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Marburger Zeitung. Nr. 58, Marburg, 14.05.1912.

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Marburger Zeitung Nr. 58. 14. Mai 1912

[Spaltenumbruch]

Haben wir nicht recht, wenn wir unseren
Volksgenossen zurufen: Was Ihr bisher getan
habt, war nur ein guter Anfang, nicht mehr!
Greift mit voller Kraft zur Wehr, opfert mit
vollen Händen und mit ganzem Herzen, wenn Ihr
im Völkerringen bestehen wollt!




Für die Besiedelung.

Samstag abends fand in Marburg die Grün-
dungsversammlung der Ortsgruppe Marburg des
Bodenschutz- und Besiedlungsvereines Heimstatt statt.
Der Versammlungssaal im Gasthof zum Pilsner-
keller war dicht gefüllt, als namens der Einberufer
Südbahnassistent Herr Temm die Erschienenen
begrüßte, darunter das Hauptleitungsmitglied Herrn
Fraiß, die Ortsgruppen von St. Egydi und
Pettau, sowie die Vertreter verschiedener Vereine
von Marburg und Brunndorf. Der Redner führte
aus, daß die Südmark infolge des klerikalen An-
sturmes die Besiedlungstätigkeit aufgegeben und diese
sowie den Besiedlungsleiter Herrn Fraiß den
Klerikalen geopfert habe. Infolge dieses bei der vor-
jährigen Hauptversammlung in Cilli gefaßten Be-
schlusses auf Einstellung neuer Besiedlungstätigkeit
sei es dringend notwendig geworden, daß eine neue
Schutzvereinigung diese Besiedlung wieder fortführe.
Diese Arbeit will der Verein Heimstatt auf sich
nehmen. Die Slawisierung der Aemter in Marburg
schreite ohnehin in bedenklichem Umfange vor und
wenn wir die Herstellung des Zusammenhanges mit
der deutschen Mittelsteiermark gänzlich aufgeben,
wenn wir nicht St. Egydi halten und nicht Pöß-
nitz gewinnen, dann wird es in Marburg noch
schlimmer werden als bisher. Redner schloß mit den
Worten: Kein Fußbreit deutschen Bodens darf uns
mehr verloren gehen.

Die Wahl der Ortsgruppenleitung hatte fol-
gendes Ergebnis: Obmann Privatier v. Kramer,
Obmannstellvertreter Südbahnbeamter Vales,
Schriftführer k. k. Revident i. R. Weber, Zahl-
meister Südbahner Jellinek, Gspaltl,
Wagner, Temm
und Seewann, Beisitzer.

Mit lebhaftem Betfall begrüßt, erörterte nun
Hauptleitungsmitglied Herr Fraiß aus Graz die
Aufgaben der Heimstatt. Er verwies auf den ge-
schichtlichen Prozeß, daß einst die Deutschen koloni-
satorisch vordrangen, während gegenwärtig die Slawen
ins deutsche Gebiet sich vordrängen. Die Südmark
rang sich deshalb zu dem Gedanken durch, der den
Männern der Gründung schon vorschwebte, daß der
Angriff die beste Verteidigung sei. Deshalb wurde
auch bei der Hauptversammlung im Jahre 1905 mit
der bisherigen Trinkgelderwirtschaft gebrochen und
eine planmäßige Besiedelung beschlossen. Die Arbeit,
aber auch die Verantwortung wurde dem Redner
übertragen. Anfangs war die Besiedlungsarbeit sehr
schwer, denn es fehlte uns jede kolonisatorische Er-
fahrung. Im Jahre 1908 aber gings dann mit
einem gewaltigen Ruck vorwärts, zugleich aber setzte
eine Agitation gegen die Besiedlung ein, welche von
außen stammte, von den Klerikalen, die dann aber
[Spaltenumbruch] in die Südmark selbst eindrang und im Vorjahre
zu dem Beschlusse führte, die weitere Besiedlungs-
tätigkeit einzustellen. Mittlerweile sei allerdings ein
Umschwung eingetreten und man sage jetzt, daß die
Besiedlung späterhin, wenn mehr Mittel vorhanden
sind, wieder aufgenommen werden solle. Wenn dies
wirklich geschehen sollte, dann werden wir, so sagte
der Redner, zweispännig fahren, statt einspännig wie
bisher. Wir wollen auch nicht gegen, sondern mit
der Südmark arbeiten; diese wird wohl auch uns
gegenüber eine freundliche Haltung einnehmen, da
sie ja auch der klerikalen Ostmark gegenüber Gewehr
bei Fuß steht.

Der Redner schilderte sodann die Lage Mar-
burgs, welches durch einen mehrstundenbreiten sla-
wischen Gürtel vom deutschen Mittellande abge-
schlossen ist. Die Städte wachsen nicht aus sich heraus,
sondern durch den Zuzug vom Lande und wenn
Marburg fortwährend slawischen Zuzug erhält, dann
muß dieser einmal das Deutschtum der Stadt er-
drücken. Und darum gibt es für Marburg keine
wichtigere Frage, als die der Besiedelung, der Her-
stellung des unmittelbaren nationalen Zusammen-
hanges mit der deutschen Mittelsteiermark. Jetzt sei
ohnehin schon von Spielfeld an der Zug nach Graz
weit stärker, als jener nach Marburg. Der im
Jahre 1905 aufgestellte Plan war, jenen Gürtel,
der Marburg vom deutschen Hinterlade trennt, durch
Besiedelung zu verdeutschen, ferners auch drauauf-
wärts bis Mahrenberg zu besiedeln. Von diesen
Plänen wurden große Stücke vollendet. Man habe
dem Redner vorgeworfen, daß er Land zu teuer ge-
kauft habe. Nach jener Cillier Versammlung habe
aber eine Kommission der Südmark an Ort und
Stelle festgestellt, daß dies nicht der Fall war und
daß in mehreren Fällen sogar sehr billig gekauft
wurde. Außerdem habe aber der Redner nicht einen
Kauf durchgeführt, den die Hauptleitung der Süd-
mark nicht vorher beschlossen und genehmigt hatte.
Redner schloß mit den Worten: Wir fügen der
deutschen Schule die deutsche Scholle bei und so be-
grüße ich namens der Hauptleitung die neue Mar-
burger Ortsgruppe; möge sie blühen und gedeihen
zum Nutzen und Heile unseres Volkes! (Stürmischer
Beifall.)

Obmann Herr v. Kramer besprach das
Mißtrauen, das alte deutsche Erbübel, welches sich
in manchen Kreisen auch hinsichtlch der Heimstatt
geltend mache. Der Deutsche Schulverein ist der
älteste deutsche Schutzverein. Nach ihm entstanden
auch andere deutsche Schutzvereine, die zuerst von
der Schulvereinsleitung mißtrauisch beobachtet wur-
den, bis unter Dr. Weitlof dann andere Anschau-
ungen Einkehr hielten. Auch die Südmark wurde
bei ihrem Entstehen angefeindet; nun kommt der
Verein Heimstatt an die Reihe. Persönlichkeiten,
welche auf Ministerstühle und Lloydpräsidentenposten
rechnen, werden allerdings gut daran tun, der Heim-
statt nicht beizutreten, um nicht ihrem Vorwärts-
kommen zu schaden. (Lebhafter Beifall.)

Lehrer Herr Gordon aus St. Egydi W.-B.
führte aus, daß der Cillier Beschluß der Südmark
[Spaltenumbruch] auf die Slowenen wie ein Zauberwort gewirkt habe.
Unsere nationalen Gegner jubelten auf, während
vorher angesichts der Fortschritte der Besiedelung
bei ihnen Niedergeschlagenheit herrschte. Seit dem
Cillier Beschluß, der uns auf Jahre zurückwarf,
rühren sich unsere Gegner an allen Ecken und Enden
und deshalb wurde gerade in St. Egydi die Grün-
dung der Heimstatt mit Freuden begrüßt; ihr traten
in St. Egydi sofort 100 Mitglieder bei. Redner
schilderte die intensive nationale Tätigkeit der slo-
wenischen Geistlichkeit und besprach dann die natio-
nal-strategisch und finanziell glückliche Besiedelungs-
arbeit des Südmark-Besiedelungsausschußob mannes
Herrn Fraiß. Mit welchen ungeheuren Mühen die
Tätigkeit des Herrn Fraiß verbunden war, davon
mache sich der, welcher diese Gebiete nicht kennt,
gar keine Vorstellung. Im schlechtesten Wetter, Tag
und Nacht war Herr Fraiß in diesem Hügellande
auf den Füßen und wenn er nachts totmüde in den
St. Egydier Südmarkhof kam, floß kein Wort der
Klage über alle diese anstrengenden Mühseligkeiten
von seinen Lippen. Das werde niemand Herrn Fraiß
nachahmen. Redner schloß mit den Worten: Wenn
einmal von Spielfeld bis Marburg alles Land deutsch
sein wird, dann brauchen wir keine Furcht mehr zu
hegen um die Zukunft von Marburg. (Großer Beifall.)

Südbahnbeamter Hr. Wagner besprach die na-
tionalen Verhältnisse in den Windischen Büheln,
wie sie vor Jahrzehnten waren, bis die fanatische,
nationale Agitation der slowenischen Kaplanokratie
einsetzte; als Illustrationsfaktum führte er an, daß,
als in Egydi, das damals noch in deutscher Ver-
waltung war, der damalige Bischof mit einem
Triumphbogen begrüßt wurde, auf dem sich eine
deutsche Inschrift befand, der slowenische Kaplan
zornerfüllt den frommen Christenwunsch ausstieß:
Auf der einen Seite (des Triumphbogens) soll man
den Fischereder, auf der anderen den v. Pistor
aufhängen!

Nachdem der Obmann v. Kramer das Schluß-
wort gesprochen hatte, in welchem er u. a. mitteilte,
daß der neuen Ortsgruppe bereits 150 Mitglieder
mit vier Gründerbriefen, sowie verschiedene Vereine
körperschaftlich beigetreten sind, schloß er mit einem
kräftigen Aufruf zur Arbeit die Gründungsver-
sammlung.




Eigenberichte.
(Einbruchsdiebstahl
in einem Gasthofe.)

Heute um 3 Uhr früh
wurde im Einkehrgasthofe des Herrn Martin Mur-
schetz in Zirknitz eingebrochen. Unbekannte Täter
rissen mit einem Heubaum und mit einer Schleuder-
kette von der Gartenseite das starkvergitterte Keller-
fenster heraus und gelangten so in das Gastzimmer,
woselbst sie die Schanktischlade mit einem Stemm-
eisen erbrachen und Geld und Zigarren stahlen.
Der Schaden beläuft sich auf zirka 50 Kronen. Zum
Glück kam um diese Zeit der Bruder des Gastwirtes
nach Hause, wodurch die Diebe verscheucht wurden




[Spaltenumbruch]

fährten. "Damen, namentlich aber junge Damen,
die einiges Vertrauen in ihre Körperstärke setzen,
lassen sich nur schwer überzeugen, daß mit Worten
nichts zu erreichen ist. Haben Sie das Stemmeisen?
Ich habe Brechstange und Hammer bei mir. Ich
denke, wir werden hier unser Dorado finden --
die letzte Kabine rechter Hand vom Heck des Schiffes".

Damit schritten die beiden dem kleinen Schlaf-
raume zu, der in früheren Jahren auf Segelschiffen
für die Passagiere erster Klasse genügen mu[ß]te und
der gegenwärtig Judith als Schlafzimmer diente,
während ein halbes Jahrhundert früher Leutnant
Milroy darin gestorben war. Das junge Mädchen
erhob keinen weiteren Einwand, sondern folgte den
beiden Männern und beobachtete an der Türschwelle
stehend ihr Treiben, während Lesbia in Leonards
Kabine schlich.

30.

Forschend ließ Reynell den Blick durch die
Kabine gleiten, die auf Schritt und Tritt verriet
daß hier ein weibliches Wesen ständigen Aufenthalt
habe. Judiths scharlachrote Bluse und blumenge-
schmückter Hut waren sorgsam oberhalb der Bett-
koje untergebracht und verschiedene Bestandteile
ihrer sonstigen geringen Garderobe hingen an
Nägeln herum, die man in das einst wirklich wert-
volle Wandgetäfel geschlagen hatte. Dieses be-
achteten die beiden Eindringlinge indessen nicht,
während das ganze Gefüge der Kabine ihre Auf-
merksamkeit umsomehr in Anspruch nahm. Ihre
Augen wanderten von der Decke bis zum Fußboden
[Spaltenumbruch] und dann wieder zurück, um die Seiten des kleinen
Raumes einer genauen Besichtigung zu unterziehen.

"Ich sehe hier keinerlei Schotten", bemerkte
Reynell, die geschriebene Weisung aus der Tasche
ziehend. "Nehmen wir die Beschreibung Wort für
Wort durch. Hier an Ort und Stelle werden wir
sie wohl besser verstehen".

Bartlett nahm das Papier an sich und über-
setzte langsam:

"Der aus ungefaßten Steinen bestehende Schatz
befindet sich in der Kabine, in der ich gegenwärtig
den Tod erwarte -- zu hinterst steuerbordwärts.
Wenn mein Tod unzweifelhaft feststeht, so suchen
Sie irgend einen Vorwand, um diese Kabine gegen
die Ihrige umzutauschen. Sobald sich Ihnen dann
die Gelegenheit dazu bietet, lösen Sie die vierte
Diele des Fußbodens -- von der Schiffsseite aus
gerechnet. Es wird Ihnen nicht ganz leicht fallen,
denn ich habe die Diele, die früher ganz lose lag,
mittelst einer Schraube befestigt. Unter dieser Diele
und einem Schott unter ihr befindet sich ein kleiner
Raum, in dem ich den Schatz untergebracht habe".

"Dies ist doch klar genug. Das Schott be-
sindet sich im eigentlichen Schiffsraum wohl, und
nicht in der Kabine. Also eins, zwei, drei, vier.
Dies ist die betreffende Diele, und ich will mich
hängen lassen, wenn die Schraube nicht noch
immer darin sitzt", bemerkte Reynell. "Wir wollen
uns aber nicht damit aufhalten, sie herauszuziehen,
sondern stemmen Sie die Diele mit dem Stemm-
eisen auf".


[Spaltenumbruch]

Bartlett brachte das bezeichnete Werkzeug aus
einer Innentasche seines Überzieher zum Vorschein;
doch statt es anzusetzen, reichte er es Reynell mit
dem kurzen Bemerken:

"Die Ehre gebührt Ihnen".

Reynell blickte ihn verwundert an und nahm
das Stemmeisen mit einem kurzen Auflachen an
sich. Im Türrahmen stehend, vermochte sich Judith
den kleinen Zwischenfall nicht zu erklären. Sollten
diese beiden Eindringlinge einander nicht trauen
und Bartlett nicht den Mut haben, seinem glatt-
züngigem Gefährten den Rücken zu kehren, wenn
er sich auf die Knie niederließ, um die Diele auf-
zustemmen?

"Wenn wir recht spitzfindig sein wollen, so
haben Sie vielleicht recht", sagte Reynell. "Stellen
Sie sich mit der Lampe da vor mich hin und
leuchten Sie mir; nur fallen Sie nicht über mich,
wenn der Glanz der kleinen Leuchtkäferchen Sie
blenden sollte".

Knirschend und splitternd stemmte sich der
Stahl gegen die Diele und mit aller Macht dagegen
drückend zwängte Reynell das Brett endlich zur
Seite. Beide Köpfe reckten sich, um in die Öffnung
zu spähen, die jetzt sichtbar wurde, wobei Bartlett
in lautloser Stille den Schein der elektrischen Lampe
in die Tiefe senkte. Endlich streckte Reynell die
Hand aus und sich tief bückend, tastete er die
Dielen innen rundherum ab, so weit sein Arm
nur reichte.

(Fortsetzung folgt.)


Marburger Zeitung Nr. 58. 14. Mai 1912

[Spaltenumbruch]

Haben wir nicht recht, wenn wir unſeren
Volksgenoſſen zurufen: Was Ihr bisher getan
habt, war nur ein guter Anfang, nicht mehr!
Greift mit voller Kraft zur Wehr, opfert mit
vollen Händen und mit ganzem Herzen, wenn Ihr
im Völkerringen beſtehen wollt!




Für die Beſiedelung.

Samstag abends fand in Marburg die Grün-
dungsverſammlung der Ortsgruppe Marburg des
Bodenſchutz- und Beſiedlungsvereines Heimſtatt ſtatt.
Der Verſammlungsſaal im Gaſthof zum Pilſner-
keller war dicht gefüllt, als namens der Einberufer
Südbahnaſſiſtent Herr Temm die Erſchienenen
begrüßte, darunter das Hauptleitungsmitglied Herrn
Fraiß, die Ortsgruppen von St. Egydi und
Pettau, ſowie die Vertreter verſchiedener Vereine
von Marburg und Brunndorf. Der Redner führte
aus, daß die Südmark infolge des klerikalen An-
ſturmes die Beſiedlungstätigkeit aufgegeben und dieſe
ſowie den Beſiedlungsleiter Herrn Fraiß den
Klerikalen geopfert habe. Infolge dieſes bei der vor-
jährigen Hauptverſammlung in Cilli gefaßten Be-
ſchluſſes auf Einſtellung neuer Beſiedlungstätigkeit
ſei es dringend notwendig geworden, daß eine neue
Schutzvereinigung dieſe Beſiedlung wieder fortführe.
Dieſe Arbeit will der Verein Heimſtatt auf ſich
nehmen. Die Slawiſierung der Aemter in Marburg
ſchreite ohnehin in bedenklichem Umfange vor und
wenn wir die Herſtellung des Zuſammenhanges mit
der deutſchen Mittelſteiermark gänzlich aufgeben,
wenn wir nicht St. Egydi halten und nicht Pöß-
nitz gewinnen, dann wird es in Marburg noch
ſchlimmer werden als bisher. Redner ſchloß mit den
Worten: Kein Fußbreit deutſchen Bodens darf uns
mehr verloren gehen.

Die Wahl der Ortsgruppenleitung hatte fol-
gendes Ergebnis: Obmann Privatier v. Kramer,
Obmannſtellvertreter Südbahnbeamter Vales,
Schriftführer k. k. Revident i. R. Weber, Zahl-
meiſter Südbahner Jellinek, Gſpaltl,
Wagner, Temm
und Seewann, Beiſitzer.

Mit lebhaftem Betfall begrüßt, erörterte nun
Hauptleitungsmitglied Herr Fraiß aus Graz die
Aufgaben der Heimſtatt. Er verwies auf den ge-
ſchichtlichen Prozeß, daß einſt die Deutſchen koloni-
ſatoriſch vordrangen, während gegenwärtig die Slawen
ins deutſche Gebiet ſich vordrängen. Die Südmark
rang ſich deshalb zu dem Gedanken durch, der den
Männern der Gründung ſchon vorſchwebte, daß der
Angriff die beſte Verteidigung ſei. Deshalb wurde
auch bei der Hauptverſammlung im Jahre 1905 mit
der bisherigen Trinkgelderwirtſchaft gebrochen und
eine planmäßige Beſiedelung beſchloſſen. Die Arbeit,
aber auch die Verantwortung wurde dem Redner
übertragen. Anfangs war die Beſiedlungsarbeit ſehr
ſchwer, denn es fehlte uns jede koloniſatoriſche Er-
fahrung. Im Jahre 1908 aber gings dann mit
einem gewaltigen Ruck vorwärts, zugleich aber ſetzte
eine Agitation gegen die Beſiedlung ein, welche von
außen ſtammte, von den Klerikalen, die dann aber
[Spaltenumbruch] in die Südmark ſelbſt eindrang und im Vorjahre
zu dem Beſchluſſe führte, die weitere Beſiedlungs-
tätigkeit einzuſtellen. Mittlerweile ſei allerdings ein
Umſchwung eingetreten und man ſage jetzt, daß die
Beſiedlung ſpäterhin, wenn mehr Mittel vorhanden
ſind, wieder aufgenommen werden ſolle. Wenn dies
wirklich geſchehen ſollte, dann werden wir, ſo ſagte
der Redner, zweiſpännig fahren, ſtatt einſpännig wie
bisher. Wir wollen auch nicht gegen, ſondern mit
der Südmark arbeiten; dieſe wird wohl auch uns
gegenüber eine freundliche Haltung einnehmen, da
ſie ja auch der klerikalen Oſtmark gegenüber Gewehr
bei Fuß ſteht.

Der Redner ſchilderte ſodann die Lage Mar-
burgs, welches durch einen mehrſtundenbreiten ſla-
wiſchen Gürtel vom deutſchen Mittellande abge-
ſchloſſen iſt. Die Städte wachſen nicht aus ſich heraus,
ſondern durch den Zuzug vom Lande und wenn
Marburg fortwährend ſlawiſchen Zuzug erhält, dann
muß dieſer einmal das Deutſchtum der Stadt er-
drücken. Und darum gibt es für Marburg keine
wichtigere Frage, als die der Beſiedelung, der Her-
ſtellung des unmittelbaren nationalen Zuſammen-
hanges mit der deutſchen Mittelſteiermark. Jetzt ſei
ohnehin ſchon von Spielfeld an der Zug nach Graz
weit ſtärker, als jener nach Marburg. Der im
Jahre 1905 aufgeſtellte Plan war, jenen Gürtel,
der Marburg vom deutſchen Hinterlade trennt, durch
Beſiedelung zu verdeutſchen, ferners auch drauauf-
wärts bis Mahrenberg zu beſiedeln. Von dieſen
Plänen wurden große Stücke vollendet. Man habe
dem Redner vorgeworfen, daß er Land zu teuer ge-
kauft habe. Nach jener Cillier Verſammlung habe
aber eine Kommiſſion der Südmark an Ort und
Stelle feſtgeſtellt, daß dies nicht der Fall war und
daß in mehreren Fällen ſogar ſehr billig gekauft
wurde. Außerdem habe aber der Redner nicht einen
Kauf durchgeführt, den die Hauptleitung der Süd-
mark nicht vorher beſchloſſen und genehmigt hatte.
Redner ſchloß mit den Worten: Wir fügen der
deutſchen Schule die deutſche Scholle bei und ſo be-
grüße ich namens der Hauptleitung die neue Mar-
burger Ortsgruppe; möge ſie blühen und gedeihen
zum Nutzen und Heile unſeres Volkes! (Stürmiſcher
Beifall.)

Obmann Herr v. Kramer beſprach das
Mißtrauen, das alte deutſche Erbübel, welches ſich
in manchen Kreiſen auch hinſichtlch der Heimſtatt
geltend mache. Der Deutſche Schulverein iſt der
älteſte deutſche Schutzverein. Nach ihm entſtanden
auch andere deutſche Schutzvereine, die zuerſt von
der Schulvereinsleitung mißtrauiſch beobachtet wur-
den, bis unter Dr. Weitlof dann andere Anſchau-
ungen Einkehr hielten. Auch die Südmark wurde
bei ihrem Entſtehen angefeindet; nun kommt der
Verein Heimſtatt an die Reihe. Perſönlichkeiten,
welche auf Miniſterſtühle und Lloydpräſidentenpoſten
rechnen, werden allerdings gut daran tun, der Heim-
ſtatt nicht beizutreten, um nicht ihrem Vorwärts-
kommen zu ſchaden. (Lebhafter Beifall.)

Lehrer Herr Gordon aus St. Egydi W.-B.
führte aus, daß der Cillier Beſchluß der Südmark
[Spaltenumbruch] auf die Slowenen wie ein Zauberwort gewirkt habe.
Unſere nationalen Gegner jubelten auf, während
vorher angeſichts der Fortſchritte der Beſiedelung
bei ihnen Niedergeſchlagenheit herrſchte. Seit dem
Cillier Beſchluß, der uns auf Jahre zurückwarf,
rühren ſich unſere Gegner an allen Ecken und Enden
und deshalb wurde gerade in St. Egydi die Grün-
dung der Heimſtatt mit Freuden begrüßt; ihr traten
in St. Egydi ſofort 100 Mitglieder bei. Redner
ſchilderte die intenſive nationale Tätigkeit der ſlo-
weniſchen Geiſtlichkeit und beſprach dann die natio-
nal-ſtrategiſch und finanziell glückliche Beſiedelungs-
arbeit des Südmark-Beſiedelungsausſchußob mannes
Herrn Fraiß. Mit welchen ungeheuren Mühen die
Tätigkeit des Herrn Fraiß verbunden war, davon
mache ſich der, welcher dieſe Gebiete nicht kennt,
gar keine Vorſtellung. Im ſchlechteſten Wetter, Tag
und Nacht war Herr Fraiß in dieſem Hügellande
auf den Füßen und wenn er nachts totmüde in den
St. Egydier Südmarkhof kam, floß kein Wort der
Klage über alle dieſe anſtrengenden Mühſeligkeiten
von ſeinen Lippen. Das werde niemand Herrn Fraiß
nachahmen. Redner ſchloß mit den Worten: Wenn
einmal von Spielfeld bis Marburg alles Land deutſch
ſein wird, dann brauchen wir keine Furcht mehr zu
hegen um die Zukunft von Marburg. (Großer Beifall.)

Südbahnbeamter Hr. Wagner beſprach die na-
tionalen Verhältniſſe in den Windiſchen Büheln,
wie ſie vor Jahrzehnten waren, bis die fanatiſche,
nationale Agitation der ſloweniſchen Kaplanokratie
einſetzte; als Illuſtrationsfaktum führte er an, daß,
als in Egydi, das damals noch in deutſcher Ver-
waltung war, der damalige Biſchof mit einem
Triumphbogen begrüßt wurde, auf dem ſich eine
deutſche Inſchrift befand, der ſloweniſche Kaplan
zornerfüllt den frommen Chriſtenwunſch ausſtieß:
Auf der einen Seite (des Triumphbogens) ſoll man
den Fiſchereder, auf der anderen den v. Piſtor
aufhängen!

Nachdem der Obmann v. Kramer das Schluß-
wort geſprochen hatte, in welchem er u. a. mitteilte,
daß der neuen Ortsgruppe bereits 150 Mitglieder
mit vier Gründerbriefen, ſowie verſchiedene Vereine
körperſchaftlich beigetreten ſind, ſchloß er mit einem
kräftigen Aufruf zur Arbeit die Gründungsver-
ſammlung.




Eigenberichte.
(Einbruchsdiebſtahl
in einem Gaſthofe.)

Heute um 3 Uhr früh
wurde im Einkehrgaſthofe des Herrn Martin Mur-
ſchetz in Zirknitz eingebrochen. Unbekannte Täter
riſſen mit einem Heubaum und mit einer Schleuder-
kette von der Gartenſeite das ſtarkvergitterte Keller-
fenſter heraus und gelangten ſo in das Gaſtzimmer,
woſelbſt ſie die Schanktiſchlade mit einem Stemm-
eiſen erbrachen und Geld und Zigarren ſtahlen.
Der Schaden beläuft ſich auf zirka 50 Kronen. Zum
Glück kam um dieſe Zeit der Bruder des Gaſtwirtes
nach Hauſe, wodurch die Diebe verſcheucht wurden




[Spaltenumbruch]

fährten. „Damen, namentlich aber junge Damen,
die einiges Vertrauen in ihre Körperſtärke ſetzen,
laſſen ſich nur ſchwer überzeugen, daß mit Worten
nichts zu erreichen iſt. Haben Sie das Stemmeiſen?
Ich habe Brechſtange und Hammer bei mir. Ich
denke, wir werden hier unſer Dorado finden —
die letzte Kabine rechter Hand vom Heck des Schiffes“.

Damit ſchritten die beiden dem kleinen Schlaf-
raume zu, der in früheren Jahren auf Segelſchiffen
für die Paſſagiere erſter Klaſſe genügen mu[ß]te und
der gegenwärtig Judith als Schlafzimmer diente,
während ein halbes Jahrhundert früher Leutnant
Milroy darin geſtorben war. Das junge Mädchen
erhob keinen weiteren Einwand, ſondern folgte den
beiden Männern und beobachtete an der Türſchwelle
ſtehend ihr Treiben, während Lesbia in Leonards
Kabine ſchlich.

30.

Forſchend ließ Reynell den Blick durch die
Kabine gleiten, die auf Schritt und Tritt verriet
daß hier ein weibliches Weſen ſtändigen Aufenthalt
habe. Judiths ſcharlachrote Bluſe und blumenge-
ſchmückter Hut waren ſorgſam oberhalb der Bett-
koje untergebracht und verſchiedene Beſtandteile
ihrer ſonſtigen geringen Garderobe hingen an
Nägeln herum, die man in das einſt wirklich wert-
volle Wandgetäfel geſchlagen hatte. Dieſes be-
achteten die beiden Eindringlinge indeſſen nicht,
während das ganze Gefüge der Kabine ihre Auf-
merkſamkeit umſomehr in Anſpruch nahm. Ihre
Augen wanderten von der Decke bis zum Fußboden
[Spaltenumbruch] und dann wieder zurück, um die Seiten des kleinen
Raumes einer genauen Beſichtigung zu unterziehen.

„Ich ſehe hier keinerlei Schotten“, bemerkte
Reynell, die geſchriebene Weiſung aus der Taſche
ziehend. „Nehmen wir die Beſchreibung Wort für
Wort durch. Hier an Ort und Stelle werden wir
ſie wohl beſſer verſtehen“.

Bartlett nahm das Papier an ſich und über-
ſetzte langſam:

„Der aus ungefaßten Steinen beſtehende Schatz
befindet ſich in der Kabine, in der ich gegenwärtig
den Tod erwarte — zu hinterſt ſteuerbordwärts.
Wenn mein Tod unzweifelhaft feſtſteht, ſo ſuchen
Sie irgend einen Vorwand, um dieſe Kabine gegen
die Ihrige umzutauſchen. Sobald ſich Ihnen dann
die Gelegenheit dazu bietet, löſen Sie die vierte
Diele des Fußbodens — von der Schiffsſeite aus
gerechnet. Es wird Ihnen nicht ganz leicht fallen,
denn ich habe die Diele, die früher ganz loſe lag,
mittelſt einer Schraube befeſtigt. Unter dieſer Diele
und einem Schott unter ihr befindet ſich ein kleiner
Raum, in dem ich den Schatz untergebracht habe“.

„Dies iſt doch klar genug. Das Schott be-
ſindet ſich im eigentlichen Schiffsraum wohl, und
nicht in der Kabine. Alſo eins, zwei, drei, vier.
Dies iſt die betreffende Diele, und ich will mich
hängen laſſen, wenn die Schraube nicht noch
immer darin ſitzt“, bemerkte Reynell. „Wir wollen
uns aber nicht damit aufhalten, ſie herauszuziehen,
ſondern ſtemmen Sie die Diele mit dem Stemm-
eiſen auf“.


[Spaltenumbruch]

Bartlett brachte das bezeichnete Werkzeug aus
einer Innentaſche ſeines Überzieher zum Vorſchein;
doch ſtatt es anzuſetzen, reichte er es Reynell mit
dem kurzen Bemerken:

„Die Ehre gebührt Ihnen“.

Reynell blickte ihn verwundert an und nahm
das Stemmeiſen mit einem kurzen Auflachen an
ſich. Im Türrahmen ſtehend, vermochte ſich Judith
den kleinen Zwiſchenfall nicht zu erklären. Sollten
dieſe beiden Eindringlinge einander nicht trauen
und Bartlett nicht den Mut haben, ſeinem glatt-
züngigem Gefährten den Rücken zu kehren, wenn
er ſich auf die Knie niederließ, um die Diele auf-
zuſtemmen?

„Wenn wir recht ſpitzfindig ſein wollen, ſo
haben Sie vielleicht recht“, ſagte Reynell. „Stellen
Sie ſich mit der Lampe da vor mich hin und
leuchten Sie mir; nur fallen Sie nicht über mich,
wenn der Glanz der kleinen Leuchtkäferchen Sie
blenden ſollte“.

Knirſchend und ſplitternd ſtemmte ſich der
Stahl gegen die Diele und mit aller Macht dagegen
drückend zwängte Reynell das Brett endlich zur
Seite. Beide Köpfe reckten ſich, um in die Öffnung
zu ſpähen, die jetzt ſichtbar wurde, wobei Bartlett
in lautloſer Stille den Schein der elektriſchen Lampe
in die Tiefe ſenkte. Endlich ſtreckte Reynell die
Hand aus und ſich tief bückend, taſtete er die
Dielen innen rundherum ab, ſo weit ſein Arm
nur reichte.

(Fortſetzung folgt.)


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St. Egydier Südmarkhof kam, floß kein Wort der<lb/>
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[2/0002] Marburger Zeitung Nr. 58. 14. Mai 1912 Haben wir nicht recht, wenn wir unſeren Volksgenoſſen zurufen: Was Ihr bisher getan habt, war nur ein guter Anfang, nicht mehr! Greift mit voller Kraft zur Wehr, opfert mit vollen Händen und mit ganzem Herzen, wenn Ihr im Völkerringen beſtehen wollt! Für die Beſiedelung. Samstag abends fand in Marburg die Grün- dungsverſammlung der Ortsgruppe Marburg des Bodenſchutz- und Beſiedlungsvereines Heimſtatt ſtatt. Der Verſammlungsſaal im Gaſthof zum Pilſner- keller war dicht gefüllt, als namens der Einberufer Südbahnaſſiſtent Herr Temm die Erſchienenen begrüßte, darunter das Hauptleitungsmitglied Herrn Fraiß, die Ortsgruppen von St. Egydi und Pettau, ſowie die Vertreter verſchiedener Vereine von Marburg und Brunndorf. Der Redner führte aus, daß die Südmark infolge des klerikalen An- ſturmes die Beſiedlungstätigkeit aufgegeben und dieſe ſowie den Beſiedlungsleiter Herrn Fraiß den Klerikalen geopfert habe. Infolge dieſes bei der vor- jährigen Hauptverſammlung in Cilli gefaßten Be- ſchluſſes auf Einſtellung neuer Beſiedlungstätigkeit ſei es dringend notwendig geworden, daß eine neue Schutzvereinigung dieſe Beſiedlung wieder fortführe. Dieſe Arbeit will der Verein Heimſtatt auf ſich nehmen. Die Slawiſierung der Aemter in Marburg ſchreite ohnehin in bedenklichem Umfange vor und wenn wir die Herſtellung des Zuſammenhanges mit der deutſchen Mittelſteiermark gänzlich aufgeben, wenn wir nicht St. Egydi halten und nicht Pöß- nitz gewinnen, dann wird es in Marburg noch ſchlimmer werden als bisher. Redner ſchloß mit den Worten: Kein Fußbreit deutſchen Bodens darf uns mehr verloren gehen. Die Wahl der Ortsgruppenleitung hatte fol- gendes Ergebnis: Obmann Privatier v. Kramer, Obmannſtellvertreter Südbahnbeamter Vales, Schriftführer k. k. Revident i. R. Weber, Zahl- meiſter Südbahner Jellinek, Gſpaltl, Wagner, Temm und Seewann, Beiſitzer. Mit lebhaftem Betfall begrüßt, erörterte nun Hauptleitungsmitglied Herr Fraiß aus Graz die Aufgaben der Heimſtatt. Er verwies auf den ge- ſchichtlichen Prozeß, daß einſt die Deutſchen koloni- ſatoriſch vordrangen, während gegenwärtig die Slawen ins deutſche Gebiet ſich vordrängen. Die Südmark rang ſich deshalb zu dem Gedanken durch, der den Männern der Gründung ſchon vorſchwebte, daß der Angriff die beſte Verteidigung ſei. Deshalb wurde auch bei der Hauptverſammlung im Jahre 1905 mit der bisherigen Trinkgelderwirtſchaft gebrochen und eine planmäßige Beſiedelung beſchloſſen. Die Arbeit, aber auch die Verantwortung wurde dem Redner übertragen. Anfangs war die Beſiedlungsarbeit ſehr ſchwer, denn es fehlte uns jede koloniſatoriſche Er- fahrung. Im Jahre 1908 aber gings dann mit einem gewaltigen Ruck vorwärts, zugleich aber ſetzte eine Agitation gegen die Beſiedlung ein, welche von außen ſtammte, von den Klerikalen, die dann aber in die Südmark ſelbſt eindrang und im Vorjahre zu dem Beſchluſſe führte, die weitere Beſiedlungs- tätigkeit einzuſtellen. Mittlerweile ſei allerdings ein Umſchwung eingetreten und man ſage jetzt, daß die Beſiedlung ſpäterhin, wenn mehr Mittel vorhanden ſind, wieder aufgenommen werden ſolle. Wenn dies wirklich geſchehen ſollte, dann werden wir, ſo ſagte der Redner, zweiſpännig fahren, ſtatt einſpännig wie bisher. Wir wollen auch nicht gegen, ſondern mit der Südmark arbeiten; dieſe wird wohl auch uns gegenüber eine freundliche Haltung einnehmen, da ſie ja auch der klerikalen Oſtmark gegenüber Gewehr bei Fuß ſteht. Der Redner ſchilderte ſodann die Lage Mar- burgs, welches durch einen mehrſtundenbreiten ſla- wiſchen Gürtel vom deutſchen Mittellande abge- ſchloſſen iſt. Die Städte wachſen nicht aus ſich heraus, ſondern durch den Zuzug vom Lande und wenn Marburg fortwährend ſlawiſchen Zuzug erhält, dann muß dieſer einmal das Deutſchtum der Stadt er- drücken. Und darum gibt es für Marburg keine wichtigere Frage, als die der Beſiedelung, der Her- ſtellung des unmittelbaren nationalen Zuſammen- hanges mit der deutſchen Mittelſteiermark. Jetzt ſei ohnehin ſchon von Spielfeld an der Zug nach Graz weit ſtärker, als jener nach Marburg. Der im Jahre 1905 aufgeſtellte Plan war, jenen Gürtel, der Marburg vom deutſchen Hinterlade trennt, durch Beſiedelung zu verdeutſchen, ferners auch drauauf- wärts bis Mahrenberg zu beſiedeln. Von dieſen Plänen wurden große Stücke vollendet. Man habe dem Redner vorgeworfen, daß er Land zu teuer ge- kauft habe. Nach jener Cillier Verſammlung habe aber eine Kommiſſion der Südmark an Ort und Stelle feſtgeſtellt, daß dies nicht der Fall war und daß in mehreren Fällen ſogar ſehr billig gekauft wurde. Außerdem habe aber der Redner nicht einen Kauf durchgeführt, den die Hauptleitung der Süd- mark nicht vorher beſchloſſen und genehmigt hatte. Redner ſchloß mit den Worten: Wir fügen der deutſchen Schule die deutſche Scholle bei und ſo be- grüße ich namens der Hauptleitung die neue Mar- burger Ortsgruppe; möge ſie blühen und gedeihen zum Nutzen und Heile unſeres Volkes! (Stürmiſcher Beifall.) Obmann Herr v. Kramer beſprach das Mißtrauen, das alte deutſche Erbübel, welches ſich in manchen Kreiſen auch hinſichtlch der Heimſtatt geltend mache. Der Deutſche Schulverein iſt der älteſte deutſche Schutzverein. Nach ihm entſtanden auch andere deutſche Schutzvereine, die zuerſt von der Schulvereinsleitung mißtrauiſch beobachtet wur- den, bis unter Dr. Weitlof dann andere Anſchau- ungen Einkehr hielten. Auch die Südmark wurde bei ihrem Entſtehen angefeindet; nun kommt der Verein Heimſtatt an die Reihe. Perſönlichkeiten, welche auf Miniſterſtühle und Lloydpräſidentenpoſten rechnen, werden allerdings gut daran tun, der Heim- ſtatt nicht beizutreten, um nicht ihrem Vorwärts- kommen zu ſchaden. (Lebhafter Beifall.) Lehrer Herr Gordon aus St. Egydi W.-B. führte aus, daß der Cillier Beſchluß der Südmark auf die Slowenen wie ein Zauberwort gewirkt habe. Unſere nationalen Gegner jubelten auf, während vorher angeſichts der Fortſchritte der Beſiedelung bei ihnen Niedergeſchlagenheit herrſchte. Seit dem Cillier Beſchluß, der uns auf Jahre zurückwarf, rühren ſich unſere Gegner an allen Ecken und Enden und deshalb wurde gerade in St. Egydi die Grün- dung der Heimſtatt mit Freuden begrüßt; ihr traten in St. Egydi ſofort 100 Mitglieder bei. Redner ſchilderte die intenſive nationale Tätigkeit der ſlo- weniſchen Geiſtlichkeit und beſprach dann die natio- nal-ſtrategiſch und finanziell glückliche Beſiedelungs- arbeit des Südmark-Beſiedelungsausſchußob mannes Herrn Fraiß. Mit welchen ungeheuren Mühen die Tätigkeit des Herrn Fraiß verbunden war, davon mache ſich der, welcher dieſe Gebiete nicht kennt, gar keine Vorſtellung. Im ſchlechteſten Wetter, Tag und Nacht war Herr Fraiß in dieſem Hügellande auf den Füßen und wenn er nachts totmüde in den St. Egydier Südmarkhof kam, floß kein Wort der Klage über alle dieſe anſtrengenden Mühſeligkeiten von ſeinen Lippen. Das werde niemand Herrn Fraiß nachahmen. Redner ſchloß mit den Worten: Wenn einmal von Spielfeld bis Marburg alles Land deutſch ſein wird, dann brauchen wir keine Furcht mehr zu hegen um die Zukunft von Marburg. (Großer Beifall.) Südbahnbeamter Hr. Wagner beſprach die na- tionalen Verhältniſſe in den Windiſchen Büheln, wie ſie vor Jahrzehnten waren, bis die fanatiſche, nationale Agitation der ſloweniſchen Kaplanokratie einſetzte; als Illuſtrationsfaktum führte er an, daß, als in Egydi, das damals noch in deutſcher Ver- waltung war, der damalige Biſchof mit einem Triumphbogen begrüßt wurde, auf dem ſich eine deutſche Inſchrift befand, der ſloweniſche Kaplan zornerfüllt den frommen Chriſtenwunſch ausſtieß: Auf der einen Seite (des Triumphbogens) ſoll man den Fiſchereder, auf der anderen den v. Piſtor aufhängen! Nachdem der Obmann v. Kramer das Schluß- wort geſprochen hatte, in welchem er u. a. mitteilte, daß der neuen Ortsgruppe bereits 150 Mitglieder mit vier Gründerbriefen, ſowie verſchiedene Vereine körperſchaftlich beigetreten ſind, ſchloß er mit einem kräftigen Aufruf zur Arbeit die Gründungsver- ſammlung. Eigenberichte. Zirknitz, 13. Mai. (Einbruchsdiebſtahl in einem Gaſthofe.) Heute um 3 Uhr früh wurde im Einkehrgaſthofe des Herrn Martin Mur- ſchetz in Zirknitz eingebrochen. Unbekannte Täter riſſen mit einem Heubaum und mit einer Schleuder- kette von der Gartenſeite das ſtarkvergitterte Keller- fenſter heraus und gelangten ſo in das Gaſtzimmer, woſelbſt ſie die Schanktiſchlade mit einem Stemm- eiſen erbrachen und Geld und Zigarren ſtahlen. Der Schaden beläuft ſich auf zirka 50 Kronen. Zum Glück kam um dieſe Zeit der Bruder des Gaſtwirtes nach Hauſe, wodurch die Diebe verſcheucht wurden fährten. „Damen, namentlich aber junge Damen, die einiges Vertrauen in ihre Körperſtärke ſetzen, laſſen ſich nur ſchwer überzeugen, daß mit Worten nichts zu erreichen iſt. Haben Sie das Stemmeiſen? Ich habe Brechſtange und Hammer bei mir. Ich denke, wir werden hier unſer Dorado finden — die letzte Kabine rechter Hand vom Heck des Schiffes“. Damit ſchritten die beiden dem kleinen Schlaf- raume zu, der in früheren Jahren auf Segelſchiffen für die Paſſagiere erſter Klaſſe genügen mußte und der gegenwärtig Judith als Schlafzimmer diente, während ein halbes Jahrhundert früher Leutnant Milroy darin geſtorben war. Das junge Mädchen erhob keinen weiteren Einwand, ſondern folgte den beiden Männern und beobachtete an der Türſchwelle ſtehend ihr Treiben, während Lesbia in Leonards Kabine ſchlich. 30. Forſchend ließ Reynell den Blick durch die Kabine gleiten, die auf Schritt und Tritt verriet daß hier ein weibliches Weſen ſtändigen Aufenthalt habe. Judiths ſcharlachrote Bluſe und blumenge- ſchmückter Hut waren ſorgſam oberhalb der Bett- koje untergebracht und verſchiedene Beſtandteile ihrer ſonſtigen geringen Garderobe hingen an Nägeln herum, die man in das einſt wirklich wert- volle Wandgetäfel geſchlagen hatte. Dieſes be- achteten die beiden Eindringlinge indeſſen nicht, während das ganze Gefüge der Kabine ihre Auf- merkſamkeit umſomehr in Anſpruch nahm. Ihre Augen wanderten von der Decke bis zum Fußboden und dann wieder zurück, um die Seiten des kleinen Raumes einer genauen Beſichtigung zu unterziehen. „Ich ſehe hier keinerlei Schotten“, bemerkte Reynell, die geſchriebene Weiſung aus der Taſche ziehend. „Nehmen wir die Beſchreibung Wort für Wort durch. Hier an Ort und Stelle werden wir ſie wohl beſſer verſtehen“. Bartlett nahm das Papier an ſich und über- ſetzte langſam: „Der aus ungefaßten Steinen beſtehende Schatz befindet ſich in der Kabine, in der ich gegenwärtig den Tod erwarte — zu hinterſt ſteuerbordwärts. Wenn mein Tod unzweifelhaft feſtſteht, ſo ſuchen Sie irgend einen Vorwand, um dieſe Kabine gegen die Ihrige umzutauſchen. Sobald ſich Ihnen dann die Gelegenheit dazu bietet, löſen Sie die vierte Diele des Fußbodens — von der Schiffsſeite aus gerechnet. Es wird Ihnen nicht ganz leicht fallen, denn ich habe die Diele, die früher ganz loſe lag, mittelſt einer Schraube befeſtigt. Unter dieſer Diele und einem Schott unter ihr befindet ſich ein kleiner Raum, in dem ich den Schatz untergebracht habe“. „Dies iſt doch klar genug. Das Schott be- ſindet ſich im eigentlichen Schiffsraum wohl, und nicht in der Kabine. Alſo eins, zwei, drei, vier. Dies iſt die betreffende Diele, und ich will mich hängen laſſen, wenn die Schraube nicht noch immer darin ſitzt“, bemerkte Reynell. „Wir wollen uns aber nicht damit aufhalten, ſie herauszuziehen, ſondern ſtemmen Sie die Diele mit dem Stemm- eiſen auf“. Bartlett brachte das bezeichnete Werkzeug aus einer Innentaſche ſeines Überzieher zum Vorſchein; doch ſtatt es anzuſetzen, reichte er es Reynell mit dem kurzen Bemerken: „Die Ehre gebührt Ihnen“. Reynell blickte ihn verwundert an und nahm das Stemmeiſen mit einem kurzen Auflachen an ſich. Im Türrahmen ſtehend, vermochte ſich Judith den kleinen Zwiſchenfall nicht zu erklären. Sollten dieſe beiden Eindringlinge einander nicht trauen und Bartlett nicht den Mut haben, ſeinem glatt- züngigem Gefährten den Rücken zu kehren, wenn er ſich auf die Knie niederließ, um die Diele auf- zuſtemmen? „Wenn wir recht ſpitzfindig ſein wollen, ſo haben Sie vielleicht recht“, ſagte Reynell. „Stellen Sie ſich mit der Lampe da vor mich hin und leuchten Sie mir; nur fallen Sie nicht über mich, wenn der Glanz der kleinen Leuchtkäferchen Sie blenden ſollte“. Knirſchend und ſplitternd ſtemmte ſich der Stahl gegen die Diele und mit aller Macht dagegen drückend zwängte Reynell das Brett endlich zur Seite. Beide Köpfe reckten ſich, um in die Öffnung zu ſpähen, die jetzt ſichtbar wurde, wobei Bartlett in lautloſer Stille den Schein der elektriſchen Lampe in die Tiefe ſenkte. Endlich ſtreckte Reynell die Hand aus und ſich tief bückend, taſtete er die Dielen innen rundherum ab, ſo weit ſein Arm nur reichte. (Fortſetzung folgt.)

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Zitationshilfe: Marburger Zeitung. Nr. 58, Marburg, 14.05.1912, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_marburger58_1912/2>, abgerufen am 21.11.2024.