Marburger Zeitung. Nr. 55, Marburg, 08.05.1913.Marburger Zeitung Nr. 55. 8. Mai 1913 [Spaltenumbruch] In Skutari. Die Belagerung von Skutari machte der 15. April. Seit drei Tagen essen die Soldaten nicht mehr Diebstähle werden immer häufiger. Ein Musel- 19. April. Der Hunger fordert täglich seine Opfer. In Auch die regulären Truppen sind unzufrieden. 20. April. Die Soldaten von Berditza haben ernstlich Wenn die Soldaten solche Gesinnungen hegen, [Spaltenumbruch] 23. April. Skutari ist gefallen. Fünfzehn Paragraphen Obgleich der Übergabevertrag schon unterzeichnet 24. April. Auch auf dem Tarabosch sind die Montene- Der Krieg. Die Übergabe Skutaris. Die Übergabe Skutaris an die Mächte dürfte Serbischer Abzug aus Albanien. Die Abtransportierung der serbischen Truppen Eine "brüderliche" Sprache. Griechenland will den Stand seiner Truppen Tendenzlügen! Bekanntlich wurde aus einer Quelle, die sich Essad Pascha hat weder ein Königtum unter Es ist also tendenziös zu gewissen Zwecken ge- [Spaltenumbruch] wie sie nach Hause kam, aber jedenfalls befand Flower brummte etwas Unverständliches als "Merkwürdig ist nur", fuhr das junge Mäd- "Keine Spur!" erklärte Flower raub. "Trage Damit machte Flower Kehrt, um sich in sein War es denkbar, fragte er sich, daß zwischen Er konnte nicht länger über diese Dinge nach- 5. In tiefen Gedanken war Wilfried Mercer nach (Fortsetzung folgt.) Marburger Zeitung Nr. 55. 8. Mai 1913 [Spaltenumbruch] In Skutari. Die Belagerung von Skutari machte der 15. April. Seit drei Tagen eſſen die Soldaten nicht mehr Diebſtähle werden immer häufiger. Ein Muſel- 19. April. Der Hunger fordert täglich ſeine Opfer. In Auch die regulären Truppen ſind unzufrieden. 20. April. Die Soldaten von Berditza haben ernſtlich Wenn die Soldaten ſolche Geſinnungen hegen, [Spaltenumbruch] 23. April. Skutari iſt gefallen. Fünfzehn Paragraphen Obgleich der Übergabevertrag ſchon unterzeichnet 24. April. Auch auf dem Taraboſch ſind die Montene- Der Krieg. Die Übergabe Skutaris. Die Übergabe Skutaris an die Mächte dürfte Serbiſcher Abzug aus Albanien. Die Abtransportierung der ſerbiſchen Truppen Eine „brüderliche“ Sprache. Griechenland will den Stand ſeiner Truppen Tendenzlügen! Bekanntlich wurde aus einer Quelle, die ſich Eſſad Paſcha hat weder ein Königtum unter Es iſt alſo tendenziös zu gewiſſen Zwecken ge- [Spaltenumbruch] wie ſie nach Hauſe kam, aber jedenfalls befand Flower brummte etwas Unverſtändliches als „Merkwürdig iſt nur“, fuhr das junge Mäd- „Keine Spur!“ erklärte Flower raub. „Trage Damit machte Flower Kehrt, um ſich in ſein War es denkbar, fragte er ſich, daß zwiſchen Er konnte nicht länger über dieſe Dinge nach- 5. In tiefen Gedanken war Wilfried Mercer nach (Fortſetzung folgt.) <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0002" n="2"/> <fw place="top" type="header">Marburger Zeitung Nr. 55. 8. Mai 1913</fw><lb/> <cb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">In Skutari.</hi> </head><lb/> <p>Die Belagerung von Skutari machte der<lb/> Schriftleiter Gino <hi rendition="#g">Verri</hi> des „Corriere della Sera“<lb/> in Skutari mit. Seine Aufzeichnungen über die<lb/> Vorgänge in Skutari ſind beſonders von dem Zeit-<lb/> punkte an bemerkenswert, wo in Skutari der Hunger<lb/> um ſich griff. Darüber ſchreibt er:</p><lb/> <p> <hi rendition="#et">15. April.</hi> </p><lb/> <p>Seit drei Tagen eſſen die Soldaten nicht mehr<lb/> Brot, ſondern nur Militärzwieback. Die Fleiſch-<lb/> portion iſt vermindert worden und häufig wird<lb/> das Rindfleich durch das Fleiſch verendeter Pferde<lb/> erſetzt, Die Anzahl der Kranken ſteigt.</p><lb/> <p>Diebſtähle werden immer häufiger. Ein Muſel-<lb/> mann, der vergeblich für ſeine Familie Brot ver-<lb/> langt hatte, ſtahl einen halben Sach Gerſte. 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Täglich ſterben fünf-<lb/> undzwanzig Perſonen an Hunger.</p><lb/> <p>Auch die regulären Truppen ſind unzufrieden.<lb/> In Bardanjolt ſchrien die Soldaten, daß ſie des<lb/> verdorbenen Pferdefleiſches überdrüſſig ſeien und<lb/> zum Feinde übergehen wollten, wenn ſie nichts<lb/> Beſſeres zu eſſen bekämen.</p><lb/> <p> <hi rendition="#et">20. April.</hi> </p><lb/> <p>Die Soldaten von Berditza haben ernſtlich<lb/> daran gedacht, zum Feinde überzugehen, und knüpf-<lb/> ten mit den Serben bereits Unterhandlungen an.<lb/> Die Serben antworteten, ſie würden ſie mit offenen<lb/> Armen aufnehmen. Nur die Verſicherung der Of-<lb/> fiziere, daß die Zwiebackration vermehrt werden<lb/> würde, hielt die Soldaten davon zurück, ihren Vor-<lb/> ſatz auszuführen.</p><lb/> <p>Wenn die Soldaten ſolche Geſinnungen hegen,<lb/> dann kann der Kommandant nicht mehr auf ſie<lb/> rechnen. Davon muß ſich Eſſad Paſcha überzeugt<lb/> haben, als ihm heute vom Taraboſch telegraphiert<lb/> wurde, daß einige hundert Soldaten die Laufgräben<lb/> verlaſſen und ausgerufen hätten, daß ſie dieſes<lb/> Lebens müde ſeien. So ſah man bald darauf ein<lb/> türkiſches Schiff das Hafenbecken des Zollamtes<lb/> verlaſſen. Drei Offiziere waren an Bord, die einen<lb/> Auftrag wegen der Übergabe der Stadt zu über-<lb/> bringen hatten.</p><lb/> <cb/> <p> <hi rendition="#et">23. April.</hi> </p><lb/> <p>Skutari iſt gefallen. Fünfzehn Paragraphen<lb/> regeln die Übergabe. Den Türken wird der Ab-<lb/> zug mit allen ihren Waffen geſtattet. Wer will,<lb/> kann den Türken folgen. Wer bleibt, empfängt<lb/> volle Strafloſigkeit, auch wenn er ſpioniert oder<lb/> den Montenegrinern in anderer Weiſe geſchadet hat.<lb/> Achtung der Gebräuche und religiöſen Bekenntniſſe<lb/> wird gewährleiſtet.</p><lb/> <p>Obgleich der Übergabevertrag ſchon unterzeichnet<lb/> war, berief Eſſad Paſcha geſtern noch die moham-<lb/> medaniſchen und chriſtlichen Notabeln. Die Mehr-<lb/> heit der Verſammelten war mit der Übergabe ein-<lb/> verſtanden, nur einige Mohammedaner erhoben Ein-<lb/> wendungen und verſprachen, jetzt ihre ganzen Vor-<lb/> räte an Lebensmitteln zur Verfügung zu ſtellen.<lb/> Aber Eſſad Paſcha antwortete ihnen im Tone größter<lb/> Entrüſtung: „Ihr habt es zugelaſſen, daß ich meine<lb/> armen Soldaten mit verdorbenem Pferdefleiſch<lb/> vergiftet habe, und eure Rinder ſo gut verſteckt, daß<lb/> ſie niemand aufgeſpürt hat. Jetzt iſt es zu ſpät.<lb/> Zweitauſend Kranke und Verwundete liegen in den<lb/> Spitälern. Einen Angriff der Montenegriner könnte<lb/> ich nur eine Viertelſtunde lang mit den Geſchützen<lb/> beantworten. Ihr ſeht alſo, daß mir kein anderer<lb/> Ausweg geblieben iſt!“ Als einer der Mohammedaner<lb/> hervorhob, daß die Bewohner von Skutari ihrerſeits<lb/> ihre Pflicht gewiſſenhaft erfüllt hätten, da warf<lb/> Eſſad Paſcha in hellem Zorn den Verſammelten<lb/> alle ihre Verſäumniſſe vor und ſchloß ſeine Rede<lb/> mit den Worten: „Trachtet, euer Vaterland nicht<lb/> zu verlieren! Ich verlaſſe eure Stadt, aber euch<lb/> laſſe ich die Forts von Stoi, Bardanjolt, Berditza<lb/> und Taraboſch, die der Feind nicht zu erobern ver-<lb/> mochte. Mögen dieſe Orte euch heilig ſein!“</p><lb/> <p> <hi rendition="#et">24. April.</hi> </p><lb/> <p>Auch auf dem Taraboſch ſind die Montene-<lb/> griner. Sie konnten ihre Bewunderung nicht ver-<lb/> hehlen, als ſie die geringen Mittel ſahen, mit denen<lb/> die Verteidiger des Taraboſch ihnen Widerſtand ge-<lb/> leiſtet hatten. Ein paar Laufgräben, einge Erd-<lb/> ſchanzen, hie und da eine Mauer, das waren die<lb/> einfachen Befeſtigungswerke, die den Angriffen der<lb/> Belagerer ſo lange widerſtanden hatten.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Der Krieg.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Die Übergabe Skutaris.</hi> </head><lb/> <p>Die Übergabe Skutaris an die Mächte dürfte<lb/> heute erfolgen. Übernommen wird die Stadt und<lb/> die Feſtung werden von den Landungstruppen der<lb/> internationalen Blockadeflotte, die längs des Bojana-<lb/> fluſſes nach Skutari marſchieren dürften.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Serbiſcher Abzug aus Albanien.</hi> </head><lb/> <p>Die Abtransportierung der ſerbiſchen Truppen<lb/> aus Mittelalbanien iſt vollendet. Im Laufe der<lb/> letzten drei Wochen haben die Serben ihre Truppen-<lb/> abteilungen aus den von ihnen beſetzten Orten<lb/> Mittelalbaniens nach Durazzo zurückgezogen und<lb/> deren Einſchiffung auf griechiſchen Transportſchiffen<lb/> nach Saloniki in mehreren Staffeln vorgenommen.<lb/><cb/> Samstag den 3. Mai hat der letzte ſerbiſche Soldat<lb/> Durazzo verlaſſen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Eine „brüderliche“ Sprache.</hi> </head><lb/> <p>Griechenland will den Stand ſeiner Truppen<lb/> in und um Saloniki auf 180.000 Mann erhöhen,<lb/> um den bekannten bulgariſchen Anſprüchen auf Sa-<lb/> loniki mit Gewalt begegnen zu können. Das grie-<lb/> chiſche Blatt Theſſalia bemerkt dazu: „Wenn unſere<lb/> Bundesgenoſſen nicht auf Raub ausgehen, ſo brau-<lb/> chen ſie weder unſere Truppenzuſammenziehungen,<lb/> noch die der Serben zu fürchten, die 50.000 Mann<lb/> in Mazedonien konzentriert haben. 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Er habe, ſo wurde<lb/> berichtet, Skutari deshalb übergeben, weil ihm die<lb/> Montenegriner und Serben und das hieter dieſen<lb/> ſtehende Rußland dafür verſprochen hätten, daß er<lb/> König von Albanten werden ſolle. Aus dieſem Grunde<lb/> habe er Skutari an die Monteneginer und im Süden<lb/> ein Stück Albanien an die Griechen abgetreten. da-<lb/> mit er auch von den Griechen in ſeinen Königs-<lb/> plänen gefördert werde. Die Preſſe von ganz Europa<lb/> mußte dies natürlich glauben und in Wien erklärte<lb/> man mit einer auffallenden Raſchheit, daß dieſer<lb/> Umſtand zum militäriſchen Eingreifeen in Albanien<lb/> nötige. Nun ſtellt es ſich aber heraus, daß es ſich<lb/> um eine <hi rendition="#g">Tendenzlüge</hi> ſchlimmſter Art handelt,<lb/> deren Zweck ziemlich durchſichtig iſt ..... Skutari<lb/> wurde wegen der Hungersnot übergeben. 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Immer-<lb/> hin iſt es möglich, daß Anna nicht von ihrer<lb/> Phantaſie — deren ſie nur in ſehr geringem Maße<lb/> beſitzt — irregeleitet wurde, denn ich las letzthin<lb/> in einem Lokalblatte, daß ſich in Caſtlebridge ein<lb/> Zirkus befinde, der dort den Winter zu verbringen<lb/> gedenkt. Die Zeitungsnotiz beſagte auch, daß<lb/> einige Tiere aus ihren Käfigen entwichen ſeien und<lb/> ſchon ſo manchen Schrecken in der Umgebung<lb/> verurſacht hätten. Da Caſtlebridge nur etwa fünf<lb/> Stunden weit von hier iſt, ſo mag Annas Bericht<lb/> auf Wahrheit beruhen“.</p><lb/> <p>Flower brummte etwas Unverſtändliches als<lb/> Antwort. Er war viel beſorgter als er merken laſſen<lb/> wollte; allein die Mitteilungen ſeiner N<supplied>i</supplied>chte über<lb/> den Zirkus ſchienen ihn ein wenig zu beruhigen.</p><lb/> <p>„Merkwürdig iſt nur“, fuhr das junge Mäd-<lb/> chen fort, „daß wir dieſe beunruhigenden Zwiſchen-<lb/> fälle ſozuſagen zu gleicher Zeit zu verzeichnen haben.<lb/> Die letzten zwei oder drei Jahre verfloſſen in der<lb/> langweiligſten Einförmigkeit und nun haben wir zwei<lb/> erſtaunliche Vorfälle an einem einzigen Tage erlebt.<lb/> Kann irgend ein Zuſammenhang zwiſchen ihnen be-<lb/> ſtehen?“</p><lb/> <p>„Keine Spur!“ erklärte Flower raub. „Trage<lb/> der Perſon nur ſtreng auf, ihre Wiſſenſchaft für<lb/> ſich zu behalten. Es ſoll nicht das Gerücht entſtehen,<lb/> daß es in unſeren Wäldern von wilden Tieren wim-<lb/> melt, ſonſt laſſen uns die Dienſtleute ſchmählich im<lb/> Stich. Morgen ſchreibe ich an die Polizei und wenn<lb/><cb/> ſich tatſächlich entſprungene Menageriebewohner in<lb/> der Gegend herumtreiben, ſo müſſen ſie ſchleunigſt<lb/> unſchädlich gemacht werden“.</p><lb/> <p>Damit machte Flower Kehrt, um ſich in ſein<lb/> Zimmer zu begeben und ſich zum Diner umzukleiden.<lb/> Für gewöhnlich war er auch kein Freund geſell-<lb/> ſchaftlicher Veranſtaltungen; er hatte nur einen Zweck<lb/> im Leben: Geld zu verdienen, huldigte nur einem<lb/> Vergnügen: Reichtümer zu ſammeln. Immerhin hatte<lb/> es Zeiten gegeben, da er mit einer gewiſſen Freude<lb/> mit ſeinem Wohlſtande prunkte und Beatrice in der<lb/> Wahl und Bewirtung der Gäſte freie Hand ließ.<lb/> Heute aber war er ordentlich froh, daß ihm der<lb/> Abend behilflich ſein würde, ſeinen peinvollen Ge-<lb/> danken eine andere Richtung zu geben, denn vor-<lb/> läufig wollten die Sorgen nicht von ihm weichen,<lb/> ſondern hielten ſeinen Geiſt auch noch in ihrem Bann,<lb/> als er ſich bereits umgekleidet hatte und in den<lb/> Salon hinabging.</p><lb/> <p>War es denkbar, fragte er ſich, daß zwiſchen<lb/> der Erzählung der Dienerin und den übrigen er-<lb/> ſtaunlichen Ereigniſſen des Tages irgenb ein Zu-<lb/> ſammenhang beſtand? Es war gewiß nicht unmöglich,<lb/> daß ſich ein hyſteriſches Frauenzimmer im Dunkeln<lb/> geirrt und Geſpenſter geſehen habe, ohne daß ein<lb/> Anlaß dazu vorhanden war.</p><lb/> <p>Er konnte nicht länger über dieſe Dinge nach-<lb/> denken, denn ſeine Gäſte begannen nun anzulangen.<lb/> Sie waren eher die Freunde ſeiner Nichte wie ſeine<lb/> eigenen. Unter den buſchigen Brauen hervor be-<lb/> obachtete er ſie alle voll Geringſchätzung, wohl<lb/><cb/> wiſſend, daß ſie keinen Fuß in ſein Haus ſetzen<lb/> würden, wenn er nicht der reiche Reeder wäre.<lb/> Zum überwiegend größten Teil führte ſie nur die<lb/> Neugierde herbei, der Wunſch, die Kunſtſchätze zu<lb/> bewundern, die Maldan Grange in ſich barg. Nur<lb/> zwei oder drei unter ihnen waren Leute nach Flo-<lb/> wers Geſchmack. Aber das hatte ſchließlich nichts<lb/> zu ſagen. Jeder Anlaß war gut genug, wenn er<lb/> ihm nur eine Ablenkung ſeiner Gedanken brachte,<lb/> und wortkarg und finſter faß er da, bis gemeldet<lb/> wurde, daß aufgetragen ſei.</p><lb/> <p> <hi rendition="#c">5.</hi> </p><lb/> <p>In tiefen Gedanken war Wilfried Mercer nach<lb/> Öldborough zurückgekehrt. Die Ereigniſſe der letzten<lb/> Stuuden ſchienen ſeiner Lebensweiſe eine völlig ver-<lb/> änderte Richtung gegeben zu haben. Er hatte ſeinen<lb/> früheren Beruf aufgegeben und ſich in einem kleinen<lb/> Landſtädtchen niederlaſſen, um ſich mit Mühe und<lb/> Not ein paar Kunden zu ſchaffen. Nun gab es<lb/> keine langen Seereiſen, keine aufregenden Abenteuer<lb/> mehr, als den Gewinn eines neuen oder den Ver-<lb/> luſt eines alten Patienten. Und jetzt hatte ſich das<lb/> alles mit einem Schlage geändert, geändert infolge<lb/> eines kleinen Unfalls, der Samuel Flower betroffen.<lb/> Den Mann umgab ein undurchdringliches Geheim-<lb/> nis, zu dem Wilfried gewiſſermaßen den Schlüſſel<lb/> beſaß. Es wollte ihm bedünken, als wüßte er über<lb/> den rätſelhaften Vorfall in Maldon Grange mehr<lb/> zu berichten wie Flower ſelbſt.</p><lb/> <p> <ref> <hi rendition="#c">(Fortſetzung folgt.)</hi> </ref> </p> </div> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [2/0002]
Marburger Zeitung Nr. 55. 8. Mai 1913
In Skutari.
Die Belagerung von Skutari machte der
Schriftleiter Gino Verri des „Corriere della Sera“
in Skutari mit. Seine Aufzeichnungen über die
Vorgänge in Skutari ſind beſonders von dem Zeit-
punkte an bemerkenswert, wo in Skutari der Hunger
um ſich griff. Darüber ſchreibt er:
15. April.
Seit drei Tagen eſſen die Soldaten nicht mehr
Brot, ſondern nur Militärzwieback. Die Fleiſch-
portion iſt vermindert worden und häufig wird
das Rindfleich durch das Fleiſch verendeter Pferde
erſetzt, Die Anzahl der Kranken ſteigt.
Diebſtähle werden immer häufiger. Ein Muſel-
mann, der vergeblich für ſeine Familie Brot ver-
langt hatte, ſtahl einen halben Sach Gerſte. Als
er erfuhr, daß ein anderer wegen dieſer Tat ver-
haftet worden ſei, ſtellte er ſich ſelbſt der Polizei
und ſagte: „Ich habe den halben Sack Gerſte ge-
ſtohlen. Seit drei Monaten bin ich Tag und Nacht
in den Laufgräben. Meiner Frau und meinen Kin-
dern hat man das Brot verweigert und ſo habe ich
mir ſelbſt geholfen. Hütet euch, meiner Familie auch
nur ein Körnchen wegzunehmen, denn ſonſt werden
ich und Hunderte meiner Kameraden dieſer Re-
gierung, die uns kein Brot gibt, ein Ende bereiten!“
Der Polizeioffizier ließ den geſtändigen Dieb ruhig
ſeines Weges gehen.
19. April.
Der Hunger fordert täglich ſeine Opfer. In
allen Straßen herrſcht ein Wehklagen der dem
Hungertod Verfallenen. Mütter halten ihre weinen-
den Kinder im Schoße und flehen die Vorüber-
gehenden an, ihnen zu helfen. Täglich ſterben fünf-
undzwanzig Perſonen an Hunger.
Auch die regulären Truppen ſind unzufrieden.
In Bardanjolt ſchrien die Soldaten, daß ſie des
verdorbenen Pferdefleiſches überdrüſſig ſeien und
zum Feinde übergehen wollten, wenn ſie nichts
Beſſeres zu eſſen bekämen.
20. April.
Die Soldaten von Berditza haben ernſtlich
daran gedacht, zum Feinde überzugehen, und knüpf-
ten mit den Serben bereits Unterhandlungen an.
Die Serben antworteten, ſie würden ſie mit offenen
Armen aufnehmen. Nur die Verſicherung der Of-
fiziere, daß die Zwiebackration vermehrt werden
würde, hielt die Soldaten davon zurück, ihren Vor-
ſatz auszuführen.
Wenn die Soldaten ſolche Geſinnungen hegen,
dann kann der Kommandant nicht mehr auf ſie
rechnen. Davon muß ſich Eſſad Paſcha überzeugt
haben, als ihm heute vom Taraboſch telegraphiert
wurde, daß einige hundert Soldaten die Laufgräben
verlaſſen und ausgerufen hätten, daß ſie dieſes
Lebens müde ſeien. So ſah man bald darauf ein
türkiſches Schiff das Hafenbecken des Zollamtes
verlaſſen. Drei Offiziere waren an Bord, die einen
Auftrag wegen der Übergabe der Stadt zu über-
bringen hatten.
23. April.
Skutari iſt gefallen. Fünfzehn Paragraphen
regeln die Übergabe. Den Türken wird der Ab-
zug mit allen ihren Waffen geſtattet. Wer will,
kann den Türken folgen. Wer bleibt, empfängt
volle Strafloſigkeit, auch wenn er ſpioniert oder
den Montenegrinern in anderer Weiſe geſchadet hat.
Achtung der Gebräuche und religiöſen Bekenntniſſe
wird gewährleiſtet.
Obgleich der Übergabevertrag ſchon unterzeichnet
war, berief Eſſad Paſcha geſtern noch die moham-
medaniſchen und chriſtlichen Notabeln. Die Mehr-
heit der Verſammelten war mit der Übergabe ein-
verſtanden, nur einige Mohammedaner erhoben Ein-
wendungen und verſprachen, jetzt ihre ganzen Vor-
räte an Lebensmitteln zur Verfügung zu ſtellen.
Aber Eſſad Paſcha antwortete ihnen im Tone größter
Entrüſtung: „Ihr habt es zugelaſſen, daß ich meine
armen Soldaten mit verdorbenem Pferdefleiſch
vergiftet habe, und eure Rinder ſo gut verſteckt, daß
ſie niemand aufgeſpürt hat. Jetzt iſt es zu ſpät.
Zweitauſend Kranke und Verwundete liegen in den
Spitälern. Einen Angriff der Montenegriner könnte
ich nur eine Viertelſtunde lang mit den Geſchützen
beantworten. Ihr ſeht alſo, daß mir kein anderer
Ausweg geblieben iſt!“ Als einer der Mohammedaner
hervorhob, daß die Bewohner von Skutari ihrerſeits
ihre Pflicht gewiſſenhaft erfüllt hätten, da warf
Eſſad Paſcha in hellem Zorn den Verſammelten
alle ihre Verſäumniſſe vor und ſchloß ſeine Rede
mit den Worten: „Trachtet, euer Vaterland nicht
zu verlieren! Ich verlaſſe eure Stadt, aber euch
laſſe ich die Forts von Stoi, Bardanjolt, Berditza
und Taraboſch, die der Feind nicht zu erobern ver-
mochte. Mögen dieſe Orte euch heilig ſein!“
24. April.
Auch auf dem Taraboſch ſind die Montene-
griner. Sie konnten ihre Bewunderung nicht ver-
hehlen, als ſie die geringen Mittel ſahen, mit denen
die Verteidiger des Taraboſch ihnen Widerſtand ge-
leiſtet hatten. Ein paar Laufgräben, einge Erd-
ſchanzen, hie und da eine Mauer, das waren die
einfachen Befeſtigungswerke, die den Angriffen der
Belagerer ſo lange widerſtanden hatten.
Der Krieg.
Die Übergabe Skutaris.
Die Übergabe Skutaris an die Mächte dürfte
heute erfolgen. Übernommen wird die Stadt und
die Feſtung werden von den Landungstruppen der
internationalen Blockadeflotte, die längs des Bojana-
fluſſes nach Skutari marſchieren dürften.
Serbiſcher Abzug aus Albanien.
Die Abtransportierung der ſerbiſchen Truppen
aus Mittelalbanien iſt vollendet. Im Laufe der
letzten drei Wochen haben die Serben ihre Truppen-
abteilungen aus den von ihnen beſetzten Orten
Mittelalbaniens nach Durazzo zurückgezogen und
deren Einſchiffung auf griechiſchen Transportſchiffen
nach Saloniki in mehreren Staffeln vorgenommen.
Samstag den 3. Mai hat der letzte ſerbiſche Soldat
Durazzo verlaſſen.
Eine „brüderliche“ Sprache.
Griechenland will den Stand ſeiner Truppen
in und um Saloniki auf 180.000 Mann erhöhen,
um den bekannten bulgariſchen Anſprüchen auf Sa-
loniki mit Gewalt begegnen zu können. Das grie-
chiſche Blatt Theſſalia bemerkt dazu: „Wenn unſere
Bundesgenoſſen nicht auf Raub ausgehen, ſo brau-
chen ſie weder unſere Truppenzuſammenziehungen,
noch die der Serben zu fürchten, die 50.000 Mann
in Mazedonien konzentriert haben. Wenn aber die
Bulgaren ihre Augen von Thrazien auf Mazedonien
richten, ſo werden ſie die Straße nach Mazedonien
nicht mit Teppichen und Grün geſchmückt finden,
ſondern den griechiſchen Bajonetten begegnen. Was
die Bulgaren bisher erreicht haben, das haben ſie
mit Hilfe der Serben und der griechiſchen Flotte er-
reicht, die für ſie den Tiſch gedeckt haben, an dem
ſie es ſich jetzt mit ſolcher Frechheit ſchmecken laſſen.“
Von beſonderer „Brüderlichkeit“ der verbündeten
Balkanchriſten iſt in dieſer Sprache gerade nichts
zu merken!
Tendenzlügen!
Bekanntlich wurde aus einer Quelle, die ſich
nicht genau feſtſtellen läßt, die Behauptung aufge-
ſtellt, Eſſad Paſcha habe bei der Übergabe Skutaris
ein verräteriſches Spiel getrieben. Er habe, ſo wurde
berichtet, Skutari deshalb übergeben, weil ihm die
Montenegriner und Serben und das hieter dieſen
ſtehende Rußland dafür verſprochen hätten, daß er
König von Albanten werden ſolle. Aus dieſem Grunde
habe er Skutari an die Monteneginer und im Süden
ein Stück Albanien an die Griechen abgetreten. da-
mit er auch von den Griechen in ſeinen Königs-
plänen gefördert werde. Die Preſſe von ganz Europa
mußte dies natürlich glauben und in Wien erklärte
man mit einer auffallenden Raſchheit, daß dieſer
Umſtand zum militäriſchen Eingreifeen in Albanien
nötige. Nun ſtellt es ſich aber heraus, daß es ſich
um eine Tendenzlüge ſchlimmſter Art handelt,
deren Zweck ziemlich durchſichtig iſt ..... Skutari
wurde wegen der Hungersnot übergeben. Hinſichtlich
der Eſſad Paſcha unterſchobenen verräteriſchen Königs-
pläne hatten der öſterreichiſch-ungariſche, italieniſche
und franzöſiſche Konſul in Tirano Unterredungen
mit Eſſad Paſcha, aus denen folgendes hervorging:
Eſſad Paſcha hat weder ein Königtum unter
türkiſcher Souveränität ausgerufen, noch hat er
die Abtretung albaniſcher Gebiete im Norden oder
Süden zugeſagt. Die Berichte des italieniſchen Kon-
ſuls laſſen die Haltung Eſſads als eine korrekte er-
ſcheinen. Eſſad Paſcha hat in Erfüllung der Kon-
ſtantinopler Anordnungen ſeine albaniſchen Truppen
entlaſſen und wird ſeine regulären Truppen mit
den Mannſchaften Dſchawid Paſchas vereinigen, um
deren Transport nach der Türkei durchzuführen.
Es iſt alſo tendenziös zu gewiſſen Zwecken ge-
logen worden, geradeſo, wie die „Ermordung“ des
Franziskanerpaters Palic erlogen und erfunden war
Palic wurde bekanntlich erſchoſſen, weil er während
eines Transportes (Palic war wegen Aufreizung
wie ſie nach Hauſe kam, aber jedenfalls befand
ſie ſich in einer unbeſchreiblichen Aufregung. Immer-
hin iſt es möglich, daß Anna nicht von ihrer
Phantaſie — deren ſie nur in ſehr geringem Maße
beſitzt — irregeleitet wurde, denn ich las letzthin
in einem Lokalblatte, daß ſich in Caſtlebridge ein
Zirkus befinde, der dort den Winter zu verbringen
gedenkt. Die Zeitungsnotiz beſagte auch, daß
einige Tiere aus ihren Käfigen entwichen ſeien und
ſchon ſo manchen Schrecken in der Umgebung
verurſacht hätten. Da Caſtlebridge nur etwa fünf
Stunden weit von hier iſt, ſo mag Annas Bericht
auf Wahrheit beruhen“.
Flower brummte etwas Unverſtändliches als
Antwort. Er war viel beſorgter als er merken laſſen
wollte; allein die Mitteilungen ſeiner Nichte über
den Zirkus ſchienen ihn ein wenig zu beruhigen.
„Merkwürdig iſt nur“, fuhr das junge Mäd-
chen fort, „daß wir dieſe beunruhigenden Zwiſchen-
fälle ſozuſagen zu gleicher Zeit zu verzeichnen haben.
Die letzten zwei oder drei Jahre verfloſſen in der
langweiligſten Einförmigkeit und nun haben wir zwei
erſtaunliche Vorfälle an einem einzigen Tage erlebt.
Kann irgend ein Zuſammenhang zwiſchen ihnen be-
ſtehen?“
„Keine Spur!“ erklärte Flower raub. „Trage
der Perſon nur ſtreng auf, ihre Wiſſenſchaft für
ſich zu behalten. Es ſoll nicht das Gerücht entſtehen,
daß es in unſeren Wäldern von wilden Tieren wim-
melt, ſonſt laſſen uns die Dienſtleute ſchmählich im
Stich. Morgen ſchreibe ich an die Polizei und wenn
ſich tatſächlich entſprungene Menageriebewohner in
der Gegend herumtreiben, ſo müſſen ſie ſchleunigſt
unſchädlich gemacht werden“.
Damit machte Flower Kehrt, um ſich in ſein
Zimmer zu begeben und ſich zum Diner umzukleiden.
Für gewöhnlich war er auch kein Freund geſell-
ſchaftlicher Veranſtaltungen; er hatte nur einen Zweck
im Leben: Geld zu verdienen, huldigte nur einem
Vergnügen: Reichtümer zu ſammeln. Immerhin hatte
es Zeiten gegeben, da er mit einer gewiſſen Freude
mit ſeinem Wohlſtande prunkte und Beatrice in der
Wahl und Bewirtung der Gäſte freie Hand ließ.
Heute aber war er ordentlich froh, daß ihm der
Abend behilflich ſein würde, ſeinen peinvollen Ge-
danken eine andere Richtung zu geben, denn vor-
läufig wollten die Sorgen nicht von ihm weichen,
ſondern hielten ſeinen Geiſt auch noch in ihrem Bann,
als er ſich bereits umgekleidet hatte und in den
Salon hinabging.
War es denkbar, fragte er ſich, daß zwiſchen
der Erzählung der Dienerin und den übrigen er-
ſtaunlichen Ereigniſſen des Tages irgenb ein Zu-
ſammenhang beſtand? Es war gewiß nicht unmöglich,
daß ſich ein hyſteriſches Frauenzimmer im Dunkeln
geirrt und Geſpenſter geſehen habe, ohne daß ein
Anlaß dazu vorhanden war.
Er konnte nicht länger über dieſe Dinge nach-
denken, denn ſeine Gäſte begannen nun anzulangen.
Sie waren eher die Freunde ſeiner Nichte wie ſeine
eigenen. Unter den buſchigen Brauen hervor be-
obachtete er ſie alle voll Geringſchätzung, wohl
wiſſend, daß ſie keinen Fuß in ſein Haus ſetzen
würden, wenn er nicht der reiche Reeder wäre.
Zum überwiegend größten Teil führte ſie nur die
Neugierde herbei, der Wunſch, die Kunſtſchätze zu
bewundern, die Maldan Grange in ſich barg. Nur
zwei oder drei unter ihnen waren Leute nach Flo-
wers Geſchmack. Aber das hatte ſchließlich nichts
zu ſagen. Jeder Anlaß war gut genug, wenn er
ihm nur eine Ablenkung ſeiner Gedanken brachte,
und wortkarg und finſter faß er da, bis gemeldet
wurde, daß aufgetragen ſei.
5.
In tiefen Gedanken war Wilfried Mercer nach
Öldborough zurückgekehrt. Die Ereigniſſe der letzten
Stuuden ſchienen ſeiner Lebensweiſe eine völlig ver-
änderte Richtung gegeben zu haben. Er hatte ſeinen
früheren Beruf aufgegeben und ſich in einem kleinen
Landſtädtchen niederlaſſen, um ſich mit Mühe und
Not ein paar Kunden zu ſchaffen. Nun gab es
keine langen Seereiſen, keine aufregenden Abenteuer
mehr, als den Gewinn eines neuen oder den Ver-
luſt eines alten Patienten. Und jetzt hatte ſich das
alles mit einem Schlage geändert, geändert infolge
eines kleinen Unfalls, der Samuel Flower betroffen.
Den Mann umgab ein undurchdringliches Geheim-
nis, zu dem Wilfried gewiſſermaßen den Schlüſſel
beſaß. Es wollte ihm bedünken, als wüßte er über
den rätſelhaften Vorfall in Maldon Grange mehr
zu berichten wie Flower ſelbſt.
(Fortſetzung folgt.)
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