechen?" fragte "Nein!" sagte sie hart. "Weshalb sollte er das? Er mochte wohl meinen Zorn, weine Ver- Weiter hörte ich nichts. Ich floh wie gehetzt "Und haben Sie der kleinen Heddy irgend Sie schüttelte heftig den Kopf. "Wie sollte ich wohl dazu kommen? Wir kennen "Wie kommen Sie dann auf diese Hochzeit Marburger Zeitung Nr. 220 28 September 1917 [Spaltenumbruch] England im Kampfe mit Irland. [Spaltenumbruch] Bern. 28. September. Die Beunruhiung In Cork hielt am Sonntag Arthur [Spaltenumbruch] Amerika. Amerikaniſch-„demokratiſche“ Deutſchenjagd. KB. New-York, 28. September. (Reuter.) Rieſenſtreik in Weſtamerika. Rotterdam, 27. September. Nach einer Peru. Ein peruaniſches Ultimatum. K.-B. Haag, 18. September. „Niuwe Cou- China. Ausbruch einer Militärrevolte. Peking, 26. September. (Reuter.) Die Schweden. Beratungen mit Wilſon? München, 28. September. Die „München- Die Kriegslage. Wien, 29. September. Der gewaltige engliſche Krafteinſatz an Kurz und kürzer werden unſere Generalſtabs- Zwiſchen der Oſtſee und dem Schwarzen Innerpolitiſches. Taboritenlied des Tſchechenprieſters. Die letzte fanatiſche Parlamentsrede des „Abg. Zahradnik, deſſen beleidigende Worte Hingewieſen muß aber darauf werden, daß die [Spaltenumbruch] Im ſtillen Winkel. Referendar Balden betrachtete die aufgeregte „Warum ſind Sie ſo bitter, Fräulein Helmer? Sie lachte wieder ſchneidend auf. „In den ſelteſten Fällen! Hätte ich Geld wie Sie legte einen beſonderen Nachdruck auf das Referendar Balden ſchaute mit höchſten Inter- [Spaltenumbruch] „Liebesbund?“ wiederholte ſie verächtlich, „eine „Gab er Ihnen ein Heiratsverſprechen?“ fragte „Nein!“ ſagte ſie hart. „Weshalb ſollte er das? Er mochte wohl meinen Zorn, weine Ver- Weiter hörte ich nichts. Ich floh wie gehetzt „Und haben Sie der kleinen Heddy irgend Sie ſchüttelte heftig den Kopf. „Wie ſollte ich wohl dazu kommen? Wir kennen „Wie kommen Sie dann auf dieſe Hochzeit <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <pb facs="#f0002" n="2"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Marburger Zeitung Nr. 220 28 September 1917</hi> </fw><lb/> <cb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#b">England im Kampfe mit Irland.</hi> </hi> </head><lb/> <cb/> <dateline><hi rendition="#b">Bern.</hi> 28. 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Zerſchoſſene engliſche Diviſionen fluteten<lb/> an allen anderen Stellen wieder zurück oder<lb/> wurden im Gegenſtoße wieder über die vom<lb/> feindlichen Maſſenfeuer zerwühlte Kampfzone<lb/> zurückgetrieben. Wie ſchon in früheren Schlachten<lb/> im Flandriſchen beginnen die Engländer nach der<lb/> notgedrungenen Infanteriepauſe wieder die deutſche<lb/> Verteidigunslinie mit ihrem ungeheueren Artillerie-<lb/> material zu zertrommeln, um dann neuerdings<lb/> zum Maſſenſturme vorzugehen. Aber immer noch<lb/> ſind aus der zerriſſenen Erde, die einer verkraterten<lb/> Mondlandſchaft gleicht, im Augenblicke des Sturmes<lb/><cb/> deutſche Verteidiger emporgeſtiegen und die<lb/> Maſchinengewehre, die aus der Verſenkung auf-<lb/> tauchten, ſandten den Tod in die Reihen der<lb/> Stürmer; unerſchüttert bleibt die deutſche Front,<lb/> trotz der gewaltigen feindlichen Ueberlegenheit in<lb/> der Zahl der Maſſen und der Artillerien Englands,<lb/> Frankreichs und Amerikas. Mit feſtem Vertrauen<lb/> können wir dem Fortgange der neuen Schlacht in<lb/> Flandern entgegenſehen.</p><lb/> <p>Kurz und kürzer werden unſere Generalſtabs-<lb/> berichte von der <hi rendition="#g">italieniſchen</hi> Front; die<lb/> Fronten ſtehen ſich gegenüber als zwei Kräfte, die<lb/> Atem holen zu neuen Schlägen und es iſt nicht<lb/> zu verkennen, daß in der italieniſchen Heeresleitung<lb/> große Beſorgniſſe um die Zukunft herrſchen;<lb/> Grenzſperre gegen die Schweiz und Truppenver-<lb/> ſchiebungen kennzeichnen die Lage. 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Das Wiener<lb/> Hauptorgan der Chriſtlichſozialen ſchrieb darüber u. a.:</p><lb/> <p>„Abg. <hi rendition="#g">Zahradnik,</hi> deſſen beleidigende Worte<lb/> nicht an die erhabene Perſon des Papſtes heran-<lb/> reichen können, iſt <hi rendition="#g">katholiſcher Ordens-<lb/> geiſtlicher</hi> und ſteht an der <hi rendition="#g">Spitze</hi> eines<lb/> böhmiſchen <hi rendition="#g">Prämonſtratenſerſtiftes;</hi> er iſt<lb/> ein <hi rendition="#g">Führer</hi> der tſchechiſchen Agrarpartei, in deren<lb/> Organiſation <hi rendition="#g">zahlreiche Prieſter</hi> als Stützen<lb/> der Partei tätig ſind. Abg. Zahradnik hat <hi rendition="#g">nach<lb/> alter Taboritenweiſe ein huſſitiſch<lb/> Lied angeſtimmt,</hi> das zeigt, wie tief der<lb/> tſchechiſche Radikalismus ſich im tſchechiſchem Volke,<lb/> ja ſelbſt im tſchechiſchen <hi rendition="#g">Klerus</hi> eingefreſſen hat<lb/> und welche Verirrungen der radikale <hi rendition="#g">Wahnſinn</hi><lb/> bereits möglich macht. Der tſchechiſche <hi rendition="#g">Sozial-<lb/> demokrat Nemec</hi> hat heute dem Papſt den<lb/> Dank für ſeine Friedensnote ausgeſprochen — der<lb/> tſchechiſche <hi rendition="#g">Prieſter Zahradnik</hi> hat <hi rendition="#g">gegen<lb/> den Heiligen Vater als Friedensſtifter<lb/> die Hand erhoben!</hi>“</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Hingewieſen muß aber darauf werden, daß die<lb/><hi rendition="#g">Tſchechen</hi> und die <hi rendition="#g">Südſlawen</hi> durch ihre<lb/> wilde, <hi rendition="#g">gegen Oeſterreich vorgehende<lb/> Rammtaktik fortwährend Erfolge erzielen.</hi><lb/> Der größte Erfolg war die <hi rendition="#g">Amneſtie</hi> der</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> </div> </div> </div> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Im ſtillen Winkel.</hi> </head><lb/> <byline>Nach einer Idee von Richard Walther, von<lb/> 10 Irene v. Hellmuth.</byline><lb/> <p>Referendar Balden betrachtete die aufgeregte<lb/> junge Dame mit ſpöttiſchem Lächeln, dann pfiff er<lb/> leiſe durch die Zähne und verſicherte ſich mit<lb/> raſchem Blick, ob nicht jemand zuhörte. Doch die<lb/> Gäſte waren alle ſehr mit ſich ſelbſt beſchäftigt, mit<lb/> Ausnahme eines jungen Leutnants, der dem Mäd-<lb/> chen zur Rechten ſaß und angelegentlich hinüber<lb/> blickte.</p><lb/> <p>„Warum ſind Sie ſo bitter, Fräulein Helmer?<lb/> Auch arme Mädchen werden geheiratet —“</p><lb/> <p>Sie lachte wieder ſchneidend auf.</p><lb/> <p>„In den ſelteſten Fällen! Hätte ich Geld wie<lb/> Heddy Schönberg, ſo ſäße ich vielleicht heute ſtatt<lb/> ihrer an der Seite des ſchönen Walter Berghof<lb/> als deſſen „geliebte“ Frau!“</p><lb/> <p>Sie legte einen beſonderen Nachdruck auf das<lb/> Wort. Ein Blick des tiefſten Haſſes traf das Braut-<lb/> paar, das Hand in Hand am oberſten Ende der<lb/> Tafel ſaß.</p><lb/> <p>Referendar Balden ſchaute mit höchſten Inter-<lb/> eſſe auf die hübſche Sprecherin, deren Augen<lb/> ſprühten. Auch der junge Leutnant an ihrer anderen<lb/> Seite betrachtete ſie aufmerkſam und fragte dann<lb/> eindringlich: „So glauben Sie nicht, daß Walter<lb/> Berghoſ einen Liebesbund geſchloſſen hat? Alle Welt<lb/> nimmt doch das an!“</p><lb/> <cb/> <p>„Liebesbund?“ wiederholte ſie verächtlich, „eine<lb/> Geldheirat iſt es, nichts weiter, das weiß ich ganz<lb/> beſtimmt! 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Das dauerte<lb/> ſo ungefähr ein Vierteljahr, — bis Heddy Schön-<lb/> berg aus der Penſion zurückkam und ſich die beiden<lb/> auf einem Balle trafen. Er hatte jedenfalls ſehr<lb/> bald herausgefunden, daß Heddy ein Goldfiſch iſt<lb/> und ſie, — na, ſie mag ihn ja lieben, das gebe<lb/> ich zu! Von jenem Tage an zog er ſich auffällig<lb/> von mir zurück und hatte keine Zeit mehr für<lb/> unſere gemeinſamen Ausflüge. Was ich dabei emp-<lb/> fand. waß ich litt, — darnach fragte der feine Herr<lb/> nicht, — was liegt an einem armen Mädchen!<lb/><cb/> Aber mir war Walter Berghof Lebensinhalt ge-<lb/> weſen, die einzige Freude, die ich je gehabt! Denn<lb/> meine Jugend war ſehr traurig. Und einmal, —<lb/> da lief er mir in den Weg — zufällig — ich hängte<lb/> mich an ihn, ich wollte wenigſtens wiſſen, welche<lb/> Empfindungen er hegte. Auf meine Frage, weshalb<lb/> er mir ſo auffällig ausweiche, ſah er mich halb be-<lb/> luſtigt, halb erſtaunt an: „Ja, wiſſen Sie denn<lb/> nicht, ich habe mich doch verlobt? Wie ſollte ich<lb/> da Zeit für eine andere haben?“</p><lb/> <p>Er mochte wohl meinen Zorn, weine Ver-<lb/> achtung bemerken, den er fügte raſch hinzu: „Aber<lb/> Fräulein Anna, — was machen Sie für ein Ge-<lb/> ſicht? Ja, bildeten Sie ſich ſchon am Ende ein, —<lb/> daß ich — daß aus uns zwei ein Paar hätte<lb/> werden können? — Wir haben beide kein Geld, —<lb/> was ich verdiene, brauche ich für mich, — ich<lb/> muß geſtehen — — derartige Gedanken lagen mir<lb/> fern! Wir waren Freunde, gute Kameraden —“</p><lb/> <p>Weiter hörte ich nichts. Ich floh wie gehetzt<lb/> davon, — ich fchämte mich!“ — —</p><lb/> <p>„Und haben Sie der kleinen Heddy irgend<lb/> eine Andeutung von den Vorgefallenen gemacht?“<lb/> fragte der junge Leutnant von Richthofen, der auf-<lb/> merkſam zugehört hatte.</p><lb/> <p>Sie ſchüttelte heftig den Kopf.</p><lb/> <p>„Wie ſollte ich wohl dazu kommen? Wir kennen<lb/> uns ja kaum.“</p><lb/> <p>„Wie kommen Sie dann auf dieſe Hochzeit<lb/> und als Brautjungfer?“ <ref>(Fortſ. folgt.)</ref> </p> </div> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [2/0002]
Marburger Zeitung Nr. 220 28 September 1917
England im Kampfe mit Irland.
Bern. 28. September. Die Beunruhiung
Irlands durch die Verſuche der Regierung, die
allgemeine Wehrpflicht auch in Irland durch-
zuführen, äußert ſich in allen Teilen der Inſel
in demonſtrativen Umzügen und Verhaftungen,
Verurteilungen, Hungerſtreiks und Plünderungen
gehören zu den täglichen Vorkommniſſen. Die
Redmond-Nationaliſten verſuchen krampfhaft,
den Sinnfeinern gegenüber Boden zu gewinnen,
indem auch ſie gegen die unglaubliche
Stupidität der engliſchen Regierung und
die haarſträubende Brutalität
der Maxwellſchen Schreckensherr-
ſchaft proteſtiren.
In Cork hielt am Sonntag Arthur
Griffith eine große Sinnfeiner-Verſammlung
ab, in der er offen zum äußerſten Wider-
ſtand gegen jeden Verſuch zu zwangsweiſer
Rekrutierung auffordert. Auch er erwähnte die
Vorbereitungen, die die angemeſſene Vertretung
Irlands bei den kommenden Friedensverhand-
lungen ſichern ſollen. Er proteſtierte gleichzeitig
gegen den erwähnten iriſchen Kongreß, der
von der engliſchen Regierung einberufen wurde,
da England auch nicht die allergeringſte Zu-
ſicherung gegeben habe, die Beſchlüſſe der all-
iriſchen Konvention auch wirklich zur Aus-
führung zu bringen. Die Situation wird in
England als höchſt kritiſch angeſehen.
Amerika.
Amerikaniſch-„demokratiſche“
Deutſchenjagd.
KB. New-York, 28. September. (Reuter.)
Die Verhaftungen von Deutſchen und Deutſch-
freundlichen haben geſtern eingeſetzt und dauern
heute an. Viele Perſonen ſind nach Ellis Island
gebracht worden, wo ſie, wie mitgeteilt wurde,
wahrſcheinlich während der Dauer des Krieges in-
terniert werden. Die meiſten Verhafteten waren in
Geſchoßfabriken oder bei Schiffsarbeiten beſchäftigt.
Man „glaubt“, daß ein weitverzweigtes „Kom-
plott“ zur Beſchädigung von Maſchinen, das auf
Anweiſung deutſcher „Agenten in Europa“ arbeitet,
zum Scheitern gebracht worden iſt. Die „Ver-
ſchwörer“ wurden von den Agenten des Marine-
departements ſeit Monaten beobachtet.
Rieſenſtreik in Weſtamerika.
Rotterdam, 27. September. Nach einer
Drahtnachricht aus New-York werden durch den
Streik in San Francisco Kriegslieferungs-
aufträge im Werte von 600 Miltionen
Mark aufgehalten.
Peru.
Ein peruaniſches Ultimatum.
K.-B. Haag, 18. September. „Niuwe Cou-
rant“ meldt aus London: Die Regierung von
Peru hat wegen der Verſenkung des Schiffes
„Lorton“ ein Ultimatum an Deutſchland ge-
richtet, worin binnen einer Woche Genugtuung
verlangt wird.
China.
Ausbruch einer Militärrevolte.
Peking, 26. September. (Reuter.) Die
Garniſon des ſtrategiſch wichtigen Paſſes
von Ling-Ling im ſüdlichen Hunan hat ſich
von der Zentralregierung unabhängig erklärt.
Die Revolte wurde von den Führern des Südens
angeſtiftet. Der Anſchlag gibt ihnen die Herr-
ſchaft über die Provinz Hunau. Truppen
aus Kwangſi marſchieren nach Hunan, um
den Rebellen beizuſtehen.
Schweden.
Beratungen mit Wilſon?
München, 28. September. Die „München-
Augsburger Abendzeitung“ meldet aus Amſterdam:
Aus Waſhington wird gemeldet: Präſident Wilſon
hält mit dem ſchwediſchen Geſandten täglich
Beratungen ab. Ihr Ziel iſt nicht bekannt, ſie
erregen aber großes Aufſehen.
Die Kriegslage.
(Von unſerem Wiener militäriſchen Mitarbeiter.)
Wien, 29. September.
Der gewaltige engliſche Krafteinſatz an
Menſchen und Geſchützen in der neuen Schlacht
in Flandern hat der Entente wieder eine
Enttäuſchung bereitet; als einzigen Gewinn
konnten die engliſchen Maſſen an einer Stelle eine
leichte Einbuchtung in der deutſchen Front erzielen,
die ſie aber mit ſchweren blutigen Opfern büßen
mußten. Zerſchoſſene engliſche Diviſionen fluteten
an allen anderen Stellen wieder zurück oder
wurden im Gegenſtoße wieder über die vom
feindlichen Maſſenfeuer zerwühlte Kampfzone
zurückgetrieben. Wie ſchon in früheren Schlachten
im Flandriſchen beginnen die Engländer nach der
notgedrungenen Infanteriepauſe wieder die deutſche
Verteidigunslinie mit ihrem ungeheueren Artillerie-
material zu zertrommeln, um dann neuerdings
zum Maſſenſturme vorzugehen. Aber immer noch
ſind aus der zerriſſenen Erde, die einer verkraterten
Mondlandſchaft gleicht, im Augenblicke des Sturmes
deutſche Verteidiger emporgeſtiegen und die
Maſchinengewehre, die aus der Verſenkung auf-
tauchten, ſandten den Tod in die Reihen der
Stürmer; unerſchüttert bleibt die deutſche Front,
trotz der gewaltigen feindlichen Ueberlegenheit in
der Zahl der Maſſen und der Artillerien Englands,
Frankreichs und Amerikas. Mit feſtem Vertrauen
können wir dem Fortgange der neuen Schlacht in
Flandern entgegenſehen.
Kurz und kürzer werden unſere Generalſtabs-
berichte von der italieniſchen Front; die
Fronten ſtehen ſich gegenüber als zwei Kräfte, die
Atem holen zu neuen Schlägen und es iſt nicht
zu verkennen, daß in der italieniſchen Heeresleitung
große Beſorgniſſe um die Zukunft herrſchen;
Grenzſperre gegen die Schweiz und Truppenver-
ſchiebungen kennzeichnen die Lage. Welche großen
inneren Gärungen und Erſchütterungen das ver-
räteriſche Königreich durchziehen, wie der Auftakt
kommrnder Ereigniſſe, iſt genugſam bekannt.
Zwiſchen der Oſtſee und dem Schwarzen
Meere ſind alle Kämpfe abgeflaut.
Innerpolitiſches.
Taboritenlied des Tſchechenprieſters.
Die letzte fanatiſche Parlamentsrede des
Tſchechenprieſters Zahradnik hat ſogar die
deutſchen Chriſtlichſozialen zur Empörung gereizt;
vielleicht weniger der flammende nationale Haß
des Tſchechenprieſters, der letzten Endes auf die
Zertrümmerung Oeſterreichs ausgeht, als vielmehr
der Umſtand, daß der hochwürdige Zahradnik ver-
blümt den Papſt beſchimpfte und ſich von
ihm im gewiſſen Sinne losſagte. Das Wiener
Hauptorgan der Chriſtlichſozialen ſchrieb darüber u. a.:
„Abg. Zahradnik, deſſen beleidigende Worte
nicht an die erhabene Perſon des Papſtes heran-
reichen können, iſt katholiſcher Ordens-
geiſtlicher und ſteht an der Spitze eines
böhmiſchen Prämonſtratenſerſtiftes; er iſt
ein Führer der tſchechiſchen Agrarpartei, in deren
Organiſation zahlreiche Prieſter als Stützen
der Partei tätig ſind. Abg. Zahradnik hat nach
alter Taboritenweiſe ein huſſitiſch
Lied angeſtimmt, das zeigt, wie tief der
tſchechiſche Radikalismus ſich im tſchechiſchem Volke,
ja ſelbſt im tſchechiſchen Klerus eingefreſſen hat
und welche Verirrungen der radikale Wahnſinn
bereits möglich macht. Der tſchechiſche Sozial-
demokrat Nemec hat heute dem Papſt den
Dank für ſeine Friedensnote ausgeſprochen — der
tſchechiſche Prieſter Zahradnik hat gegen
den Heiligen Vater als Friedensſtifter
die Hand erhoben!“
Hingewieſen muß aber darauf werden, daß die
Tſchechen und die Südſlawen durch ihre
wilde, gegen Oeſterreich vorgehende
Rammtaktik fortwährend Erfolge erzielen.
Der größte Erfolg war die Amneſtie der
Im ſtillen Winkel.
Nach einer Idee von Richard Walther, von
10 Irene v. Hellmuth.
Referendar Balden betrachtete die aufgeregte
junge Dame mit ſpöttiſchem Lächeln, dann pfiff er
leiſe durch die Zähne und verſicherte ſich mit
raſchem Blick, ob nicht jemand zuhörte. Doch die
Gäſte waren alle ſehr mit ſich ſelbſt beſchäftigt, mit
Ausnahme eines jungen Leutnants, der dem Mäd-
chen zur Rechten ſaß und angelegentlich hinüber
blickte.
„Warum ſind Sie ſo bitter, Fräulein Helmer?
Auch arme Mädchen werden geheiratet —“
Sie lachte wieder ſchneidend auf.
„In den ſelteſten Fällen! Hätte ich Geld wie
Heddy Schönberg, ſo ſäße ich vielleicht heute ſtatt
ihrer an der Seite des ſchönen Walter Berghof
als deſſen „geliebte“ Frau!“
Sie legte einen beſonderen Nachdruck auf das
Wort. Ein Blick des tiefſten Haſſes traf das Braut-
paar, das Hand in Hand am oberſten Ende der
Tafel ſaß.
Referendar Balden ſchaute mit höchſten Inter-
eſſe auf die hübſche Sprecherin, deren Augen
ſprühten. Auch der junge Leutnant an ihrer anderen
Seite betrachtete ſie aufmerkſam und fragte dann
eindringlich: „So glauben Sie nicht, daß Walter
Berghoſ einen Liebesbund geſchloſſen hat? Alle Welt
nimmt doch das an!“
„Liebesbund?“ wiederholte ſie verächtlich, „eine
Geldheirat iſt es, nichts weiter, das weiß ich ganz
beſtimmt! Denn“ — ſie ſenkte die Stimme und
gedämpften Tones fort: „Ich kann es ruhig aus-
ſprechen, ich durſte mich als Walters Braut be-
trachten, wir liebten uns, und er nahm jede Ge-
legenheit wahr, die ſich ihm bot, um mich zu treffen,
Wir machten gemeinſame Spaziergänge und er ver-
ſicherte mir oft, daß ich ihm eiu lieber Kame-
rad ſei.“
„Gab er Ihnen ein Heiratsverſprechen?“ fragte
der Referendar, wie ihr ſcheinen wollte, etwas
erregt.
„Nein!“ ſagte ſie hart. „Weshalb ſollte er das?
Wir ſprachen überhaupt nicht von Liebe, aber ich
ſah ſeine Augen oft frendig aufleuchten, wenn er
mich erblickte, und er verſicherte mir ſtets, daß ihm
mein heiteres Geplander zur lieben Gewohnheit
geworden ſei, daß er ſich darauf freue, — und
nannte mich ſeinen guten Kameraden. Das dauerte
ſo ungefähr ein Vierteljahr, — bis Heddy Schön-
berg aus der Penſion zurückkam und ſich die beiden
auf einem Balle trafen. Er hatte jedenfalls ſehr
bald herausgefunden, daß Heddy ein Goldfiſch iſt
und ſie, — na, ſie mag ihn ja lieben, das gebe
ich zu! Von jenem Tage an zog er ſich auffällig
von mir zurück und hatte keine Zeit mehr für
unſere gemeinſamen Ausflüge. Was ich dabei emp-
fand. waß ich litt, — darnach fragte der feine Herr
nicht, — was liegt an einem armen Mädchen!
Aber mir war Walter Berghof Lebensinhalt ge-
weſen, die einzige Freude, die ich je gehabt! Denn
meine Jugend war ſehr traurig. Und einmal, —
da lief er mir in den Weg — zufällig — ich hängte
mich an ihn, ich wollte wenigſtens wiſſen, welche
Empfindungen er hegte. Auf meine Frage, weshalb
er mir ſo auffällig ausweiche, ſah er mich halb be-
luſtigt, halb erſtaunt an: „Ja, wiſſen Sie denn
nicht, ich habe mich doch verlobt? Wie ſollte ich
da Zeit für eine andere haben?“
Er mochte wohl meinen Zorn, weine Ver-
achtung bemerken, den er fügte raſch hinzu: „Aber
Fräulein Anna, — was machen Sie für ein Ge-
ſicht? Ja, bildeten Sie ſich ſchon am Ende ein, —
daß ich — daß aus uns zwei ein Paar hätte
werden können? — Wir haben beide kein Geld, —
was ich verdiene, brauche ich für mich, — ich
muß geſtehen — — derartige Gedanken lagen mir
fern! Wir waren Freunde, gute Kameraden —“
Weiter hörte ich nichts. Ich floh wie gehetzt
davon, — ich fchämte mich!“ — —
„Und haben Sie der kleinen Heddy irgend
eine Andeutung von den Vorgefallenen gemacht?“
fragte der junge Leutnant von Richthofen, der auf-
merkſam zugehört hatte.
Sie ſchüttelte heftig den Kopf.
„Wie ſollte ich wohl dazu kommen? Wir kennen
uns ja kaum.“
„Wie kommen Sie dann auf dieſe Hochzeit
und als Brautjungfer?“ (Fortſ. folgt.)
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(2018-01-26T13:38:42Z)
grepect GmbH: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung.
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