Neue Rheinische Zeitung. Nr. 2. Köln, 2. Juni 1848.[Deutschland] [Fortsetzung] Die Zurückberufung des angeblich auf einer geheimen Mission in England sich befindenden Prinzen von Preußen, unter nichtigem Vorwande. Wir tragen demnach dahin an, daß die aufgezählten Protest-Punkte beseitigt werden, daß mehr dem Volkswillen gehorcht und das unvolksthümliche Ministerium verabschiedet werde. Die in diesem Augenblicke auf unsern Bergen lodernde Wacht-Feuer mögen Ew Majestät beweisen, daß das deutsche Volk wach und einig ist, und sein Recht zu schützen wissen wird. Berncastel, 17. Mai 1848. Es verharren (Folgen 255 Unterschriften.) X Elberfeld, 31. Mai. Unser konstitutioneller (d. h. reaktionairer) Klub sammelte neulich vermittelst einer Volksversammlung Unterschriften für eine die Zurückberufung des Prinzen von Preußen billigende Adresse. Bei dieser Versammlung machte ein Bürger Opposition und ging einigermaßen auf die angebliche Mission des Prinzen nach England ein. Sofort erklärten die konstitutionellen Klubisten, er habe hier nicht zu opponiren, er habe zu schweigen oder sich zu entfernen; die Muthigeren drangen auf ihn ein und um nicht mit Gewalt herausgeworfen zu werden, mußte er sich entfernen. So verfahren die Leute der Ruhe, Ruhe um jeden Preis. Nächstens werden dort die Judenfrage (nach erfolgter Emanzipation!) und die Arbeiterfrage verhandelt werden; man wird uns da schöne Dinge zu hören geben. Im politischen Klub, dem radikaleren, erkennt man wenigstens die alleinige Berechtigung der Frankfurter Versammlung gegen alle übrigen an. Der Klub fuhr neulich nach Schwelm, um dort mit den Markanern zu fraternisiren. Die Reaktionärs prophezeiten ihm eine derbe Lektion von Seiten der Märkischen Bauern; aber die Markaner waren sehr anständig, hielten sogar einige für diese Lokalität sehr avancirte Reden. Unsere brodlosen Arbeiter, die den Kapitalisten der Gegend so viel Sorge verursachen, wurden bisher vermittelst eines durch Kollekte aufgebrachten Kapitals zu allerlei wenig rentirenden Arbeiten angestellt. Die Fonds sind nun sehr beigegangen und unsere Kapitalisten werden nochmals zahlen müssen; denn wenn sie auch keine freiwilligen Beiträge zeichnen, so wird ihnen der Gemeinderath die Gelder vermittelst einer bereits berathenen Einkommensteuer schon abnehmen, damit die Ruhe Elberfelds durch Beschäftigung der Arbeiter gesichert bleibe. X Berlin, 30. Mai. Die Bürgerwehr, bisher die Hauptstütze unseres Ministeriums, hat jetzt die Augen geöffnet, sie will nicht mehr Ruhe und Ruhe um jeden Preis. Endlich ist sie zu dem Bewußtsein gelangt, daß sie bis jetzt ein Werkzeug der Reaktion war, daß sie durch ihr unzeitiges Einschreiten gegen unbedeutende Aufläufe größere Ruhestörungen provozirte, daß sie durch ihre ewigen Patrouillen und Generalmärsche sich und den größten Theil der Stadt gegen die arbeitende Klasse aufregte und so einen Zwiespalt hätte herbeiführen können, der sie selbst unter das alte Regiment, das absolute Königthum, zurückführen mußte. Jetzt hat der Verfassungsentwurf eine Einigkeit zwischen Bürgerwehr und Volk hervorgerufen, die bei einem neuen Kampfe, wäre ein solcher nöthig, der Freiheit den Sieg verschaffen muß. - Die Sitzungen der konstituirenden Versammlung waren bis auf die heutige wegen der unendlichen Diskussionen über die Konstituirung und die Wahlen des Präsidiums von wenigem Interesse. Wie Sie wohl wissen, hat die Linke ihren Kandidaten, den Abgeordneten Berlins, Waldeck, zur Stelle des Vizepräsidenten durchgebracht. In der heutigen Sitzung wurden die Namen der gestern erwählten Vorsitzenden der verschiedenen Abtheilungen mitgetheilt, und zwar: 1. Abth. Abg. Waldeck, 2. Abth. Abg. v. Kirchmann, 3. Abth. Abg. Grabow, 4. Abth. Abg. Windhorst, 5. Abth. Abg. Willitsch, 6. Abth. Abg. Hesse, 7. Abth. Abg. Köhler, 8. Abth. Abg. Pinder. Rodbertus beantragte, die Versammlung möge sich bis zur Vorlage einer definitiven Geschäftsordnung vertagen. Esser spricht gegen den Antrag, weil man einmal den Beschluß gefaßt, sich bis zur Vorlage der neuen Geschäftsordnung nach der provisorischen zu richten. Ginge der Antrag jetzt durch, meinte der Redner, so würde man dem Volke die Physiognomie eines todten Körpers bieten. Abg. Zenker und Dunker unterstützen den Antrag, der letztere will mit der Vertagung der Sitzungen eine Kommission zur Berathung über eine Adresse an den König ernannt haben. Abg. v. Kirchmann stellt endlich das Amendement, die Sitzungen nicht auszusetzen, dagegen jeden Antrag auf Veränderung der provisorischen Geschäftsordnung bis zur Vorlage der definitiven Geschäftsordnung zurückzuweisen. Dieses Amendement wird angenommen und wir theilen jetzt das Interessanteste aus dem Verlaufe der heutigen Sitzung mit. Der Ministerpräsident Camphausen wurde veranlaßt, sich über die Revolution vom 18. März zu äußern. Er that es in der Weise, daß er sie fast ganz desavouirte. Er bemerkte nämlich, daß das jetzige Ministerium zwar theilweise aus der Revolution hervorgegangen, daß diese aber auf die Prinzipien, nach welchen es die Führung der Staatsangelegenheiten übernommen, keineswegs einen Einfluß ausgeübt. Sogleich nach seinem Geschäftsantritt habe das Ministertum dadurch ein Zeugniß von seinem Anknüpfen an die frühern Zustände gegeben, die es fortzuentwickeln gedenke, daß es den vereinigten Landtag zusammenberufen und ein Wahlgesetz von ihm habe dekretiren lassen. Die Rechte klatschte Beifall. Jung interpellirte den Kriegsminister wegen der reaktionären Tendenzen, die von Seiten der Offiziere im Heere verfolgt werden. Er führt mehrere Beispiele an, wo den Soldaten das Associations- und Petitionsrecht vorenthalten worden, ja wo man sie wegen Ausübung desselben bestraft hatte, und verlangt eine Erklärung, ob das Ministerium der Ansicht sei, daß der Soldat, wenn er nicht unter Waffen sei, nicht gleiche Rechte mit den Bürgern haben solle. Der Kriegsminister v. Canitz, der nicht selber zu sprechen versteht, läßt sich durch einen Kommissarius vertreten, dessen Namen uns entschwunden. Dieser behauptet, daß es in keinem Lande Sitte sei, dem Militär das Associations- und Petitionsrecht zu ertheilen, es würde dies nothwendig die Disciplin u. s. w. stören. Der Herr bemühte sich zu erzählen, was wir dem Heere Alles zu verdanken haben und vergaß dabei ganz und gar, daß das Heer nicht uber dem Volk steht, sondern einen Theil desselben bildet, daß nicht das Heer uns erhält, sondern daß es im Gegentheil von uns erhalten wird. Gegen die Forderung, daß der Soldat, sobald er nicht unter Waffen stehe, die Rechte des Bürgers ausüben müsse, erklärte er, daß der Soldat immer unter Waffen sei. Die Konsequenz hiervon wäre, daß wir auch der Bürgerwehr die Ausübung politischer Rechte verweigern müßten, weil sie "unter Waffen" steht. Uebrigens bemerkte der Redner noch zum Schluß, daß er keine Fälle kenne, wo die Offiziere sich zu reaktionären Maßregeln hätten hinreißen lassen. Wenn dies geschehen sei, so wäre dies einzig und allein die natürliche Folge der "Wühlereien", die jetzt im Heere stattfinden. - Der Abg. D'Ester nahm hierauf das Wort und erklärte, daß er dem Kriegsministerium in wenigen Tagen ein ganzes Buch voll Fakta vorlegen werde gegenüber der Behauptung, daß das Militär nicht zu reaktionären Zwecken bearbeitet werde. Er erwähnte beiläufig des Erlasses des Generals Schreckenstein u. s. w. und erklärte, daß übrigens in der Provinz, in welcher er gewählt sei (Rheinprovinz), die Bemühungeu der Offiziere, das Militär reaktionär zu stimmen, ganz vergebliche seien, dort sei es jetzt einmal liberal und liberal werde es bleiben. - Eine Interpellation des Abg. Jung, ob der Minister der auswärtigen Angelegenheiten noch den Cartellvertrag mit Rußland aufrecht erhalte, wurde von demselben nicht beantwortet. Er wollte dieselbe aus dem Protokoll gestrichen wissen, weil sie nicht zur Tagesordnung gehöre, bequemte sich aber dennoch eine Antwort auf Freitag anzusagen. Unter den vielen Anträgen, die den Abtheilungen überwiesen worden, bemerken wir die hauptsächlichsten: auf gänzliche Verwerfung des Verfassungsentwurfs und Wahl einer Kommission zur Abfassung eines andern, auf Souveränetäts-Erklärung der Versammlung, auf die Erklärung, die Helden vom 18. und 19. März hätten sich um das Vaterland verdient gemacht und die Nation solle ihnen ein Denkmal setzen. Die rechte Seite hat fast gar keine Redner. Interessant ist, daß die Linke oftmals von der Rechten aufgefordert wurde, ihr nicht den Rücken zuzukehren. Ebenso wie die Redner, wenn sie sprechen, sich unwillkührlich zur Linken wenden, so sehen wir, daß auch die Schelle des Präsidenten dieser Seite vorzüglich mit einer fürchterlichen Energie entgegentritt. Abends 9 Uhr. Vor dem Hotel des Ministers Patow versammelten sich so eben gegen 3000 Arbeiter, die Arbeit verlangten. Der rathlose Minister versprach ihnen binnen zwei Tagen Arbeit zu verschaffen, und ließ Einem Jeden auf die Bemerkung, daß sie so lang nicht hungern könnten, 10 Sgr. geben. Die Ruhe ist dadurch nicht gestört worden. Schneidemühl, 24. Mai. Vor einigen Tagen, den 19. d. M. rückte in unsere bisher so harmlose und ruhige Stadt das 1. Bataillon 9. (pommerschen) Landwehr-Infanterie-Regiments. War ihnen auch ein schlimmer Ruf vorangeeilt, so konnte man sich doch nicht denken, daß derselbe sich in so großem Maße bestätigen würde, als es leider geschah. Zuvorkommend ging ihnen der Bürger entgegen; einer dieser Landwehrleute aber begrüßte seinen Wirth Eisbrenner, einen Deutschen, dadurch, daß er bei seinem Eintritt in das Zimmer das Kreuz des Erlösers, das über dem Bette seines Wirthes hing, mit dem Rufe auf sein Bajonett spießte: "Hier wohnt auch so ein verfluchter Pollack! und sodann zu Boden warf. Noch am 19. des Abend sah man ganze Trupps von diesen Horden schreiend, lärmend und ruhige Leute insultirend bis in die späte Nacht hinein durch unsere Straßen wogen. Am 20., einem Ruhetage, gingen diese Manifestationen in gewaltthätige Demonstrationen über; man versammelte sich vor den Fenstern der als Katholiken bezeichneten Personen, stieß Verwünschungen gegen sie aus, nannte sie "polnische Hunde", wie wohl wir kaum zehn Polen hier haben. Diese Horden, die da hereingekommen sein wollen, um das Land zu schützen, sie fallen gleich Räubern wehrlose Menschen ungestraft auf offener Straße und in ihren Häusern an und mißhandeln sie auf das Empörendste. So kehrte ein Tagelöhner vom Borkesammeln aus dem Walde zurück, wird von ruder Soldateska angehalten und um seine Legitimation befragt, und da er diese nicht aufzuweisen vermochte, obwohl er jedem Kinde der Stadt bekannt war, wurde er niedergeschlagen und wäre ohne Zweifel getödtet worden, wenn nicht zwei herbeigeeilte Offiziere ihn in ein Haus hineingezogen und durch den Garten auf das freie Feld hinausgelassen hätten. An einem andern Orte drangen diese Banden, ein jüdisches Mädchen verfolgend, das ihren thierischen Zudringlichkeiten sich hartnäckig eutgegengesetzt und sie mit Entrüstung zurückgewiesen haben soll, in das Haus der Verwandten dieses Mädchens, wohin sie geflüchtet, wütheten dort schrecklich mit der blanken Säbelklinge, so daß die Bewohner des Hauses die Fenster einschlugen und durch dieselben flüchteten. Wiederum an einer andern Stelle drangen sie in den Laden des Kaufmanns Neumann, gleichfalls eines Deutschen, der vor wenigen Sekunden erst auf nur kurze Zeit das Krankenlager verlassen hatten, rissen ihn, der sich auch nicht der geringsten Schuld gegen sie bewußt war, von den feilen Juden gestachelt, aus dem Zimmer heraus, warfen ihn zu Boden, schlugen ihn nicht blos mit Fäusten, sondern stießen ihn, der ohnedies ein Krüppel ist, mit den Füßen, versetzten ihm Schläge mit den Absätzen der Stiefel auf die Brust, ja einer der Unmenschen ergriff eine im Laden stehende Flasche, um dem unter seinen Füßen sich krümmenden Wurm den Todesstreich zu versetzen: da aber streckte der Arme in seiner Todesangst den Arm entgegen, die Flasche zersplitterte und die Scherben zerfleischten die Hand des Unglücklichen. Nur mit der äußersten Anstrengung gelang es der Schwester desselben, ihn zu retten. Das ist also die verdiente Erfüllung unserer Wünsche - die Vereinigung mit Deutschland! Darum hat man sich gegen die nationale Erhebung Polens gesträubt, um der Tyrannei einer entmenschten Soldateska preisgegeben zu werden! Aber wir lernen allmäalig begreifen, wohinaus es mit unserer Deutsch-Einigkeits-Begeisterung soll! Diese rohen pommerscher Herden rufen uns zu: "Wenn wir die Polen niedergehauen, ziehen wir nach Berlin, pflügen es herunter und säen im nächsten Jahre Korn darauf." (A. O. Z.) (Aehnliche Excesse werden aus Neustadt a. P. und Buk berichtet.) Frankfurt, 31. Mai. In der heutigen 10. Sitzung der Nationalversammlung erstattete der Abgeordnete Dahlmann den Bericht über den Antrag Mareck's, die Nationalität betreffend. "Deutschland erklärt hiermit durch seine Vertreter feierlich: 1) daß es zur Unterdrückung irgend einer Nationalität nie die Hand bieten werde; 2) daß allen jenen Staatsbürgern eines mit Deutschland verbundenen Staates, welche nicht zum deutschen Volksstamme gehören, alle Rechte der deutschen Staatsbürger zukommen und daß ihnen die Aufrechthaltung und Achtung ihrer Nationalität garantirt sey; 3) die deutsche Sprache ist zwar Staatssprache, jedoch soll in jenen Kreisen, wo der größere Theil eine andere Sprache, als die deutsche, spricht, diese andere Sprache sowohl in Communalangelegenheiten, im Unterrichtswesen, als auch als Gerichtssprache eingeführt werden. Schließlich wird beantragt: die Nationalversammlung möge beschließen: Vorstehender Antrag werde einem aus den 15 Abtheilungen zu erwählenden Ausschusse dahin überwiesen, daß selber obigen Antrag in Form einer Proclamation zur weiteren Discussion vorlege." Der Verfassungsausschuß beantragt dagegen einstimmig folgende Fassung zu Protokoll zu erklären: "Der Verfassungsausschuß hat einstimmig beschlossen, auf Anlaß des Mareck'schen Antrages folgende Fassung als Protokollerklärung in Antrag zu bringen: "Die Verfassung gebende deutsche Nationalversammlung erklärt feierlich: daß sie im vollen Maße das Recht anerkenne, welches die nichtdeutschen Volksstämme auf deutschem Bundesboden haben, den Weg ihrer volksthümlich en Entwickelung ungehindert zu gehen und in Hinsicht auf das Kirchenwesen, den Unterricht, die Literatur und die innere Verwaltung und Rechtspflege sich der Gleichberechtigung ihrer Sprache, soweit deren Gebiete reichen, zu erfreuen, wie es sich denn auch von selbst verstehe, daß jedes der Rechte, welche die im Bau begriffene Gesammtverfassung dem deutschen Volk gewährleisten wird, ihnen gleichmäßig zusteht. Das fortan einige und freie Deutschland ist groß und mächtig genug, um den in seinem Schooße erwachsenen andersredenden Stämmen eifersuchtslos in vollem Maße gewähren zu können, was Natur und Geschichte ihnen zuspricht; und niemals soll auf seinem Boden weder der Slave, noch der dänisch redende Nordschleswiger, noch der italienisch redende Bewohner Süddeutschlands, noch wer sonst uns angehörig, in fremder Zunge spricht, zu klagen haben, daß ihm seine Stammesart verkümmert werde oder die deutsche Bruderhand sich ihm entziehe, wo es gilt." Diese Fassung wurde von der Nationalversammlung nachdem vorher beschlossen worden, ohne Discussion darüber abzustimmen, mit großer Mehrheitt angenommen. Hierauf wurde zur Wahl des definitiven Präsidenten, der Vicepräsidenten und Secretäre geschritten. Bei der Präsidentenwahl wurden im Ganzen 518 Stimmen abgegeben, von denen Heinrich von Gagnern 499, Blum 12, Soiron 5, Scheller 1 und Zitz 1 erhielten. Nachdem der bisherige Vice-Präsident v. Soiron die Versa mmlung mit diesem Resultat bekannt gemacht, sprach Heinrich v. Gagern tief bewegt folgende Worte: Es ist nicht ein Gefühl des Stolzes, sondern der Demuth, das mich erfaßt. Von einer solchen Versammlung zu ihrem Vorsteher und mit dieser Stimmenmehrheit gewählt zu werden, konnte ich nimmermehr erwarten. Ich danke Ihnen für die Anerkennung, die Sie mir dadurch bezeigten. Ich werde alle meine Kräfte der großen Aufgabe widmen, für die wir gemeinschaftlich hier zusammenstehen. Ich will nicht wiederholen, sondern Sie nur noch in Kenntniß setzen, daß, wie ich schon früher erklärte, meine Kräfte und meine Stellung von heute an lediglich dieser Versammlung angehören! (Ein außerordentlicher, Beifall folgte diesen Worten). Die Wahl des ersten Vicepräsidenten ergab folgendes Resultat: Stimmende 513. Davon für v. Soiron 408, Blum 84, v. Andrian 8, v. Möhring 4, Arndt 3, v. Rothenhan 3, Mathy 1, Blumröder 1, Raveaux 1. Mit den Worten: "Empfangen Sie einfach meinen Dank für dieses ehrenvolle Vertrauen trat v. Soiron seine Verrichtungen an. Zum zweiten Vicepräsidenten wurde unter 505 Stimmenden v. Andrian aus Wien mit 310 Stimmen gewählt. Weitere Stimmen erhielten: R. Blum 116, v. Möhring 66, Heckscher 3, v. Auersperg 2, Mittermaier 2, Wiesner 1, Scheller 1, Kierulf 1, Simon 1, Trütschler 1, v. Rothenhan 1. Der 2 Vicepräsident erklärt, daß Niemand wärmer als er für die Freiheit und Einheit Deutschlands und von der Nothwendigkeit seiner Kräftigung durchdrungen sei. Die Wahl der 8 Secretäre wird in nächster Sitzung (Sonnabend) verkündigt werden. 12 Hoya, 27. Mai. Unter allen Ex-Volksmännern, die jetzt als große und kleine Minister sich durch Schwäche, Unentschiedenheit, Unfähigkeit, und endlichen Anschluß an die Reaktion vor dem ganzen Volke kompromittiren, unter Allen hat sich keiner so erbärmlich, so kleinlich, so feig benommen wie unser biederer Stüve. Ganz Deutschland weiß, wie er in der Kammer die Souverainetät des Königs von Hannover der Souverainetät des deutschen Volks entgegenstellte, wie er zum Vortheil seines ehemaligen persönlichen Feindes die Provinz über die Nation zu stellen versuchte. Aber hier, wie in ganz Deutschland, stellte es sich bald heraus, daß der Appell an lokale nnd provinziale Interessen der ganzen Nation nur der Vorwand ist, hinter dem die Reaktion ihre Pläne verfolgt. Hr. Stüve will uns nicht nur mit Deutschland in Collision bringen, er will uns auch unsere Revolution eskamotiren. Hr. Stüve hat eine merkwürdige Logik. Die Verfassung von 1840,gegen die er sich, wie männiglich bekannt, mit sämmtlichen Gliedmaßen sträubte, die er Tausende von Malen für ungesetzlich erklärte, diese damals so verwerfliche Verfassung ist nach Hrn. Stüve durch die Hannoversche Märzrevolution im höchsten Grade gesetzlich und vortrefflich geworden. Unsere Revolution von 1848 hatte also nur den Zweck, die Contrerevolution von 1838 zu legalisiren und Hrn. Stüve in die Arme des Hrn. Falk zu schleudern! Unsere Stadt hat sofort eine Petition an die Stände erlassen, worin diesen die Aeußerungen des Hrn. Stüve über die Verfassung von 1840, als er noch nicht Minister war, mitgetheilt und auf Berufung einer konstituirenden Versammlung angetragen wird. Karlsruhe, 30. Mai. Die hiesige Zeitung enthält heute die amtliche Anzeige, daß Dr. jur. Rauschenplatt zum außerordentlichen Professor an der Universität Heidelberg ernannt worden ist. * Nürnberg, 27. Mai. Die "magistratische Polizei" (ein schöner Titel) hat, wie die A. A. Z. meldet, Herrn Gustav Diezel aus Würtemberg, Leiter des politischen Klubs und Redakteur des "Freien Staatsbürgers" ausgewiesen. Das vielgerühmte deutsche Staatsbürgerrecht läuft bis jetzt in der Praxis ganz auf das alte Ausweisungs-System hinaus. Wer kein geborner Krähwinkler ist, der ist ein "Fremder in Krähwinkel." * München, 27. Mai. Die Kammern beschäftigen sich noch immer mit feudalem Wust: Ablösungsgesetzen, Lehensgesetzen u. s. w. Der Adel hält fest zusammen und verlangt enorme Entschädigungen. Das Feudalsystem wird durch ein neues Lehengesetz in voller gesetzlicher Kraft erhalten. Vermöge der kostspieligen, langwierigen und fast ganz illusorischen Ablösungen wird das revolutionirte Deutschland sich noch Jahre lang aller jener ehrwürdigen Institutionen, Frohnden, Patrimonialgerichtsbarkeiten u. s. w. erfreuen, welche die frivole und neuerungssüchtige französische Revolution am 4. August 1789 mit Einem Schlage vernichtete. - München, 28. Mai. Heute Mittag hat die Kammer der Reichsräthe das Wahlgesetz in der von den Abgeordneten beschlossenen Fassung mit allen Stimmen gegen drei angenommen. (A. A. Z.) * Ueber die letzte Wiener Revolution entnehmen wir der "Berl. Zeitungshalle" Folgendes : Wien, 26. Mai. Sehr wohl wußte die reaktionaire Partei, was der Wiener seit den Märztagen für die Studenten fühlt, sie wußte, es müsse hier zu Conflikten kommen, aber das wollte sie, um unsere Freiheit dann ganz in den Staub treten zu können. Ein Geist, der Geist der Freiheit und des Rechtes beseelt die ganze Bevölkerung; Frauen sprechen von den Barrikaden herab zu ihren Männern und Söhnen, die schönsten Möbel werfen sie aus den Fenstern, siedendes Wasser steht überall bereit, um auf das etwa anrückende Militär gegossen zu werden, Pflastersteine liegen auf den Fensterbrüstungen statt der üblichen Polster. So lange nur ein Mann vom Militär in der Stadt zu sehen ist, kann von Ruhe keine Rede seyn. 27. Mai. Heute Nacht war die Stadt in Allarm, um 1 Uhr wurde Sturm geläutet, zum Glück blinder Lärm; es hieß, daß Windischgrätz mit Militär gegen Wien rücke. Heute wurden gegen die Urheber der Maßregel, mit Militär die akademische Legion zu entwaffnen, Verhaftsbefehle erlassen, nämlich gegen Graf Bräuner, Bar. Pereira, Prof. Hye und Professor Endlicher. Die Redakteure Schäffer und Tuvora sind gegen ihr Ehrenwort auf freien Fuß gesetzt worden. 28. Mai. Die Revolution ist zu Ende und löst sich wie dte früheren mit Blumen, Musik, Erleuchtung und feierlichen Umzügen. Der gestrige Tag verfloß ruhig, die Stimmung war eine sanftere geworden, nachdem das Volk sich überzeugt hatte, daß von einem Angriff der Truppen auf die Stadt keine Rede sei. Die doppelte Wortbrüchigkeit des Ministeriums wird ihm bitter heimgezahlt, das Volk wollte von keinem Ministerialerlasse etwas wissen, so lange nicht im Abzuge des Militärs und in Auslieferung von Geißeln die Errungenschaften des Mai garantirt würden. Das Regiment "Nugent" marschirt nach Italien, und das neu eingerückte Regiment "Prinz Emil" behält blos ein Bataillon hier, um die nöthi- [Fortsetzung S. 7] "Und den jüngsten Commis - Lenz!"- ""Allerdings."" "So wie ferner - es thut mir leid - nein, der jüngste Commis kann bleiben - es thut mir sehr leid - was Sie betrifft - Lenz." Hier hatte die Geduld des Buchhalters ein Ende. In großen Tropfen rann der Schweiß auf seine erblichene Nase. Die grüne Brille entglitt ihr und wie eine Blume im Sturm brach er zusammen, der unglückselige Mann, und d[#] Arme eines Comptoirstuhles nahmen ihn auf und hielten ihn fest umschlossen. Der Herr Preiß hatte indeß nicht vollendet Der Schluß seiner Phrase war ihm auf der Zunge geblieben, denn eben trat der Postbote in's Zimmer und überbrachte die Zeitung. Seit den Februarereignissen in Paris und seit den eingetroffenen Wiener Nachrichten hätte sich der Herr Preiß nicht durch vier und zwanzig Pferde von sofortigem Lesen der Zeitung abziehen lassen Die Unterredung mit dem Buchhalter wurde daher im Nu unterbrochen und die grüne Mütze tief in's Gesicht drückend, die Beine fest ineinanderkneifend und das Zeitungsblatt mit beiden Händen ergreifend, schickte sich der würdige Herr auf der Stelle an, die Bühne der Welt rasch lesend zu durcheilen. Armer Preiß! du wußtest nicht, was du thatest. Seht ihn sitzen, den gewaltigen Mann. Er schaut in das verhängnißvolle Blatt, er ließt nur einen Augenblick - da ergreift ein Zittern all' seine Glieder, seine Kniee schlottern, die Mütze fällt vom Haupte : "Revolution in Berlin!" ruft er mit erstickter Stimme und wie der Buchhalter Lenz gegen Westen gefallen, so sinkt der würdige Prinzipal gen Osten in die Arme des Lehnstuhls. "Halloh! Jetzt ist der Teufel erst recht los -" das sind die letzten Worte, die er zu sprechen vermag, die Zunge versagt ihm den Dienst, seine Augenlieder sinken und wiederum herrscht auf dem weiten Comptoir Todesstille. Röthlich aber strahlt der Morgen durch die zwei großen, halbverstaubten Fenster auf die Dintenkleckse des Schreibpults. (Fortsetzung folgt.) [Deutschland] [Fortsetzung] Die Zurückberufung des angeblich auf einer geheimen Mission in England sich befindenden Prinzen von Preußen, unter nichtigem Vorwande. Wir tragen demnach dahin an, daß die aufgezählten Protest-Punkte beseitigt werden, daß mehr dem Volkswillen gehorcht und das unvolksthümliche Ministerium verabschiedet werde. Die in diesem Augenblicke auf unsern Bergen lodernde Wacht-Feuer mögen Ew Majestät beweisen, daß das deutsche Volk wach und einig ist, und sein Recht zu schützen wissen wird. Berncastel, 17. Mai 1848. Es verharren (Folgen 255 Unterschriften.) X Elberfeld, 31. Mai. Unser konstitutioneller (d. h. reaktionairer) Klub sammelte neulich vermittelst einer Volksversammlung Unterschriften für eine die Zurückberufung des Prinzen von Preußen billigende Adresse. Bei dieser Versammlung machte ein Bürger Opposition und ging einigermaßen auf die angebliche Mission des Prinzen nach England ein. Sofort erklärten die konstitutionellen Klubisten, er habe hier nicht zu opponiren, er habe zu schweigen oder sich zu entfernen; die Muthigeren drangen auf ihn ein und um nicht mit Gewalt herausgeworfen zu werden, mußte er sich entfernen. So verfahren die Leute der Ruhe, Ruhe um jeden Preis. Nächstens werden dort die Judenfrage (nach erfolgter Emanzipation!) und die Arbeiterfrage verhandelt werden; man wird uns da schöne Dinge zu hören geben. Im politischen Klub, dem radikaleren, erkennt man wenigstens die alleinige Berechtigung der Frankfurter Versammlung gegen alle übrigen an. Der Klub fuhr neulich nach Schwelm, um dort mit den Markanern zu fraternisiren. Die Reaktionärs prophezeiten ihm eine derbe Lektion von Seiten der Märkischen Bauern; aber die Markaner waren sehr anständig, hielten sogar einige für diese Lokalität sehr avancirte Reden. Unsere brodlosen Arbeiter, die den Kapitalisten der Gegend so viel Sorge verursachen, wurden bisher vermittelst eines durch Kollekte aufgebrachten Kapitals zu allerlei wenig rentirenden Arbeiten angestellt. Die Fonds sind nun sehr beigegangen und unsere Kapitalisten werden nochmals zahlen müssen; denn wenn sie auch keine freiwilligen Beiträge zeichnen, so wird ihnen der Gemeinderath die Gelder vermittelst einer bereits berathenen Einkommensteuer schon abnehmen, damit die Ruhe Elberfelds durch Beschäftigung der Arbeiter gesichert bleibe. X Berlin, 30. Mai. Die Bürgerwehr, bisher die Hauptstütze unseres Ministeriums, hat jetzt die Augen geöffnet, sie will nicht mehr Ruhe und Ruhe um jeden Preis. Endlich ist sie zu dem Bewußtsein gelangt, daß sie bis jetzt ein Werkzeug der Reaktion war, daß sie durch ihr unzeitiges Einschreiten gegen unbedeutende Aufläufe größere Ruhestörungen provozirte, daß sie durch ihre ewigen Patrouillen und Generalmärsche sich und den größten Theil der Stadt gegen die arbeitende Klasse aufregte und so einen Zwiespalt hätte herbeiführen können, der sie selbst unter das alte Regiment, das absolute Königthum, zurückführen mußte. Jetzt hat der Verfassungsentwurf eine Einigkeit zwischen Bürgerwehr und Volk hervorgerufen, die bei einem neuen Kampfe, wäre ein solcher nöthig, der Freiheit den Sieg verschaffen muß. ‒ Die Sitzungen der konstituirenden Versammlung waren bis auf die heutige wegen der unendlichen Diskussionen über die Konstituirung und die Wahlen des Präsidiums von wenigem Interesse. Wie Sie wohl wissen, hat die Linke ihren Kandidaten, den Abgeordneten Berlins, Waldeck, zur Stelle des Vizepräsidenten durchgebracht. In der heutigen Sitzung wurden die Namen der gestern erwählten Vorsitzenden der verschiedenen Abtheilungen mitgetheilt, und zwar: 1. Abth. Abg. Waldeck, 2. Abth. Abg. v. Kirchmann, 3. Abth. Abg. Grabow, 4. Abth. Abg. Windhorst, 5. Abth. Abg. Willitsch, 6. Abth. Abg. Hesse, 7. Abth. Abg. Köhler, 8. Abth. Abg. Pinder. Rodbertus beantragte, die Versammlung möge sich bis zur Vorlage einer definitiven Geschäftsordnung vertagen. Esser spricht gegen den Antrag, weil man einmal den Beschluß gefaßt, sich bis zur Vorlage der neuen Geschäftsordnung nach der provisorischen zu richten. Ginge der Antrag jetzt durch, meinte der Redner, so würde man dem Volke die Physiognomie eines todten Körpers bieten. Abg. Zenker und Dunker unterstützen den Antrag, der letztere will mit der Vertagung der Sitzungen eine Kommission zur Berathung über eine Adresse an den König ernannt haben. Abg. v. Kirchmann stellt endlich das Amendement, die Sitzungen nicht auszusetzen, dagegen jeden Antrag auf Veränderung der provisorischen Geschäftsordnung bis zur Vorlage der definitiven Geschäftsordnung zurückzuweisen. Dieses Amendement wird angenommen und wir theilen jetzt das Interessanteste aus dem Verlaufe der heutigen Sitzung mit. Der Ministerpräsident Camphausen wurde veranlaßt, sich über die Revolution vom 18. März zu äußern. Er that es in der Weise, daß er sie fast ganz desavouirte. Er bemerkte nämlich, daß das jetzige Ministerium zwar theilweise aus der Revolution hervorgegangen, daß diese aber auf die Prinzipien, nach welchen es die Führung der Staatsangelegenheiten übernommen, keineswegs einen Einfluß ausgeübt. Sogleich nach seinem Geschäftsantritt habe das Ministertum dadurch ein Zeugniß von seinem Anknüpfen an die frühern Zustände gegeben, die es fortzuentwickeln gedenke, daß es den vereinigten Landtag zusammenberufen und ein Wahlgesetz von ihm habe dekretiren lassen. Die Rechte klatschte Beifall. Jung interpellirte den Kriegsminister wegen der reaktiònären Tendenzen, die von Seiten der Offiziere im Heere verfolgt werden. Er führt mehrere Beispiele an, wo den Soldaten das Associations- und Petitionsrecht vorenthalten worden, ja wo man sie wegen Ausübung desselben bestraft hatte, und verlangt eine Erklärung, ob das Ministerium der Ansicht sei, daß der Soldat, wenn er nicht unter Waffen sei, nicht gleiche Rechte mit den Bürgern haben solle. Der Kriegsminister v. Canitz, der nicht selber zu sprechen versteht, läßt sich durch einen Kommissarius vertreten, dessen Namen uns entschwunden. Dieser behauptet, daß es in keinem Lande Sitte sei, dem Militär das Associations- und Petitionsrecht zu ertheilen, es würde dies nothwendig die Disciplin u. s. w. stören. Der Herr bemühte sich zu erzählen, was wir dem Heere Alles zu verdanken haben und vergaß dabei ganz und gar, daß das Heer nicht uber dem Volk steht, sondern einen Theil desselben bildet, daß nicht das Heer uns erhält, sondern daß es im Gegentheil von uns erhalten wird. Gegen die Forderung, daß der Soldat, sobald er nicht unter Waffen stehe, die Rechte des Bürgers ausüben müsse, erklärte er, daß der Soldat immer unter Waffen sei. Die Konsequenz hiervon wäre, daß wir auch der Bürgerwehr die Ausübung politischer Rechte verweigern müßten, weil sie „unter Waffen“ steht. Uebrigens bemerkte der Redner noch zum Schluß, daß er keine Fälle kenne, wo die Offiziere sich zu reaktionären Maßregeln hätten hinreißen lassen. Wenn dies geschehen sei, so wäre dies einzig und allein die natürliche Folge der „Wühlereien“, die jetzt im Heere stattfinden. ‒ Der Abg. D'Ester nahm hierauf das Wort und erklärte, daß er dem Kriegsministerium in wenigen Tagen ein ganzes Buch voll Fakta vorlegen werde gegenüber der Behauptung, daß das Militär nicht zu reaktionären Zwecken bearbeitet werde. Er erwähnte beiläufig des Erlasses des Generals Schreckenstein u. s. w. und erklärte, daß übrigens in der Provinz, in welcher er gewählt sei (Rheinprovinz), die Bemühungeu der Offiziere, das Militär reaktionär zu stimmen, ganz vergebliche seien, dort sei es jetzt einmal liberal und liberal werde es bleiben. ‒ Eine Interpellation des Abg. Jung, ob der Minister der auswärtigen Angelegenheiten noch den Cartellvertrag mit Rußland aufrecht erhalte, wurde von demselben nicht beantwortet. Er wollte dieselbe aus dem Protokoll gestrichen wissen, weil sie nicht zur Tagesordnung gehöre, bequemte sich aber dennoch eine Antwort auf Freitag anzusagen. Unter den vielen Anträgen, die den Abtheilungen überwiesen worden, bemerken wir die hauptsächlichsten: auf gänzliche Verwerfung des Verfassungsentwurfs und Wahl einer Kommission zur Abfassung eines andern, auf Souveränetäts-Erklärung der Versammlung, auf die Erklärung, die Helden vom 18. und 19. März hätten sich um das Vaterland verdient gemacht und die Nation solle ihnen ein Denkmal setzen. Die rechte Seite hat fast gar keine Redner. Interessant ist, daß die Linke oftmals von der Rechten aufgefordert wurde, ihr nicht den Rücken zuzukehren. Ebenso wie die Redner, wenn sie sprechen, sich unwillkührlich zur Linken wenden, so sehen wir, daß auch die Schelle des Präsidenten dieser Seite vorzüglich mit einer fürchterlichen Energie entgegentritt. Abends 9 Uhr. Vor dem Hotel des Ministers Patow versammelten sich so eben gegen 3000 Arbeiter, die Arbeit verlangten. Der rathlose Minister versprach ihnen binnen zwei Tagen Arbeit zu verschaffen, und ließ Einem Jeden auf die Bemerkung, daß sie so lang nicht hungern könnten, 10 Sgr. geben. Die Ruhe ist dadurch nicht gestört worden. Schneidemühl, 24. Mai. Vor einigen Tagen, den 19. d. M. rückte in unsere bisher so harmlose und ruhige Stadt das 1. Bataillon 9. (pommerschen) Landwehr-Infanterie-Regiments. War ihnen auch ein schlimmer Ruf vorangeeilt, so konnte man sich doch nicht denken, daß derselbe sich in so großem Maße bestätigen würde, als es leider geschah. Zuvorkommend ging ihnen der Bürger entgegen; einer dieser Landwehrleute aber begrüßte seinen Wirth Eisbrenner, einen Deutschen, dadurch, daß er bei seinem Eintritt in das Zimmer das Kreuz des Erlösers, das über dem Bette seines Wirthes hing, mit dem Rufe auf sein Bajonett spießte: „Hier wohnt auch so ein verfluchter Pollack! und sodann zu Boden warf. Noch am 19. des Abend sah man ganze Trupps von diesen Horden schreiend, lärmend und ruhige Leute insultirend bis in die späte Nacht hinein durch unsere Straßen wogen. Am 20., einem Ruhetage, gingen diese Manifestationen in gewaltthätige Demonstrationen über; man versammelte sich vor den Fenstern der als Katholiken bezeichneten Personen, stieß Verwünschungen gegen sie aus, nannte sie „polnische Hunde“, wie wohl wir kaum zehn Polen hier haben. Diese Horden, die da hereingekommen sein wollen, um das Land zu schützen, sie fallen gleich Räubern wehrlose Menschen ungestraft auf offener Straße und in ihren Häusern an und mißhandeln sie auf das Empörendste. So kehrte ein Tagelöhner vom Borkesammeln aus dem Walde zurück, wird von ruder Soldateska angehalten und um seine Legitimation befragt, und da er diese nicht aufzuweisen vermochte, obwohl er jedem Kinde der Stadt bekannt war, wurde er niedergeschlagen und wäre ohne Zweifel getödtet worden, wenn nicht zwei herbeigeeilte Offiziere ihn in ein Haus hineingezogen und durch den Garten auf das freie Feld hinausgelassen hätten. An einem andern Orte drangen diese Banden, ein jüdisches Mädchen verfolgend, das ihren thierischen Zudringlichkeiten sich hartnäckig eutgegengesetzt und sie mit Entrüstung zurückgewiesen haben soll, in das Haus der Verwandten dieses Mädchens, wohin sie geflüchtet, wütheten dort schrecklich mit der blanken Säbelklinge, so daß die Bewohner des Hauses die Fenster einschlugen und durch dieselben flüchteten. Wiederum an einer andern Stelle drangen sie in den Laden des Kaufmanns Neumann, gleichfalls eines Deutschen, der vor wenigen Sekunden erst auf nur kurze Zeit das Krankenlager verlassen hatten, rissen ihn, der sich auch nicht der geringsten Schuld gegen sie bewußt war, von den feilen Juden gestachelt, aus dem Zimmer heraus, warfen ihn zu Boden, schlugen ihn nicht blos mit Fäusten, sondern stießen ihn, der ohnedies ein Krüppel ist, mit den Füßen, versetzten ihm Schläge mit den Absätzen der Stiefel auf die Brust, ja einer der Unmenschen ergriff eine im Laden stehende Flasche, um dem unter seinen Füßen sich krümmenden Wurm den Todesstreich zu versetzen: da aber streckte der Arme in seiner Todesangst den Arm entgegen, die Flasche zersplitterte und die Scherben zerfleischten die Hand des Unglücklichen. Nur mit der äußersten Anstrengung gelang es der Schwester desselben, ihn zu retten. Das ist also die verdiente Erfüllung unserer Wünsche ‒ die Vereinigung mit Deutschland! Darum hat man sich gegen die nationale Erhebung Polens gesträubt, um der Tyrannei einer entmenschten Soldateska preisgegeben zu werden! Aber wir lernen allmäalig begreifen, wohinaus es mit unserer Deutsch-Einigkeits-Begeisterung soll! Diese rohen pommerscher Herden rufen uns zu: „Wenn wir die Polen niedergehauen, ziehen wir nach Berlin, pflügen es herunter und säen im nächsten Jahre Korn darauf.“ (A. O. Z.) (Aehnliche Excesse werden aus Neustadt a. P. und Buk berichtet.) Frankfurt, 31. Mai. In der heutigen 10. Sitzung der Nationalversammlung erstattete der Abgeordnete Dahlmann den Bericht über den Antrag Mareck's, die Nationalität betreffend. „Deutschland erklärt hiermit durch seine Vertreter feierlich: 1) daß es zur Unterdrückung irgend einer Nationalität nie die Hand bieten werde; 2) daß allen jenen Staatsbürgern eines mit Deutschland verbundenen Staates, welche nicht zum deutschen Volksstamme gehören, alle Rechte der deutschen Staatsbürger zukommen und daß ihnen die Aufrechthaltung und Achtung ihrer Nationalität garantirt sey; 3) die deutsche Sprache ist zwar Staatssprache, jedoch soll in jenen Kreisen, wo der größere Theil eine andere Sprache, als die deutsche, spricht, diese andere Sprache sowohl in Communalangelegenheiten, im Unterrichtswesen, als auch als Gerichtssprache eingeführt werden. Schließlich wird beantragt: die Nationalversammlung möge beschließen: Vorstehender Antrag werde einem aus den 15 Abtheilungen zu erwählenden Ausschusse dahin überwiesen, daß selber obigen Antrag in Form einer Proclamation zur weiteren Discussion vorlege.“ Der Verfassungsausschuß beantragt dagegen einstimmig folgende Fassung zu Protokoll zu erklären: „Der Verfassungsausschuß hat einstimmig beschlossen, auf Anlaß des Mareck'schen Antrages folgende Fassung als Protokollerklärung in Antrag zu bringen: „Die Verfassung gebende deutsche Nationalversammlung erklärt feierlich: daß sie im vollen Maße das Recht anerkenne, welches die nichtdeutschen Volksstämme auf deutschem Bundesboden haben, den Weg ihrer volksthümlich en Entwickelung ungehindert zu gehen und in Hinsicht auf das Kirchenwesen, den Unterricht, die Literatur und die innere Verwaltung und Rechtspflege sich der Gleichberechtigung ihrer Sprache, soweit deren Gebiete reichen, zu erfreuen, wie es sich denn auch von selbst verstehe, daß jedes der Rechte, welche die im Bau begriffene Gesammtverfassung dem deutschen Volk gewährleisten wird, ihnen gleichmäßig zusteht. Das fortan einige und freie Deutschland ist groß und mächtig genug, um den in seinem Schooße erwachsenen andersredenden Stämmen eifersuchtslos in vollem Maße gewähren zu können, was Natur und Geschichte ihnen zuspricht; und niemals soll auf seinem Boden weder der Slave, noch der dänisch redende Nordschleswiger, noch der italienisch redende Bewohner Süddeutschlands, noch wer sonst uns angehörig, in fremder Zunge spricht, zu klagen haben, daß ihm seine Stammesart verkümmert werde oder die deutsche Bruderhand sich ihm entziehe, wo es gilt.“ Diese Fassung wurde von der Nationalversammlung nachdem vorher beschlossen worden, ohne Discussion darüber abzustimmen, mit großer Mehrheitt angenommen. Hierauf wurde zur Wahl des definitiven Präsidenten, der Vicepräsidenten und Secretäre geschritten. Bei der Präsidentenwahl wurden im Ganzen 518 Stimmen abgegeben, von denen Heinrich von Gagnern 499, Blum 12, Soiron 5, Scheller 1 und Zitz 1 erhielten. Nachdem der bisherige Vice-Präsident v. Soiron die Versa mmlung mit diesem Resultat bekannt gemacht, sprach Heinrich v. Gagern tief bewegt folgende Worte: Es ist nicht ein Gefühl des Stolzes, sondern der Demuth, das mich erfaßt. Von einer solchen Versammlung zu ihrem Vorsteher und mit dieser Stimmenmehrheit gewählt zu werden, konnte ich nimmermehr erwarten. Ich danke Ihnen für die Anerkennung, die Sie mir dadurch bezeigten. Ich werde alle meine Kräfte der großen Aufgabe widmen, für die wir gemeinschaftlich hier zusammenstehen. Ich will nicht wiederholen, sondern Sie nur noch in Kenntniß setzen, daß, wie ich schon früher erklärte, meine Kräfte und meine Stellung von heute an lediglich dieser Versammlung angehören! (Ein außerordentlicher, Beifall folgte diesen Worten). Die Wahl des ersten Vicepräsidenten ergab folgendes Resultat: Stimmende 513. Davon für v. Soiron 408, Blum 84, v. Andrian 8, v. Möhring 4, Arndt 3, v. Rothenhan 3, Mathy 1, Blumröder 1, Raveaux 1. Mit den Worten: „Empfangen Sie einfach meinen Dank für dieses ehrenvolle Vertrauen trat v. Soiron seine Verrichtungen an. Zum zweiten Vicepräsidenten wurde unter 505 Stimmenden v. Andrian aus Wien mit 310 Stimmen gewählt. Weitere Stimmen erhielten: R. Blum 116, v. Möhring 66, Heckscher 3, v. Auersperg 2, Mittermaier 2, Wiesner 1, Scheller 1, Kierulf 1, Simon 1, Trütschler 1, v. Rothenhan 1. Der 2 Vicepräsident erklärt, daß Niemand wärmer als er für die Freiheit und Einheit Deutschlands und von der Nothwendigkeit seiner Kräftigung durchdrungen sei. Die Wahl der 8 Secretäre wird in nächster Sitzung (Sonnabend) verkündigt werden. 12 Hoya, 27. Mai. Unter allen Ex-Volksmännern, die jetzt als große und kleine Minister sich durch Schwäche, Unentschiedenheit, Unfähigkeit, und endlichen Anschluß an die Reaktion vor dem ganzen Volke kompromittiren, unter Allen hat sich keiner so erbärmlich, so kleinlich, so feig benommen wie unser biederer Stüve. Ganz Deutschland weiß, wie er in der Kammer die Souverainetät des Königs von Hannover der Souverainetät des deutschen Volks entgegenstellte, wie er zum Vortheil seines ehemaligen persönlichen Feindes die Provinz über die Nation zu stellen versuchte. Aber hier, wie in ganz Deutschland, stellte es sich bald heraus, daß der Appell an lokale nnd provinziale Interessen der ganzen Nation nur der Vorwand ist, hinter dem die Reaktion ihre Pläne verfolgt. Hr. Stüve will uns nicht nur mit Deutschland in Collision bringen, er will uns auch unsere Revolution eskamotiren. Hr. Stüve hat eine merkwürdige Logik. Die Verfassung von 1840,gegen die er sich, wie männiglich bekannt, mit sämmtlichen Gliedmaßen sträubte, die er Tausende von Malen für ungesetzlich erklärte, diese damals so verwerfliche Verfassung ist nach Hrn. Stüve durch die Hannoversche Märzrevolution im höchsten Grade gesetzlich und vortrefflich geworden. Unsere Revolution von 1848 hatte also nur den Zweck, die Contrerevolution von 1838 zu legalisiren und Hrn. Stüve in die Arme des Hrn. Falk zu schleudern! Unsere Stadt hat sofort eine Petition an die Stände erlassen, worin diesen die Aeußerungen des Hrn. Stüve über die Verfassung von 1840, als er noch nicht Minister war, mitgetheilt und auf Berufung einer konstituirenden Versammlung angetragen wird. Karlsruhe, 30. Mai. Die hiesige Zeitung enthält heute die amtliche Anzeige, daß Dr. jur. Rauschenplatt zum außerordentlichen Professor an der Universität Heidelberg ernannt worden ist. * Nürnberg, 27. Mai. Die „magistratische Polizei“ (ein schöner Titel) hat, wie die A. A. Z. meldet, Herrn Gustav Diezel aus Würtemberg, Leiter des politischen Klubs und Redakteur des „Freien Staatsbürgers“ ausgewiesen. Das vielgerühmte deutsche Staatsbürgerrecht läuft bis jetzt in der Praxis ganz auf das alte Ausweisungs-System hinaus. Wer kein geborner Krähwinkler ist, der ist ein „Fremder in Krähwinkel.“ * München, 27. Mai. Die Kammern beschäftigen sich noch immer mit feudalem Wust: Ablösungsgesetzen, Lehensgesetzen u. s. w. Der Adel hält fest zusammen und verlangt enorme Entschädigungen. Das Feudalsystem wird durch ein neues Lehengesetz in voller gesetzlicher Kraft erhalten. Vermöge der kostspieligen, langwierigen und fast ganz illusorischen Ablösungen wird das revolutionirte Deutschland sich noch Jahre lang aller jener ehrwürdigen Institutionen, Frohnden, Patrimonialgerichtsbarkeiten u. s. w. erfreuen, welche die frivole und neuerungssüchtige französische Revolution am 4. August 1789 mit Einem Schlage vernichtete. ‒ München, 28. Mai. Heute Mittag hat die Kammer der Reichsräthe das Wahlgesetz in der von den Abgeordneten beschlossenen Fassung mit allen Stimmen gegen drei angenommen. (A. A. Z.) * Ueber die letzte Wiener Revolution entnehmen wir der „Berl. Zeitungshalle“ Folgendes : Wien, 26. Mai. Sehr wohl wußte die reaktionaire Partei, was der Wiener seit den Märztagen für die Studenten fühlt, sie wußte, es müsse hier zu Conflikten kommen, aber das wollte sie, um unsere Freiheit dann ganz in den Staub treten zu können. Ein Geist, der Geist der Freiheit und des Rechtes beseelt die ganze Bevölkerung; Frauen sprechen von den Barrikaden herab zu ihren Männern und Söhnen, die schönsten Möbel werfen sie aus den Fenstern, siedendes Wasser steht überall bereit, um auf das etwa anrückende Militär gegossen zu werden, Pflastersteine liegen auf den Fensterbrüstungen statt der üblichen Polster. So lange nur ein Mann vom Militär in der Stadt zu sehen ist, kann von Ruhe keine Rede seyn. 27. Mai. Heute Nacht war die Stadt in Allarm, um 1 Uhr wurde Sturm geläutet, zum Glück blinder Lärm; es hieß, daß Windischgrätz mit Militär gegen Wien rücke. Heute wurden gegen die Urheber der Maßregel, mit Militär die akademische Legion zu entwaffnen, Verhaftsbefehle erlassen, nämlich gegen Graf Bräuner, Bar. Pereira, Prof. Hyé und Professor Endlicher. Die Redakteure Schäffer und Tuvora sind gegen ihr Ehrenwort auf freien Fuß gesetzt worden. 28. Mai. Die Revolution ist zu Ende und löst sich wie dte früheren mit Blumen, Musik, Erleuchtung und feierlichen Umzügen. Der gestrige Tag verfloß ruhig, die Stimmung war eine sanftere geworden, nachdem das Volk sich überzeugt hatte, daß von einem Angriff der Truppen auf die Stadt keine Rede sei. Die doppelte Wortbrüchigkeit des Ministeriums wird ihm bitter heimgezahlt, das Volk wollte von keinem Ministerialerlasse etwas wissen, so lange nicht im Abzuge des Militärs und in Auslieferung von Geißeln die Errungenschaften des Mai garantirt würden. Das Regiment „Nugent“ marschirt nach Italien, und das neu eingerückte Regiment „Prinz Emil“ behält blos ein Bataillon hier, um die nöthi- [Fortsetzung S. 7] „Und den jüngsten Commis ‒ Lenz!“‒ „„Allerdings.““ „So wie ferner ‒ es thut mir leid ‒ nein, der jüngste Commis kann bleiben ‒ es thut mir sehr leid ‒ was Sie betrifft ‒ Lenz.“ Hier hatte die Geduld des Buchhalters ein Ende. In großen Tropfen rann der Schweiß auf seine erblichene Nase. Die grüne Brille entglitt ihr und wie eine Blume im Sturm brach er zusammen, der unglückselige Mann, und d[#] Arme eines Comptoirstuhles nahmen ihn auf und hielten ihn fest umschlossen. Der Herr Preiß hatte indeß nicht vollendet Der Schluß seiner Phrase war ihm auf der Zunge geblieben, denn eben trat der Postbote in's Zimmer und überbrachte die Zeitung. Seit den Februarereignissen in Paris und seit den eingetroffenen Wiener Nachrichten hätte sich der Herr Preiß nicht durch vier und zwanzig Pferde von sofortigem Lesen der Zeitung abziehen lassen Die Unterredung mit dem Buchhalter wurde daher im Nu unterbrochen und die grüne Mütze tief in's Gesicht drückend, die Beine fest ineinanderkneifend und das Zeitungsblatt mit beiden Händen ergreifend, schickte sich der würdige Herr auf der Stelle an, die Bühne der Welt rasch lesend zu durcheilen. Armer Preiß! du wußtest nicht, was du thatest. Seht ihn sitzen, den gewaltigen Mann. Er schaut in das verhängnißvolle Blatt, er ließt nur einen Augenblick ‒ da ergreift ein Zittern all' seine Glieder, seine Kniee schlottern, die Mütze fällt vom Haupte : „Revolution in Berlin!“ ruft er mit erstickter Stimme und wie der Buchhalter Lenz gegen Westen gefallen, so sinkt der würdige Prinzipal gen Osten in die Arme des Lehnstuhls. „Halloh! Jetzt ist der Teufel erst recht los ‒“ das sind die letzten Worte, die er zu sprechen vermag, die Zunge versagt ihm den Dienst, seine Augenlieder sinken und wiederum herrscht auf dem weiten Comptoir Todesstille. Röthlich aber strahlt der Morgen durch die zwei großen, halbverstaubten Fenster auf die Dintenkleckse des Schreibpults. (Fortsetzung folgt.) <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0002" n="0006"/> <div n="1"> <head>[Deutschland]</head> <div xml:id="ar002_006a" type="jArticle"> <p><ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref> Die Zurückberufung des angeblich auf einer geheimen Mission in England sich befindenden Prinzen von Preußen, unter nichtigem Vorwande.</p> <p>Wir tragen demnach dahin an, daß die aufgezählten Protest-Punkte beseitigt werden, daß mehr dem Volkswillen gehorcht und das unvolksthümliche Ministerium verabschiedet werde.</p> <p>Die in diesem Augenblicke auf unsern Bergen lodernde Wacht-Feuer mögen Ew Majestät beweisen, daß das deutsche Volk wach und einig ist, und sein Recht zu schützen wissen wird.</p> <p>Berncastel, 17. Mai 1848.</p> <p>Es verharren</p> <p>(Folgen 255 Unterschriften.)</p> </div> <div xml:id="ar002_007" type="jArticle"> <head><bibl><author>X</author></bibl><hi rendition="#g">Elberfeld,</hi> 31. Mai.</head> <p>Unser konstitutioneller (d. h. reaktionairer) Klub sammelte neulich vermittelst einer Volksversammlung Unterschriften für eine die Zurückberufung des Prinzen von Preußen billigende Adresse. Bei dieser Versammlung machte ein Bürger Opposition und ging einigermaßen auf die angebliche Mission des Prinzen nach England ein. Sofort erklärten die konstitutionellen Klubisten, er habe hier nicht zu opponiren, er habe zu schweigen oder sich zu entfernen; die Muthigeren drangen auf ihn ein und um nicht mit Gewalt herausgeworfen zu werden, mußte er sich entfernen. So verfahren die Leute der Ruhe, Ruhe um jeden Preis. Nächstens werden dort die Judenfrage (nach erfolgter Emanzipation!) und die Arbeiterfrage verhandelt werden; man wird uns da schöne Dinge zu hören geben.</p> <p>Im politischen Klub, dem radikaleren, erkennt man wenigstens die alleinige Berechtigung der Frankfurter Versammlung gegen alle übrigen an. Der Klub fuhr neulich nach Schwelm, um dort mit den Markanern zu fraternisiren. Die Reaktionärs prophezeiten ihm eine derbe Lektion von Seiten der Märkischen Bauern; aber die Markaner waren sehr anständig, hielten sogar einige für diese Lokalität sehr avancirte Reden.</p> <p>Unsere brodlosen Arbeiter, die den Kapitalisten der Gegend so viel Sorge verursachen, wurden bisher vermittelst eines durch Kollekte aufgebrachten Kapitals zu allerlei wenig rentirenden Arbeiten angestellt. Die Fonds sind nun sehr beigegangen und unsere Kapitalisten werden nochmals zahlen müssen; denn wenn sie auch keine freiwilligen Beiträge zeichnen, so wird ihnen der Gemeinderath die Gelder vermittelst einer bereits berathenen Einkommensteuer schon abnehmen, damit die Ruhe Elberfelds durch Beschäftigung der Arbeiter gesichert bleibe.</p> </div> <div xml:id="ar002_008" type="jArticle"> <head><bibl><author>X</author></bibl><hi rendition="#g">Berlin,</hi> 30. Mai.</head> <p>Die Bürgerwehr, bisher die Hauptstütze unseres Ministeriums, hat jetzt die Augen geöffnet, sie will nicht mehr Ruhe und Ruhe um jeden Preis. Endlich ist sie zu dem Bewußtsein gelangt, daß sie bis jetzt ein Werkzeug der Reaktion war, daß sie durch ihr unzeitiges Einschreiten gegen unbedeutende Aufläufe größere Ruhestörungen provozirte, daß sie durch ihre ewigen Patrouillen und Generalmärsche sich und den größten Theil der Stadt gegen die arbeitende Klasse aufregte und so einen Zwiespalt hätte herbeiführen können, der sie selbst unter das alte Regiment, das absolute Königthum, zurückführen mußte. Jetzt hat der Verfassungsentwurf eine Einigkeit zwischen Bürgerwehr und Volk hervorgerufen, die bei einem neuen Kampfe, wäre ein solcher nöthig, der Freiheit den Sieg verschaffen muß. ‒ Die Sitzungen der konstituirenden Versammlung waren bis auf die heutige wegen der unendlichen Diskussionen über die Konstituirung und die Wahlen des Präsidiums von wenigem Interesse. Wie Sie wohl wissen, hat die Linke ihren Kandidaten, den Abgeordneten Berlins, Waldeck, zur Stelle des Vizepräsidenten durchgebracht. In der heutigen Sitzung wurden die Namen der gestern erwählten Vorsitzenden der verschiedenen Abtheilungen mitgetheilt, und zwar: 1. Abth. Abg. Waldeck, 2. Abth. Abg. v. Kirchmann, 3. Abth. Abg. Grabow, 4. Abth. Abg. Windhorst, 5. Abth. Abg. Willitsch, 6. Abth. Abg. Hesse, 7. Abth. Abg. Köhler, 8. Abth. Abg. Pinder. <hi rendition="#g">Rodbertus</hi> beantragte, die Versammlung möge sich bis zur Vorlage einer definitiven Geschäftsordnung vertagen. <hi rendition="#g">Esser</hi> spricht gegen den Antrag, weil man einmal den Beschluß gefaßt, sich bis zur Vorlage der neuen Geschäftsordnung nach der provisorischen zu richten. Ginge der Antrag jetzt durch, meinte der Redner, so würde man dem Volke die Physiognomie eines todten Körpers bieten. Abg. <hi rendition="#g">Zenker</hi> und <hi rendition="#g">Dunker</hi> unterstützen den Antrag, der letztere will mit der Vertagung der Sitzungen eine Kommission zur Berathung über eine Adresse an den König ernannt haben. Abg. v. <hi rendition="#g">Kirchmann</hi> stellt endlich das Amendement, die Sitzungen nicht auszusetzen, dagegen jeden Antrag auf Veränderung der provisorischen Geschäftsordnung bis zur Vorlage der definitiven Geschäftsordnung zurückzuweisen. Dieses Amendement wird angenommen und wir theilen jetzt das Interessanteste aus dem Verlaufe der heutigen Sitzung mit. Der Ministerpräsident <hi rendition="#g">Camphausen</hi> wurde veranlaßt, sich über die Revolution vom 18. März zu äußern. Er that es in der Weise, daß er sie fast ganz desavouirte. Er bemerkte nämlich, daß das jetzige Ministerium zwar theilweise aus der Revolution hervorgegangen, daß diese aber auf die Prinzipien, nach welchen es die Führung der Staatsangelegenheiten übernommen, keineswegs einen Einfluß ausgeübt. Sogleich nach seinem Geschäftsantritt habe das Ministertum dadurch ein Zeugniß von seinem Anknüpfen an die frühern Zustände gegeben, die es fortzuentwickeln gedenke, daß es den vereinigten Landtag zusammenberufen und ein Wahlgesetz von ihm habe dekretiren lassen. Die Rechte klatschte Beifall. <hi rendition="#g">Jung</hi> interpellirte den Kriegsminister wegen der reaktiònären Tendenzen, die von Seiten der Offiziere im Heere verfolgt werden. Er führt mehrere Beispiele an, wo den Soldaten das Associations- und Petitionsrecht vorenthalten worden, ja wo man sie wegen Ausübung desselben bestraft hatte, und verlangt eine Erklärung, ob das Ministerium der Ansicht sei, daß der Soldat, wenn er nicht unter Waffen sei, nicht gleiche Rechte mit den Bürgern haben solle. Der Kriegsminister v. <hi rendition="#g">Canitz,</hi> der nicht selber zu sprechen versteht, läßt sich durch einen Kommissarius vertreten, dessen Namen uns entschwunden. Dieser behauptet, daß es in keinem Lande Sitte sei, dem Militär das Associations- und Petitionsrecht zu ertheilen, es würde dies nothwendig die Disciplin u. s. w. stören. Der Herr bemühte sich zu erzählen, was wir dem Heere Alles zu verdanken haben und vergaß dabei ganz und gar, daß das Heer nicht uber dem Volk steht, sondern einen Theil desselben bildet, daß nicht das Heer uns erhält, sondern daß es im Gegentheil von uns erhalten wird. Gegen die Forderung, daß der Soldat, sobald er <hi rendition="#g">nicht unter Waffen</hi> stehe, die Rechte des Bürgers ausüben müsse, erklärte er, daß der Soldat immer unter Waffen sei. Die Konsequenz hiervon wäre, daß wir auch der Bürgerwehr die Ausübung politischer Rechte verweigern müßten, weil sie „unter Waffen“ steht. Uebrigens bemerkte der Redner noch zum Schluß, daß er keine Fälle kenne, wo die Offiziere sich zu reaktionären Maßregeln hätten hinreißen lassen. Wenn dies geschehen sei, so wäre dies einzig und allein die natürliche Folge der „Wühlereien“, die jetzt im Heere stattfinden. ‒ Der Abg. <hi rendition="#g">D'Ester</hi> nahm hierauf das Wort und erklärte, daß er dem Kriegsministerium in wenigen Tagen ein ganzes Buch voll Fakta vorlegen werde gegenüber der Behauptung, daß das Militär nicht zu reaktionären Zwecken bearbeitet werde. Er erwähnte beiläufig des Erlasses des Generals Schreckenstein u. s. w. und erklärte, daß übrigens in der Provinz, in welcher er gewählt sei (Rheinprovinz), die Bemühungeu der Offiziere, das Militär reaktionär zu stimmen, ganz vergebliche seien, dort sei es jetzt einmal liberal und liberal werde es bleiben. ‒ Eine Interpellation des Abg. <hi rendition="#g">Jung,</hi> ob der Minister der auswärtigen Angelegenheiten noch den Cartellvertrag mit Rußland aufrecht erhalte, wurde von demselben nicht beantwortet. Er wollte dieselbe aus dem Protokoll gestrichen wissen, weil sie nicht zur Tagesordnung gehöre, bequemte sich aber dennoch eine Antwort auf Freitag anzusagen. Unter den vielen Anträgen, die den Abtheilungen überwiesen worden, bemerken wir die hauptsächlichsten: auf gänzliche Verwerfung des Verfassungsentwurfs und Wahl einer Kommission zur Abfassung eines andern, auf Souveränetäts-Erklärung der Versammlung, auf die Erklärung, die Helden vom 18. und 19. März hätten sich um das Vaterland verdient gemacht und die Nation solle ihnen ein Denkmal setzen. Die rechte Seite hat fast gar keine Redner. Interessant ist, daß die Linke oftmals von der Rechten aufgefordert wurde, ihr nicht den Rücken zuzukehren. Ebenso wie die Redner, wenn sie sprechen, sich unwillkührlich zur Linken wenden, so sehen wir, daß auch die Schelle des Präsidenten dieser Seite vorzüglich mit einer fürchterlichen Energie entgegentritt.</p> <p><hi rendition="#g">Abends 9 Uhr</hi>. Vor dem Hotel des Ministers Patow versammelten sich so eben gegen 3000 Arbeiter, die Arbeit verlangten. Der rathlose Minister versprach ihnen binnen zwei Tagen Arbeit zu verschaffen, und ließ Einem Jeden auf die Bemerkung, daß sie so lang nicht hungern könnten, 10 Sgr. geben. Die Ruhe ist dadurch nicht gestört worden.</p> </div> <div xml:id="ar002_009" type="jArticle"> <head><hi rendition="#g">Schneidemühl,</hi> 24. Mai.</head> <p>Vor einigen Tagen, den 19. d. M. rückte in unsere bisher so harmlose und ruhige Stadt das 1. Bataillon 9. (pommerschen) Landwehr-Infanterie-Regiments. War ihnen auch ein schlimmer Ruf vorangeeilt, so konnte man sich doch nicht denken, daß derselbe sich in so großem Maße bestätigen würde, als es leider geschah. Zuvorkommend ging ihnen der Bürger entgegen; einer dieser Landwehrleute aber begrüßte seinen Wirth Eisbrenner, einen Deutschen, dadurch, daß er bei seinem Eintritt in das Zimmer <hi rendition="#g">das Kreuz des Erlösers, das über dem Bette seines Wirthes hing, mit dem Rufe auf sein Bajonett spießte: „Hier wohnt auch so ein verfluchter Pollack!</hi> und sodann zu Boden warf.</p> <p>Noch am 19. des Abend sah man ganze Trupps von diesen Horden schreiend, lärmend und ruhige Leute insultirend bis in die späte Nacht hinein durch unsere Straßen wogen. Am 20., einem Ruhetage, gingen diese Manifestationen in gewaltthätige Demonstrationen über; man versammelte sich vor den Fenstern der als Katholiken bezeichneten Personen, stieß Verwünschungen gegen sie aus, nannte sie „polnische Hunde“, wie wohl wir kaum zehn Polen hier haben.</p> <p>Diese Horden, die da hereingekommen sein wollen, um das Land zu schützen, sie fallen gleich Räubern wehrlose Menschen ungestraft auf offener Straße und in ihren Häusern an und mißhandeln sie auf das Empörendste. So kehrte ein Tagelöhner vom Borkesammeln aus dem Walde zurück, wird von ruder Soldateska angehalten und um seine Legitimation befragt, und da er diese nicht aufzuweisen vermochte, obwohl er jedem Kinde der Stadt bekannt war, wurde er niedergeschlagen und wäre ohne Zweifel getödtet worden, wenn nicht zwei herbeigeeilte Offiziere ihn in ein Haus hineingezogen und durch den Garten auf das freie Feld hinausgelassen hätten. An einem andern Orte drangen diese Banden, ein jüdisches Mädchen verfolgend, das ihren thierischen Zudringlichkeiten sich hartnäckig eutgegengesetzt und sie mit Entrüstung zurückgewiesen haben soll, in das Haus der Verwandten dieses Mädchens, wohin sie geflüchtet, wütheten dort schrecklich mit der blanken Säbelklinge, so daß die Bewohner des Hauses die Fenster einschlugen und durch dieselben flüchteten. Wiederum an einer andern Stelle drangen sie in den Laden des Kaufmanns Neumann, gleichfalls eines Deutschen, der vor wenigen Sekunden erst auf nur kurze Zeit das Krankenlager verlassen hatten, rissen ihn, der sich auch nicht der geringsten Schuld gegen sie bewußt war, von den feilen Juden gestachelt, aus dem Zimmer heraus, warfen ihn zu Boden, schlugen ihn nicht blos mit Fäusten, sondern stießen ihn, der ohnedies ein Krüppel ist, mit den Füßen, versetzten ihm Schläge mit den Absätzen der Stiefel auf die Brust, ja einer der Unmenschen ergriff eine im Laden stehende Flasche, um dem unter seinen Füßen sich krümmenden Wurm den Todesstreich zu versetzen: da aber streckte der Arme in seiner Todesangst den Arm entgegen, die Flasche zersplitterte und die Scherben zerfleischten die Hand des Unglücklichen. Nur mit der äußersten Anstrengung gelang es der Schwester desselben, ihn zu retten.</p> <p>Das ist also die verdiente Erfüllung unserer Wünsche ‒ die Vereinigung mit <hi rendition="#g">Deutschland!</hi> Darum hat man sich gegen die nationale Erhebung Polens gesträubt, um der Tyrannei einer entmenschten Soldateska preisgegeben zu werden! Aber wir lernen allmäalig begreifen, <hi rendition="#g">wohinaus es mit unserer Deutsch-Einigkeits-Begeisterung soll!</hi> Diese rohen pommerscher Herden rufen uns zu: „<hi rendition="#g">Wenn wir die Polen niedergehauen, ziehen wir nach Berlin, pflügen es herunter und säen im nächsten Jahre Korn darauf.“</hi> <bibl>(A. O. Z.)</bibl></p> <p>(Aehnliche Excesse werden aus <hi rendition="#g">Neustadt</hi> a. P. und <hi rendition="#g">Buk</hi> berichtet.)</p> </div> <div xml:id="ar002_010" type="jArticle"> <head><hi rendition="#g">Frankfurt,</hi> 31. Mai.</head> <p>In der heutigen 10. 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Schließlich wird beantragt: die Nationalversammlung möge beschließen: Vorstehender Antrag werde einem aus den 15 Abtheilungen zu erwählenden Ausschusse dahin überwiesen, daß selber obigen Antrag in Form einer Proclamation zur weiteren Discussion vorlege.“</p> <p>Der Verfassungsausschuß beantragt dagegen einstimmig folgende Fassung zu Protokoll zu erklären:</p> <p>„Der Verfassungsausschuß hat einstimmig beschlossen, auf Anlaß des <hi rendition="#g">Mareck'schen</hi> Antrages folgende Fassung als Protokollerklärung in Antrag zu bringen:</p> <p>„Die Verfassung gebende deutsche Nationalversammlung erklärt feierlich: daß sie im vollen Maße das Recht anerkenne, welches die nichtdeutschen Volksstämme auf deutschem Bundesboden haben, den Weg ihrer volksthümlich en Entwickelung ungehindert zu gehen und in Hinsicht auf das Kirchenwesen, den Unterricht, die Literatur und die innere Verwaltung und Rechtspflege sich der Gleichberechtigung ihrer Sprache, soweit deren Gebiete reichen, zu erfreuen, wie es sich denn auch von selbst verstehe, daß jedes der Rechte, welche die im Bau begriffene Gesammtverfassung dem deutschen Volk gewährleisten wird, ihnen gleichmäßig zusteht. Das fortan einige und freie Deutschland ist groß und mächtig genug, um den in seinem Schooße erwachsenen andersredenden Stämmen eifersuchtslos in vollem Maße gewähren zu können, was Natur und Geschichte ihnen zuspricht; und niemals soll auf seinem Boden weder der Slave, noch der dänisch redende Nordschleswiger, noch der italienisch redende Bewohner Süddeutschlands, noch wer sonst uns angehörig, in fremder Zunge spricht, zu klagen haben, daß ihm seine Stammesart verkümmert werde oder die deutsche Bruderhand sich ihm entziehe, wo es gilt.“</p> <p>Diese Fassung wurde von der Nationalversammlung nachdem vorher beschlossen worden, <hi rendition="#g">ohne Discussion</hi> darüber abzustimmen, mit großer Mehrheitt <hi rendition="#g">angenommen</hi>.</p> <p>Hierauf wurde zur Wahl des definitiven Präsidenten, der Vicepräsidenten und Secretäre geschritten. Bei der Präsidentenwahl wurden im Ganzen 518 Stimmen abgegeben, von denen Heinrich von Gagnern 499, Blum 12, Soiron 5, Scheller 1 und Zitz 1 erhielten. Nachdem der bisherige Vice-Präsident v. Soiron die Versa mmlung mit diesem Resultat bekannt gemacht, sprach Heinrich v. Gagern tief bewegt folgende Worte:</p> <p>Es ist nicht ein Gefühl des Stolzes, sondern der Demuth, das mich erfaßt. Von einer solchen Versammlung zu ihrem Vorsteher und mit dieser Stimmenmehrheit gewählt zu werden, konnte ich nimmermehr erwarten. Ich danke Ihnen für die Anerkennung, die Sie mir dadurch bezeigten. Ich werde alle meine Kräfte der großen Aufgabe widmen, für die wir gemeinschaftlich hier zusammenstehen. Ich will nicht wiederholen, sondern Sie nur noch in Kenntniß setzen, daß, wie ich schon früher erklärte, meine Kräfte und meine Stellung von heute an lediglich dieser Versammlung angehören! (Ein außerordentlicher, Beifall folgte diesen Worten).</p> <p>Die Wahl des ersten Vicepräsidenten ergab folgendes Resultat: Stimmende 513. Davon für v. Soiron 408, Blum 84, v. Andrian 8, v. Möhring 4, Arndt 3, v. Rothenhan 3, Mathy 1, Blumröder 1, Raveaux 1. Mit den Worten: „Empfangen Sie einfach meinen Dank für dieses ehrenvolle Vertrauen trat v. Soiron seine Verrichtungen an. Zum zweiten Vicepräsidenten wurde unter 505 Stimmenden v. Andrian aus Wien mit 310 Stimmen gewählt. Weitere Stimmen erhielten: R. Blum 116, v. Möhring 66, Heckscher 3, v. Auersperg 2, Mittermaier 2, Wiesner 1, Scheller 1, Kierulf 1, Simon 1, Trütschler 1, v. Rothenhan 1. Der 2 Vicepräsident erklärt, daß Niemand wärmer als er für die Freiheit und Einheit Deutschlands und von der Nothwendigkeit seiner Kräftigung durchdrungen sei. Die Wahl der 8 Secretäre wird in nächster Sitzung (Sonnabend) verkündigt werden.</p> </div> <div xml:id="ar002_011" type="jArticle"> <head><bibl><author>12</author></bibl><hi rendition="#g">Hoya,</hi> 27. Mai.</head> <p>Unter allen Ex-Volksmännern, die jetzt als große und kleine Minister sich durch Schwäche, Unentschiedenheit, Unfähigkeit, und endlichen Anschluß an die Reaktion vor dem ganzen Volke kompromittiren, unter Allen hat sich keiner so erbärmlich, so kleinlich, so feig benommen wie unser biederer <hi rendition="#g">Stüve</hi>. Ganz Deutschland weiß, wie er in der Kammer die Souverainetät des Königs von Hannover der Souverainetät des deutschen Volks entgegenstellte, wie er zum Vortheil seines ehemaligen persönlichen Feindes die Provinz über die Nation zu stellen versuchte. Aber hier, wie in ganz Deutschland, stellte es sich bald heraus, daß der Appell an lokale nnd provinziale Interessen der ganzen Nation nur der Vorwand ist, hinter dem die Reaktion ihre Pläne verfolgt. Hr. Stüve will uns nicht nur mit Deutschland in Collision bringen, er will uns auch unsere Revolution eskamotiren. Hr. Stüve hat eine merkwürdige Logik. Die Verfassung von 1840,gegen die er sich, wie männiglich bekannt, mit sämmtlichen Gliedmaßen sträubte, die er Tausende von Malen für ungesetzlich erklärte, diese damals so verwerfliche Verfassung ist nach Hrn. Stüve durch die Hannoversche Märzrevolution im höchsten Grade gesetzlich und vortrefflich geworden. Unsere Revolution von 1848 hatte also nur den Zweck, die Contrerevolution von 1838 zu legalisiren und Hrn. Stüve in die Arme des Hrn. Falk zu schleudern!</p> <p>Unsere Stadt hat sofort eine Petition an die Stände erlassen, worin diesen die Aeußerungen des Hrn. Stüve über die Verfassung von 1840, als er noch nicht Minister war, mitgetheilt und auf Berufung einer konstituirenden Versammlung angetragen wird.</p> </div> <div xml:id="ar002_012" type="jArticle"> <head><hi rendition="#g">Karlsruhe,</hi> 30. Mai.</head> <p>Die hiesige Zeitung enthält heute die amtliche Anzeige, daß Dr. jur. Rauschenplatt zum außerordentlichen Professor an der Universität Heidelberg ernannt worden ist.</p> </div> <div xml:id="ar002_013" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl><hi rendition="#g">Nürnberg,</hi> 27. Mai.</head> <p>Die „magistratische Polizei“ (ein schöner Titel) hat, wie die A. A. Z. meldet, Herrn Gustav <hi rendition="#g">Diezel</hi> aus Würtemberg, Leiter des politischen Klubs und Redakteur des „Freien Staatsbürgers“ <hi rendition="#g">ausgewiesen.</hi> Das vielgerühmte deutsche Staatsbürgerrecht läuft bis jetzt in der Praxis ganz auf das alte Ausweisungs-System hinaus. Wer kein geborner Krähwinkler ist, der ist ein „Fremder in Krähwinkel.“</p> </div> <div xml:id="ar002_014" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl><hi rendition="#g">München,</hi> 27. Mai.</head> <p>Die Kammern beschäftigen sich noch immer mit feudalem Wust: Ablösungsgesetzen, Lehensgesetzen u. s. w. Der Adel hält fest zusammen und verlangt enorme Entschädigungen. Das Feudalsystem wird durch ein neues Lehengesetz in voller gesetzlicher Kraft erhalten. Vermöge der kostspieligen, langwierigen und fast ganz illusorischen Ablösungen wird das revolutionirte Deutschland sich noch Jahre lang aller jener ehrwürdigen Institutionen, Frohnden, Patrimonialgerichtsbarkeiten u. s. w. erfreuen, welche die frivole und neuerungssüchtige französische Revolution am 4. August 1789 mit Einem Schlage vernichtete. ‒</p> </div> <div xml:id="ar002_015" type="jArticle"> <head><hi rendition="#g">München,</hi> 28. Mai.</head> <p>Heute Mittag hat die Kammer der Reichsräthe das Wahlgesetz in der von den Abgeordneten beschlossenen Fassung mit allen Stimmen gegen drei angenommen. <bibl>(A. A. Z.)</bibl></p> </div> <div xml:id="ar002_016" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Ueber die letzte Wiener Revolution entnehmen wir der „Berl. Zeitungshalle“ Folgendes :</head> <p>Wien, 26. Mai. Sehr wohl wußte die reaktionaire Partei, was der Wiener seit den Märztagen für die Studenten fühlt, sie wußte, es <hi rendition="#g">müsse</hi> hier zu Conflikten kommen, aber das <hi rendition="#g">wollte</hi> sie, um unsere Freiheit dann ganz in den Staub treten zu können. Ein Geist, der Geist der Freiheit und des Rechtes beseelt die ganze Bevölkerung; Frauen sprechen von den Barrikaden herab zu ihren Männern und Söhnen, die schönsten Möbel werfen sie aus den Fenstern, siedendes Wasser steht überall bereit, um auf das etwa anrückende Militär gegossen zu werden, Pflastersteine liegen auf den Fensterbrüstungen statt der üblichen Polster. So lange nur ein Mann vom Militär in der Stadt zu sehen ist, kann von Ruhe keine Rede seyn.</p> <p>27. Mai. Heute Nacht war die Stadt in Allarm, um 1 Uhr wurde Sturm geläutet, zum Glück blinder Lärm; es hieß, daß <hi rendition="#g">Windischgrätz</hi> mit Militär gegen Wien rücke. Heute wurden gegen die Urheber der Maßregel, mit Militär die akademische Legion zu entwaffnen, Verhaftsbefehle erlassen, nämlich gegen Graf <hi rendition="#g">Bräuner,</hi> Bar. <hi rendition="#g">Pereira,</hi> Prof. <hi rendition="#g">Hyé</hi> und Professor <hi rendition="#g">Endlicher</hi>. Die Redakteure <hi rendition="#g">Schäffer</hi> und <hi rendition="#g">Tuvora</hi> sind gegen ihr Ehrenwort auf freien Fuß gesetzt worden.</p> <p>28. Mai. Die Revolution ist zu Ende und löst sich wie dte früheren mit Blumen, Musik, Erleuchtung und feierlichen Umzügen. Der gestrige Tag verfloß ruhig, die Stimmung war eine sanftere geworden, nachdem das Volk sich überzeugt hatte, daß von einem Angriff der Truppen auf die Stadt keine Rede sei. Die doppelte Wortbrüchigkeit des Ministeriums wird ihm bitter heimgezahlt, das Volk wollte von keinem Ministerialerlasse etwas wissen, so lange nicht im Abzuge des Militärs und in Auslieferung von Geißeln die Errungenschaften des Mai garantirt würden. Das Regiment „Nugent“ marschirt nach Italien, und das neu eingerückte Regiment „Prinz Emil“ behält blos ein Bataillon hier, um die nöthi- <ref type="link_fsg">[Fortsetzung S. 7]</ref></p> </div> </div> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div xml:id="ar002_018a" prev="#ar002_006" type="jArticle"> <p>„Und den jüngsten Commis ‒ Lenz!“‒</p> <p>„„Allerdings.““</p> <p>„So wie ferner ‒ es thut mir leid ‒ nein, der jüngste Commis kann bleiben ‒ es thut mir sehr leid ‒ was <hi rendition="#g">Sie</hi> betrifft ‒ Lenz.“</p> <p>Hier hatte die Geduld des Buchhalters ein Ende. In großen Tropfen rann der Schweiß auf seine erblichene Nase. Die grüne Brille entglitt ihr und wie eine Blume im Sturm brach er zusammen, der unglückselige Mann, und d[#] Arme eines Comptoirstuhles nahmen ihn auf und hielten ihn fest umschlossen.</p> <p>Der Herr Preiß hatte indeß nicht vollendet Der Schluß seiner Phrase war ihm auf der Zunge geblieben, denn eben trat der Postbote in's Zimmer und überbrachte die Zeitung. Seit den Februarereignissen in Paris und seit den eingetroffenen Wiener Nachrichten hätte sich der Herr Preiß nicht durch vier und zwanzig Pferde von sofortigem Lesen der Zeitung abziehen lassen Die Unterredung mit dem Buchhalter wurde daher im Nu unterbrochen und die grüne Mütze tief in's Gesicht drückend, die Beine fest ineinanderkneifend und das Zeitungsblatt mit beiden Händen ergreifend, schickte sich der würdige Herr auf der Stelle an, die Bühne der Welt rasch lesend zu durcheilen.</p> <p>Armer Preiß! du wußtest nicht, was du thatest. Seht ihn sitzen, den gewaltigen Mann. Er schaut in das verhängnißvolle Blatt, er ließt nur einen Augenblick ‒ da ergreift ein Zittern all' seine Glieder, seine Kniee schlottern, die Mütze fällt vom Haupte : „Revolution in Berlin!“ ruft er mit erstickter Stimme und wie der Buchhalter Lenz gegen Westen gefallen, so sinkt der würdige Prinzipal gen Osten in die Arme des Lehnstuhls. „Halloh! Jetzt ist der Teufel erst recht los ‒“ das sind die letzten Worte, die er zu sprechen vermag, die Zunge versagt ihm den Dienst, seine Augenlieder sinken und wiederum herrscht auf dem weiten Comptoir Todesstille.</p> <p>Röthlich aber strahlt der Morgen durch die zwei großen, halbverstaubten Fenster auf die Dintenkleckse des Schreibpults.</p> <p> <ref type="link">(Fortsetzung folgt.)</ref> </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0006/0002]
[Deutschland] [Fortsetzung] Die Zurückberufung des angeblich auf einer geheimen Mission in England sich befindenden Prinzen von Preußen, unter nichtigem Vorwande.
Wir tragen demnach dahin an, daß die aufgezählten Protest-Punkte beseitigt werden, daß mehr dem Volkswillen gehorcht und das unvolksthümliche Ministerium verabschiedet werde.
Die in diesem Augenblicke auf unsern Bergen lodernde Wacht-Feuer mögen Ew Majestät beweisen, daß das deutsche Volk wach und einig ist, und sein Recht zu schützen wissen wird.
Berncastel, 17. Mai 1848.
Es verharren
(Folgen 255 Unterschriften.)
X Elberfeld, 31. Mai. Unser konstitutioneller (d. h. reaktionairer) Klub sammelte neulich vermittelst einer Volksversammlung Unterschriften für eine die Zurückberufung des Prinzen von Preußen billigende Adresse. Bei dieser Versammlung machte ein Bürger Opposition und ging einigermaßen auf die angebliche Mission des Prinzen nach England ein. Sofort erklärten die konstitutionellen Klubisten, er habe hier nicht zu opponiren, er habe zu schweigen oder sich zu entfernen; die Muthigeren drangen auf ihn ein und um nicht mit Gewalt herausgeworfen zu werden, mußte er sich entfernen. So verfahren die Leute der Ruhe, Ruhe um jeden Preis. Nächstens werden dort die Judenfrage (nach erfolgter Emanzipation!) und die Arbeiterfrage verhandelt werden; man wird uns da schöne Dinge zu hören geben.
Im politischen Klub, dem radikaleren, erkennt man wenigstens die alleinige Berechtigung der Frankfurter Versammlung gegen alle übrigen an. Der Klub fuhr neulich nach Schwelm, um dort mit den Markanern zu fraternisiren. Die Reaktionärs prophezeiten ihm eine derbe Lektion von Seiten der Märkischen Bauern; aber die Markaner waren sehr anständig, hielten sogar einige für diese Lokalität sehr avancirte Reden.
Unsere brodlosen Arbeiter, die den Kapitalisten der Gegend so viel Sorge verursachen, wurden bisher vermittelst eines durch Kollekte aufgebrachten Kapitals zu allerlei wenig rentirenden Arbeiten angestellt. Die Fonds sind nun sehr beigegangen und unsere Kapitalisten werden nochmals zahlen müssen; denn wenn sie auch keine freiwilligen Beiträge zeichnen, so wird ihnen der Gemeinderath die Gelder vermittelst einer bereits berathenen Einkommensteuer schon abnehmen, damit die Ruhe Elberfelds durch Beschäftigung der Arbeiter gesichert bleibe.
X Berlin, 30. Mai. Die Bürgerwehr, bisher die Hauptstütze unseres Ministeriums, hat jetzt die Augen geöffnet, sie will nicht mehr Ruhe und Ruhe um jeden Preis. Endlich ist sie zu dem Bewußtsein gelangt, daß sie bis jetzt ein Werkzeug der Reaktion war, daß sie durch ihr unzeitiges Einschreiten gegen unbedeutende Aufläufe größere Ruhestörungen provozirte, daß sie durch ihre ewigen Patrouillen und Generalmärsche sich und den größten Theil der Stadt gegen die arbeitende Klasse aufregte und so einen Zwiespalt hätte herbeiführen können, der sie selbst unter das alte Regiment, das absolute Königthum, zurückführen mußte. Jetzt hat der Verfassungsentwurf eine Einigkeit zwischen Bürgerwehr und Volk hervorgerufen, die bei einem neuen Kampfe, wäre ein solcher nöthig, der Freiheit den Sieg verschaffen muß. ‒ Die Sitzungen der konstituirenden Versammlung waren bis auf die heutige wegen der unendlichen Diskussionen über die Konstituirung und die Wahlen des Präsidiums von wenigem Interesse. Wie Sie wohl wissen, hat die Linke ihren Kandidaten, den Abgeordneten Berlins, Waldeck, zur Stelle des Vizepräsidenten durchgebracht. In der heutigen Sitzung wurden die Namen der gestern erwählten Vorsitzenden der verschiedenen Abtheilungen mitgetheilt, und zwar: 1. Abth. Abg. Waldeck, 2. Abth. Abg. v. Kirchmann, 3. Abth. Abg. Grabow, 4. Abth. Abg. Windhorst, 5. Abth. Abg. Willitsch, 6. Abth. Abg. Hesse, 7. Abth. Abg. Köhler, 8. Abth. Abg. Pinder. Rodbertus beantragte, die Versammlung möge sich bis zur Vorlage einer definitiven Geschäftsordnung vertagen. Esser spricht gegen den Antrag, weil man einmal den Beschluß gefaßt, sich bis zur Vorlage der neuen Geschäftsordnung nach der provisorischen zu richten. Ginge der Antrag jetzt durch, meinte der Redner, so würde man dem Volke die Physiognomie eines todten Körpers bieten. Abg. Zenker und Dunker unterstützen den Antrag, der letztere will mit der Vertagung der Sitzungen eine Kommission zur Berathung über eine Adresse an den König ernannt haben. Abg. v. Kirchmann stellt endlich das Amendement, die Sitzungen nicht auszusetzen, dagegen jeden Antrag auf Veränderung der provisorischen Geschäftsordnung bis zur Vorlage der definitiven Geschäftsordnung zurückzuweisen. Dieses Amendement wird angenommen und wir theilen jetzt das Interessanteste aus dem Verlaufe der heutigen Sitzung mit. Der Ministerpräsident Camphausen wurde veranlaßt, sich über die Revolution vom 18. März zu äußern. Er that es in der Weise, daß er sie fast ganz desavouirte. Er bemerkte nämlich, daß das jetzige Ministerium zwar theilweise aus der Revolution hervorgegangen, daß diese aber auf die Prinzipien, nach welchen es die Führung der Staatsangelegenheiten übernommen, keineswegs einen Einfluß ausgeübt. Sogleich nach seinem Geschäftsantritt habe das Ministertum dadurch ein Zeugniß von seinem Anknüpfen an die frühern Zustände gegeben, die es fortzuentwickeln gedenke, daß es den vereinigten Landtag zusammenberufen und ein Wahlgesetz von ihm habe dekretiren lassen. Die Rechte klatschte Beifall. Jung interpellirte den Kriegsminister wegen der reaktiònären Tendenzen, die von Seiten der Offiziere im Heere verfolgt werden. Er führt mehrere Beispiele an, wo den Soldaten das Associations- und Petitionsrecht vorenthalten worden, ja wo man sie wegen Ausübung desselben bestraft hatte, und verlangt eine Erklärung, ob das Ministerium der Ansicht sei, daß der Soldat, wenn er nicht unter Waffen sei, nicht gleiche Rechte mit den Bürgern haben solle. Der Kriegsminister v. Canitz, der nicht selber zu sprechen versteht, läßt sich durch einen Kommissarius vertreten, dessen Namen uns entschwunden. Dieser behauptet, daß es in keinem Lande Sitte sei, dem Militär das Associations- und Petitionsrecht zu ertheilen, es würde dies nothwendig die Disciplin u. s. w. stören. Der Herr bemühte sich zu erzählen, was wir dem Heere Alles zu verdanken haben und vergaß dabei ganz und gar, daß das Heer nicht uber dem Volk steht, sondern einen Theil desselben bildet, daß nicht das Heer uns erhält, sondern daß es im Gegentheil von uns erhalten wird. Gegen die Forderung, daß der Soldat, sobald er nicht unter Waffen stehe, die Rechte des Bürgers ausüben müsse, erklärte er, daß der Soldat immer unter Waffen sei. Die Konsequenz hiervon wäre, daß wir auch der Bürgerwehr die Ausübung politischer Rechte verweigern müßten, weil sie „unter Waffen“ steht. Uebrigens bemerkte der Redner noch zum Schluß, daß er keine Fälle kenne, wo die Offiziere sich zu reaktionären Maßregeln hätten hinreißen lassen. Wenn dies geschehen sei, so wäre dies einzig und allein die natürliche Folge der „Wühlereien“, die jetzt im Heere stattfinden. ‒ Der Abg. D'Ester nahm hierauf das Wort und erklärte, daß er dem Kriegsministerium in wenigen Tagen ein ganzes Buch voll Fakta vorlegen werde gegenüber der Behauptung, daß das Militär nicht zu reaktionären Zwecken bearbeitet werde. Er erwähnte beiläufig des Erlasses des Generals Schreckenstein u. s. w. und erklärte, daß übrigens in der Provinz, in welcher er gewählt sei (Rheinprovinz), die Bemühungeu der Offiziere, das Militär reaktionär zu stimmen, ganz vergebliche seien, dort sei es jetzt einmal liberal und liberal werde es bleiben. ‒ Eine Interpellation des Abg. Jung, ob der Minister der auswärtigen Angelegenheiten noch den Cartellvertrag mit Rußland aufrecht erhalte, wurde von demselben nicht beantwortet. Er wollte dieselbe aus dem Protokoll gestrichen wissen, weil sie nicht zur Tagesordnung gehöre, bequemte sich aber dennoch eine Antwort auf Freitag anzusagen. Unter den vielen Anträgen, die den Abtheilungen überwiesen worden, bemerken wir die hauptsächlichsten: auf gänzliche Verwerfung des Verfassungsentwurfs und Wahl einer Kommission zur Abfassung eines andern, auf Souveränetäts-Erklärung der Versammlung, auf die Erklärung, die Helden vom 18. und 19. März hätten sich um das Vaterland verdient gemacht und die Nation solle ihnen ein Denkmal setzen. Die rechte Seite hat fast gar keine Redner. Interessant ist, daß die Linke oftmals von der Rechten aufgefordert wurde, ihr nicht den Rücken zuzukehren. Ebenso wie die Redner, wenn sie sprechen, sich unwillkührlich zur Linken wenden, so sehen wir, daß auch die Schelle des Präsidenten dieser Seite vorzüglich mit einer fürchterlichen Energie entgegentritt.
Abends 9 Uhr. Vor dem Hotel des Ministers Patow versammelten sich so eben gegen 3000 Arbeiter, die Arbeit verlangten. Der rathlose Minister versprach ihnen binnen zwei Tagen Arbeit zu verschaffen, und ließ Einem Jeden auf die Bemerkung, daß sie so lang nicht hungern könnten, 10 Sgr. geben. Die Ruhe ist dadurch nicht gestört worden.
Schneidemühl, 24. Mai. Vor einigen Tagen, den 19. d. M. rückte in unsere bisher so harmlose und ruhige Stadt das 1. Bataillon 9. (pommerschen) Landwehr-Infanterie-Regiments. War ihnen auch ein schlimmer Ruf vorangeeilt, so konnte man sich doch nicht denken, daß derselbe sich in so großem Maße bestätigen würde, als es leider geschah. Zuvorkommend ging ihnen der Bürger entgegen; einer dieser Landwehrleute aber begrüßte seinen Wirth Eisbrenner, einen Deutschen, dadurch, daß er bei seinem Eintritt in das Zimmer das Kreuz des Erlösers, das über dem Bette seines Wirthes hing, mit dem Rufe auf sein Bajonett spießte: „Hier wohnt auch so ein verfluchter Pollack! und sodann zu Boden warf.
Noch am 19. des Abend sah man ganze Trupps von diesen Horden schreiend, lärmend und ruhige Leute insultirend bis in die späte Nacht hinein durch unsere Straßen wogen. Am 20., einem Ruhetage, gingen diese Manifestationen in gewaltthätige Demonstrationen über; man versammelte sich vor den Fenstern der als Katholiken bezeichneten Personen, stieß Verwünschungen gegen sie aus, nannte sie „polnische Hunde“, wie wohl wir kaum zehn Polen hier haben.
Diese Horden, die da hereingekommen sein wollen, um das Land zu schützen, sie fallen gleich Räubern wehrlose Menschen ungestraft auf offener Straße und in ihren Häusern an und mißhandeln sie auf das Empörendste. So kehrte ein Tagelöhner vom Borkesammeln aus dem Walde zurück, wird von ruder Soldateska angehalten und um seine Legitimation befragt, und da er diese nicht aufzuweisen vermochte, obwohl er jedem Kinde der Stadt bekannt war, wurde er niedergeschlagen und wäre ohne Zweifel getödtet worden, wenn nicht zwei herbeigeeilte Offiziere ihn in ein Haus hineingezogen und durch den Garten auf das freie Feld hinausgelassen hätten. An einem andern Orte drangen diese Banden, ein jüdisches Mädchen verfolgend, das ihren thierischen Zudringlichkeiten sich hartnäckig eutgegengesetzt und sie mit Entrüstung zurückgewiesen haben soll, in das Haus der Verwandten dieses Mädchens, wohin sie geflüchtet, wütheten dort schrecklich mit der blanken Säbelklinge, so daß die Bewohner des Hauses die Fenster einschlugen und durch dieselben flüchteten. Wiederum an einer andern Stelle drangen sie in den Laden des Kaufmanns Neumann, gleichfalls eines Deutschen, der vor wenigen Sekunden erst auf nur kurze Zeit das Krankenlager verlassen hatten, rissen ihn, der sich auch nicht der geringsten Schuld gegen sie bewußt war, von den feilen Juden gestachelt, aus dem Zimmer heraus, warfen ihn zu Boden, schlugen ihn nicht blos mit Fäusten, sondern stießen ihn, der ohnedies ein Krüppel ist, mit den Füßen, versetzten ihm Schläge mit den Absätzen der Stiefel auf die Brust, ja einer der Unmenschen ergriff eine im Laden stehende Flasche, um dem unter seinen Füßen sich krümmenden Wurm den Todesstreich zu versetzen: da aber streckte der Arme in seiner Todesangst den Arm entgegen, die Flasche zersplitterte und die Scherben zerfleischten die Hand des Unglücklichen. Nur mit der äußersten Anstrengung gelang es der Schwester desselben, ihn zu retten.
Das ist also die verdiente Erfüllung unserer Wünsche ‒ die Vereinigung mit Deutschland! Darum hat man sich gegen die nationale Erhebung Polens gesträubt, um der Tyrannei einer entmenschten Soldateska preisgegeben zu werden! Aber wir lernen allmäalig begreifen, wohinaus es mit unserer Deutsch-Einigkeits-Begeisterung soll! Diese rohen pommerscher Herden rufen uns zu: „Wenn wir die Polen niedergehauen, ziehen wir nach Berlin, pflügen es herunter und säen im nächsten Jahre Korn darauf.“ (A. O. Z.)
(Aehnliche Excesse werden aus Neustadt a. P. und Buk berichtet.)
Frankfurt, 31. Mai. In der heutigen 10. Sitzung der Nationalversammlung erstattete der Abgeordnete Dahlmann den Bericht über den Antrag Mareck's, die Nationalität betreffend.
Der Antrag lautete:
„Deutschland erklärt hiermit durch seine Vertreter feierlich: 1) daß es zur Unterdrückung irgend einer Nationalität nie die Hand bieten werde; 2) daß allen jenen Staatsbürgern eines mit Deutschland verbundenen Staates, welche nicht zum deutschen Volksstamme gehören, alle Rechte der deutschen Staatsbürger zukommen und daß ihnen die Aufrechthaltung und Achtung ihrer Nationalität garantirt sey; 3) die deutsche Sprache ist zwar Staatssprache, jedoch soll in jenen Kreisen, wo der größere Theil eine andere Sprache, als die deutsche, spricht, diese andere Sprache sowohl in Communalangelegenheiten, im Unterrichtswesen, als auch als Gerichtssprache eingeführt werden. Schließlich wird beantragt: die Nationalversammlung möge beschließen: Vorstehender Antrag werde einem aus den 15 Abtheilungen zu erwählenden Ausschusse dahin überwiesen, daß selber obigen Antrag in Form einer Proclamation zur weiteren Discussion vorlege.“
Der Verfassungsausschuß beantragt dagegen einstimmig folgende Fassung zu Protokoll zu erklären:
„Der Verfassungsausschuß hat einstimmig beschlossen, auf Anlaß des Mareck'schen Antrages folgende Fassung als Protokollerklärung in Antrag zu bringen:
„Die Verfassung gebende deutsche Nationalversammlung erklärt feierlich: daß sie im vollen Maße das Recht anerkenne, welches die nichtdeutschen Volksstämme auf deutschem Bundesboden haben, den Weg ihrer volksthümlich en Entwickelung ungehindert zu gehen und in Hinsicht auf das Kirchenwesen, den Unterricht, die Literatur und die innere Verwaltung und Rechtspflege sich der Gleichberechtigung ihrer Sprache, soweit deren Gebiete reichen, zu erfreuen, wie es sich denn auch von selbst verstehe, daß jedes der Rechte, welche die im Bau begriffene Gesammtverfassung dem deutschen Volk gewährleisten wird, ihnen gleichmäßig zusteht. Das fortan einige und freie Deutschland ist groß und mächtig genug, um den in seinem Schooße erwachsenen andersredenden Stämmen eifersuchtslos in vollem Maße gewähren zu können, was Natur und Geschichte ihnen zuspricht; und niemals soll auf seinem Boden weder der Slave, noch der dänisch redende Nordschleswiger, noch der italienisch redende Bewohner Süddeutschlands, noch wer sonst uns angehörig, in fremder Zunge spricht, zu klagen haben, daß ihm seine Stammesart verkümmert werde oder die deutsche Bruderhand sich ihm entziehe, wo es gilt.“
Diese Fassung wurde von der Nationalversammlung nachdem vorher beschlossen worden, ohne Discussion darüber abzustimmen, mit großer Mehrheitt angenommen.
Hierauf wurde zur Wahl des definitiven Präsidenten, der Vicepräsidenten und Secretäre geschritten. Bei der Präsidentenwahl wurden im Ganzen 518 Stimmen abgegeben, von denen Heinrich von Gagnern 499, Blum 12, Soiron 5, Scheller 1 und Zitz 1 erhielten. Nachdem der bisherige Vice-Präsident v. Soiron die Versa mmlung mit diesem Resultat bekannt gemacht, sprach Heinrich v. Gagern tief bewegt folgende Worte:
Es ist nicht ein Gefühl des Stolzes, sondern der Demuth, das mich erfaßt. Von einer solchen Versammlung zu ihrem Vorsteher und mit dieser Stimmenmehrheit gewählt zu werden, konnte ich nimmermehr erwarten. Ich danke Ihnen für die Anerkennung, die Sie mir dadurch bezeigten. Ich werde alle meine Kräfte der großen Aufgabe widmen, für die wir gemeinschaftlich hier zusammenstehen. Ich will nicht wiederholen, sondern Sie nur noch in Kenntniß setzen, daß, wie ich schon früher erklärte, meine Kräfte und meine Stellung von heute an lediglich dieser Versammlung angehören! (Ein außerordentlicher, Beifall folgte diesen Worten).
Die Wahl des ersten Vicepräsidenten ergab folgendes Resultat: Stimmende 513. Davon für v. Soiron 408, Blum 84, v. Andrian 8, v. Möhring 4, Arndt 3, v. Rothenhan 3, Mathy 1, Blumröder 1, Raveaux 1. Mit den Worten: „Empfangen Sie einfach meinen Dank für dieses ehrenvolle Vertrauen trat v. Soiron seine Verrichtungen an. Zum zweiten Vicepräsidenten wurde unter 505 Stimmenden v. Andrian aus Wien mit 310 Stimmen gewählt. Weitere Stimmen erhielten: R. Blum 116, v. Möhring 66, Heckscher 3, v. Auersperg 2, Mittermaier 2, Wiesner 1, Scheller 1, Kierulf 1, Simon 1, Trütschler 1, v. Rothenhan 1. Der 2 Vicepräsident erklärt, daß Niemand wärmer als er für die Freiheit und Einheit Deutschlands und von der Nothwendigkeit seiner Kräftigung durchdrungen sei. Die Wahl der 8 Secretäre wird in nächster Sitzung (Sonnabend) verkündigt werden.
12 Hoya, 27. Mai. Unter allen Ex-Volksmännern, die jetzt als große und kleine Minister sich durch Schwäche, Unentschiedenheit, Unfähigkeit, und endlichen Anschluß an die Reaktion vor dem ganzen Volke kompromittiren, unter Allen hat sich keiner so erbärmlich, so kleinlich, so feig benommen wie unser biederer Stüve. Ganz Deutschland weiß, wie er in der Kammer die Souverainetät des Königs von Hannover der Souverainetät des deutschen Volks entgegenstellte, wie er zum Vortheil seines ehemaligen persönlichen Feindes die Provinz über die Nation zu stellen versuchte. Aber hier, wie in ganz Deutschland, stellte es sich bald heraus, daß der Appell an lokale nnd provinziale Interessen der ganzen Nation nur der Vorwand ist, hinter dem die Reaktion ihre Pläne verfolgt. Hr. Stüve will uns nicht nur mit Deutschland in Collision bringen, er will uns auch unsere Revolution eskamotiren. Hr. Stüve hat eine merkwürdige Logik. Die Verfassung von 1840,gegen die er sich, wie männiglich bekannt, mit sämmtlichen Gliedmaßen sträubte, die er Tausende von Malen für ungesetzlich erklärte, diese damals so verwerfliche Verfassung ist nach Hrn. Stüve durch die Hannoversche Märzrevolution im höchsten Grade gesetzlich und vortrefflich geworden. Unsere Revolution von 1848 hatte also nur den Zweck, die Contrerevolution von 1838 zu legalisiren und Hrn. Stüve in die Arme des Hrn. Falk zu schleudern!
Unsere Stadt hat sofort eine Petition an die Stände erlassen, worin diesen die Aeußerungen des Hrn. Stüve über die Verfassung von 1840, als er noch nicht Minister war, mitgetheilt und auf Berufung einer konstituirenden Versammlung angetragen wird.
Karlsruhe, 30. Mai. Die hiesige Zeitung enthält heute die amtliche Anzeige, daß Dr. jur. Rauschenplatt zum außerordentlichen Professor an der Universität Heidelberg ernannt worden ist.
* Nürnberg, 27. Mai. Die „magistratische Polizei“ (ein schöner Titel) hat, wie die A. A. Z. meldet, Herrn Gustav Diezel aus Würtemberg, Leiter des politischen Klubs und Redakteur des „Freien Staatsbürgers“ ausgewiesen. Das vielgerühmte deutsche Staatsbürgerrecht läuft bis jetzt in der Praxis ganz auf das alte Ausweisungs-System hinaus. Wer kein geborner Krähwinkler ist, der ist ein „Fremder in Krähwinkel.“
* München, 27. Mai. Die Kammern beschäftigen sich noch immer mit feudalem Wust: Ablösungsgesetzen, Lehensgesetzen u. s. w. Der Adel hält fest zusammen und verlangt enorme Entschädigungen. Das Feudalsystem wird durch ein neues Lehengesetz in voller gesetzlicher Kraft erhalten. Vermöge der kostspieligen, langwierigen und fast ganz illusorischen Ablösungen wird das revolutionirte Deutschland sich noch Jahre lang aller jener ehrwürdigen Institutionen, Frohnden, Patrimonialgerichtsbarkeiten u. s. w. erfreuen, welche die frivole und neuerungssüchtige französische Revolution am 4. August 1789 mit Einem Schlage vernichtete. ‒
München, 28. Mai. Heute Mittag hat die Kammer der Reichsräthe das Wahlgesetz in der von den Abgeordneten beschlossenen Fassung mit allen Stimmen gegen drei angenommen. (A. A. Z.)
* Ueber die letzte Wiener Revolution entnehmen wir der „Berl. Zeitungshalle“ Folgendes : Wien, 26. Mai. Sehr wohl wußte die reaktionaire Partei, was der Wiener seit den Märztagen für die Studenten fühlt, sie wußte, es müsse hier zu Conflikten kommen, aber das wollte sie, um unsere Freiheit dann ganz in den Staub treten zu können. Ein Geist, der Geist der Freiheit und des Rechtes beseelt die ganze Bevölkerung; Frauen sprechen von den Barrikaden herab zu ihren Männern und Söhnen, die schönsten Möbel werfen sie aus den Fenstern, siedendes Wasser steht überall bereit, um auf das etwa anrückende Militär gegossen zu werden, Pflastersteine liegen auf den Fensterbrüstungen statt der üblichen Polster. So lange nur ein Mann vom Militär in der Stadt zu sehen ist, kann von Ruhe keine Rede seyn.
27. Mai. Heute Nacht war die Stadt in Allarm, um 1 Uhr wurde Sturm geläutet, zum Glück blinder Lärm; es hieß, daß Windischgrätz mit Militär gegen Wien rücke. Heute wurden gegen die Urheber der Maßregel, mit Militär die akademische Legion zu entwaffnen, Verhaftsbefehle erlassen, nämlich gegen Graf Bräuner, Bar. Pereira, Prof. Hyé und Professor Endlicher. Die Redakteure Schäffer und Tuvora sind gegen ihr Ehrenwort auf freien Fuß gesetzt worden.
28. Mai. Die Revolution ist zu Ende und löst sich wie dte früheren mit Blumen, Musik, Erleuchtung und feierlichen Umzügen. Der gestrige Tag verfloß ruhig, die Stimmung war eine sanftere geworden, nachdem das Volk sich überzeugt hatte, daß von einem Angriff der Truppen auf die Stadt keine Rede sei. Die doppelte Wortbrüchigkeit des Ministeriums wird ihm bitter heimgezahlt, das Volk wollte von keinem Ministerialerlasse etwas wissen, so lange nicht im Abzuge des Militärs und in Auslieferung von Geißeln die Errungenschaften des Mai garantirt würden. Das Regiment „Nugent“ marschirt nach Italien, und das neu eingerückte Regiment „Prinz Emil“ behält blos ein Bataillon hier, um die nöthi- [Fortsetzung S. 7]
„Und den jüngsten Commis ‒ Lenz!“‒
„„Allerdings.““
„So wie ferner ‒ es thut mir leid ‒ nein, der jüngste Commis kann bleiben ‒ es thut mir sehr leid ‒ was Sie betrifft ‒ Lenz.“
Hier hatte die Geduld des Buchhalters ein Ende. In großen Tropfen rann der Schweiß auf seine erblichene Nase. Die grüne Brille entglitt ihr und wie eine Blume im Sturm brach er zusammen, der unglückselige Mann, und d[#] Arme eines Comptoirstuhles nahmen ihn auf und hielten ihn fest umschlossen.
Der Herr Preiß hatte indeß nicht vollendet Der Schluß seiner Phrase war ihm auf der Zunge geblieben, denn eben trat der Postbote in's Zimmer und überbrachte die Zeitung. Seit den Februarereignissen in Paris und seit den eingetroffenen Wiener Nachrichten hätte sich der Herr Preiß nicht durch vier und zwanzig Pferde von sofortigem Lesen der Zeitung abziehen lassen Die Unterredung mit dem Buchhalter wurde daher im Nu unterbrochen und die grüne Mütze tief in's Gesicht drückend, die Beine fest ineinanderkneifend und das Zeitungsblatt mit beiden Händen ergreifend, schickte sich der würdige Herr auf der Stelle an, die Bühne der Welt rasch lesend zu durcheilen.
Armer Preiß! du wußtest nicht, was du thatest. Seht ihn sitzen, den gewaltigen Mann. Er schaut in das verhängnißvolle Blatt, er ließt nur einen Augenblick ‒ da ergreift ein Zittern all' seine Glieder, seine Kniee schlottern, die Mütze fällt vom Haupte : „Revolution in Berlin!“ ruft er mit erstickter Stimme und wie der Buchhalter Lenz gegen Westen gefallen, so sinkt der würdige Prinzipal gen Osten in die Arme des Lehnstuhls. „Halloh! Jetzt ist der Teufel erst recht los ‒“ das sind die letzten Worte, die er zu sprechen vermag, die Zunge versagt ihm den Dienst, seine Augenlieder sinken und wiederum herrscht auf dem weiten Comptoir Todesstille.
Röthlich aber strahlt der Morgen durch die zwei großen, halbverstaubten Fenster auf die Dintenkleckse des Schreibpults.
(Fortsetzung folgt.)
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