Marburger Zeitung. Nr. 85, Marburg, 16.07.1908.Marburger Zeitung Nr. 85, 16. Juli 1908 [Spaltenumbruch] Politische Umschau. Das neue Preßgesetz. In der vorgestrigen Sitzung des parlamentari- Aufbesserung der Staatsdiener. Der Budgetausschuß ging vorgestern in die Das Reservisteugesetz. In rascher Folge erledigte das Abgeordneten- Alters- und Invaliditätsversicherung. Der Minister des Innern hat vor einigen Die Mariazeller Roten. Im 7. schlesischen Wahlkreise fand die durch Die "Wunderheilungen" in Lourdes. Ein aufgedeckter Schwindel. In einem vom Papste approbierten Werke "Zwei alte und tiefe Durchlöcherungen Eine Photographie der Geheilten und eine Dazu schreibt nun Herr Dr. Theodor Engert, "Fragen wir nun in Metz über den Tatbestand Die genannte (katholische!) Zeitschrift warnt Eigenberichte. Straß, 14. Juli. (Hagelwetter.) Um Leutschach, 14. Juli. (Hagel- und Blitzschlag.) Heute mittags ging hier ein äußerst [Spaltenumbruch] "Wurde gestern beim Mittagessen der Herr- "Rebhuhn? Nein, Herr Staatsanwalt, gestern "Wird im Schlosse eine fremdländische Zeitung Der Diener sann einen Augenblick nach und "Und die, andere?" "Dann kommt noch eine andere mit Bildern, "Befindet sich vielleicht unter dem Makulatur "Ich glaube nicht, die gnädige Frau läßt sie "Also, Frau Mertens hält diese Zeitung?" "Der Ludwig hat sie immer zuerst der gnädigen "Sie können gehen". Und der Untersuchungsrichter, welcher Zeuge [Spaltenumbruch] "Auch ich halte sie für unumgänglich nötig. "Ich habe zwei Depeschen an den Herrn "Das bin ich". Der Bote händigte die Telegramme aus. "Hier vom Polizei-Kommissariat!" las Fröbus, "Wir werden auf dem Bahnhof Nachfrage "Das weitere wird sich nach Öffnung des Sie gingen ins Schloß zurück und ließen ihre Nach wenigen Augenblicken erschien ihr Diener In Begleitung des Sekretärs traten sie ein. "Es bedarf keiner Versicherung, gnädigste Frau", (Fortsetzung folgt.) Marburger Zeitung Nr. 85, 16. Juli 1908 [Spaltenumbruch] Politiſche Umſchau. Das neue Preßgeſetz. In der vorgeſtrigen Sitzung des parlamentari- Aufbeſſerung der Staatsdiener. Der Budgetausſchuß ging vorgeſtern in die Das Reſerviſteugeſetz. In raſcher Folge erledigte das Abgeordneten- Alters- und Invaliditätsverſicherung. Der Miniſter des Innern hat vor einigen Die Mariazeller Roten. Im 7. ſchleſiſchen Wahlkreiſe fand die durch Die „Wunderheilungen“ in Lourdes. Ein aufgedeckter Schwindel. In einem vom Papſte approbierten Werke „Zwei alte und tiefe Durchlöcherungen Eine Photographie der Geheilten und eine Dazu ſchreibt nun Herr Dr. Theodor Engert, „Fragen wir nun in Metz über den Tatbeſtand Die genannte (katholiſche!) Zeitſchrift warnt Eigenberichte. Straß, 14. Juli. (Hagelwetter.) Um Leutſchach, 14. Juli. (Hagel- und Blitzſchlag.) Heute mittags ging hier ein äußerſt [Spaltenumbruch] „Wurde geſtern beim Mittageſſen der Herr- „Rebhuhn? Nein, Herr Staatsanwalt, geſtern „Wird im Schloſſe eine fremdländiſche Zeitung Der Diener ſann einen Augenblick nach und „Und die, andere?“ „Dann kommt noch eine andere mit Bildern, „Befindet ſich vielleicht unter dem Makulatur „Ich glaube nicht, die gnädige Frau läßt ſie „Alſo, Frau Mertens hält dieſe Zeitung?“ „Der Ludwig hat ſie immer zuerſt der gnädigen „Sie können gehen“. Und der Unterſuchungsrichter, welcher Zeuge [Spaltenumbruch] „Auch ich halte ſie für unumgänglich nötig. „Ich habe zwei Depeſchen an den Herrn „Das bin ich“. Der Bote händigte die Telegramme aus. „Hier vom Polizei-Kommiſſariat!“ las Fröbus, „Wir werden auf dem Bahnhof Nachfrage „Das weitere wird ſich nach Öffnung des Sie gingen ins Schloß zurück und ließen ihre Nach wenigen Augenblicken erſchien ihr Diener In Begleitung des Sekretärs traten ſie ein. „Es bedarf keiner Verſicherung, gnädigſte Frau“, (Fortſetzung folgt.) <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0002" n="2"/> <fw place="top" type="header">Marburger Zeitung Nr. 85, 16. Juli 1908</fw><lb/> <cb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <head> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#b">Politiſche Umſchau.</hi> </hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Das neue Preßgeſetz.</hi> </head><lb/> <p>In der vorgeſtrigen Sitzung des parlamentari-<lb/> ſchen Preßausſchuſſes erhielt das vom Referenten<lb/> Dr. Skedl aufgeſtellte Prinzip, die Kompetenz in<lb/> Preßdelikten <hi rendition="#g">teils</hi> den <hi rendition="#g">Schwurgerichten,<lb/> teils</hi> den neu zu ſchaffenden <hi rendition="#g">Schöffen-<lb/> gerichten</hi> anzuvertrauen, die Mehrheit. Referent<lb/> Dr. Skedl beantragte, die Gerichtshöfe erſter<lb/> Inſtanz als Schöffengerichte inbezug auf die Ver-<lb/> gehen gegen die Sicherheit der Ehre mit Aus-<lb/> nahme der im Abſatz 1 des Artikels 5 des Geſetzes<lb/> vom 17. 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Der<lb/> Betrag von 18 Millionen verteilt ſich in der Weiſe,<lb/> daß die Maßnahmen für die <hi rendition="#g">Amtsdiener,<lb/> Kanzleioffizianten u. -Offiziantinnen,</hi><lb/> alſo Dienſteskategorien, an denen alle Reſſorts be-<lb/> teiligt ſind, 2·3 Millionen erfordern; für die<lb/> Aktion des <hi rendition="#g">Handelsminiſteriums</hi> werden<lb/> 4·4 Millionen, für jene des Miniſteriums des<lb/><hi rendition="#g">Innern</hi> 2 Millionen, für die des <hi rendition="#g">Finanz-<lb/> miniſteriums</hi> (Finanzwache) zirka 1 Million,<lb/> für die des <hi rendition="#g">Eiſenbahnminiſteriums</hi><lb/> 8·3 Millionen in Anſpruch genommen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Das Reſerviſteugeſetz.</hi> </head><lb/> <p>In raſcher Folge erledigte das Abgeordneten-<lb/> haus das reiche Arbeitsprogrogramm vor den<lb/> Sommerferien. Vorgeſtern wurde zunächſt das<lb/> Geſetz über die ſtaatliche Entſchädigung und Unter-<lb/> ſtützung der Familien der einberufenen Reſerviſten<lb/> nach einer verhältnismäßig kurzen Debatte in zweiter<lb/> und dritter Leſung zum Beſchluſſe erhoben. Dieſes<lb/> Geſetz wird die ſchwere Laſt, welche die Waffen-<lb/> übungen für die Reſerviſten und ihre Familien<lb/> bilden, wenigſtens einigermaßen zu mildern im<lb/> Stande ſein. Einige Zuſätze, die noch in letzter<lb/> Stunde geſtellt wurden, ſind gewiß Verbeſſerungen<lb/> des Ausſchußentwurfes. Es gilt dies in erſter Linie<lb/> von der Beſtimmung, welche die Friſt zur An-<lb/> meldung des Anſpruches auf Unterſtützung auf vier<lb/> Wochen nach Beendigung der Waffenübung aus-<lb/> dehnt, ſowie von der weiteren Beſtimmung, daß der<lb/> Unterſtützungsbeitrag allwöchentlich im voraus aus-<lb/> zuzahlen iſt. Nach dem vorgeſtern gefaßten Beſchluſſe<lb/> tritt das Geſetz am 1. Auguſt laufenden Jahres in<lb/> Wirkſamkeit und kommt ſomit auch den Familien<lb/> jener Reſerviſten zugute, die vom <hi rendition="#g">Auguſt ab</hi> in<lb/><hi rendition="#g">dieſem Jahre</hi> zu Waffenübungen einberufen<lb/> werden.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Alters- und Invaliditätsverſicherung.</hi> </head><lb/> <p>Der Miniſter des Innern hat vor einigen<lb/> Tagen über den Stand der Vorarbeiten für die<lb/> Geſetzesvorlage über die Alters- und Invaliditäts-<lb/> verſicherung eine Erklärung abgegeben. Der<lb/> Miniſter „glaubte nach menſchlicher Vorausſicht“<lb/><cb/> verſichern zu dürfen, daß die Vorlage zu Beginn<lb/> der Herbſttagung — am 3. November — dem<lb/> Abgeordnetenhauſe unterbreitet werden wird. Hin-<lb/> ſichtlich der Grundzüge des Entwurfes teilte der<lb/> Miniſter mit, daß er „nebſt einer Reform der<lb/> Kranken- und Unfallsverſicherung die Invaliditäts-<lb/> und Altersverſicherung der Arbeiter umfaſſen wird;<lb/> der Entwurf wird aber auch bindende Fürſorge-<lb/> Einrichtungen treffen für den Kreis jener wirt-<lb/> ſchaftlich Selbſtändigen, die nach ihrer Lebenshaltung<lb/> der Arbeiterſchaft naheſtehen und in gleicher und<lb/><hi rendition="#g">ebenſo berechtigter</hi> Weiſe das Bedürfnis nach<lb/> einer Verſorgung für die Zeit der infolge fort-<lb/> ſchreitenden Alters geminderten Erwerbsfähigkeit<lb/> empfinden.“</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Die Mariazeller Roten.</hi> </head><lb/> <p>Im 7. ſchleſiſchen Wahlkreiſe fand die durch<lb/> den Tod des Abg. <hi rendition="#g">Kaiſer</hi> notwendig gewordene<lb/> Reichsratserſatzwahl ſtatt. Bei der erſten Wahl, die<lb/> am 8. d. ſtattfand, erhielt der deutſche Agrarier<lb/><hi rendition="#g">Schenkenbach</hi> 3488, der Sozialdemokrat<lb/><hi rendition="#g">Müller</hi> 3464 und der chriſtlichſoziale Domherr<lb/> Baron <hi rendition="#g">Grimmenſtein</hi> 1978 Stimmen. Nach<lb/> dem erſten Wahlgange erklärten die Führer der<lb/> Chriſtlichſozialen, daß ſie ihre Parteigenoſſen an-<lb/> gewieſen haben, in der engeren Wahl für Schenken-<lb/> bach zu ſtimmen. Bei der vorgeſtern vollzogenen<lb/> engeren Wahl iſt nun dieſer Wahlkreis <hi rendition="#b">mit Hilfe<lb/> der Chriſtlichſozialen</hi> eine Beute der Sozial-<lb/> demokraten geworden. Ihr Bewerber, Müller, erhielt<lb/> 4512 Stimmen gegen 4238 Stimmen, die auf den<lb/> Bewerber der Deutſchen Agrarpartei, Schenkenbach,<lb/> entfielen. Es haben alſo von den 1978 chriſtlich-<lb/> ſozialen Wählern rund <hi rendition="#b">1200</hi> <hi rendition="#g">für</hi> den Sozial-<lb/> demokraten geſtimmt. Dieſe <hi rendition="#g">erbärmliche Ge-<lb/> ſinnungslumperei</hi> der Chriſtlichſozialen läßt<lb/> übrigens auch <hi rendition="#g">den</hi> Schluß zu, daß die Schwarzen wirk-<lb/> lich freiheitlich geſinnte Deutſche <hi rendition="#g">mehr</hi> fürchten oder<lb/> ſie <hi rendition="#g">mehr</hi> haſſen als die Sozialdemokraten, denn<lb/> die <hi rendition="#g">Führer</hi> der „revolutionären“ auchdeutſchen<lb/> Sozialdemokratie ſind ſchon längſt <hi rendition="#g">Mariazeller<lb/> Rote</hi> geworden, welche ihre eigenen Anhänger<lb/> nicht „Los von Rom“ gehen laſſen wollen. In<lb/> Baiern ſind Rote und Schwarze auf das innigſte<lb/> verbrüdert, in den Sudetenländern gehen ſie nun<lb/> Arm in Arm und bei uns in den Alpenländern<lb/> wollen ſie uns <hi rendition="#g">vorſchwindeln,</hi> daß ſie, nur<lb/> ſie allein wirklich „antiklerikal“ ſeien! Derweil zieht<lb/> Genoſſe <hi rendition="#g">Müller</hi> mit den Mariazellertropfen der<lb/> Schwarzen ins Parlament. 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Wir leſen auf<lb/> Seite 296 wörtlich:</p><lb/> <p>„Zwei alte und tiefe <hi rendition="#g">Durchlöcherungen</hi><lb/> ſind <hi rendition="#g">augenblicklich verſchwunden</hi> durch<lb/><cb/> plötzliche Neubildung der Oberhaut, der Muskeln<lb/> und der Blutgefäße, die in <hi rendition="#g">einer Sekunde(!)</hi><lb/> das verdorbene Fleiſch erſetzten und mit dem<lb/> übrigen ſich vereinigten. Das iſt eine klare, deut-<lb/> liche, greifbare Tatſache. Ja oder nein, gibt es eine<lb/> natürliche Kraft, eine phyſiſche oder moraliſche, die<lb/> jemals eine ſo wunderbare Wirkung hervorgebracht<lb/> hätte? Das iſt der Kern der Frage und man ſuche<lb/> nicht durch allgemeine Phraſen, durch Hypotheſen,<lb/> durch Hinweiſe auf die dunkle Zukunft uſw. darüber<lb/> hinwegzukommen.“</p><lb/> <p>Eine Photographie der Geheilten und eine<lb/> photographiſche Wiedergabe der Seite des Gebet-<lb/> buches, auf die der blutige Verband bei der<lb/> plötzlichen Heilung fiel, veranſchaulichen dieſe Dar-<lb/> ſtellung.</p><lb/> <p>Dazu ſchreibt nun Herr Dr. Theodor Engert,<lb/> Schriftleiter der von katholiſchen Geiſtlichen ge-<lb/> leiteten Zeitſchrift „Das zwanzigſte Jahrhundert“.<lb/> Organ für fortſchrittlichen Katholizismus, in der<lb/> Nummer vom 28. v. M. unter anderem folgendes:</p><lb/> <p>„Fragen wir nun in Metz über den Tatbeſtand<lb/> im Falle Rouchel, ſo erfahren wir, daß Frau<lb/> Rouchel heute noch lebt, <hi rendition="#b">ſeit 18 Jahren an<lb/> Lupus des Geſichtes leidet,</hi> der augenblickliche<lb/> Zuſtand ein ſehr bedauernswerter iſt, <hi rendition="#g">daß nie-<lb/> mals auf ihren drei Pilgerfahrten</hi> nach<lb/><hi rendition="#g">Lourdes eine Heilung erfolgte.</hi> Wir<lb/> hören ferner, daß der Metzer Ärzteverein den das<lb/> Wunder atteſtierenden Dr. Ernſt zur Verantwortung<lb/> zog und daß Dr. Ernſt in Übereinſtimmung mit<lb/> anderen Ärzten öffentlich erklärte, daß keine Heilung<lb/> ſtattgefunden habe und daß alle Vorgänge natürlich<lb/> erklärlich ſeien. Wir hören drittens, daß Dr. Boiſſarie,<lb/> der Chefarzt des Konſtatierungsbureaus in Lourdes,<lb/> gelegentlich einer Verſammlung des Ärztevereins in<lb/> Metz ſich <hi rendition="#g">genötigt</hi> ſah, die von ihm erklärte<lb/> Heilung des Lupus der Frau Rouchel <hi rendition="#g">fallen</hi> zu<lb/> laſſen. Dr. Boiſſarie iſt <hi rendition="#g">gerichtet</hi> und mit ihm<lb/> die bisherige Apologie der Lourdeswunder; denn<lb/> auf ſein Zeugnis hatten ſich die kirchlichen Autori-<lb/> täten geſtützt. Peyramale, der verfolgte Pfarrer von<lb/> Lourdes, der der epileptiſchen Bernadette keinen<lb/> Glauben ſchenkte, wird gerechtfertigt werden.“</p><lb/> <p>Die genannte (katholiſche!) Zeitſchrift warnt<lb/> ſchließlich noch die Katholiken, ihr Geld durch<lb/> Pilgerfahrten maſſenhaft nach Frankreich zu tragen.<lb/> Sie appelliert auch an die Kleriſei, dieſem Zuſtand<lb/> endlich einmal ein Ende zu bereiten. Nützen wird’s<lb/> natürlich wenig oder gar nicht; die approbierten<lb/> Broſchüren mit verlogenen ärztlichen Zeugniſſen<lb/> werden weiter graſſieren!</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jVarious" n="1"> <head> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#b">Eigenberichte.</hi> </hi> </head> </div><lb/> <div type="jWeatherReports" n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <dateline><hi rendition="#b">Straß,</hi> 14. Juli.</dateline> <head> <hi rendition="#g">(Hagelwetter.)</hi> </head> <p>Um<lb/> 1 Uhr mittags ging heute über unſere Gegend<lb/> neuerlich ein verheerendes Hagelwetter nieder. Es<lb/> fielen Eiskörner bis zu 25 Millimeter Länge und<lb/> 20 Millimeter Breite und Dicke von ganz unregel-<lb/> mäßiger Geſtalt neben erbſengroßem, gewöhnlichem<lb/> maſſenhaftem Hagel, der wieder unter zuckenden<lb/> Blitzen aus Südweſten kam und vielen Schaden<lb/> anrichtete. Die Ausdehnung des Unwetters iſt noch<lb/> nicht bekannt, daher auch der Schaden noch nicht<lb/> zu ermeſſen.</p> </div><lb/> <div xml:id="leutschach1" next="#leutschach2" type="jArticle" n="2"> <dateline><hi rendition="#b">Leutſchach,</hi> 14. Juli.</dateline> <head> <hi rendition="#g">(Hagel- und<lb/> Blitzſchlag.)</hi> </head> <p>Heute mittags ging hier ein äußerſt<lb/> heftiges Gewitter nieder mit ſchädlichem Hagel und</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div xml:id="eichgrund2" prev="#eichgrund1" type="jArticle" n="2"> <p>„Wurde geſtern beim Mittageſſen der Herr-<lb/> ſchaften auch Rebhuhn aufgetragen?“</p><lb/> <p>„Rebhuhn? Nein, Herr Staatsanwalt, geſtern<lb/> nicht, aber vorgeſtern“.</p><lb/> <p>„Wird im Schloſſe eine fremdländiſche Zeitung<lb/> gehalten?“</p><lb/> <p>Der Diener ſann einen Augenblick nach und<lb/> ſagte dann: „Der gnädige Herr hielt eine Zeitung,<lb/> eine ſehr große, der Briefträger meinte, ſie käme<lb/> aus England“.</p><lb/> <p>„Und die, andere?“</p><lb/> <p>„Dann kommt noch eine andere mit Bildern,<lb/> ich glaube aus Frankreich“.</p><lb/> <p>„Befindet ſich vielleicht unter dem Makulatur<lb/> eine ſolche Zeitung?“</p><lb/> <p>„Ich glaube nicht, die gnädige Frau läßt ſie<lb/> einbinden“.</p><lb/> <p>„Alſo, Frau Mertens hält dieſe Zeitung?“</p><lb/> <p>„Der Ludwig hat ſie immer zuerſt der gnädigen<lb/> Frau bringen müſſen“.</p><lb/> <p>„Sie können gehen“.</p><lb/> <p>Und der Unterſuchungsrichter, welcher Zeuge<lb/> dieſes Zwiegeſprächs war, bemerkte jetzt: „Ich werde<lb/> nun ohne Frage zur Vernehmung der Frau Mertens<lb/> ſchreiten müſſen“.</p><lb/> <cb/> <p>„Auch ich halte ſie für unumgänglich nötig.<lb/> Ubrigens da kommt der Telegraphenbote!“</p><lb/> <p>„Ich habe zwei Depeſchen an den Herrn<lb/> Landesgerichtsrat Fröbus“, ſagte derſelbe, vor den<lb/> Herren ſtehen bleibend.</p><lb/> <p>„Das bin ich“.</p><lb/> <p>Der Bote händigte die Telegramme aus.</p><lb/> <p>„Hier vom Polizei-Kommiſſariat!“ las Fröbus,<lb/> „Heinrich Werner, Schreiber bei Juſtizrat Möhring,<lb/> iſt laut Ausſage ſeiner Wirtin geſtern kurz nach<lb/> Mitternacht in ſeiner Wohnung eingetroffen und<lb/> hat dieſelbe nicht mehr verlaſſen. Er ſelbſt ſagt aus,<lb/> daß er mit dem Elf-Uhr-Zuge von Eichgrund ab-<lb/> gefahren ſei und beruft ſich auf das Zeugnis der<lb/> Bahnbeamten, die ihn haben einſteigen ſehen müſſen,<lb/> da er einen außergewöhnlich langen, grauen Mantel<lb/> getragen habe. Genauere Feſtſtellung des Alibis<lb/> wünſchenswert, da die Wirtin ſchwerhörig iſt.<lb/> Überwachung Werners angeordnet“.</p><lb/> <p>„Wir werden auf dem Bahnhof Nachfrage<lb/> halten“, ſetzte der Landesgerichtsrat hinzu. „Und<lb/> hier iſt das andere Telegramm von der Bergwerks-<lb/> geſellſchaft: Geſtern abends nach 7 Uhr ſind durch<lb/> unſeren Kaſſier Friedrich Leutwitz an Herrn Mertens<lb/><cb/> 45.000 Mark ausgezahlt worden und zwar in<lb/> 40 Tauſendmarkſcheinen und zehn Fünfhunderten“.</p><lb/> <p>„Das weitere wird ſich nach Öffnung des<lb/> Schrankes ergeben“, bemerkte der Leſer, die Tele-<lb/> gramme zuſammenfaltend und in ſeine Bruſttaſche<lb/> ſchiebend. „Und nun zu Frau Mertens!“</p><lb/> <p>Sie gingen ins Schloß zurück und ließen ihre<lb/> Karten bei Frau Mertens abgeben.</p><lb/> <p>Nach wenigen Augenblicken erſchien ihr Diener<lb/> wieder, „die gnädige Frau erwartet die Herren“.</p><lb/> <p>In Begleitung des Sekretärs traten ſie ein.<lb/> Sie hatten erwartet, eine gebrochene, faſt verneh-<lb/> mungsunfähige Dame vorzufinden und waren nicht<lb/> wenig erſtaunt, als Frau Mertens ihnen ruhig,<lb/> wenn auch totenbleichen Antlitzes entgegenkam.</p><lb/> <p>„Es bedarf keiner Verſicherung, gnädigſte Frau“,<lb/> ſagte der Landesgerichtsrat verbindlich, „daß ich<lb/> ſowohl, als der Herr Staatsanwalt“, — er machte<lb/> eine vorſtellende Handbewegung nach ſeinem Begleiter<lb/> hin, der ſich kurz verbeugte — „ſehr bedauern,<lb/> Ihnen nach den traurigen Vorgängen dieſer Nacht<lb/> unſeren amtlichen Beſuch nicht erſparen zu dürfen“.</p><lb/> <p> <ref> <hi rendition="#right">(Fortſetzung folgt.)</hi> </ref> </p> </div> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [2/0002]
Marburger Zeitung Nr. 85, 16. Juli 1908
Politiſche Umſchau.
Das neue Preßgeſetz.
In der vorgeſtrigen Sitzung des parlamentari-
ſchen Preßausſchuſſes erhielt das vom Referenten
Dr. Skedl aufgeſtellte Prinzip, die Kompetenz in
Preßdelikten teils den Schwurgerichten,
teils den neu zu ſchaffenden Schöffen-
gerichten anzuvertrauen, die Mehrheit. Referent
Dr. Skedl beantragte, die Gerichtshöfe erſter
Inſtanz als Schöffengerichte inbezug auf die Ver-
gehen gegen die Sicherheit der Ehre mit Aus-
nahme der im Abſatz 1 des Artikels 5 des Geſetzes
vom 17. Dezember 1862 genannten (Beleidigungen
von Behörden), inbezug auf alle anderen durch
den Inhalt einer Druckſchrift begangenen Preß-
delikte die Schwurgerichte für kompetent zu erklären.
Dieſer Antrag wurde mit Mehrheit angenommen.
Aufbeſſerung der Staatsdiener.
Der Budgetausſchuß ging vorgeſtern in die
Behandlung des Staatsdienergeſetzes ein. Der
in Anſpruch genommene Geſamtkredit beträgt
18 Millionen, für das letzte Quartal des laufenden
Jahres werden 4½ Millionen angefordert. Der
Betrag von 18 Millionen verteilt ſich in der Weiſe,
daß die Maßnahmen für die Amtsdiener,
Kanzleioffizianten u. -Offiziantinnen,
alſo Dienſteskategorien, an denen alle Reſſorts be-
teiligt ſind, 2·3 Millionen erfordern; für die
Aktion des Handelsminiſteriums werden
4·4 Millionen, für jene des Miniſteriums des
Innern 2 Millionen, für die des Finanz-
miniſteriums (Finanzwache) zirka 1 Million,
für die des Eiſenbahnminiſteriums
8·3 Millionen in Anſpruch genommen.
Das Reſerviſteugeſetz.
In raſcher Folge erledigte das Abgeordneten-
haus das reiche Arbeitsprogrogramm vor den
Sommerferien. Vorgeſtern wurde zunächſt das
Geſetz über die ſtaatliche Entſchädigung und Unter-
ſtützung der Familien der einberufenen Reſerviſten
nach einer verhältnismäßig kurzen Debatte in zweiter
und dritter Leſung zum Beſchluſſe erhoben. Dieſes
Geſetz wird die ſchwere Laſt, welche die Waffen-
übungen für die Reſerviſten und ihre Familien
bilden, wenigſtens einigermaßen zu mildern im
Stande ſein. Einige Zuſätze, die noch in letzter
Stunde geſtellt wurden, ſind gewiß Verbeſſerungen
des Ausſchußentwurfes. Es gilt dies in erſter Linie
von der Beſtimmung, welche die Friſt zur An-
meldung des Anſpruches auf Unterſtützung auf vier
Wochen nach Beendigung der Waffenübung aus-
dehnt, ſowie von der weiteren Beſtimmung, daß der
Unterſtützungsbeitrag allwöchentlich im voraus aus-
zuzahlen iſt. Nach dem vorgeſtern gefaßten Beſchluſſe
tritt das Geſetz am 1. Auguſt laufenden Jahres in
Wirkſamkeit und kommt ſomit auch den Familien
jener Reſerviſten zugute, die vom Auguſt ab in
dieſem Jahre zu Waffenübungen einberufen
werden.
Alters- und Invaliditätsverſicherung.
Der Miniſter des Innern hat vor einigen
Tagen über den Stand der Vorarbeiten für die
Geſetzesvorlage über die Alters- und Invaliditäts-
verſicherung eine Erklärung abgegeben. Der
Miniſter „glaubte nach menſchlicher Vorausſicht“
verſichern zu dürfen, daß die Vorlage zu Beginn
der Herbſttagung — am 3. November — dem
Abgeordnetenhauſe unterbreitet werden wird. Hin-
ſichtlich der Grundzüge des Entwurfes teilte der
Miniſter mit, daß er „nebſt einer Reform der
Kranken- und Unfallsverſicherung die Invaliditäts-
und Altersverſicherung der Arbeiter umfaſſen wird;
der Entwurf wird aber auch bindende Fürſorge-
Einrichtungen treffen für den Kreis jener wirt-
ſchaftlich Selbſtändigen, die nach ihrer Lebenshaltung
der Arbeiterſchaft naheſtehen und in gleicher und
ebenſo berechtigter Weiſe das Bedürfnis nach
einer Verſorgung für die Zeit der infolge fort-
ſchreitenden Alters geminderten Erwerbsfähigkeit
empfinden.“
Die Mariazeller Roten.
Im 7. ſchleſiſchen Wahlkreiſe fand die durch
den Tod des Abg. Kaiſer notwendig gewordene
Reichsratserſatzwahl ſtatt. Bei der erſten Wahl, die
am 8. d. ſtattfand, erhielt der deutſche Agrarier
Schenkenbach 3488, der Sozialdemokrat
Müller 3464 und der chriſtlichſoziale Domherr
Baron Grimmenſtein 1978 Stimmen. Nach
dem erſten Wahlgange erklärten die Führer der
Chriſtlichſozialen, daß ſie ihre Parteigenoſſen an-
gewieſen haben, in der engeren Wahl für Schenken-
bach zu ſtimmen. Bei der vorgeſtern vollzogenen
engeren Wahl iſt nun dieſer Wahlkreis mit Hilfe
der Chriſtlichſozialen eine Beute der Sozial-
demokraten geworden. Ihr Bewerber, Müller, erhielt
4512 Stimmen gegen 4238 Stimmen, die auf den
Bewerber der Deutſchen Agrarpartei, Schenkenbach,
entfielen. Es haben alſo von den 1978 chriſtlich-
ſozialen Wählern rund 1200 für den Sozial-
demokraten geſtimmt. Dieſe erbärmliche Ge-
ſinnungslumperei der Chriſtlichſozialen läßt
übrigens auch den Schluß zu, daß die Schwarzen wirk-
lich freiheitlich geſinnte Deutſche mehr fürchten oder
ſie mehr haſſen als die Sozialdemokraten, denn
die Führer der „revolutionären“ auchdeutſchen
Sozialdemokratie ſind ſchon längſt Mariazeller
Rote geworden, welche ihre eigenen Anhänger
nicht „Los von Rom“ gehen laſſen wollen. In
Baiern ſind Rote und Schwarze auf das innigſte
verbrüdert, in den Sudetenländern gehen ſie nun
Arm in Arm und bei uns in den Alpenländern
wollen ſie uns vorſchwindeln, daß ſie, nur
ſie allein wirklich „antiklerikal“ ſeien! Derweil zieht
Genoſſe Müller mit den Mariazellertropfen der
Schwarzen ins Parlament. Ihnen, nur ihnen ganz
allein hat er ſein Mandat zu verdanken!
Die „Wunderheilungen“ in
Lourdes.
Ein aufgedeckter Schwindel.
In einem vom Papſte approbierten Werke
von Bertrins, welches ſeit Jahren in vielen Auf-
lagen von der Kleriſei unter den Gläubigen ver-
breitet wird, finden wir die Heilung der Frau
Rouchel aus Metz von einem ſeit zehn Jahren
beſtehenden Geſichtslupus ausführlich beſchrieben.
Zahlreiche Ärzte, insbeſondere Dr. Ernſt aus Metz,
ſind als Zeugen für die auf natürliche Weiſe
nicht erklärbare Heilung angeführt. Wir leſen auf
Seite 296 wörtlich:
„Zwei alte und tiefe Durchlöcherungen
ſind augenblicklich verſchwunden durch
plötzliche Neubildung der Oberhaut, der Muskeln
und der Blutgefäße, die in einer Sekunde(!)
das verdorbene Fleiſch erſetzten und mit dem
übrigen ſich vereinigten. Das iſt eine klare, deut-
liche, greifbare Tatſache. Ja oder nein, gibt es eine
natürliche Kraft, eine phyſiſche oder moraliſche, die
jemals eine ſo wunderbare Wirkung hervorgebracht
hätte? Das iſt der Kern der Frage und man ſuche
nicht durch allgemeine Phraſen, durch Hypotheſen,
durch Hinweiſe auf die dunkle Zukunft uſw. darüber
hinwegzukommen.“
Eine Photographie der Geheilten und eine
photographiſche Wiedergabe der Seite des Gebet-
buches, auf die der blutige Verband bei der
plötzlichen Heilung fiel, veranſchaulichen dieſe Dar-
ſtellung.
Dazu ſchreibt nun Herr Dr. Theodor Engert,
Schriftleiter der von katholiſchen Geiſtlichen ge-
leiteten Zeitſchrift „Das zwanzigſte Jahrhundert“.
Organ für fortſchrittlichen Katholizismus, in der
Nummer vom 28. v. M. unter anderem folgendes:
„Fragen wir nun in Metz über den Tatbeſtand
im Falle Rouchel, ſo erfahren wir, daß Frau
Rouchel heute noch lebt, ſeit 18 Jahren an
Lupus des Geſichtes leidet, der augenblickliche
Zuſtand ein ſehr bedauernswerter iſt, daß nie-
mals auf ihren drei Pilgerfahrten nach
Lourdes eine Heilung erfolgte. Wir
hören ferner, daß der Metzer Ärzteverein den das
Wunder atteſtierenden Dr. Ernſt zur Verantwortung
zog und daß Dr. Ernſt in Übereinſtimmung mit
anderen Ärzten öffentlich erklärte, daß keine Heilung
ſtattgefunden habe und daß alle Vorgänge natürlich
erklärlich ſeien. Wir hören drittens, daß Dr. Boiſſarie,
der Chefarzt des Konſtatierungsbureaus in Lourdes,
gelegentlich einer Verſammlung des Ärztevereins in
Metz ſich genötigt ſah, die von ihm erklärte
Heilung des Lupus der Frau Rouchel fallen zu
laſſen. Dr. Boiſſarie iſt gerichtet und mit ihm
die bisherige Apologie der Lourdeswunder; denn
auf ſein Zeugnis hatten ſich die kirchlichen Autori-
täten geſtützt. Peyramale, der verfolgte Pfarrer von
Lourdes, der der epileptiſchen Bernadette keinen
Glauben ſchenkte, wird gerechtfertigt werden.“
Die genannte (katholiſche!) Zeitſchrift warnt
ſchließlich noch die Katholiken, ihr Geld durch
Pilgerfahrten maſſenhaft nach Frankreich zu tragen.
Sie appelliert auch an die Kleriſei, dieſem Zuſtand
endlich einmal ein Ende zu bereiten. Nützen wird’s
natürlich wenig oder gar nicht; die approbierten
Broſchüren mit verlogenen ärztlichen Zeugniſſen
werden weiter graſſieren!
Eigenberichte.
Straß, 14. Juli. (Hagelwetter.) Um
1 Uhr mittags ging heute über unſere Gegend
neuerlich ein verheerendes Hagelwetter nieder. Es
fielen Eiskörner bis zu 25 Millimeter Länge und
20 Millimeter Breite und Dicke von ganz unregel-
mäßiger Geſtalt neben erbſengroßem, gewöhnlichem
maſſenhaftem Hagel, der wieder unter zuckenden
Blitzen aus Südweſten kam und vielen Schaden
anrichtete. Die Ausdehnung des Unwetters iſt noch
nicht bekannt, daher auch der Schaden noch nicht
zu ermeſſen.
Leutſchach, 14. Juli. (Hagel- und
Blitzſchlag.) Heute mittags ging hier ein äußerſt
heftiges Gewitter nieder mit ſchädlichem Hagel und
„Wurde geſtern beim Mittageſſen der Herr-
ſchaften auch Rebhuhn aufgetragen?“
„Rebhuhn? Nein, Herr Staatsanwalt, geſtern
nicht, aber vorgeſtern“.
„Wird im Schloſſe eine fremdländiſche Zeitung
gehalten?“
Der Diener ſann einen Augenblick nach und
ſagte dann: „Der gnädige Herr hielt eine Zeitung,
eine ſehr große, der Briefträger meinte, ſie käme
aus England“.
„Und die, andere?“
„Dann kommt noch eine andere mit Bildern,
ich glaube aus Frankreich“.
„Befindet ſich vielleicht unter dem Makulatur
eine ſolche Zeitung?“
„Ich glaube nicht, die gnädige Frau läßt ſie
einbinden“.
„Alſo, Frau Mertens hält dieſe Zeitung?“
„Der Ludwig hat ſie immer zuerſt der gnädigen
Frau bringen müſſen“.
„Sie können gehen“.
Und der Unterſuchungsrichter, welcher Zeuge
dieſes Zwiegeſprächs war, bemerkte jetzt: „Ich werde
nun ohne Frage zur Vernehmung der Frau Mertens
ſchreiten müſſen“.
„Auch ich halte ſie für unumgänglich nötig.
Ubrigens da kommt der Telegraphenbote!“
„Ich habe zwei Depeſchen an den Herrn
Landesgerichtsrat Fröbus“, ſagte derſelbe, vor den
Herren ſtehen bleibend.
„Das bin ich“.
Der Bote händigte die Telegramme aus.
„Hier vom Polizei-Kommiſſariat!“ las Fröbus,
„Heinrich Werner, Schreiber bei Juſtizrat Möhring,
iſt laut Ausſage ſeiner Wirtin geſtern kurz nach
Mitternacht in ſeiner Wohnung eingetroffen und
hat dieſelbe nicht mehr verlaſſen. Er ſelbſt ſagt aus,
daß er mit dem Elf-Uhr-Zuge von Eichgrund ab-
gefahren ſei und beruft ſich auf das Zeugnis der
Bahnbeamten, die ihn haben einſteigen ſehen müſſen,
da er einen außergewöhnlich langen, grauen Mantel
getragen habe. Genauere Feſtſtellung des Alibis
wünſchenswert, da die Wirtin ſchwerhörig iſt.
Überwachung Werners angeordnet“.
„Wir werden auf dem Bahnhof Nachfrage
halten“, ſetzte der Landesgerichtsrat hinzu. „Und
hier iſt das andere Telegramm von der Bergwerks-
geſellſchaft: Geſtern abends nach 7 Uhr ſind durch
unſeren Kaſſier Friedrich Leutwitz an Herrn Mertens
45.000 Mark ausgezahlt worden und zwar in
40 Tauſendmarkſcheinen und zehn Fünfhunderten“.
„Das weitere wird ſich nach Öffnung des
Schrankes ergeben“, bemerkte der Leſer, die Tele-
gramme zuſammenfaltend und in ſeine Bruſttaſche
ſchiebend. „Und nun zu Frau Mertens!“
Sie gingen ins Schloß zurück und ließen ihre
Karten bei Frau Mertens abgeben.
Nach wenigen Augenblicken erſchien ihr Diener
wieder, „die gnädige Frau erwartet die Herren“.
In Begleitung des Sekretärs traten ſie ein.
Sie hatten erwartet, eine gebrochene, faſt verneh-
mungsunfähige Dame vorzufinden und waren nicht
wenig erſtaunt, als Frau Mertens ihnen ruhig,
wenn auch totenbleichen Antlitzes entgegenkam.
„Es bedarf keiner Verſicherung, gnädigſte Frau“,
ſagte der Landesgerichtsrat verbindlich, „daß ich
ſowohl, als der Herr Staatsanwalt“, — er machte
eine vorſtellende Handbewegung nach ſeinem Begleiter
hin, der ſich kurz verbeugte — „ſehr bedauern,
Ihnen nach den traurigen Vorgängen dieſer Nacht
unſeren amtlichen Beſuch nicht erſparen zu dürfen“.
(Fortſetzung folgt.)
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