Neue Rheinische Zeitung. Nr. 16. Köln, 16. Juni 1848.nim [Arnim] und den Abgeordneten Sydow große Erörterungen und Anträge vorbereitet hat. Die Polizei hat schon angekündigt, daß das Sitzungslokal cernirt werde und alle Zusammenrottirungen in den Straßen verboten seien; für weitere Polizeianträge in der Versammlung haben die Herren Reichensperger II. und Conzen gesorgt, die wie die meisten rheinischen Juristen, große Vorliebe für das Polizeiregiment hegen. Es heißt sogar, daß die Rechte mit einem Plan, für den sie längst heimlich Propaganda gemacht, morgen offen heraustreten werde: mit dem Antrag auf Verlegung der Versammlung nach Schwedt oder Potsdam. Nous vorrons! Berlin, 13. Juni. Von Cöslin aus wurde (siehe Nr. 14 der Neuen Rh.-Z.) unterm 23. Mai einer der wüthendsten Aufrufe gegen die Berliner erlassen und dieses saubre reaktionäre Machwerk nicht blos durch die Vossische u. a., sondern auch durch tausend und aber tausend besondere Abdrücke in den Provinzen verbreitet. Als Folge davon gehen jetzt fast täglich Adressen entgegengesetzten Inhalts an die Berliner ein; aus Schlesien, der Provinz Brandenburg, Posen und Preußen. Selbst an Orten, die bisher am Meisten im Geruche reaktionärer Gesinnung standen, fängt man an zu merken, wo es mit jenem Treiben der Büreaukraten-, Gutsbesitzer- und Bankierbande hinaus will. Man merkt die Absicht und - protestirt. Als besonders interessant möge folgende Adresse Platz finden: Offener Brief an die Berliner. Mitbürger! Es wird Euch ohne Zweifel bereits der Inhalt eines unterm 23. Mai d. J. von Cöslin aus im Lande verbreiteten Aufrufs bekannt sein, welcher unter Anderm auch in der zweiten Beilage zu Nr. 128 der Breslauer Zeitung vollständig mitgetheilt ist. Wir fürchten, daß Ihr denselben als den Gesammtausdruck der Gesinnungen der Provinzen erachten könntet und halten es für unsere Pflicht, Euch solchen Irrthum zu benehmen. Frei und offen rufen wir Euch zu, daß wir uns als Eure Schuldner für die von Euch am 18. und 19. März erkämpfte Volkssouverainetät betrachten. Die Opfer, welche Ihr zur Erhaltung der gewonnenen Rechte fortdauernd bringt, erkennen wir in ihrer ganzen Größe an. Nur Eure Wachsamkeit war im Stande, die Pläne der Reaktion zu entdecken und zu Schanden zu machen. Zu Euch hegen wir das Vertrauen, daß Ihr die blutig errungene Freiheit fort und fort schützen werdet. Sollte aber noch einmal eine schwere Stunde der Prüfung über Euch kommen, dann seid versichert, daß wir unsere Sympathie, welche wir jetzt nur in Worten auszudrücken vermögen, auch werden zu bethätigen wissen. Ratibor, den 7. Juni 1848. (Folgen 320 Unterschriften). Vorstehender "Offener Brief" ist in einer am 7. zu Ratibor im Weidmannschen Lokale abgehaltenen Volksversammlung beschlossen worden. Berlin, 13. Juni. Der Polizei-Präsident Minutoli und der interimistische Commandant der Bürgerwehr, Blesson, haben folgende "Bekanntmachung" erlassen. "Um die Sitzungen der National-Versammlung gegen Störungen zu sichern, erscheint es nothwendig, das Ansammeln und Verweilen größerer Menschenmassen in der Nähe des Sitzungslocals zu verhindern. "Es kann daher an den Sitzungstagen während der Dauer der Berathungen der National-Versammlung in den nächsten Umgebungen der Sing-Akademie dem Publikum das Zusammentreten und Verweilen in größerer Menge überhaupt nicht mehr gestattet werden. "Auch an andern Orten und zu anderen Zeiten sind größere Anhäufungen des Publikums auf den Straßen und öffentlichen Plätzen der Stadt unstatthaft, sobald sie die Freiheit des Verkehrs oder sonst die öffentliche Ordnung beeinträchtigen. "Finden nichts desto weniger solche Ansammlungen statt, so wird die Bürgerwehr, wenn nach zweimaliger Aufforderung des Befehlshabers die Menge nicht auseinandergeht, auf Grund der Verordnung vom 19. April c. einschreiten, und die bei dieser Gelegenheit zu verhaftenden Personen dem Gericht zur Bestrafung überweisen." * Berlin, 13. Juni. Der "Hofmarschall Sr. Maj. des Königs" veröffentlicht eine sogenannte "amtliche" Berichtigung der über die Exminister in Potsdam verbreiteten Gerüchte. Der Herr Hofmarschall erklärt, daß die Exminister Eichhorn, Thiele und Stolberg während der ganzen Zeit des jetzigen Aufenthalts des Hofes zu Potsdam und Sanssouci weder "vom König zur Tafel gezogen worden, noch überhaupt ihren Aufenthalt in Potsdam hätten," und daß eben so wenig der Exminister Stolberg "mit dem Prinzen von Preußen" in Potsdam eingetroffen sei. Aus dieser Berichtigung aber geht für die allgemein verbreiteten Gerüchte gar nichts hervor. Ob die genannten Minister vom "Könige" nicht zur "Tafel gezogen," ob sie ihren "Aufenthalt" nicht "in" Potsdam haben, ist völlig gleichgültig; es handelt sich für die öffentliche Meinung darum, ob der Prinz von Preußen, der einmal als der Hort der Reaktion angesehen wird, mit den genannten Ex-Ministern in oder bei Potsdam in Verbindung stehe, und das ist durch den "amtlichen" Herrn Hofmarschall nicht widerlegt worden. - (Berl. N.) Nach einer weitern Nachweisung beträgt die Zahl der bei der National-Versammlung eingegangenen Bittschriften 1054, die der Anträge von Mitgliedern 214. Beide Zahlen wachsen indeß noch täglich. * Posen, 11. Juni. Der "Friedenscommissarius", General Pfuel hat folgende Bekanntmachung erlassen: "Da gegenwärtig Ruhe und Ordnung (!) im Großherzogthum wieder hergestellt sind und zu deren fernerer Handhabung außergewöhnliche (!) Maßregeln nicht mehr nothwendig erscheinen, erkläre ich hiermit das Martialgesetz, welches am 5. Mai c. so für das Großherzogthum Posen praclamirt worden war, für aufgehoben." Man kann sich die Ruhe und Ordnung vorstellen, welche der "Friedenscommissarius" unter einer fünfwöchentlichen Herrschaft des Martialgesetzes hergestellt haben wird, - die Ruhe eines Kirchhofs. Wir hoffen aber, daß es mit der bloßen Aufhebung des Blutgesetzes nicht abgethan sein werde, wir hoffen, daß Herr Pfuel zur Rechenschaft gezogen werde für die unter seinen Augen verübten unerhörten Greuel der christlich-germanischen Soldateska, von denen die Briefe des Erzbischofs von Posen Zeugniß geben. Frankfurt, 14. Juni, 2 1/2 Uhr. Die Nationalversammlung hat so eben mit großer Mehrheit beschlossen: daß die Bundesversammlung zu veranlassen sei, zur Gründung des Anfangs einer Kriegsmarine die Summe von 6 Mill. Thlr., für deren Verwendung die zu bildende provisorische Centralgewalt der Nationalversammlung verantwortlich sein muß, auf verfassungsmäßigem Wege verfügbar zu machen, und zwar 3 Mill. sofort, die übrigen 3 Mill. nach Maßgabe des Bedürfnisses. Ulm, 7. Juni. Hiesige Blätter versichern aus zuverlässiger Quelle, daß der Oberingenieur Ruland aus München mit dem hiesigen Baurath Cloß sich bereits zum Behufe der Eisenbahnverbindung zwischen Ulm und Augsburg über den Anschlußpunkt bei Ulm verständigt habe. Die Terrainaufnahmen zwischen Ulm und Augsburg sollen schon in den nächsten Tagen kräftigst in Angriff genommen werden. Wien, 2. Juni. Daß Wien das Schicksal der meisten Großstädte Europas theilt und seine Handelslage unter den gegenwärtigen allseitigen politischen, socialen und lokalen Umwälzungen und Krisen bei dem so tief erschütterten Kredit eine sehr gedrückte sey, kann nicht Verwunderung erregen. Wohin der Handel sich auch wenden möge, fast allwärts mangeln einerseits Sicherheit, Vertrauen, Kredit, andererseits Bedarf, Kauffähigkeit, Absatz. Selbst der Verkehr mit den Provinzen schleppt sich mühsam hin. Die Forderung nach Kontantzahlungen macht sich mehr und mehr geltend. Banknoten finden an manchen Orten, namentlich in Ungarn keine Annahme. Wie schwerfällig sich der Verkehr dabei mit klingender Münze bewegt, wird nun klar. Man beginnt es bereits zu fühlen, indem schon bedeutende Münzquantitäten zur Umwechslung in Banknoten der Nationalbank zurückfließen sollen. Die Einschränkungen im Verbrauche von Erzeugnissen der Industrie besonders in Luxusartikeln wird selbst bis zu den höchsten Ständen hinauf zum Systeme und bei den minder bemittelten Klassen durch die Abnahme der Erwerbsfähigkeit geboten. Die Entfernung und Uebersiedlung von Tausenden der wohlhabenden Familien aus Wien auf das flache Land und in die Provinzen ist im Gange. Fabriken und Gewerbsunternehmungen, die sich nicht gerade mit Konsumtionsartikeln, oder mit Waffen befassen, gerathen mehr und mehr in's Stocken, was um so bedauerlicher ist, als die Zahl der Fabriken und industriellen Unternehmungen in den letzten Jahren hier so bedeutend zugenommen. Die größern Handelshäuser suchen ihre Kapitalien in Waaren umzuwandeln. Die hauptzollämtlichen Waarendepots sind mit Gütern überfüllt. Die Zufuhr steht weit unter dem Verhältnisse des Bezuges und Verbrauches. Und selbst die Zufuhr ist nur aus Triest bedeutend, von den übrigen Straßenrichtungen her gering. Kaffee, Zucker, Südfrüchte und andere hier gewohnte Verzehrungsgegenstände sind die Hauptartikel, welche Abgang finden. Die Geschäfte mit andern Waaren gehen flau. Baumwolle wird wenig, Schafwolle gar nicht begehrt. Die Transporte nach Ungarn erreichen kaum den zehnten Theil des Verkehrs der Vorjahre. Die Ausfuhr nach dem Auslande ist von keiner Bedeutung. (Bl. d. Oesterr. Lloyd.)* Triest, 8. Juni. Wir hatten schon gestern Nachrichten des "Oestr. Lloyd" über einen Angriff der sardinischen Flotte gegen Triest, der von den Triestinern zurückgewiesen worden sein sollte. Wir haben diese Nachricht nicht mitgetheilt, weil wir auf die Rododamontaden des östreichischen Patriotismus aus letzter Zeit überhaupt nichts gaben und am wenigsten dem prahlerischen Patriotismus der Triestiner trauen konnten, die bloß aus merkantilischer Konkurrenz mit Venedig, durch dessen Verfall sie allein zu ihrer kleinen Bedeutsamkeit gekommen sind, der italienische Freiheitsbewegung sich entgegen erklären. Die neuen Nachrichten bestätigen indeß den Ausbruch der Feindseligkeiten, obwohl die Berichte darüber verschieden sind. Die Einen behaupten, daß der Beginn von der italienischen Flotte ausgegangen sei und daß dieselbe vor dem Feuer der Triestiner sich zurückgezogen habe; die Andern sagen, daß östreichische Schiffe den Angriff eröffnet hätten, und daß Triest von den Italienern bestens beschossen werde. Wir lassen hier einen Bericht des Oestr. Lloyd folgen, ohne die Genauigkeit desselben verbürgen zu wollen. Triest, 8. Juni. (J. d. Oest. Lloyd.) Laut Uebereinkunft mit dem Contre-Admiral Albini, Kommandaten der vereinigten italienischen Flotte, sollte vorgestern das für die Levante bestimmte Dampfschiff abgehen, wurde aber zu unserer größten Ueberraschung von dem Admiral unter nichtigen Vorwänden zurückgewie- wobei er noch hinzufügte, er hoffe noch diese Nacht in Triest in Gesellschaft des Kapitains ein Glas Bier trinken. Gegen 11 Uhr Nachts näherte sich auch das feindliche Geschwader, aus 8 Fregatten, 3 Korvetten und 3 Dämpfern bestehend, unserem Hafen und feuerte ohne die geringste Wirkung drei Kanonenschüsse ab. Unsere Batterien richteten aber auf die feindlichen Schiffe ein so wohlgenährtes Feuer, daß sie sich genöthigt sahen, sich außer dem Bereiche derselben zurückzuziehen, nicht ohne bedeutende Beschädigung zweier Fregatten und eines Dampfers, dessen Bugspriet, gestern von einem Schiffer aufgefunden, als Trophäe die Halle unserer Nationalgarde ziert. Heute früh bemerkte man vom Molo San Carlo aus, daß die feindliche Flotte zwei Kanonenschußweiten unserer äußersten Batterie an der istrischen Küste vor Anker liegt. Italien.
Korrespondenzen aus Bologna und andern Häfen Italiens melden, daß Verhandlungen zwischen Oesterreich und dem König Karl Albert statthaben. Oesterreich würde seine Truppen aus Italien zurückziehen unter der Bedingung, daß Italien einen Theil der österreichischen Schuld übernehmen würde. Man sagt, daß der Papst die Vollmacht erhalten, die Bedingungen des Vertrags festzustellen. Mailand, 11. Juni. Diesen Morgen erhielt man die officielle Nachricht der Wegnahme der Höhen von Rivoli durch die Piemontesen, nach einer kurzen Gegenwehr der Oestereicher. Diese wichtige Stellung beherrscht die Straße von Tyrol, und öffnet einen guten Uebergang über die Etsch, um Verona im Rücken zu fassen. Die österreichischen Truppen sind sehr demoralisirt und unter den höhern Offizieren herrscht Zwietracht. Französische Republik.
15 Paris, 13. Juni. Nach fünfstündigem heißen Kampf über die Frage: ob der Bürger, Exprinz Karl Louis Napoleon Bonaparte als Repräsentant zuzulassen oder von Neuem verbannt werden soll, hat die Nationalversammlung so eben mit bedeutender Mehrheit entschieden : daß der Bürger Karl Louis Napoleon Bonaparte als Repräsentant zuzulassen ist. Große Aufregung im Saale. Lebhafte Gruppen bilden sich um Lamartine und Ledru-Rollin. Man spricht von Demissionen in Masse. Das Arbeitervolk, das alle Quais seit Mittag belagerte, jubelt dagegen zu diesem Resultat, nicht aus Sympathie für Louis Napoleon, sondern aus Antipathie gegen dessen Konkurrenten - die Regierung. - Madame Munoz von Spanien wird sich in großer Verlegenheit befinden, da ihr General Thierry, Bevollmächtigter des Exherzogs von Montpensier, eine Forderung auf Regulirung der Mitgift ihrer Tochter zugestellen wird. Man kann Hundert gegen Eins wetten, daß die zärtliche Schwiegermutter behauptet, die Februarrevolution habe dem Herzog und der Mitgift den Rechtsboden entzogen. - Die Majorität der mit Abfassung eines Konstitutionsentwurfs beauftragten Kommission hat die Wahl des Präsidenten durch die Nationalversammlung verworfen. Der Präsident wird durch allgemeine Volkswahl gewählt werden. Dagegen sollen Präsident und Volksrepräsentanten, nicht wie die letztern bisher, durch relative Majorität, sondern durch absolute Majorität gewählt werden. 12 Paris, 13. Juni. Wie man Paris vor lauter Häusern nicht sieht, so hätte ich beinahe vor lauter Journalen ein Journal übersehn, das man unmöglich überhören kann; wegen der zahllosen Schreier, die es verkaufen. Wer kennt nicht aus der ersten französischen Revolution den grauen, grimmigen, mit Blitz und Donnerwetter um sich schleudernden: pere Duchene? Der Vater Duchene ist wieder auferstanden und wird von den Arbeitern am meisten gekauft. Le pere Duchene est b-en colere! rauscht es von allen Seiten und mehr bedarf es nicht, um die Käufer zu locken. Dieses Journal wird noch besonders gesucht von den Bauern der Umgegend, und den Bauern, die morgens in aller Frühe auf den großen Markt, nach der sogenannten Pariser Halle kommen, und es bei ihrer Rückkehr mitnehmen als Curiosum. Die Sprache des Blattes ist ungemein derb, roh, es wüthet gegen die Republikaner des National, und man sieht es ihm ordentlich an, daß seine Wuth ebenso sehr gegen die Verhältnisse gerichtet ist, als gegen seine eigene Ohnmacht, diese Verhältnisse klar darzuthun. Ueberhaupt ist es charakteristisch, daß die Verhältnisse weit über die Sprache hinaus sind, und daß die alten republikanischen Stichwörter auf die jetzigen Zustände gar nicht mehr passen. "Robespierre", das Schreckbild der guten, unschuldigen Bürger, prangt jetzt in großen Lettern als Titel eines neuen Journals. "Robespierre" nennt sich ein Journal der sozialen Reform, und hinter der liberte, egalite und fraternite stehn noch die solidarite und unite, die Solidarität und die Einheit. Wenn man einerseits lächeln muß über die unschuldigen Versuche, die "wahre" Republik durch Definitionen in den Stand zu bringen, so muß doch andernseits anerkannt werden, daß in allen diesen Versuchen, in allen diesen Titeln, sich die demokratische Kühnheit ausspricht, der reaktionär-republikanischen Partei auf alle mögliche Weise entgegenzutreten. Sogar den Schreiern sieht man es an, daß sie ebenfalls belebt sind von dieser demokratischen Kühnheit, und bei dem Namen Robespierre bebt ihre Stimme vor republikanischem Trotze, zumal wenn sie für ihr Journal einen Sou verlangen von einem Spekulanten, der eben für Tausende an der Börse umgesetzt hat. Die Verkäufer dieser republikanischen Journale unterscheiden sich wesentlich von den unzähligen Verkäufern der Presse. Die Seele Girardin's scheint in letztere hineingefahren zu sein und die Leute machen ebenso gute Geschäfte, wie Girardin. Sie ahmen sogar seine Sprache nach, und preisen ihre Waare aphoristisch an. Ho, ho, was höre ich da? Schweigt ihr republikanischen Journale, wie ihr auch heißen mögt, schweigt ihr Schreier der "Revolution", "a la lanterne," schweige "gamin de Paris," verstumme du "tocsin du travailleur"! - Hut ab, es nahen "kaiserliche" Schreier, "La Republique de Napoleon" und "le Napoleonien" sind Journale für bonapartistische Herzen und Gefühle, und bei dem bloßen Namen sieht man mehr als eines Invaliden Auge in Thränen schwimmend. Und alle diese napoleonische Bewegung dreht sich um Ludwig Napoleon, der eben als Repräsentant Frankreichs gewählt und von der Kammer als solcher angenommen worden ist. Ludwig Napoleon, der vor 8 Jahren, mit allem nöthigen Geräthe versehen, nach Frankreich herübergekommen war, um das Kaiserthum stiefel- und spornfertig einzuführen, mit fertigem napoleonischen Anzuge, mit fertigem Hute und sogar einem fertigen, lebendigen Adler! Dieser ganze Anzug wurde ihm unmittelbar nach seiner Landung in Boulogne ausgezogen, und Napoleon der Zweite mußte sich selbst eingestehen, daß er als zweiter Napoleon zu früh erschienen sei. Nach mehrjähriger Gefangenschaft in Ham, durfte er endlich wieder nach London zurückkehren, wo er sich in der letzten Zeit als tapfrer Constabler auszeichnete, und als Held unter die Chartisten mit dem Stocke drein hieb. Und dieser Constabler-Napoleon mit dem Stocke in der Hand und einem Adler auf dem Kopfe wird als Volksrepräsentant vom Barrikadenvolke in Paris gewählt. Hieraus sieht man, wie groß der Haß des Volkes gegen diese Bourgeoisie-Repräsentanten ist, daß es jeden Anlaß wahrnimmt, um gegen sie anzurücken. So wie neulich Polen, so ist es jetzt Napoleon; aber an Prätendenten zu denken, königlichen oder kaiserlichen Schlages, recht- oder unrechtmäßigen Ursprungs, das fällt dem Volk nicht ein. Die eigentlichen Proletarier sind allen Journalen über den Kopf gewachsen; sie suchen nicht nach vergangenen Idealen, noch haschen sie nach Definitionen der Republik und des Republikaners. Sie wollen die engen Schranken der bürgerlichen Produktion brechen; sie wollen ankämpfen gegen alle die "scharfen Geister", welche den Credit, das Zutrauen und den Handel auf seine alten Grundlagen, und sie, die Arbeiter, in das alte Elend zurückführen möchten. Dieser revolutionäre Drang spricht sich bei der geringsten Veranlassung aus: "A bas les assassins de Rouen", "vive la Pologne", "vive Napoleon", selbst "vive l'empereur" - Alles dieses sind Aeußerungen, um ihren tiefen Unwillen, ihr tiefes Elend den Repräsentanten fühlbar, hörbar, greifbar zu machen. Auf ihre proletarische Großmuth vom 24. Februar hat man am folgenden Tage mit kleinbürgerlicher Kleinherzigkeit geantwortet und sofort zogen dichte proletarische Massen mit mobilen Gardisten durch die Straßen Paris, und protestirten laut gegen dies grausame Verfahren der Rouener Nationalgarden. Und ihr Nationalgarden, die ihr auf das Volk geschossen, ihr wollt uns Thiers zum Repräsentanten geben, Thiers, der auf uns in der rue Transnonain geschossen hat? Nun gut, so wollen wir Euch Napoleon geben, grade weil ihr nicht wollt. Ja, Napoleon, nicht der wahre, der alte, der kleine Corporal; nein, Ludwig Napoleon, der Napoleon mit dem Constabler-Stocke und dem lebendigen Adler, der allein ist würdig, als Repräsentant unter uns zu sitzen. - Nationalversammlung vom 12. Juni. - Alle Zugänge des Palastes sind von Neugierigen überströmt und besonders von Blousenmännern, die sich nicht scheuen einer Hitze von 30 Graden zu trotzen. Auf dem Peristyl und in die Gärten der Präsidentschaft sieht man Linienbataillone aufgepflanzt. Die Sitzung wird um ein Uhr eröffnet. Die Tribünen sind überfüllt mit Publikum. Die Kammer ist sehr erregt. Senart (Präsident): Bürger Napoleon Bonaparte (Sohn Jeromes) hat das Wort. (Lebhafte Bewegung von Neugierde.) Bürger Napoleon Bonaparte: Ich war nicht zugegen in der Sitzung von Samstag, als der Kriegsminister energische Worte aussprach, denen ich vollkommen beipflichte; aber in dieser Sitzung wurde ein Name ausgesprochen, ein Name, den ich trage. Ich schulde der Kammer einige Auseinandersetzungen: ich bin nicht verantwortlich für alle Verläumdungen, die gegen den Namen gerichtet worden sind, den zu tragen ich die Ehre habe. Ich brauche nicht von mir zu sprechen: ich glaube nicht, daß von mir die Rede war; übrigens kennen mehrere Mitglieder der Versammlung meine Prinzipien; sie wissen, wie aufrichtig ich der Republik ergeben bin. Was den Prinzen Louis Bonaparte betrifft, so ist er mein Verwandter und mein Freund, aber ich habe mich nicht über seine politische Vergangenheit auszusprechen. Ich billige sie sicher nicht; aber, alles in allem, er hat nie etwas gegen die Republik unternommen. Im Gegentheil, den 24. Febr. kam er freiwillig nach Paris, er verlangte die Mitglieder der provisorischen Regierung zu sprechen, er stellte sich zu ihrer Verfügung und verpflichtete sich von vorherein, sich jedem ihrer Beschlüsse zu unterwerfen. Er blieb nur 24 Stunden zu Paris und ist seit der Zeit seiner Kandidatur völlig fremd geblieben. Man hatte ihm vorgeschlagen, sich als Kandidat zu melden; er hat dies positiv verweigert. Niemand war mehr erstaunt als er, als ich über seine Wahl in Paris. Was mich angeht, ich habe den Verläumdungen nicht antworten wollen, die auf unsere Rechnung verbreitet werden. Ich gestehe es, der Name Bonaparte ist ein Hebel, aber ist ein Bürger verantwortlich für den Mißbrauch, der mit seinem Namen getrieben werden kann? In diesem Falle wären die berühmtesten Namen der exekutiven Kommission kompromittirt, denn die Urheber des verwerflichen Attentats vom 15. Mai hatten sie auf ihre Fahne geschrieben. Ich kann nur die verläumderischen Gerüchte, die verbreitet worden sind, Lügen strafen; aber ich wünschte, daß ein Mitglied der Regierung auf diese Tribüne den Prinzen Louis anklagen käme, wenn sie ihn schuldig glaubt oder die Thatsachen, wenn sie verläumderische Erfindungen sind, Lügen strafte. Bürger Flocon: Ich verlange das Wort. Bürger Napoleon Bonaparte erzählt weiter in verwirrter Weise, daß er zuerst den Präsidenten der Versammlung besucht hat, der nicht zu Hause war, dann den Minister des Innern, der ihn sehr höflich empfangen und endlich den Polizeipräfekten, dem er einen Brief des Ministers des Innern zugestellt. Der Polizeipräfekt habe ihm gesagt, er wisse sehr wohl, daß er und sein Vetter den Umtrieben fremd seien, daß übrigens die Intriguen, die sich des Namens des Prinzen Louis bedienten, nicht sehr gefährlich seien. nim [Arnim] und den Abgeordneten Sydow große Erörterungen und Anträge vorbereitet hat. Die Polizei hat schon angekündigt, daß das Sitzungslokal cernirt werde und alle Zusammenrottirungen in den Straßen verboten seien; für weitere Polizeianträge in der Versammlung haben die Herren Reichensperger II. und Conzen gesorgt, die wie die meisten rheinischen Juristen, große Vorliebe für das Polizeiregiment hegen. Es heißt sogar, daß die Rechte mit einem Plan, für den sie längst heimlich Propaganda gemacht, morgen offen heraustreten werde: mit dem Antrag auf Verlegung der Versammlung nach Schwedt oder Potsdam. Nous vorrons! Berlin, 13. Juni. Von Cöslin aus wurde (siehe Nr. 14 der Neuen Rh.-Z.) unterm 23. Mai einer der wüthendsten Aufrufe gegen die Berliner erlassen und dieses saubre reaktionäre Machwerk nicht blos durch die Vossische u. a., sondern auch durch tausend und aber tausend besondere Abdrücke in den Provinzen verbreitet. Als Folge davon gehen jetzt fast täglich Adressen entgegengesetzten Inhalts an die Berliner ein; aus Schlesien, der Provinz Brandenburg, Posen und Preußen. Selbst an Orten, die bisher am Meisten im Geruche reaktionärer Gesinnung standen, fängt man an zu merken, wo es mit jenem Treiben der Büreaukraten-, Gutsbesitzer- und Bankierbande hinaus will. Man merkt die Absicht und ‒ protestirt. Als besonders interessant möge folgende Adresse Platz finden: Offener Brief an die Berliner. Mitbürger! Es wird Euch ohne Zweifel bereits der Inhalt eines unterm 23. Mai d. J. von Cöslin aus im Lande verbreiteten Aufrufs bekannt sein, welcher unter Anderm auch in der zweiten Beilage zu Nr. 128 der Breslauer Zeitung vollständig mitgetheilt ist. Wir fürchten, daß Ihr denselben als den Gesammtausdruck der Gesinnungen der Provinzen erachten könntet und halten es für unsere Pflicht, Euch solchen Irrthum zu benehmen. Frei und offen rufen wir Euch zu, daß wir uns als Eure Schuldner für die von Euch am 18. und 19. März erkämpfte Volkssouverainetät betrachten. Die Opfer, welche Ihr zur Erhaltung der gewonnenen Rechte fortdauernd bringt, erkennen wir in ihrer ganzen Größe an. Nur Eure Wachsamkeit war im Stande, die Pläne der Reaktion zu entdecken und zu Schanden zu machen. Zu Euch hegen wir das Vertrauen, daß Ihr die blutig errungene Freiheit fort und fort schützen werdet. Sollte aber noch einmal eine schwere Stunde der Prüfung über Euch kommen, dann seid versichert, daß wir unsere Sympathie, welche wir jetzt nur in Worten auszudrücken vermögen, auch werden zu bethätigen wissen. Ratibor, den 7. Juni 1848. (Folgen 320 Unterschriften). Vorstehender „Offener Brief“ ist in einer am 7. zu Ratibor im Weidmannschen Lokale abgehaltenen Volksversammlung beschlossen worden. Berlin, 13. Juni. Der Polizei-Präsident Minutoli und der interimistische Commandant der Bürgerwehr, Blesson, haben folgende „Bekanntmachung“ erlassen. „Um die Sitzungen der National-Versammlung gegen Störungen zu sichern, erscheint es nothwendig, das Ansammeln und Verweilen größerer Menschenmassen in der Nähe des Sitzungslocals zu verhindern. „Es kann daher an den Sitzungstagen während der Dauer der Berathungen der National-Versammlung in den nächsten Umgebungen der Sing-Akademie dem Publikum das Zusammentreten und Verweilen in größerer Menge überhaupt nicht mehr gestattet werden. „Auch an andern Orten und zu anderen Zeiten sind größere Anhäufungen des Publikums auf den Straßen und öffentlichen Plätzen der Stadt unstatthaft, sobald sie die Freiheit des Verkehrs oder sonst die öffentliche Ordnung beeinträchtigen. „Finden nichts desto weniger solche Ansammlungen statt, so wird die Bürgerwehr, wenn nach zweimaliger Aufforderung des Befehlshabers die Menge nicht auseinandergeht, auf Grund der Verordnung vom 19. April c. einschreiten, und die bei dieser Gelegenheit zu verhaftenden Personen dem Gericht zur Bestrafung überweisen.“ * Berlin, 13. Juni. Der „Hofmarschall Sr. Maj. des Königs“ veröffentlicht eine sogenannte „amtliche“ Berichtigung der über die Exminister in Potsdam verbreiteten Gerüchte. Der Herr Hofmarschall erklärt, daß die Exminister Eichhorn, Thiele und Stolberg während der ganzen Zeit des jetzigen Aufenthalts des Hofes zu Potsdam und Sanssouci weder „vom König zur Tafel gezogen worden, noch überhaupt ihren Aufenthalt in Potsdam hätten,“ und daß eben so wenig der Exminister Stolberg „mit dem Prinzen von Preußen“ in Potsdam eingetroffen sei. Aus dieser Berichtigung aber geht für die allgemein verbreiteten Gerüchte gar nichts hervor. Ob die genannten Minister vom „Könige“ nicht zur „Tafel gezogen,“ ob sie ihren „Aufenthalt“ nicht „in“ Potsdam haben, ist völlig gleichgültig; es handelt sich für die öffentliche Meinung darum, ob der Prinz von Preußen, der einmal als der Hort der Reaktion angesehen wird, mit den genannten Ex-Ministern in oder bei Potsdam in Verbindung stehe, und das ist durch den „amtlichen“ Herrn Hofmarschall nicht widerlegt worden. ‒ (Berl. N.) Nach einer weitern Nachweisung beträgt die Zahl der bei der National-Versammlung eingegangenen Bittschriften 1054, die der Anträge von Mitgliedern 214. Beide Zahlen wachsen indeß noch täglich. * Posen, 11. Juni. Der „Friedenscommissarius“, General Pfuel hat folgende Bekanntmachung erlassen: „Da gegenwärtig Ruhe und Ordnung (!) im Großherzogthum wieder hergestellt sind und zu deren fernerer Handhabung außergewöhnliche (!) Maßregeln nicht mehr nothwendig erscheinen, erkläre ich hiermit das Martialgesetz, welches am 5. Mai c. so für das Großherzogthum Posen praclamirt worden war, für aufgehoben.“ Man kann sich die Ruhe und Ordnung vorstellen, welche der „Friedenscommissarius“ unter einer fünfwöchentlichen Herrschaft des Martialgesetzes hergestellt haben wird, ‒ die Ruhe eines Kirchhofs. Wir hoffen aber, daß es mit der bloßen Aufhebung des Blutgesetzes nicht abgethan sein werde, wir hoffen, daß Herr Pfuel zur Rechenschaft gezogen werde für die unter seinen Augen verübten unerhörten Greuel der christlich-germanischen Soldateska, von denen die Briefe des Erzbischofs von Posen Zeugniß geben. Frankfurt, 14. Juni, 2 1/2 Uhr. Die Nationalversammlung hat so eben mit großer Mehrheit beschlossen: daß die Bundesversammlung zu veranlassen sei, zur Gründung des Anfangs einer Kriegsmarine die Summe von 6 Mill. Thlr., für deren Verwendung die zu bildende provisorische Centralgewalt der Nationalversammlung verantwortlich sein muß, auf verfassungsmäßigem Wege verfügbar zu machen, und zwar 3 Mill. sofort, die übrigen 3 Mill. nach Maßgabe des Bedürfnisses. Ulm, 7. Juni. Hiesige Blätter versichern aus zuverlässiger Quelle, daß der Oberingenieur Ruland aus München mit dem hiesigen Baurath Cloß sich bereits zum Behufe der Eisenbahnverbindung zwischen Ulm und Augsburg über den Anschlußpunkt bei Ulm verständigt habe. Die Terrainaufnahmen zwischen Ulm und Augsburg sollen schon in den nächsten Tagen kräftigst in Angriff genommen werden. Wien, 2. Juni. Daß Wien das Schicksal der meisten Großstädte Europas theilt und seine Handelslage unter den gegenwärtigen allseitigen politischen, socialen und lokalen Umwälzungen und Krisen bei dem so tief erschütterten Kredit eine sehr gedrückte sey, kann nicht Verwunderung erregen. Wohin der Handel sich auch wenden möge, fast allwärts mangeln einerseits Sicherheit, Vertrauen, Kredit, andererseits Bedarf, Kauffähigkeit, Absatz. Selbst der Verkehr mit den Provinzen schleppt sich mühsam hin. Die Forderung nach Kontantzahlungen macht sich mehr und mehr geltend. Banknoten finden an manchen Orten, namentlich in Ungarn keine Annahme. Wie schwerfällig sich der Verkehr dabei mit klingender Münze bewegt, wird nun klar. Man beginnt es bereits zu fühlen, indem schon bedeutende Münzquantitäten zur Umwechslung in Banknoten der Nationalbank zurückfließen sollen. Die Einschränkungen im Verbrauche von Erzeugnissen der Industrie besonders in Luxusartikeln wird selbst bis zu den höchsten Ständen hinauf zum Systeme und bei den minder bemittelten Klassen durch die Abnahme der Erwerbsfähigkeit geboten. Die Entfernung und Uebersiedlung von Tausenden der wohlhabenden Familien aus Wien auf das flache Land und in die Provinzen ist im Gange. Fabriken und Gewerbsunternehmungen, die sich nicht gerade mit Konsumtionsartikeln, oder mit Waffen befassen, gerathen mehr und mehr in's Stocken, was um so bedauerlicher ist, als die Zahl der Fabriken und industriellen Unternehmungen in den letzten Jahren hier so bedeutend zugenommen. Die größern Handelshäuser suchen ihre Kapitalien in Waaren umzuwandeln. Die hauptzollämtlichen Waarendepots sind mit Gütern überfüllt. Die Zufuhr steht weit unter dem Verhältnisse des Bezuges und Verbrauches. Und selbst die Zufuhr ist nur aus Triest bedeutend, von den übrigen Straßenrichtungen her gering. Kaffee, Zucker, Südfrüchte und andere hier gewohnte Verzehrungsgegenstände sind die Hauptartikel, welche Abgang finden. Die Geschäfte mit andern Waaren gehen flau. Baumwolle wird wenig, Schafwolle gar nicht begehrt. Die Transporte nach Ungarn erreichen kaum den zehnten Theil des Verkehrs der Vorjahre. Die Ausfuhr nach dem Auslande ist von keiner Bedeutung. (Bl. d. Oesterr. Lloyd.)* Triest, 8. Juni. Wir hatten schon gestern Nachrichten des „Oestr. Lloyd“ über einen Angriff der sardinischen Flotte gegen Triest, der von den Triestinern zurückgewiesen worden sein sollte. Wir haben diese Nachricht nicht mitgetheilt, weil wir auf die Rododamontaden des östreichischen Patriotismus aus letzter Zeit überhaupt nichts gaben und am wenigsten dem prahlerischen Patriotismus der Triestiner trauen konnten, die bloß aus merkantilischer Konkurrenz mit Venedig, durch dessen Verfall sie allein zu ihrer kleinen Bedeutsamkeit gekommen sind, der italienische Freiheitsbewegung sich entgegen erklären. Die neuen Nachrichten bestätigen indeß den Ausbruch der Feindseligkeiten, obwohl die Berichte darüber verschieden sind. Die Einen behaupten, daß der Beginn von der italienischen Flotte ausgegangen sei und daß dieselbe vor dem Feuer der Triestiner sich zurückgezogen habe; die Andern sagen, daß östreichische Schiffe den Angriff eröffnet hätten, und daß Triest von den Italienern bestens beschossen werde. Wir lassen hier einen Bericht des Oestr. Lloyd folgen, ohne die Genauigkeit desselben verbürgen zu wollen. Triest, 8. Juni. (J. d. Oest. Lloyd.) Laut Uebereinkunft mit dem Contre-Admiral Albini, Kommandaten der vereinigten italienischen Flotte, sollte vorgestern das für die Levante bestimmte Dampfschiff abgehen, wurde aber zu unserer größten Ueberraschung von dem Admiral unter nichtigen Vorwänden zurückgewie- wobei er noch hinzufügte, er hoffe noch diese Nacht in Triest in Gesellschaft des Kapitains ein Glas Bier trinken. Gegen 11 Uhr Nachts näherte sich auch das feindliche Geschwader, aus 8 Fregatten, 3 Korvetten und 3 Dämpfern bestehend, unserem Hafen und feuerte ohne die geringste Wirkung drei Kanonenschüsse ab. Unsere Batterien richteten aber auf die feindlichen Schiffe ein so wohlgenährtes Feuer, daß sie sich genöthigt sahen, sich außer dem Bereiche derselben zurückzuziehen, nicht ohne bedeutende Beschädigung zweier Fregatten und eines Dampfers, dessen Bugspriet, gestern von einem Schiffer aufgefunden, als Trophäe die Halle unserer Nationalgarde ziert. Heute früh bemerkte man vom Molo San Carlo aus, daß die feindliche Flotte zwei Kanonenschußweiten unserer äußersten Batterie an der istrischen Küste vor Anker liegt. Italien.
Korrespondenzen aus Bologna und andern Häfen Italiens melden, daß Verhandlungen zwischen Oesterreich und dem König Karl Albert statthaben. Oesterreich würde seine Truppen aus Italien zurückziehen unter der Bedingung, daß Italien einen Theil der österreichischen Schuld übernehmen würde. Man sagt, daß der Papst die Vollmacht erhalten, die Bedingungen des Vertrags festzustellen. Mailand, 11. Juni. Diesen Morgen erhielt man die officielle Nachricht der Wegnahme der Höhen von Rivoli durch die Piemontesen, nach einer kurzen Gegenwehr der Oestereicher. Diese wichtige Stellung beherrscht die Straße von Tyrol, und öffnet einen guten Uebergang über die Etsch, um Verona im Rücken zu fassen. Die österreichischen Truppen sind sehr demoralisirt und unter den höhern Offizieren herrscht Zwietracht. Französische Republik.
15 Paris, 13. Juni. Nach fünfstündigem heißen Kampf über die Frage: ob der Bürger, Exprinz Karl Louis Napoleon Bonaparte als Repräsentant zuzulassen oder von Neuem verbannt werden soll, hat die Nationalversammlung so eben mit bedeutender Mehrheit entschieden : daß der Bürger Karl Louis Napoleon Bonaparte als Repräsentant zuzulassen ist. Große Aufregung im Saale. Lebhafte Gruppen bilden sich um Lamartine und Ledru-Rollin. Man spricht von Demissionen in Masse. Das Arbeitervolk, das alle Quais seit Mittag belagerte, jubelt dagegen zu diesem Resultat, nicht aus Sympathie für Louis Napoleon, sondern aus Antipathie gegen dessen Konkurrenten ‒ die Regierung. ‒ Madame Munoz von Spanien wird sich in großer Verlegenheit befinden, da ihr General Thierry, Bevollmächtigter des Exherzogs von Montpensier, eine Forderung auf Regulirung der Mitgift ihrer Tochter zugestellen wird. Man kann Hundert gegen Eins wetten, daß die zärtliche Schwiegermutter behauptet, die Februarrevolution habe dem Herzog und der Mitgift den Rechtsboden entzogen. ‒ Die Majorität der mit Abfassung eines Konstitutionsentwurfs beauftragten Kommission hat die Wahl des Präsidenten durch die Nationalversammlung verworfen. Der Präsident wird durch allgemeine Volkswahl gewählt werden. Dagegen sollen Präsident und Volksrepräsentanten, nicht wie die letztern bisher, durch relative Majorität, sondern durch absolute Majorität gewählt werden. 12 Paris, 13. Juni. Wie man Paris vor lauter Häusern nicht sieht, so hätte ich beinahe vor lauter Journalen ein Journal übersehn, das man unmöglich überhören kann; wegen der zahllosen Schreier, die es verkaufen. Wer kennt nicht aus der ersten französischen Revolution den grauen, grimmigen, mit Blitz und Donnerwetter um sich schleudernden: pére Duchêne? Der Vater Duchêne ist wieder auferstanden und wird von den Arbeitern am meisten gekauft. Le pére Duchêne est b‒en colère! rauscht es von allen Seiten und mehr bedarf es nicht, um die Käufer zu locken. Dieses Journal wird noch besonders gesucht von den Bauern der Umgegend, und den Bauern, die morgens in aller Frühe auf den großen Markt, nach der sogenannten Pariser Halle kommen, und es bei ihrer Rückkehr mitnehmen als Curiosum. Die Sprache des Blattes ist ungemein derb, roh, es wüthet gegen die Republikaner des National, und man sieht es ihm ordentlich an, daß seine Wuth ebenso sehr gegen die Verhältnisse gerichtet ist, als gegen seine eigene Ohnmacht, diese Verhältnisse klar darzuthun. Ueberhaupt ist es charakteristisch, daß die Verhältnisse weit über die Sprache hinaus sind, und daß die alten republikanischen Stichwörter auf die jetzigen Zustände gar nicht mehr passen. „Robespierre“, das Schreckbild der guten, unschuldigen Bürger, prangt jetzt in großen Lettern als Titel eines neuen Journals. „Robespierre“ nennt sich ein Journal der sozialen Reform, und hinter der liberté, égalité und fraternité stehn noch die solidarité und unité, die Solidarität und die Einheit. Wenn man einerseits lächeln muß über die unschuldigen Versuche, die „wahre“ Republik durch Definitionen in den Stand zu bringen, so muß doch andernseits anerkannt werden, daß in allen diesen Versuchen, in allen diesen Titeln, sich die demokratische Kühnheit ausspricht, der reaktionär-republikanischen Partei auf alle mögliche Weise entgegenzutreten. Sogar den Schreiern sieht man es an, daß sie ebenfalls belebt sind von dieser demokratischen Kühnheit, und bei dem Namen Robespierre bebt ihre Stimme vor republikanischem Trotze, zumal wenn sie für ihr Journal einen Sou verlangen von einem Spekulanten, der eben für Tausende an der Börse umgesetzt hat. Die Verkäufer dieser republikanischen Journale unterscheiden sich wesentlich von den unzähligen Verkäufern der Presse. Die Seele Girardin's scheint in letztere hineingefahren zu sein und die Leute machen ebenso gute Geschäfte, wie Girardin. Sie ahmen sogar seine Sprache nach, und preisen ihre Waare aphoristisch an. Ho, ho, was höre ich da? Schweigt ihr republikanischen Journale, wie ihr auch heißen mögt, schweigt ihr Schreier der „Revolution“, „à la lanterne,“ schweige „gamin de Paris,“ verstumme du „tocsin du travailleur“! ‒ Hut ab, es nahen „kaiserliche“ Schreier, „La Rèpublique de Napoléon“ und „le Napoléonien“ sind Journale für bonapartistische Herzen und Gefühle, und bei dem bloßen Namen sieht man mehr als eines Invaliden Auge in Thränen schwimmend. Und alle diese napoleonische Bewegung dreht sich um Ludwig Napoleon, der eben als Repräsentant Frankreichs gewählt und von der Kammer als solcher angenommen worden ist. Ludwig Napoleon, der vor 8 Jahren, mit allem nöthigen Geräthe versehen, nach Frankreich herübergekommen war, um das Kaiserthum stiefel- und spornfertig einzuführen, mit fertigem napoleonischen Anzuge, mit fertigem Hute und sogar einem fertigen, lebendigen Adler! Dieser ganze Anzug wurde ihm unmittelbar nach seiner Landung in Boulogne ausgezogen, und Napoleon der Zweite mußte sich selbst eingestehen, daß er als zweiter Napoleon zu früh erschienen sei. Nach mehrjähriger Gefangenschaft in Ham, durfte er endlich wieder nach London zurückkehren, wo er sich in der letzten Zeit als tapfrer Constabler auszeichnete, und als Held unter die Chartisten mit dem Stocke drein hieb. Und dieser Constabler-Napoleon mit dem Stocke in der Hand und einem Adler auf dem Kopfe wird als Volksrepräsentant vom Barrikadenvolke in Paris gewählt. Hieraus sieht man, wie groß der Haß des Volkes gegen diese Bourgeoisie-Repräsentanten ist, daß es jeden Anlaß wahrnimmt, um gegen sie anzurücken. So wie neulich Polen, so ist es jetzt Napoleon; aber an Prätendenten zu denken, königlichen oder kaiserlichen Schlages, recht- oder unrechtmäßigen Ursprungs, das fällt dem Volk nicht ein. Die eigentlichen Proletarier sind allen Journalen über den Kopf gewachsen; sie suchen nicht nach vergangenen Idealen, noch haschen sie nach Definitionen der Republik und des Republikaners. Sie wollen die engen Schranken der bürgerlichen Produktion brechen; sie wollen ankämpfen gegen alle die „scharfen Geister“, welche den Credit, das Zutrauen und den Handel auf seine alten Grundlagen, und sie, die Arbeiter, in das alte Elend zurückführen möchten. Dieser revolutionäre Drang spricht sich bei der geringsten Veranlassung aus: „A bas les assassins de Rouen“, „vive la Pologne“, „vive Napoléon“, selbst „vive l'empereur“ ‒ Alles dieses sind Aeußerungen, um ihren tiefen Unwillen, ihr tiefes Elend den Repräsentanten fühlbar, hörbar, greifbar zu machen. Auf ihre proletarische Großmuth vom 24. Februar hat man am folgenden Tage mit kleinbürgerlicher Kleinherzigkeit geantwortet und sofort zogen dichte proletarische Massen mit mobilen Gardisten durch die Straßen Paris, und protestirten laut gegen dies grausame Verfahren der Rouener Nationalgarden. Und ihr Nationalgarden, die ihr auf das Volk geschossen, ihr wollt uns Thiers zum Repräsentanten geben, Thiers, der auf uns in der rue Transnonain geschossen hat? Nun gut, so wollen wir Euch Napoleon geben, grade weil ihr nicht wollt. Ja, Napoleon, nicht der wahre, der alte, der kleine Corporal; nein, Ludwig Napoleon, der Napoleon mit dem Constabler-Stocke und dem lebendigen Adler, der allein ist würdig, als Repräsentant unter uns zu sitzen. ‒ Nationalversammlung vom 12. Juni. ‒ Alle Zugänge des Palastes sind von Neugierigen überströmt und besonders von Blousenmännern, die sich nicht scheuen einer Hitze von 30 Graden zu trotzen. Auf dem Peristyl und in die Gärten der Präsidentschaft sieht man Linienbataillone aufgepflanzt. Die Sitzung wird um ein Uhr eröffnet. Die Tribünen sind überfüllt mit Publikum. Die Kammer ist sehr erregt. Senart (Präsident): Bürger Napoleon Bonaparte (Sohn Jeromes) hat das Wort. (Lebhafte Bewegung von Neugierde.) Bürger Napoleon Bonaparte: Ich war nicht zugegen in der Sitzung von Samstag, als der Kriegsminister energische Worte aussprach, denen ich vollkommen beipflichte; aber in dieser Sitzung wurde ein Name ausgesprochen, ein Name, den ich trage. Ich schulde der Kammer einige Auseinandersetzungen: ich bin nicht verantwortlich für alle Verläumdungen, die gegen den Namen gerichtet worden sind, den zu tragen ich die Ehre habe. Ich brauche nicht von mir zu sprechen: ich glaube nicht, daß von mir die Rede war; übrigens kennen mehrere Mitglieder der Versammlung meine Prinzipien; sie wissen, wie aufrichtig ich der Republik ergeben bin. Was den Prinzen Louis Bonaparte betrifft, so ist er mein Verwandter und mein Freund, aber ich habe mich nicht über seine politische Vergangenheit auszusprechen. Ich billige sie sicher nicht; aber, alles in allem, er hat nie etwas gegen die Republik unternommen. Im Gegentheil, den 24. Febr. kam er freiwillig nach Paris, er verlangte die Mitglieder der provisorischen Regierung zu sprechen, er stellte sich zu ihrer Verfügung und verpflichtete sich von vorherein, sich jedem ihrer Beschlüsse zu unterwerfen. Er blieb nur 24 Stunden zu Paris und ist seit der Zeit seiner Kandidatur völlig fremd geblieben. Man hatte ihm vorgeschlagen, sich als Kandidat zu melden; er hat dies positiv verweigert. Niemand war mehr erstaunt als er, als ich über seine Wahl in Paris. Was mich angeht, ich habe den Verläumdungen nicht antworten wollen, die auf unsere Rechnung verbreitet werden. Ich gestehe es, der Name Bonaparte ist ein Hebel, aber ist ein Bürger verantwortlich für den Mißbrauch, der mit seinem Namen getrieben werden kann? In diesem Falle wären die berühmtesten Namen der exekutiven Kommission kompromittirt, denn die Urheber des verwerflichen Attentats vom 15. Mai hatten sie auf ihre Fahne geschrieben. Ich kann nur die verläumderischen Gerüchte, die verbreitet worden sind, Lügen strafen; aber ich wünschte, daß ein Mitglied der Regierung auf diese Tribüne den Prinzen Louis anklagen käme, wenn sie ihn schuldig glaubt oder die Thatsachen, wenn sie verläumderische Erfindungen sind, Lügen strafte. Bürger Flocon: Ich verlange das Wort. Bürger Napoleon Bonaparte erzählt weiter in verwirrter Weise, daß er zuerst den Präsidenten der Versammlung besucht hat, der nicht zu Hause war, dann den Minister des Innern, der ihn sehr höflich empfangen und endlich den Polizeipräfekten, dem er einen Brief des Ministers des Innern zugestellt. Der Polizeipräfekt habe ihm gesagt, er wisse sehr wohl, daß er und sein Vetter den Umtrieben fremd seien, daß übrigens die Intriguen, die sich des Namens des Prinzen Louis bedienten, nicht sehr gefährlich seien. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar016_008" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0003" n="0067"/> nim [Arnim] und den Abgeordneten Sydow große Erörterungen und Anträge vorbereitet hat. Die Polizei hat schon angekündigt, daß das Sitzungslokal cernirt werde und alle Zusammenrottirungen in den Straßen verboten seien; für weitere Polizeianträge in der Versammlung haben die Herren Reichensperger II. und Conzen gesorgt, die wie die meisten rheinischen Juristen, große Vorliebe für das Polizeiregiment hegen. Es heißt sogar, daß die Rechte mit einem Plan, für den sie längst heimlich Propaganda gemacht, morgen offen heraustreten werde: mit dem Antrag auf Verlegung der Versammlung nach Schwedt oder Potsdam. Nous vorrons!</p> </div> <div xml:id="ar016_009" type="jArticle"> <head>Berlin, 13. Juni.</head> <p>Von Cöslin aus wurde (siehe Nr. 14 der Neuen Rh.-Z.) unterm 23. Mai einer der wüthendsten Aufrufe gegen die Berliner erlassen und dieses saubre reaktionäre Machwerk nicht blos durch die Vossische u. a., sondern auch durch tausend und aber tausend besondere Abdrücke in den Provinzen verbreitet.</p> <p>Als Folge davon gehen jetzt fast täglich Adressen entgegengesetzten Inhalts an die Berliner ein; aus Schlesien, der Provinz Brandenburg, Posen und Preußen. Selbst an Orten, die bisher am Meisten im Geruche reaktionärer Gesinnung standen, fängt man an zu merken, wo es mit jenem Treiben der Büreaukraten-, Gutsbesitzer- und Bankierbande hinaus will. Man merkt die Absicht und ‒ protestirt. Als besonders interessant möge folgende Adresse Platz finden:</p> <p> <hi rendition="#g">Offener Brief an die Berliner.</hi> </p> <p>Mitbürger! Es wird Euch ohne Zweifel bereits der Inhalt eines unterm 23. Mai d. J. von Cöslin aus im Lande verbreiteten Aufrufs bekannt sein, welcher unter Anderm auch in der zweiten Beilage zu Nr. 128 der Breslauer Zeitung vollständig mitgetheilt ist. Wir fürchten, daß Ihr denselben als den Gesammtausdruck der Gesinnungen der Provinzen erachten könntet und halten es für unsere Pflicht, Euch solchen Irrthum zu benehmen. Frei und offen rufen wir Euch zu, daß wir uns als Eure Schuldner für die von Euch am 18. und 19. März erkämpfte Volkssouverainetät betrachten. Die Opfer, welche Ihr zur Erhaltung der gewonnenen Rechte fortdauernd bringt, erkennen wir in ihrer ganzen Größe an. Nur Eure Wachsamkeit war im Stande, die Pläne der Reaktion zu entdecken und zu Schanden zu machen. Zu Euch hegen wir das Vertrauen, daß Ihr die blutig errungene Freiheit fort und fort schützen werdet. Sollte aber noch einmal eine schwere Stunde der Prüfung über Euch kommen, dann seid versichert, daß wir unsere Sympathie, welche wir jetzt nur in Worten auszudrücken vermögen, auch werden zu bethätigen wissen. Ratibor, den 7. Juni 1848. (Folgen 320 Unterschriften).</p> <p>Vorstehender „Offener Brief“ ist in einer am 7. zu Ratibor im Weidmannschen Lokale abgehaltenen Volksversammlung beschlossen worden.</p> </div> <div xml:id="ar016_010" type="jArticle"> <head>Berlin, 13. Juni.</head> <p>Der Polizei-Präsident Minutoli und der interimistische Commandant der Bürgerwehr, Blesson, haben folgende „Bekanntmachung“ erlassen.</p> <p>„Um die Sitzungen der National-Versammlung gegen Störungen zu sichern, erscheint es nothwendig, das Ansammeln und Verweilen größerer Menschenmassen in der Nähe des Sitzungslocals zu verhindern.</p> <p>„Es kann daher an den Sitzungstagen während der Dauer der Berathungen der National-Versammlung in den nächsten Umgebungen der Sing-Akademie dem Publikum das Zusammentreten und Verweilen in größerer Menge überhaupt nicht mehr gestattet werden.</p> <p>„Auch an andern Orten und zu anderen Zeiten sind größere Anhäufungen des Publikums auf den Straßen und öffentlichen Plätzen der Stadt unstatthaft, sobald sie die Freiheit des Verkehrs oder sonst die öffentliche Ordnung beeinträchtigen.</p> <p>„Finden nichts desto weniger solche Ansammlungen statt, so wird die Bürgerwehr, wenn nach zweimaliger Aufforderung des Befehlshabers die Menge nicht auseinandergeht, auf Grund der Verordnung vom 19. April c. einschreiten, und die bei dieser Gelegenheit zu verhaftenden Personen dem Gericht zur Bestrafung überweisen.“</p> </div> <div xml:id="ar016_011" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 13. Juni.</head> <p>Der „Hofmarschall Sr. Maj. des Königs“ veröffentlicht eine sogenannte „amtliche“ Berichtigung der über die Exminister in Potsdam verbreiteten Gerüchte. Der Herr Hofmarschall erklärt, daß die Exminister Eichhorn, Thiele und Stolberg während der ganzen Zeit des jetzigen Aufenthalts des Hofes zu Potsdam und Sanssouci weder „vom König zur Tafel gezogen worden, noch überhaupt ihren Aufenthalt in Potsdam hätten,“ und daß eben so wenig der Exminister Stolberg „mit dem Prinzen von Preußen“ in Potsdam eingetroffen sei. Aus dieser Berichtigung aber geht für die allgemein verbreiteten Gerüchte gar nichts hervor. Ob die genannten Minister vom „<hi rendition="#g">Könige</hi>“ nicht zur „Tafel <hi rendition="#g">gezogen,</hi>“ ob sie ihren „<hi rendition="#g">Aufenthalt</hi>“ nicht „<hi rendition="#g">in</hi>“ Potsdam haben, ist völlig gleichgültig; es handelt sich für die öffentliche Meinung darum, ob der Prinz von Preußen, der einmal als der Hort der Reaktion angesehen wird, mit den genannten Ex-Ministern in oder bei Potsdam in Verbindung stehe, und das ist durch den „amtlichen“ Herrn Hofmarschall nicht widerlegt worden.</p> <p>‒ (Berl. N.) Nach einer weitern Nachweisung beträgt die Zahl der bei der National-Versammlung eingegangenen Bittschriften 1054, die der Anträge von Mitgliedern 214. Beide Zahlen wachsen indeß noch täglich.</p> </div> <div xml:id="ar016_012" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Posen, 11. Juni.</head> <p>Der „Friedenscommissarius“, General Pfuel hat folgende Bekanntmachung erlassen:</p> <p rendition="#et">„Da gegenwärtig Ruhe und Ordnung (!) im Großherzogthum wieder hergestellt sind und zu deren fernerer Handhabung außergewöhnliche (!) Maßregeln nicht mehr nothwendig erscheinen, erkläre ich hiermit das Martialgesetz, welches am 5. Mai c. so für das Großherzogthum Posen praclamirt worden war, für aufgehoben.“</p> <p>Man kann sich die Ruhe und Ordnung vorstellen, welche der „Friedenscommissarius“ unter einer fünfwöchentlichen Herrschaft des Martialgesetzes hergestellt haben wird, ‒ die Ruhe eines Kirchhofs. Wir hoffen aber, daß es mit der bloßen Aufhebung des Blutgesetzes nicht abgethan sein werde, wir hoffen, daß Herr Pfuel zur Rechenschaft gezogen werde für die unter seinen Augen verübten unerhörten Greuel der christlich-germanischen Soldateska, von denen die Briefe des Erzbischofs von Posen Zeugniß geben.</p> </div> <div xml:id="ar016_013" type="jArticle"> <head>Frankfurt, 14. Juni, 2 1/2 Uhr.</head> <p>Die Nationalversammlung hat so eben mit großer Mehrheit beschlossen: daß die Bundesversammlung zu veranlassen sei, zur Gründung des Anfangs einer Kriegsmarine die Summe von 6 Mill. Thlr., für deren Verwendung die zu bildende provisorische Centralgewalt der Nationalversammlung verantwortlich sein muß, auf verfassungsmäßigem Wege verfügbar zu machen, und zwar 3 Mill. sofort, die übrigen 3 Mill. nach Maßgabe des Bedürfnisses.</p> </div> <div xml:id="ar016_014" type="jArticle"> <head>Ulm, 7. Juni.</head> <p>Hiesige Blätter versichern aus zuverlässiger Quelle, daß der Oberingenieur Ruland aus München mit dem hiesigen Baurath Cloß sich bereits zum Behufe der Eisenbahnverbindung zwischen Ulm und Augsburg über den Anschlußpunkt bei Ulm verständigt habe. Die Terrainaufnahmen zwischen Ulm und Augsburg sollen schon in den nächsten Tagen kräftigst in Angriff genommen werden.</p> </div> <div xml:id="ar016_015" type="jArticle"> <head>Wien, 2. Juni.</head> <p>Daß Wien das Schicksal der meisten Großstädte Europas theilt und seine Handelslage unter den gegenwärtigen allseitigen politischen, socialen und lokalen Umwälzungen und Krisen bei dem so tief erschütterten Kredit eine sehr gedrückte sey, kann nicht Verwunderung erregen. Wohin der Handel sich auch wenden möge, fast allwärts mangeln einerseits Sicherheit, Vertrauen, Kredit, andererseits Bedarf, Kauffähigkeit, Absatz. Selbst der Verkehr mit den Provinzen schleppt sich mühsam hin. Die Forderung nach Kontantzahlungen macht sich mehr und mehr geltend. Banknoten finden an manchen Orten, namentlich in Ungarn keine Annahme. Wie schwerfällig sich der Verkehr dabei mit klingender Münze bewegt, wird nun klar. Man beginnt es bereits zu fühlen, indem schon bedeutende Münzquantitäten zur Umwechslung in Banknoten der Nationalbank zurückfließen sollen.</p> <p>Die Einschränkungen im Verbrauche von Erzeugnissen der Industrie besonders in Luxusartikeln wird selbst bis zu den höchsten Ständen hinauf zum Systeme und bei den minder bemittelten Klassen durch die Abnahme der Erwerbsfähigkeit geboten. Die Entfernung und Uebersiedlung von Tausenden der wohlhabenden Familien aus Wien auf das flache Land und in die Provinzen ist im Gange. Fabriken und Gewerbsunternehmungen, die sich nicht gerade mit Konsumtionsartikeln, oder mit Waffen befassen, gerathen mehr und mehr in's Stocken, was um so bedauerlicher ist, als die Zahl der Fabriken und industriellen Unternehmungen in den letzten Jahren hier so bedeutend zugenommen.</p> <p>Die größern Handelshäuser suchen ihre Kapitalien in Waaren umzuwandeln. Die hauptzollämtlichen Waarendepots sind mit Gütern überfüllt. Die Zufuhr steht weit unter dem Verhältnisse des Bezuges und Verbrauches. Und selbst die Zufuhr ist nur aus Triest bedeutend, von den übrigen Straßenrichtungen her gering. Kaffee, Zucker, Südfrüchte und andere hier gewohnte Verzehrungsgegenstände sind die Hauptartikel, welche Abgang finden. Die Geschäfte mit andern Waaren gehen flau. Baumwolle wird wenig, Schafwolle gar nicht begehrt. Die Transporte nach Ungarn erreichen kaum den zehnten Theil des Verkehrs der Vorjahre. Die Ausfuhr nach dem Auslande ist von keiner Bedeutung.</p> <bibl>(Bl. d. Oesterr. Lloyd.)</bibl> </div> <div xml:id="ar016_016" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Triest, 8. Juni.</head> <p>Wir hatten schon gestern Nachrichten des „Oestr. Lloyd“ über einen Angriff der sardinischen Flotte gegen Triest, der von den Triestinern zurückgewiesen worden sein sollte. Wir haben diese Nachricht nicht mitgetheilt, weil wir auf die Rododamontaden des östreichischen Patriotismus aus letzter Zeit überhaupt nichts gaben und am wenigsten dem prahlerischen Patriotismus der Triestiner trauen konnten, die bloß aus merkantilischer Konkurrenz mit Venedig, durch dessen Verfall sie allein zu ihrer kleinen Bedeutsamkeit gekommen sind, der italienische Freiheitsbewegung sich entgegen erklären. Die neuen Nachrichten bestätigen indeß den Ausbruch der Feindseligkeiten, obwohl die Berichte darüber verschieden sind. Die Einen behaupten, daß der Beginn von der italienischen Flotte ausgegangen sei und daß dieselbe vor dem Feuer der Triestiner sich zurückgezogen habe; die Andern sagen, daß östreichische Schiffe den Angriff eröffnet hätten, und daß Triest von den Italienern bestens beschossen werde. Wir lassen hier einen Bericht des Oestr. Lloyd folgen, ohne die Genauigkeit desselben verbürgen zu wollen.</p> </div> <div xml:id="ar016_017" type="jArticle"> <head>Triest, 8. Juni.</head> <p>(J. d. Oest. Lloyd.) Laut Uebereinkunft mit dem Contre-Admiral Albini, Kommandaten der vereinigten italienischen Flotte, sollte vorgestern das für die Levante bestimmte Dampfschiff abgehen, wurde aber zu unserer größten Ueberraschung von dem Admiral unter nichtigen Vorwänden zurückgewie- wobei er noch hinzufügte, er hoffe noch diese Nacht in Triest in Gesellschaft des Kapitains ein Glas Bier trinken. Gegen 11 Uhr Nachts näherte sich auch das feindliche Geschwader, aus 8 Fregatten, 3 Korvetten und 3 Dämpfern bestehend, unserem Hafen und feuerte ohne die geringste Wirkung drei Kanonenschüsse ab. Unsere Batterien richteten aber auf die feindlichen Schiffe ein so wohlgenährtes Feuer, daß sie sich genöthigt sahen, sich außer dem Bereiche derselben zurückzuziehen, nicht ohne bedeutende Beschädigung zweier Fregatten und eines Dampfers, dessen Bugspriet, gestern von einem Schiffer aufgefunden, als Trophäe die Halle unserer Nationalgarde ziert. Heute früh bemerkte man vom Molo San Carlo aus, daß die feindliche Flotte zwei Kanonenschußweiten unserer äußersten Batterie an der istrischen Küste vor Anker liegt.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Italien.</head> <div xml:id="ar016_018" type="jArticle"> <p>Korrespondenzen aus Bologna und andern Häfen Italiens melden, daß Verhandlungen zwischen Oesterreich und dem König Karl Albert statthaben. Oesterreich würde seine Truppen aus Italien zurückziehen unter der Bedingung, daß Italien einen Theil der österreichischen Schuld übernehmen würde. Man sagt, daß der Papst die Vollmacht erhalten, die Bedingungen des Vertrags festzustellen.</p> </div> <div xml:id="ar016_019" type="jArticle"> <head>Mailand, 11. Juni.</head> <p>Diesen Morgen erhielt man die officielle Nachricht der Wegnahme der Höhen von Rivoli durch die Piemontesen, nach einer kurzen Gegenwehr der Oestereicher. Diese wichtige Stellung beherrscht die Straße von Tyrol, und öffnet einen guten Uebergang über die Etsch, um Verona im Rücken zu fassen. Die österreichischen Truppen sind sehr demoralisirt und unter den höhern Offizieren herrscht Zwietracht.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Französische Republik.</head> <div xml:id="ar016_020" type="jArticle"> <head><bibl><author>15</author></bibl> Paris, 13. Juni.</head> <p> <hi rendition="#g">Nach fünfstündigem heißen Kampf über die Frage: ob der Bürger, Exprinz Karl Louis Napoleon Bonaparte als Repräsentant zuzulassen oder von Neuem verbannt werden soll, hat die Nationalversammlung so eben mit bedeutender Mehrheit entschieden : daß der Bürger Karl Louis Napoleon Bonaparte als Repräsentant zuzulassen ist.</hi> </p> <p>Große Aufregung im Saale. Lebhafte Gruppen bilden sich um Lamartine und Ledru-Rollin. Man spricht von <hi rendition="#g">Demissionen in Masse.</hi> Das Arbeitervolk, das alle Quais seit Mittag belagerte, jubelt dagegen zu diesem Resultat, nicht aus Sympathie für Louis Napoleon, sondern aus Antipathie gegen dessen Konkurrenten ‒ die Regierung.</p> <p> ‒ Madame Munoz von Spanien wird sich in großer Verlegenheit befinden, da ihr General Thierry, Bevollmächtigter des Exherzogs von Montpensier, eine Forderung auf Regulirung der Mitgift ihrer Tochter zugestellen wird. Man kann Hundert gegen Eins wetten, daß die zärtliche Schwiegermutter behauptet, die Februarrevolution habe dem Herzog und der Mitgift den Rechtsboden entzogen.</p> <p> ‒ Die Majorität der mit Abfassung eines Konstitutionsentwurfs beauftragten Kommission hat die Wahl des Präsidenten durch die Nationalversammlung verworfen. Der Präsident wird durch allgemeine Volkswahl gewählt werden. Dagegen sollen Präsident und Volksrepräsentanten, nicht wie die letztern bisher, durch relative Majorität, sondern durch absolute Majorität gewählt werden.</p> </div> <div xml:id="ar016_021" type="jArticle"> <head><bibl><author>12</author></bibl> Paris, 13. Juni.</head> <p>Wie man Paris vor lauter Häusern nicht sieht, so hätte ich beinahe vor lauter Journalen ein Journal übersehn, das man unmöglich überhören kann; wegen der zahllosen Schreier, die es verkaufen. Wer kennt nicht aus der ersten französischen Revolution den grauen, grimmigen, mit Blitz und Donnerwetter um sich schleudernden: pére Duchêne? Der Vater Duchêne ist wieder auferstanden und wird von den Arbeitern am meisten gekauft. Le pére Duchêne est b‒en colère! rauscht es von allen Seiten und mehr bedarf es nicht, um die Käufer zu locken. Dieses Journal wird noch besonders gesucht von den Bauern der Umgegend, und den Bauern, die morgens in aller Frühe auf den großen Markt, nach der sogenannten Pariser Halle kommen, und es bei ihrer Rückkehr mitnehmen als Curiosum. Die Sprache des Blattes ist ungemein derb, roh, es wüthet gegen die Republikaner des National, und man sieht es ihm ordentlich an, daß seine Wuth ebenso sehr gegen die Verhältnisse gerichtet ist, als gegen seine eigene Ohnmacht, diese Verhältnisse klar darzuthun. Ueberhaupt ist es charakteristisch, daß die Verhältnisse weit über die Sprache hinaus sind, und daß die alten republikanischen Stichwörter auf die jetzigen Zustände gar nicht mehr passen.</p> <p>„Robespierre“, das Schreckbild der guten, unschuldigen Bürger, prangt jetzt in großen Lettern als Titel eines neuen Journals. „Robespierre“ nennt sich ein Journal der sozialen Reform, und hinter der liberté, égalité und fraternité stehn noch die solidarité und unité, die Solidarität und die Einheit. Wenn man einerseits lächeln muß über die unschuldigen Versuche, die „wahre“ Republik durch Definitionen in den Stand zu bringen, so muß doch andernseits anerkannt werden, daß in allen diesen Versuchen, in allen diesen Titeln, sich die demokratische Kühnheit ausspricht, der reaktionär-republikanischen Partei auf alle mögliche Weise entgegenzutreten. Sogar den Schreiern sieht man es an, daß sie ebenfalls belebt sind von dieser demokratischen Kühnheit, und bei dem Namen Robespierre bebt ihre Stimme vor republikanischem Trotze, zumal wenn sie für ihr Journal einen Sou verlangen von einem Spekulanten, der eben für Tausende an der Börse umgesetzt hat. Die Verkäufer dieser republikanischen Journale unterscheiden sich wesentlich von den unzähligen Verkäufern der Presse. Die Seele Girardin's scheint in letztere hineingefahren zu sein und die Leute machen ebenso gute Geschäfte, wie Girardin. Sie ahmen sogar seine Sprache nach, und preisen ihre Waare aphoristisch an.</p> <p>Ho, ho, was höre ich da? Schweigt ihr republikanischen Journale, wie ihr auch heißen mögt, schweigt ihr Schreier der „Revolution“, „à la lanterne,“ schweige „gamin de Paris,“ verstumme du „tocsin du travailleur“! ‒ Hut ab, es nahen „kaiserliche“ Schreier, „La Rèpublique de Napoléon“ und „le Napoléonien“ sind Journale für bonapartistische Herzen und Gefühle, und bei dem bloßen Namen sieht man mehr als eines Invaliden Auge in Thränen schwimmend.</p> <p>Und alle diese napoleonische Bewegung dreht sich um Ludwig Napoleon, der eben als Repräsentant Frankreichs gewählt und von der Kammer als solcher angenommen worden ist.</p> <p>Ludwig Napoleon, der vor 8 Jahren, mit allem nöthigen Geräthe versehen, nach Frankreich herübergekommen war, um das Kaiserthum stiefel- und spornfertig einzuführen, mit fertigem napoleonischen Anzuge, mit fertigem Hute und sogar einem fertigen, lebendigen Adler! Dieser ganze Anzug wurde ihm unmittelbar nach seiner Landung in Boulogne ausgezogen, und Napoleon der Zweite mußte sich selbst eingestehen, daß er als zweiter Napoleon zu früh erschienen sei. Nach mehrjähriger Gefangenschaft in Ham, durfte er endlich wieder nach London zurückkehren, wo er sich in der letzten Zeit als tapfrer Constabler auszeichnete, und als Held unter die Chartisten mit dem Stocke drein hieb. Und dieser Constabler-Napoleon mit dem Stocke in der Hand und einem Adler auf dem Kopfe wird als Volksrepräsentant vom Barrikadenvolke in Paris gewählt. Hieraus sieht man, wie groß der Haß des Volkes gegen diese Bourgeoisie-Repräsentanten ist, daß es jeden Anlaß wahrnimmt, um gegen sie anzurücken. So wie neulich Polen, so ist es jetzt Napoleon; aber an Prätendenten zu denken, königlichen oder kaiserlichen Schlages, recht- oder unrechtmäßigen Ursprungs, das fällt dem Volk nicht ein.</p> <p>Die eigentlichen Proletarier sind allen Journalen über den Kopf gewachsen; sie suchen nicht nach vergangenen Idealen, noch haschen sie nach Definitionen der Republik und des Republikaners. Sie wollen die engen Schranken der bürgerlichen Produktion brechen; sie wollen ankämpfen gegen alle die „scharfen Geister“, welche den Credit, das Zutrauen und den Handel auf seine alten Grundlagen, und sie, die Arbeiter, in das alte Elend zurückführen möchten. Dieser revolutionäre Drang spricht sich bei der geringsten Veranlassung aus: „A bas les assassins de Rouen“, „vive la Pologne“, „vive Napoléon“, selbst „vive l'empereur“ ‒ Alles dieses sind Aeußerungen, um ihren tiefen Unwillen, ihr tiefes Elend den Repräsentanten fühlbar, hörbar, greifbar zu machen. Auf ihre proletarische Großmuth vom 24. Februar hat man am folgenden Tage mit kleinbürgerlicher Kleinherzigkeit geantwortet und sofort zogen dichte proletarische Massen mit mobilen Gardisten durch die Straßen Paris, und protestirten laut gegen dies grausame Verfahren der Rouener Nationalgarden. Und ihr Nationalgarden, die ihr auf das Volk geschossen, ihr wollt uns Thiers zum Repräsentanten geben, Thiers, der auf uns in der rue Transnonain geschossen hat? Nun gut, so wollen wir Euch Napoleon geben, grade weil ihr nicht wollt. Ja, Napoleon, nicht der wahre, der alte, der kleine Corporal; nein, Ludwig Napoleon, der Napoleon mit dem Constabler-Stocke und dem lebendigen Adler, der allein ist würdig, als Repräsentant unter uns zu sitzen.</p> </div> <div xml:id="ar016_022" type="jArticle"> <p>‒ <hi rendition="#g">Nationalversammlung vom 12. Juni.</hi> ‒ Alle Zugänge des Palastes sind von Neugierigen überströmt und besonders von Blousenmännern, die sich nicht scheuen einer Hitze von 30 Graden zu trotzen.</p> <p>Auf dem Peristyl und in die Gärten der Präsidentschaft sieht man Linienbataillone aufgepflanzt.</p> <p>Die Sitzung wird um ein Uhr eröffnet. Die Tribünen sind überfüllt mit Publikum. Die Kammer ist sehr erregt.</p> <p><hi rendition="#g">Senart</hi> (Präsident): Bürger Napoleon Bonaparte (Sohn Jeromes) hat das Wort. (Lebhafte Bewegung von Neugierde.)</p> <p>Bürger <hi rendition="#g">Napoleon Bonaparte:</hi> Ich war nicht zugegen in der Sitzung von Samstag, als der Kriegsminister energische Worte aussprach, denen ich vollkommen beipflichte; aber in dieser Sitzung wurde ein Name ausgesprochen, ein Name, den ich trage. Ich schulde der Kammer einige Auseinandersetzungen: ich bin nicht verantwortlich für alle Verläumdungen, die gegen den Namen gerichtet worden sind, den zu tragen ich die Ehre habe. Ich brauche nicht von mir zu sprechen: ich glaube nicht, daß von mir die Rede war; übrigens kennen mehrere Mitglieder der Versammlung meine Prinzipien; sie wissen, wie aufrichtig ich der Republik ergeben bin.</p> <p>Was den Prinzen Louis Bonaparte betrifft, so ist er mein Verwandter und mein Freund, aber ich habe mich nicht über seine politische Vergangenheit auszusprechen. Ich billige sie sicher nicht; aber, alles in allem, er hat nie etwas gegen die Republik unternommen. Im Gegentheil, den 24. Febr. kam er freiwillig nach Paris, er verlangte die Mitglieder der provisorischen Regierung zu sprechen, er stellte sich zu ihrer Verfügung und verpflichtete sich von vorherein, sich jedem ihrer Beschlüsse zu unterwerfen. Er blieb nur 24 Stunden zu Paris und ist seit der Zeit seiner Kandidatur völlig fremd geblieben. Man hatte ihm vorgeschlagen, sich als Kandidat zu melden; er hat dies positiv verweigert. Niemand war mehr erstaunt als er, als ich über seine Wahl in Paris.</p> <p>Was mich angeht, ich habe den Verläumdungen nicht antworten wollen, die auf unsere Rechnung verbreitet werden. Ich gestehe es, der Name Bonaparte ist ein Hebel, aber ist ein Bürger verantwortlich für den Mißbrauch, der mit seinem Namen getrieben werden kann? In diesem Falle wären die berühmtesten Namen der exekutiven Kommission kompromittirt, denn die Urheber des verwerflichen Attentats vom 15. Mai hatten sie auf ihre Fahne geschrieben.</p> <p>Ich kann nur die verläumderischen Gerüchte, die verbreitet worden sind, Lügen strafen; aber ich wünschte, daß ein Mitglied der Regierung auf diese Tribüne den Prinzen Louis anklagen käme, wenn sie ihn schuldig glaubt oder die Thatsachen, wenn sie verläumderische Erfindungen sind, Lügen strafte.</p> <p>Bürger <hi rendition="#g">Flocon:</hi> Ich verlange das Wort.</p> <p>Bürger <hi rendition="#g">Napoleon Bonaparte</hi> erzählt weiter in verwirrter Weise, daß er zuerst den Präsidenten der Versammlung besucht hat, der nicht zu Hause war, dann den Minister des Innern, der ihn sehr höflich empfangen und endlich den Polizeipräfekten, dem er einen Brief des Ministers des Innern zugestellt. Der Polizeipräfekt habe ihm gesagt, er wisse sehr wohl, daß er und sein Vetter den Umtrieben fremd seien, daß übrigens die Intriguen, die sich des Namens des Prinzen Louis bedienten, nicht sehr gefährlich seien.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0067/0003]
nim [Arnim] und den Abgeordneten Sydow große Erörterungen und Anträge vorbereitet hat. Die Polizei hat schon angekündigt, daß das Sitzungslokal cernirt werde und alle Zusammenrottirungen in den Straßen verboten seien; für weitere Polizeianträge in der Versammlung haben die Herren Reichensperger II. und Conzen gesorgt, die wie die meisten rheinischen Juristen, große Vorliebe für das Polizeiregiment hegen. Es heißt sogar, daß die Rechte mit einem Plan, für den sie längst heimlich Propaganda gemacht, morgen offen heraustreten werde: mit dem Antrag auf Verlegung der Versammlung nach Schwedt oder Potsdam. Nous vorrons!
Berlin, 13. Juni. Von Cöslin aus wurde (siehe Nr. 14 der Neuen Rh.-Z.) unterm 23. Mai einer der wüthendsten Aufrufe gegen die Berliner erlassen und dieses saubre reaktionäre Machwerk nicht blos durch die Vossische u. a., sondern auch durch tausend und aber tausend besondere Abdrücke in den Provinzen verbreitet.
Als Folge davon gehen jetzt fast täglich Adressen entgegengesetzten Inhalts an die Berliner ein; aus Schlesien, der Provinz Brandenburg, Posen und Preußen. Selbst an Orten, die bisher am Meisten im Geruche reaktionärer Gesinnung standen, fängt man an zu merken, wo es mit jenem Treiben der Büreaukraten-, Gutsbesitzer- und Bankierbande hinaus will. Man merkt die Absicht und ‒ protestirt. Als besonders interessant möge folgende Adresse Platz finden:
Offener Brief an die Berliner.
Mitbürger! Es wird Euch ohne Zweifel bereits der Inhalt eines unterm 23. Mai d. J. von Cöslin aus im Lande verbreiteten Aufrufs bekannt sein, welcher unter Anderm auch in der zweiten Beilage zu Nr. 128 der Breslauer Zeitung vollständig mitgetheilt ist. Wir fürchten, daß Ihr denselben als den Gesammtausdruck der Gesinnungen der Provinzen erachten könntet und halten es für unsere Pflicht, Euch solchen Irrthum zu benehmen. Frei und offen rufen wir Euch zu, daß wir uns als Eure Schuldner für die von Euch am 18. und 19. März erkämpfte Volkssouverainetät betrachten. Die Opfer, welche Ihr zur Erhaltung der gewonnenen Rechte fortdauernd bringt, erkennen wir in ihrer ganzen Größe an. Nur Eure Wachsamkeit war im Stande, die Pläne der Reaktion zu entdecken und zu Schanden zu machen. Zu Euch hegen wir das Vertrauen, daß Ihr die blutig errungene Freiheit fort und fort schützen werdet. Sollte aber noch einmal eine schwere Stunde der Prüfung über Euch kommen, dann seid versichert, daß wir unsere Sympathie, welche wir jetzt nur in Worten auszudrücken vermögen, auch werden zu bethätigen wissen. Ratibor, den 7. Juni 1848. (Folgen 320 Unterschriften).
Vorstehender „Offener Brief“ ist in einer am 7. zu Ratibor im Weidmannschen Lokale abgehaltenen Volksversammlung beschlossen worden.
Berlin, 13. Juni. Der Polizei-Präsident Minutoli und der interimistische Commandant der Bürgerwehr, Blesson, haben folgende „Bekanntmachung“ erlassen.
„Um die Sitzungen der National-Versammlung gegen Störungen zu sichern, erscheint es nothwendig, das Ansammeln und Verweilen größerer Menschenmassen in der Nähe des Sitzungslocals zu verhindern.
„Es kann daher an den Sitzungstagen während der Dauer der Berathungen der National-Versammlung in den nächsten Umgebungen der Sing-Akademie dem Publikum das Zusammentreten und Verweilen in größerer Menge überhaupt nicht mehr gestattet werden.
„Auch an andern Orten und zu anderen Zeiten sind größere Anhäufungen des Publikums auf den Straßen und öffentlichen Plätzen der Stadt unstatthaft, sobald sie die Freiheit des Verkehrs oder sonst die öffentliche Ordnung beeinträchtigen.
„Finden nichts desto weniger solche Ansammlungen statt, so wird die Bürgerwehr, wenn nach zweimaliger Aufforderung des Befehlshabers die Menge nicht auseinandergeht, auf Grund der Verordnung vom 19. April c. einschreiten, und die bei dieser Gelegenheit zu verhaftenden Personen dem Gericht zur Bestrafung überweisen.“
* Berlin, 13. Juni. Der „Hofmarschall Sr. Maj. des Königs“ veröffentlicht eine sogenannte „amtliche“ Berichtigung der über die Exminister in Potsdam verbreiteten Gerüchte. Der Herr Hofmarschall erklärt, daß die Exminister Eichhorn, Thiele und Stolberg während der ganzen Zeit des jetzigen Aufenthalts des Hofes zu Potsdam und Sanssouci weder „vom König zur Tafel gezogen worden, noch überhaupt ihren Aufenthalt in Potsdam hätten,“ und daß eben so wenig der Exminister Stolberg „mit dem Prinzen von Preußen“ in Potsdam eingetroffen sei. Aus dieser Berichtigung aber geht für die allgemein verbreiteten Gerüchte gar nichts hervor. Ob die genannten Minister vom „Könige“ nicht zur „Tafel gezogen,“ ob sie ihren „Aufenthalt“ nicht „in“ Potsdam haben, ist völlig gleichgültig; es handelt sich für die öffentliche Meinung darum, ob der Prinz von Preußen, der einmal als der Hort der Reaktion angesehen wird, mit den genannten Ex-Ministern in oder bei Potsdam in Verbindung stehe, und das ist durch den „amtlichen“ Herrn Hofmarschall nicht widerlegt worden.
‒ (Berl. N.) Nach einer weitern Nachweisung beträgt die Zahl der bei der National-Versammlung eingegangenen Bittschriften 1054, die der Anträge von Mitgliedern 214. Beide Zahlen wachsen indeß noch täglich.
* Posen, 11. Juni. Der „Friedenscommissarius“, General Pfuel hat folgende Bekanntmachung erlassen:
„Da gegenwärtig Ruhe und Ordnung (!) im Großherzogthum wieder hergestellt sind und zu deren fernerer Handhabung außergewöhnliche (!) Maßregeln nicht mehr nothwendig erscheinen, erkläre ich hiermit das Martialgesetz, welches am 5. Mai c. so für das Großherzogthum Posen praclamirt worden war, für aufgehoben.“
Man kann sich die Ruhe und Ordnung vorstellen, welche der „Friedenscommissarius“ unter einer fünfwöchentlichen Herrschaft des Martialgesetzes hergestellt haben wird, ‒ die Ruhe eines Kirchhofs. Wir hoffen aber, daß es mit der bloßen Aufhebung des Blutgesetzes nicht abgethan sein werde, wir hoffen, daß Herr Pfuel zur Rechenschaft gezogen werde für die unter seinen Augen verübten unerhörten Greuel der christlich-germanischen Soldateska, von denen die Briefe des Erzbischofs von Posen Zeugniß geben.
Frankfurt, 14. Juni, 2 1/2 Uhr. Die Nationalversammlung hat so eben mit großer Mehrheit beschlossen: daß die Bundesversammlung zu veranlassen sei, zur Gründung des Anfangs einer Kriegsmarine die Summe von 6 Mill. Thlr., für deren Verwendung die zu bildende provisorische Centralgewalt der Nationalversammlung verantwortlich sein muß, auf verfassungsmäßigem Wege verfügbar zu machen, und zwar 3 Mill. sofort, die übrigen 3 Mill. nach Maßgabe des Bedürfnisses.
Ulm, 7. Juni. Hiesige Blätter versichern aus zuverlässiger Quelle, daß der Oberingenieur Ruland aus München mit dem hiesigen Baurath Cloß sich bereits zum Behufe der Eisenbahnverbindung zwischen Ulm und Augsburg über den Anschlußpunkt bei Ulm verständigt habe. Die Terrainaufnahmen zwischen Ulm und Augsburg sollen schon in den nächsten Tagen kräftigst in Angriff genommen werden.
Wien, 2. Juni. Daß Wien das Schicksal der meisten Großstädte Europas theilt und seine Handelslage unter den gegenwärtigen allseitigen politischen, socialen und lokalen Umwälzungen und Krisen bei dem so tief erschütterten Kredit eine sehr gedrückte sey, kann nicht Verwunderung erregen. Wohin der Handel sich auch wenden möge, fast allwärts mangeln einerseits Sicherheit, Vertrauen, Kredit, andererseits Bedarf, Kauffähigkeit, Absatz. Selbst der Verkehr mit den Provinzen schleppt sich mühsam hin. Die Forderung nach Kontantzahlungen macht sich mehr und mehr geltend. Banknoten finden an manchen Orten, namentlich in Ungarn keine Annahme. Wie schwerfällig sich der Verkehr dabei mit klingender Münze bewegt, wird nun klar. Man beginnt es bereits zu fühlen, indem schon bedeutende Münzquantitäten zur Umwechslung in Banknoten der Nationalbank zurückfließen sollen.
Die Einschränkungen im Verbrauche von Erzeugnissen der Industrie besonders in Luxusartikeln wird selbst bis zu den höchsten Ständen hinauf zum Systeme und bei den minder bemittelten Klassen durch die Abnahme der Erwerbsfähigkeit geboten. Die Entfernung und Uebersiedlung von Tausenden der wohlhabenden Familien aus Wien auf das flache Land und in die Provinzen ist im Gange. Fabriken und Gewerbsunternehmungen, die sich nicht gerade mit Konsumtionsartikeln, oder mit Waffen befassen, gerathen mehr und mehr in's Stocken, was um so bedauerlicher ist, als die Zahl der Fabriken und industriellen Unternehmungen in den letzten Jahren hier so bedeutend zugenommen.
Die größern Handelshäuser suchen ihre Kapitalien in Waaren umzuwandeln. Die hauptzollämtlichen Waarendepots sind mit Gütern überfüllt. Die Zufuhr steht weit unter dem Verhältnisse des Bezuges und Verbrauches. Und selbst die Zufuhr ist nur aus Triest bedeutend, von den übrigen Straßenrichtungen her gering. Kaffee, Zucker, Südfrüchte und andere hier gewohnte Verzehrungsgegenstände sind die Hauptartikel, welche Abgang finden. Die Geschäfte mit andern Waaren gehen flau. Baumwolle wird wenig, Schafwolle gar nicht begehrt. Die Transporte nach Ungarn erreichen kaum den zehnten Theil des Verkehrs der Vorjahre. Die Ausfuhr nach dem Auslande ist von keiner Bedeutung.
(Bl. d. Oesterr. Lloyd.) * Triest, 8. Juni. Wir hatten schon gestern Nachrichten des „Oestr. Lloyd“ über einen Angriff der sardinischen Flotte gegen Triest, der von den Triestinern zurückgewiesen worden sein sollte. Wir haben diese Nachricht nicht mitgetheilt, weil wir auf die Rododamontaden des östreichischen Patriotismus aus letzter Zeit überhaupt nichts gaben und am wenigsten dem prahlerischen Patriotismus der Triestiner trauen konnten, die bloß aus merkantilischer Konkurrenz mit Venedig, durch dessen Verfall sie allein zu ihrer kleinen Bedeutsamkeit gekommen sind, der italienische Freiheitsbewegung sich entgegen erklären. Die neuen Nachrichten bestätigen indeß den Ausbruch der Feindseligkeiten, obwohl die Berichte darüber verschieden sind. Die Einen behaupten, daß der Beginn von der italienischen Flotte ausgegangen sei und daß dieselbe vor dem Feuer der Triestiner sich zurückgezogen habe; die Andern sagen, daß östreichische Schiffe den Angriff eröffnet hätten, und daß Triest von den Italienern bestens beschossen werde. Wir lassen hier einen Bericht des Oestr. Lloyd folgen, ohne die Genauigkeit desselben verbürgen zu wollen.
Triest, 8. Juni. (J. d. Oest. Lloyd.) Laut Uebereinkunft mit dem Contre-Admiral Albini, Kommandaten der vereinigten italienischen Flotte, sollte vorgestern das für die Levante bestimmte Dampfschiff abgehen, wurde aber zu unserer größten Ueberraschung von dem Admiral unter nichtigen Vorwänden zurückgewie- wobei er noch hinzufügte, er hoffe noch diese Nacht in Triest in Gesellschaft des Kapitains ein Glas Bier trinken. Gegen 11 Uhr Nachts näherte sich auch das feindliche Geschwader, aus 8 Fregatten, 3 Korvetten und 3 Dämpfern bestehend, unserem Hafen und feuerte ohne die geringste Wirkung drei Kanonenschüsse ab. Unsere Batterien richteten aber auf die feindlichen Schiffe ein so wohlgenährtes Feuer, daß sie sich genöthigt sahen, sich außer dem Bereiche derselben zurückzuziehen, nicht ohne bedeutende Beschädigung zweier Fregatten und eines Dampfers, dessen Bugspriet, gestern von einem Schiffer aufgefunden, als Trophäe die Halle unserer Nationalgarde ziert. Heute früh bemerkte man vom Molo San Carlo aus, daß die feindliche Flotte zwei Kanonenschußweiten unserer äußersten Batterie an der istrischen Küste vor Anker liegt.
Italien. Korrespondenzen aus Bologna und andern Häfen Italiens melden, daß Verhandlungen zwischen Oesterreich und dem König Karl Albert statthaben. Oesterreich würde seine Truppen aus Italien zurückziehen unter der Bedingung, daß Italien einen Theil der österreichischen Schuld übernehmen würde. Man sagt, daß der Papst die Vollmacht erhalten, die Bedingungen des Vertrags festzustellen.
Mailand, 11. Juni. Diesen Morgen erhielt man die officielle Nachricht der Wegnahme der Höhen von Rivoli durch die Piemontesen, nach einer kurzen Gegenwehr der Oestereicher. Diese wichtige Stellung beherrscht die Straße von Tyrol, und öffnet einen guten Uebergang über die Etsch, um Verona im Rücken zu fassen. Die österreichischen Truppen sind sehr demoralisirt und unter den höhern Offizieren herrscht Zwietracht.
Französische Republik. 15 Paris, 13. Juni. Nach fünfstündigem heißen Kampf über die Frage: ob der Bürger, Exprinz Karl Louis Napoleon Bonaparte als Repräsentant zuzulassen oder von Neuem verbannt werden soll, hat die Nationalversammlung so eben mit bedeutender Mehrheit entschieden : daß der Bürger Karl Louis Napoleon Bonaparte als Repräsentant zuzulassen ist.
Große Aufregung im Saale. Lebhafte Gruppen bilden sich um Lamartine und Ledru-Rollin. Man spricht von Demissionen in Masse. Das Arbeitervolk, das alle Quais seit Mittag belagerte, jubelt dagegen zu diesem Resultat, nicht aus Sympathie für Louis Napoleon, sondern aus Antipathie gegen dessen Konkurrenten ‒ die Regierung.
‒ Madame Munoz von Spanien wird sich in großer Verlegenheit befinden, da ihr General Thierry, Bevollmächtigter des Exherzogs von Montpensier, eine Forderung auf Regulirung der Mitgift ihrer Tochter zugestellen wird. Man kann Hundert gegen Eins wetten, daß die zärtliche Schwiegermutter behauptet, die Februarrevolution habe dem Herzog und der Mitgift den Rechtsboden entzogen.
‒ Die Majorität der mit Abfassung eines Konstitutionsentwurfs beauftragten Kommission hat die Wahl des Präsidenten durch die Nationalversammlung verworfen. Der Präsident wird durch allgemeine Volkswahl gewählt werden. Dagegen sollen Präsident und Volksrepräsentanten, nicht wie die letztern bisher, durch relative Majorität, sondern durch absolute Majorität gewählt werden.
12 Paris, 13. Juni. Wie man Paris vor lauter Häusern nicht sieht, so hätte ich beinahe vor lauter Journalen ein Journal übersehn, das man unmöglich überhören kann; wegen der zahllosen Schreier, die es verkaufen. Wer kennt nicht aus der ersten französischen Revolution den grauen, grimmigen, mit Blitz und Donnerwetter um sich schleudernden: pére Duchêne? Der Vater Duchêne ist wieder auferstanden und wird von den Arbeitern am meisten gekauft. Le pére Duchêne est b‒en colère! rauscht es von allen Seiten und mehr bedarf es nicht, um die Käufer zu locken. Dieses Journal wird noch besonders gesucht von den Bauern der Umgegend, und den Bauern, die morgens in aller Frühe auf den großen Markt, nach der sogenannten Pariser Halle kommen, und es bei ihrer Rückkehr mitnehmen als Curiosum. Die Sprache des Blattes ist ungemein derb, roh, es wüthet gegen die Republikaner des National, und man sieht es ihm ordentlich an, daß seine Wuth ebenso sehr gegen die Verhältnisse gerichtet ist, als gegen seine eigene Ohnmacht, diese Verhältnisse klar darzuthun. Ueberhaupt ist es charakteristisch, daß die Verhältnisse weit über die Sprache hinaus sind, und daß die alten republikanischen Stichwörter auf die jetzigen Zustände gar nicht mehr passen.
„Robespierre“, das Schreckbild der guten, unschuldigen Bürger, prangt jetzt in großen Lettern als Titel eines neuen Journals. „Robespierre“ nennt sich ein Journal der sozialen Reform, und hinter der liberté, égalité und fraternité stehn noch die solidarité und unité, die Solidarität und die Einheit. Wenn man einerseits lächeln muß über die unschuldigen Versuche, die „wahre“ Republik durch Definitionen in den Stand zu bringen, so muß doch andernseits anerkannt werden, daß in allen diesen Versuchen, in allen diesen Titeln, sich die demokratische Kühnheit ausspricht, der reaktionär-republikanischen Partei auf alle mögliche Weise entgegenzutreten. Sogar den Schreiern sieht man es an, daß sie ebenfalls belebt sind von dieser demokratischen Kühnheit, und bei dem Namen Robespierre bebt ihre Stimme vor republikanischem Trotze, zumal wenn sie für ihr Journal einen Sou verlangen von einem Spekulanten, der eben für Tausende an der Börse umgesetzt hat. Die Verkäufer dieser republikanischen Journale unterscheiden sich wesentlich von den unzähligen Verkäufern der Presse. Die Seele Girardin's scheint in letztere hineingefahren zu sein und die Leute machen ebenso gute Geschäfte, wie Girardin. Sie ahmen sogar seine Sprache nach, und preisen ihre Waare aphoristisch an.
Ho, ho, was höre ich da? Schweigt ihr republikanischen Journale, wie ihr auch heißen mögt, schweigt ihr Schreier der „Revolution“, „à la lanterne,“ schweige „gamin de Paris,“ verstumme du „tocsin du travailleur“! ‒ Hut ab, es nahen „kaiserliche“ Schreier, „La Rèpublique de Napoléon“ und „le Napoléonien“ sind Journale für bonapartistische Herzen und Gefühle, und bei dem bloßen Namen sieht man mehr als eines Invaliden Auge in Thränen schwimmend.
Und alle diese napoleonische Bewegung dreht sich um Ludwig Napoleon, der eben als Repräsentant Frankreichs gewählt und von der Kammer als solcher angenommen worden ist.
Ludwig Napoleon, der vor 8 Jahren, mit allem nöthigen Geräthe versehen, nach Frankreich herübergekommen war, um das Kaiserthum stiefel- und spornfertig einzuführen, mit fertigem napoleonischen Anzuge, mit fertigem Hute und sogar einem fertigen, lebendigen Adler! Dieser ganze Anzug wurde ihm unmittelbar nach seiner Landung in Boulogne ausgezogen, und Napoleon der Zweite mußte sich selbst eingestehen, daß er als zweiter Napoleon zu früh erschienen sei. Nach mehrjähriger Gefangenschaft in Ham, durfte er endlich wieder nach London zurückkehren, wo er sich in der letzten Zeit als tapfrer Constabler auszeichnete, und als Held unter die Chartisten mit dem Stocke drein hieb. Und dieser Constabler-Napoleon mit dem Stocke in der Hand und einem Adler auf dem Kopfe wird als Volksrepräsentant vom Barrikadenvolke in Paris gewählt. Hieraus sieht man, wie groß der Haß des Volkes gegen diese Bourgeoisie-Repräsentanten ist, daß es jeden Anlaß wahrnimmt, um gegen sie anzurücken. So wie neulich Polen, so ist es jetzt Napoleon; aber an Prätendenten zu denken, königlichen oder kaiserlichen Schlages, recht- oder unrechtmäßigen Ursprungs, das fällt dem Volk nicht ein.
Die eigentlichen Proletarier sind allen Journalen über den Kopf gewachsen; sie suchen nicht nach vergangenen Idealen, noch haschen sie nach Definitionen der Republik und des Republikaners. Sie wollen die engen Schranken der bürgerlichen Produktion brechen; sie wollen ankämpfen gegen alle die „scharfen Geister“, welche den Credit, das Zutrauen und den Handel auf seine alten Grundlagen, und sie, die Arbeiter, in das alte Elend zurückführen möchten. Dieser revolutionäre Drang spricht sich bei der geringsten Veranlassung aus: „A bas les assassins de Rouen“, „vive la Pologne“, „vive Napoléon“, selbst „vive l'empereur“ ‒ Alles dieses sind Aeußerungen, um ihren tiefen Unwillen, ihr tiefes Elend den Repräsentanten fühlbar, hörbar, greifbar zu machen. Auf ihre proletarische Großmuth vom 24. Februar hat man am folgenden Tage mit kleinbürgerlicher Kleinherzigkeit geantwortet und sofort zogen dichte proletarische Massen mit mobilen Gardisten durch die Straßen Paris, und protestirten laut gegen dies grausame Verfahren der Rouener Nationalgarden. Und ihr Nationalgarden, die ihr auf das Volk geschossen, ihr wollt uns Thiers zum Repräsentanten geben, Thiers, der auf uns in der rue Transnonain geschossen hat? Nun gut, so wollen wir Euch Napoleon geben, grade weil ihr nicht wollt. Ja, Napoleon, nicht der wahre, der alte, der kleine Corporal; nein, Ludwig Napoleon, der Napoleon mit dem Constabler-Stocke und dem lebendigen Adler, der allein ist würdig, als Repräsentant unter uns zu sitzen.
‒ Nationalversammlung vom 12. Juni. ‒ Alle Zugänge des Palastes sind von Neugierigen überströmt und besonders von Blousenmännern, die sich nicht scheuen einer Hitze von 30 Graden zu trotzen.
Auf dem Peristyl und in die Gärten der Präsidentschaft sieht man Linienbataillone aufgepflanzt.
Die Sitzung wird um ein Uhr eröffnet. Die Tribünen sind überfüllt mit Publikum. Die Kammer ist sehr erregt.
Senart (Präsident): Bürger Napoleon Bonaparte (Sohn Jeromes) hat das Wort. (Lebhafte Bewegung von Neugierde.)
Bürger Napoleon Bonaparte: Ich war nicht zugegen in der Sitzung von Samstag, als der Kriegsminister energische Worte aussprach, denen ich vollkommen beipflichte; aber in dieser Sitzung wurde ein Name ausgesprochen, ein Name, den ich trage. Ich schulde der Kammer einige Auseinandersetzungen: ich bin nicht verantwortlich für alle Verläumdungen, die gegen den Namen gerichtet worden sind, den zu tragen ich die Ehre habe. Ich brauche nicht von mir zu sprechen: ich glaube nicht, daß von mir die Rede war; übrigens kennen mehrere Mitglieder der Versammlung meine Prinzipien; sie wissen, wie aufrichtig ich der Republik ergeben bin.
Was den Prinzen Louis Bonaparte betrifft, so ist er mein Verwandter und mein Freund, aber ich habe mich nicht über seine politische Vergangenheit auszusprechen. Ich billige sie sicher nicht; aber, alles in allem, er hat nie etwas gegen die Republik unternommen. Im Gegentheil, den 24. Febr. kam er freiwillig nach Paris, er verlangte die Mitglieder der provisorischen Regierung zu sprechen, er stellte sich zu ihrer Verfügung und verpflichtete sich von vorherein, sich jedem ihrer Beschlüsse zu unterwerfen. Er blieb nur 24 Stunden zu Paris und ist seit der Zeit seiner Kandidatur völlig fremd geblieben. Man hatte ihm vorgeschlagen, sich als Kandidat zu melden; er hat dies positiv verweigert. Niemand war mehr erstaunt als er, als ich über seine Wahl in Paris.
Was mich angeht, ich habe den Verläumdungen nicht antworten wollen, die auf unsere Rechnung verbreitet werden. Ich gestehe es, der Name Bonaparte ist ein Hebel, aber ist ein Bürger verantwortlich für den Mißbrauch, der mit seinem Namen getrieben werden kann? In diesem Falle wären die berühmtesten Namen der exekutiven Kommission kompromittirt, denn die Urheber des verwerflichen Attentats vom 15. Mai hatten sie auf ihre Fahne geschrieben.
Ich kann nur die verläumderischen Gerüchte, die verbreitet worden sind, Lügen strafen; aber ich wünschte, daß ein Mitglied der Regierung auf diese Tribüne den Prinzen Louis anklagen käme, wenn sie ihn schuldig glaubt oder die Thatsachen, wenn sie verläumderische Erfindungen sind, Lügen strafte.
Bürger Flocon: Ich verlange das Wort.
Bürger Napoleon Bonaparte erzählt weiter in verwirrter Weise, daß er zuerst den Präsidenten der Versammlung besucht hat, der nicht zu Hause war, dann den Minister des Innern, der ihn sehr höflich empfangen und endlich den Polizeipräfekten, dem er einen Brief des Ministers des Innern zugestellt. Der Polizeipräfekt habe ihm gesagt, er wisse sehr wohl, daß er und sein Vetter den Umtrieben fremd seien, daß übrigens die Intriguen, die sich des Namens des Prinzen Louis bedienten, nicht sehr gefährlich seien.
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(2017-03-20T13:08:10Z)
Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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