Neue Rheinische Zeitung. Nr. 113. Köln, 27. September 1848. *** Zürich, 22. Sept. Während das k. k. Ministerium zu Wien sich in einer Depesche, von welcher Hr. von Kaisersfeld die Tagsatzung in einer Zuschrift vom 16. d. in Kenntniß gesetzt hat, sehr lobend und anerkennend über das Verhalten der Eidgenossenschaft in Bezug auf die Bewahrung ihrer Neutralität in den italienischen Angelegenheiten ausspricht, während dem hört Radetzky nicht auf, Rache gegen den armen Canton Tessin zu schnauben; vergeblich beweist Tessin, unterstützt von den eidgen. Commissarien daß die Beschwerden Radetzkys unbegründet seien, Radetzky kehrt sich daran so wenig, wie an die lobende Anerkennung des Wiener Ministeriums, denn in der Lombardei ist er Herr. Am 15. hat er den Befehl erlassen, daß alle in der Lombardei sich aufhaltenden Tessiner innerhalb 3 Tagen die Lombardei zu verlassen haben, daß alle postalischen und commerziellen Verbindungen mit Tessin aufhören, und daß kein Paß der tessinischen Regierung nach der Lombardei als gültig angesehen werden soll, wenn er nicht mit dem Visum des östreichischen Gesandten versehen ist. Bereits am 18. d. machte das hiesige Oberpostamt das Aufhören der Postverbindung über Tessin bekannt; Briefe nach Italien gehen jetzt über Chur und den Splügen. Diese neue Note Radetzkys wurde von der Tessiner Regierung der Tagsatzung mitgetheilt und langte, spaßhaft genug, gerade in demselben Augenblick an, als jenes Schreiben des Wiener Ministeriums verlesen wurde. Allgemeine Entrüstung sprach sich darüber aus; Genf wollte sofort an Oestreich den Krieg erklären. Es wurde eine Commission niedergesetzt, um darüber Bericht zu erstatten; es versteht sich von selbst, daß die Eidgenossenschaft sich Tessins annehmen muß. Sie ist dabei in ihrem vollen Rechte. Wunderlich aber ist es, daß die Schweiz sich von der französischen Bourgeoisierepublik Alles ruhig gefallen läßt, worüber sie, wenn es von Deutschland her kömmt, vor Wuth außer sich geräth. Welch ein Sturm der Erbitterung brach gegen Deutschland los, als ein Schweizer durch eine tölpelhafte Unterbehörde aus dem Königreich Hannover erwiesen wurde, als die preußische Gesandtschaft in Dresden einen Schweizer das Visum nach Preußen verweigert haben sollte! Es konnte gar nicht bewiesen werden, und die preußische Gesandtschaft stellte es in Abrede. Von Frankreich aber wurden gleich nach der Februarrevolution mehrere Schweizer Arbeiter ausgewiesen; man ließ es sich ruhig gefallen. In letzter Zeit wiederholte sich dieses vielfach, und die französische Gesandtschaft in der Schweiz machte sogar den Ausgewiesenen den Wiedereintritt in Frankreich durch Verweigerung des Paßvisums unmöglich. Kein Wort des Tadels darüber ist in der gesammten Schweizer Presse zu finden. Nur beiläufig wird es hin und wieder bemerkt, daß der Vorort einstweilen wieder die Beglaubigung der Reisepässe ausgewirkt habe, und damit ist man vollkommen zufrieden. Wie die jetzt ins Leben getretene Zollerhöhung in Deutschland, die doch nur durch die Ausfuhrprämien Frankreichs veranlaßt worden ist, aufs neue Erbitterung gegen Deutschland hervorgerufen hat, während man sich die völlige Absperrung Frankreichs gefallen läßt, habe ich Ihnen schon früher geschrieben. - Die Nachwehen und Nachzügeler des Sonderbundskrieges machen der Schweiz noch immer zu schaffen. Die Tagsatzung hatte durch Beschluß vom 4. Febr. d. J. den Stand Luzern eingeladen, gegen die Mitglieder des Sonderbundskriegsrathes, welche fremde Hülfe in Anspruch genommen haben sollten, einen Prozeß wegen Landesverrath anzustellen. Luzern hatte aber aber in seinem eigenen Canton so viel zu thun, daß es längere Zeit nicht zur Ausführung dieses Beschlusses gelangte; es mochte auch wohl nicht gar zu viel Luft dazu haben. Erst vor Kurzem, als die Ultramontanen und Sonderbündler überall wieder so keck und frech auftraten, entschloß es sich, den Prozeß an die Hand zu nehmen; es stellte ein außerordentliches Verhöramt dazu auf, welches jedoch von den übrigen Sonderbundscantonen nicht anerkannt wurde; seinen Vorladungen wurde keine Folge gegeben. Schweiz ersuchte darauf durch Kreisschreiben sämmtliche Stände und darauf die Tagsatzung, diesen Landesverrathsprozeß niederzuschlagen; mit gar schönen und rührenden Worten hieß es, daß man bei Annahme des neuen Bundes im Interesse einer aufrichtigen Versöhnung die Vergangenheit ruhen lassen und nicht so viele Leidenschaften von Neuem aufwecken solle. Das Gesuch wurde indessen von der Tagsatzung sehr ungünstig aufgenommen. Bern bemerkte mit großem Nachdruck, obschon es ohne Instruktion sei, wisse es, was es zu thun habe, da es den angesprochenen Landesverrath in den Sonderbundsakten gesehen habe, und stimme für Nichteintreten; man solle sich durch solche schöne Worte ja nicht täuschen lassen und etwa glauben, daß die neue Verfassung bei diesen Leuten je Eingang finden werde. Das Gesuch wurde bloß von Uri und Unterwalden unterstützt und mit 17 1/2 Stimmen abgewiesen. - Eine tief einschneidende Neuerung scheint sich aus unbedeutendem Anfang in den Urcantonen zu entwickeln, nämlich die Allmenden oder Gemeindeländereien: Diese bilden in den meisten Gemeinden den größten Theil des Acker- und Waidlandes; die Nutznießung derselben kömmt aber fast nur den Magnaten und größeren Bauern zu Gute, indem die Aermeren nur sehr geringe Parzellen, einen kleinen Gemüsegarten u. dgl. erhalten, und von dem Weidelande nur die Besitzer größerer Viehherden erheblichen Vortheil haben. Obgleich die getheilten Ländereien natürlich einen reicheren Ertrag hervorbringen würden, so scheiterte doch der schon öfters ausgesprochene Wunsch einer Theilung immer an dem Widerstande der Bauernaristokratie. Im letzten Monat aber hat die Gemeinde Sarnen (Obwalden) wirklich den Beschluß, die Allmend zu theilen und ihre Alpen zu verpachten, mit Mehrheit durchgesetzt. Die Bauernaristokratie schlug den Rechtsweg ein, gewann in erster Instanz, das Appellationsgericht aber bestätigte die Theilung, die nun so schnell als möglich durchgeführt werden soll. Andere Gemeinden werden ohne Zweifel bald diesem Beispiel folgen. Uebrigens werden die jedem Gemeindesgenossen zufallenden Theile nicht Eigenthum, sondern nur lebenslänglicher Besitz; nach dem Tode des jedesmaligen Besitzers fällt dessen Theil wieder der Corporation anheim und wird von Neuem in's Loos geworfen; Keiner aber darf sein Stück Allmend verpfänden. Damit ist der Anfang gemacht, die Macht der Bauernaristokratie und das ihr anheftende starre und unbewegliche Element zu brechen. - Der Nationalrath und der Ständerath sollen beide am 6. November, vorläufig, bis zur Wahl der neuen Bundesstadt, in Bern eröffnet werden. Sobald sie die neuen Bundesbehörden ernannt haben und diese in Funktion getreten sind, ist die Tagsatzung von selbst aufgelöst; bis dahin wird sie sich nur, wenn ihre laufenden Geschäfte abgethan sind, vertagen. Für die Wahlen zum Nationalrath ist nur festgesetzt, daß sie überall direkt sein müssen; sonst ist es jedem Canton vorläufig überlassen, für die Wahl der auf ihn kommenden Repräsentanten einen oder mehrere Wahlkreise zu bilden. Auf Bern kommen 20 Repräsentarten, auf Zürich 12, Luzern 6, Waadt 9, auf Schwaz, 2, auf Ob- und Nidwalden, Glarus, Zug, Baselstadt, Appenzell J. Rb. je Einen, auf Genf 3 u. s. w. Italien. Turin, 19. September. Evasio Radice, bisher sardinischer Bevollmächtigter bei der Central-Gewalt zu Frankfurt, hat seine Demission eingereicht, weil er die politische Richtung des jetzigen Ministeriums nicht billigen kann und seine Ehre unbefleckt erhalten wird. Es wird demnach bald ein neuer Abgesandter ernannt werden. Der jüngere Theil der Nationalgarde, 35,000 Mann, werden mobilisirt. Es wird auch in jeder andern Beziehung auf einen neuen Feldzug gerüstet. Aus Mailand lauten die Berichte mit jedem Tage düsterer. Die politischen Hinrichtungen mehren sich dort, wie in andern lombardischen Städten, z. B. in Monza. Gestern wurde die Eisenbahn von hier bis Traffarella probeweise zum ersten Mal befahren. * Rom, 14. Sept. Folgendes Ministerium ist das neueste; Fabbri hat nebst seinen Kollegen abgedankt. Die Reaktion wurde endlich auch ihm zu arg: Fornari, Auswärtiges (jetzt päbstl. Gesandter in Paris); Graf Rossi(der bekannte Louis Phielipp'sche Gauner), Inneres und Polizei; Herzog v. Rignano, öffentliche Arbeiten; Righetti, Finanzen; General Zucchi, Krieg; Cicognani, Justiz; Guarini, Handel und Ackerbau. Turin, 15. Sept. Noch immer schmeichelt man sich in Piemont mit einer Vereinigung der beiden Staaten, ohne die ungeheuer veränderte Stimmung in der Lombardei seit Karl Albert's schimpflichem Rückzug zu bedenken. So wie die Sachen jetzt stehen, halten wir den Wiederausbruch des Kriegs zwischen Oestreich und Italien für unvermeidlich, selbst wenn die übrigen vermittelnden Mächte sich verständigen sollten. (A. A. Z. )Neapel, 16. Septbr. Einstweilen darf Ferdinand gegen Sizilien nichts unternehmen, weil Frankreich und England dawider sind. Daß freilich Messina bombardirt und in einen Schutthaufen verwandelt wurde, das duldeten die Geschwader jener beiden "zivilisirten" Nationen mit völlig kaltem Blute. Jetzt aber, wo ganz Sizilien so gut wie Ein Mann dasteht und Rache zunehmen bereit ist, für die gegen Messina verübten Grausamkeiten und Barbareien: da werden die Regierungen Frankreichs und Englands auf einmal philanthropisch und fordern Suspendirung der Feindselichkeiten an. Wie sie wissen, zerfallen die Lazzaronis in 2 Parteien: Liberale und Royalisten. Während der in Folge der Parlamentsvertagung ausgebrochenen Unruhen erging von den Ersteren eine Proklamation oder Ansprache an den König, die überall angeklebt aber von den Polizei-Agenten auch an den meisten Orten sogleich wieder abgerissen wurden. Darin heißt es: "Majestät:..... Wir wollen's Ihnen ganz deutlich sagen. Wir verlangen die Konstitution! Sie haben dieselbe gegeben und dürfen sie nicht zurücknehmen, denn wir sind keine Kinder, denen man etwas zur Beschwichtigung hinreicht, um es Ihnen bald wieder abzunehmen, und da Gott uns die Freiheit verlien, so soll sie uns Niemand entreißen. Und mit der Constitution wandeln die Kammern; sie müssen bald wieder eröffnet werden, um unsere Lasten zu erleichtern und die Mißbräuche der Polizeigewalt abzuschaffen. Es gibt eine Nationalgarde; sie muß werden, wie sie früher war. Das Volk verlangt Waffen, um Freiheit und Leben zu vertheidigung. Wir verlangen, daß Sie die Minister und alle jene Mörder in Ihrer Nähe, von welchen Sie betrogen und verrathen worden, entlassen. Mit der Hand müssen Sie es gegriffen haben, daß dieselben Ihnen die Unwahrheit sagen. Diese machen Ihnen glauben, daß das Volk die Konstitution nicht will. Aber es will derselbe. Schaffen Sie diese Leute von sich; denn diese Schurken trinken unser Blut. Kurz Majestät, wir verlangen Gerechtigkeit; und wenn Sie uns dieselbe nicht gewähren, werden wir sie mit eigenen Händen, gleich den Sizilianern, zu erringen wissen. Und damit Basta! Des Redens ist genug; wir werden die Thaten sehen. Aber der Himmel möge Dich vor der Wuth des Volkes schützen. Diese Ansprache ist unterzeichnet: "Jl Popolo Napolitano." Nachschrift. Es wird versichert, daß sich die Königlichen der Städte Siracusa und Catania nach höchst blutigem Kampfe bemächtigt haben. * Florenz, 17. Sept. In Lucca kam es vorgestern, wie uns das "Eco della Matina" berichtet, zu Unruhen, weil die Bürgergarde zusammenberufen und nach Pisa zu marschiren beordert wurde. Es erschienen überhaupt wenige von der Garde, und das in Massen versammelte Volk widersetzte sich dem Abmarsch derselben. Einige Schüsse wurden abgefeuert; ein Mann verwundet. Das Volk zwang die Nationalgarde, nach Hause zu gehen, und nachdem es sich zum Theil mit Gewehren derselben bewaffnet, zog es nach der Eisenbahn und besetzte den Bahnhof. Hieraus ersieht man, daß die Bevölkerung mit der von Livorno fraternisirt und jede Demonstration gegen letztere zurückweis't. Gegen das Dekret der Deputirtenkammer vom 6. August und gegen die Gesetze vom Ende August, die Uebertragung diktatorialer Gewalt an die Regierung betreffend, laufen von allen Seiten Proteste ein, die meist von Nationalgarden unterzeichnet sind. Die Eisenbahn zwischen Pisa und Livorno ist seit gestern wieder im Gange. Französische Republik. 12 Paris, 22. Sept. Die konstituirenden Versammlungen, die gegenwärtig in Europa über neue"Konstitutionen" brüten, werden in ihren weisen und "tiefen Berathungen" manchmal auf unangenehme Weise gestört. Diese Störungen finden so häufig und mit solcher logischer Konsequenz statt, daß man wohl voraussagen kann: von den Konstitutionen wird keine einzige zu Wege kommen; die Herrn von Frankfurt, Berlin, Paris etc. mühen sich umsonst ab, zu konstituiren und festzustellen, was noch in vollem Fluße ist. Bei dem geringsten Anstoße fällt die angefangene Konstitution über Haufen, und während die konstituirenden Versammlungen allgemeine Phrasen über Politik delibriren und "organische Gesetze" statuiren, kommt mitten in ihrem Pathos und Ithos ein politischer Stoß, eine unorganische Commotion, die hinlänglich bekundet, was es in jetziger Zeit mit dem Konstituiren für ein Bewandtniß hat. Die Pariser Vereinbarer waren im besten Zuge; wie in Frankfurt delibrirte man in Paris ganz ruhig über Kirche und Schule, über Freiheit des Unterrichts; die Herren des Nationale, welche darüber delibrirten, wähnten sich in aller Sicherheit die Herren der Nation zu sein. Da kamen plötzlich die neuen Wahlen und die Leute werden abermals irre an den Gewählten, am Volke - an der zu konstituirenden Konstitution. Das Journal des Debats und der National gestehen in aller Gutmüthigkeit: Napoleon sei ein x für sie." Napoleon ein x! Und die 300,000 Wähler, die ihn gewählt haben, sind dies etwa 300,000 x? Hätte man noch gesagt, daß das, was man in Napoleon hätte wählen wollen, das x war, das Unbekannte war das, was man der bekannten und der voraus schon konstituirten Constitution entgegensetzen wollte! Aber dieses Unbekannte in Napoleon war förmlich bekannt; es ist der Name, das Abenteuer, die Verwegenheit, es ist Alles, ausgenommen den neapoleonischen Adler! Und nur diesen Adler fürchtet man in der ganzen Versammlung, weil dieser Adler die ganze erste Legion auf offenem Platze hat hoch leben lassen, und alle Welt gesungen hat: veillons au salut de l'empire. Das Ministerium ist geschlagen, die Constitutions-Kommission ist durcheinander, und in dieser Stimmung läßt das Ministerium sich ein Vertrauens-Votum abstimmen. Und wer gibt dieses Vertrauens-Votum? Die Kammer, der so eben ein Trotz-Votum gegeben worden. Nicht das Ministerium ist durch die neuen Wahlen in Frage gestellt, sondern die Kammer selbst. Wen hat man in Raspail gewählt? Etwa den Gefangenen in Vincennes? Nein, sondern denjenigen, der am 15. Mai die Constituirende Versammlung und die zukünftige Constitution stürzen wollte. Indem man Cabet und Thore eine gleiche Stimmenanzahl zuerkannte, wollte man dasselbe, der Bourgeois-Kammer feindselige Element zur Anerkennung bringen. Raspail ist zum Deputirten ernannt und von der Kammer muß jetzt erst die Erlaubniß eingeholt werden zur Untersuchung über den am Stadthause zum Volksreprasentanten prollamirten Gefangenen. Durch diese nöthig gewordene Autorisation wird die bereits begonnene Untersuchung wieder in Frage gestellt, werden die am 15. Mai vorgefallenen Ereignisse wieder einstweilen verläugnet, als ungeschehen dargestellt. In Napoleon tritt der Widerspruch mit der Nationalversammlung noch weit greller hervor. Nicht den Napoleon, den Schweizer, den Ausländer, nicht Napoleon, dessen Wahl noch erst bestritten werden soll in der Nationalversammlung, und den man so gerne ausstoßen möchte, hat das Volk wählen wollen, nein, Napoleon, den Verbannten, den das Volk sich als seinen General, dem General Cavaignac gegenüber ausersehen will, nicht weil Napoleon wirklich General ist, sondern weil er es sein kann, nicht für das, was Napoleon wirklich ist, sondern für das, er sein kann, und weil das Volk eben glaubt, Alles mit ihm machen zu können. Paris, 24. Sept. Das philippistische Blatt, "Assemblee nationale", das lügt wie gedruckt, hatte vor einigen Tagen eine fürchterliche Verschwörung entdeckt. Es handele sich nämlich um nichts Geringeres, als die ganze Clique in der Rue de Poitiers in die Luft zu sprengen, oder jedes einzelne Glied zu ermorden. Der Plan klang so fürchterlich, daß man ihn wahrscheinlich in Rußland fabrizirt haben mochte. Heute enthält der "Moniteur" folgende Erklärung: "Das Journal "Assemblee nationale" spricht von einer Verschwörung, welche gegen die Reunion der Rue de Poitiers gerichtet worden. Die Glieder der Reunion hätten ermordet werden sollen. Der Chef der Exeiutivgewalt sei Gegenstand eines Mordversuchs etc. Diese Berichte sind gänzlich falsch. Keine Demonstration hat nicht einmal zu dem Gedanken (pretexte) solcher Thaten berechtigen können." Das Bankettfieber dehnt sich immer mehr aus. Ein Maueranschlag benachrichtigt heute die Pariser Bevölkerung, daß für den 22. Oktbr. ein großartiges Bankett organisirt wird, in welchem das Kleinbürgerthum (Schenkwirthe, Krämer, Bierbrauer etc.) mit den Arbeitern fraternisiren soll. Flocon steht, wie die Reforme meldet, an der Spitze des diesfälligen Ausschusses. Eintrittspreis 1 Franken. Den Ort werden spätere Assichen bekannt machen. - Der Prozeß des bekannten Kommandanten Constantin, eines der wärmste Anhänger der rothen Juni-Republik, beginnt morgen vor dem Kriegsgericht in der Rue du Cherche-midi. - Gestern rollte ein neuer Schub Insurgenten nach Harve. - Die Regierung soll indeß gestern entschieden haben, die Insurgenten nicht zu deportiren, sondern zu amnestiren. Cavaignac warte nur auf den geeigneten Augenblick. - Der National prophezeit dem Berliner neuen Ministerium eine Dauer von wenigen Tagen. "Die Majorität, die Beckerath's Programm wenn auch nicht auf langezusammengebracht hätte, wird für das militär-büreaukratische Kabinet von Pfuel's keine Minute lang erzielt werden." Weiterer Betrachtungen enthält sich das halboffizielle Blatt noch. - Neues Papiergeld! Das ist der Schreck des Journal des Debats, des Rothschildschen Blattes. "Neues Papiergeld ist der Bankrott der ganzen Gesellschaft," wird in vier langen Spalten dargethan. Freilich, das neue Papiergeld, welches der Staat zu schaffen gedenkt, würde der Gesellschaft der Rothschilds einen ungeheuern Schlag versetzen. Das fühlt das Blatt Rothschilds dermaßen, daß es der Republik ungewöhnliche Konzessionen zu machen bereit ist, wenn nur kein Papiergeld geschaffen wird. "Die Republik ist eine von allen Fiktionen befreite Regierungsform. Nun ist aber Papiergeld eine Fiktion. Folglich darf die Regierung kein Papiergeld schaffen." * Paris. Der Italiener Montucci hat von hier aus einen Aufrauf: "An seine deutschen Brüder" ergehen lassen, worin er u. A. sagt: "Deutschland und Italien, zwei durch Abstammung, Klima und Gefühle höchst verschiedene, durch Unterdrückung, Verfolgung und Zertheilung aber einander ähnliche Völker, denen das bisher vergebliche Seufzen nach Freiheit zur andern Natur geworden, mußten nothwendig als die ersten Mitstreiter im großen, vom edlen Frankreich begonnenen Kampfe der politischen Rechte der Volker gegen die Anmaßungen absolutistischer Fürstengewalt auftreten. Allein bereits ist man eifrig beflissen, das deutsche Volk von seinen natürlichen Bundesgenossen zu entfernen. Deutschland gegen Italien und Frankreich anzuhetzen, daß ist das Meisterstück welches man durchzusetzen hofft. Wo bliebe denn, so heißt es, d. m Despotismus ein Schutzwinkel, böten sich Frankreich, Deutschland und Italien brüderlich die Hand? Das kann, das darf nicht sein! Drum frisch ans Werk! Jeder alte Groll sei aufgeschürt; Haß, Verdacht und Zwist unter die Völker gesäet; denn so nur kann unbedingte Alleinherrschaft bestehen! Darum, ihr Deutschen, predigt man euch schon vor, daß Rußland und Frankreich sich gegen Deutschland koalisiren... Dergleichen Lügen sind d. s. Absolutismus beste Waffen, nur hoffentlich für unsere Zeit nicht scharf genug." Der Aufruf schließt mit dem Wunsche der Herstellung der brüderlichen Eintracht zwischen Deutschland und Italien. Straßburg, 22. Sept. Die italienischen Flüchtlinge haben nun alle unsere Gränze verlassen; dagegen mehrt sich die Zahl der Polen wieder, indem dieselben allmälig von der preußischen Gränze wieder zurückkehren. Die Zahl der politischen Verbannten aus den verschiedenen Ländern, welche sich gegenwärtig in Frankreich aufhalten, ist größer als je. - Die Nationalversammlung wird demnächst ein Gesetz in Bezug auf die zu verabreichenden Unterstützungsgelder in Berathung nehmen. (Fr. I.) * Köln, 26. Sept. Die "Elberfelder Zeitung" (Redakteur: Hr. Rave) enthält in ihrer Kölner Korrespondenz folgende Stelle, zu welcher Name und Charakter des gedachten Blattes die beste Kritik liefern: "Morgen findet hier der zweite Kongreß der Rheinischen Demokraten Statt. Von dem Ersten ist wenig verlautet, nur daß sich die Mitglieder, namentlich Redakteure der Rheinischen Zeitung, nach Beendigung desselben weiblich zerprügelt haben. Diese Redakteure führen jetzt überall das große Wort, sie sind Mitglieder des Sicherheitsausschusses, berufen Volksversammlungen und gebehrden sich überall als das Organ der Kölner Bürgerschaft, als ob sie unsere Stadt wie Christoph den Heiland auf den Schultern trügen. Die Gutgesinnten schütteln den Kopf und meinen: das Spiel wurde nicht lange mehr dauern. Am 18. und 19. Sept. sind viele Opfer gefallen. Von manchen Derer aus dem Burgerstande ist gewiß, daß sie am Kampf unbetheiligt waren. Aber, abgesehen davon, die Weiber und Kinder der Gebliebenen und Gefangenen tragen keinerlei Schuld. Für die Nothleidenden unter Diesen bitte ich um milde Gaben, welche ich berechnen und gewissenhaft vertheilen werde. A. Rösler von Oels, Abgeordneter der deutschen Nationalversammlung, schöne Aussicht Nro. 12. Als ich gestern von meiner Arbeit mit meinem Sohne zurückkehrte wurde ich von einem Trupp Soldaten, dem 34. Regimente angehörend, überfallen und mißhandelt. Auf meine Aussage, daß ich Bürger von Köln sei, erwiderten sie: "Nun wohl, so haben wir den rechten Punkt erwischt." Mein Sohn wurde von mir gerissen und in die Senke geworfen. Ich weiß nicht, wie ich entkommen bin. Die Mißhandlungen hatten mir alle Besinnung benommen. Köln, den 24. September 1848. Reiner Kleinertz, Trompeter von der Burgergarde, Heumachergasse Nro. 4. *** Zürich, 22. Sept. Während das k. k. Ministerium zu Wien sich in einer Depesche, von welcher Hr. von Kaisersfeld die Tagsatzung in einer Zuschrift vom 16. d. in Kenntniß gesetzt hat, sehr lobend und anerkennend über das Verhalten der Eidgenossenschaft in Bezug auf die Bewahrung ihrer Neutralität in den italienischen Angelegenheiten ausspricht, während dem hört Radetzky nicht auf, Rache gegen den armen Canton Tessin zu schnauben; vergeblich beweist Tessin, unterstützt von den eidgen. Commissarien daß die Beschwerden Radetzkys unbegründet seien, Radetzky kehrt sich daran so wenig, wie an die lobende Anerkennung des Wiener Ministeriums, denn in der Lombardei ist er Herr. Am 15. hat er den Befehl erlassen, daß alle in der Lombardei sich aufhaltenden Tessiner innerhalb 3 Tagen die Lombardei zu verlassen haben, daß alle postalischen und commerziellen Verbindungen mit Tessin aufhören, und daß kein Paß der tessinischen Regierung nach der Lombardei als gültig angesehen werden soll, wenn er nicht mit dem Visum des östreichischen Gesandten versehen ist. Bereits am 18. d. machte das hiesige Oberpostamt das Aufhören der Postverbindung über Tessin bekannt; Briefe nach Italien gehen jetzt über Chur und den Splügen. Diese neue Note Radetzkys wurde von der Tessiner Regierung der Tagsatzung mitgetheilt und langte, spaßhaft genug, gerade in demselben Augenblick an, als jenes Schreiben des Wiener Ministeriums verlesen wurde. Allgemeine Entrüstung sprach sich darüber aus; Genf wollte sofort an Oestreich den Krieg erklären. Es wurde eine Commission niedergesetzt, um darüber Bericht zu erstatten; es versteht sich von selbst, daß die Eidgenossenschaft sich Tessins annehmen muß. Sie ist dabei in ihrem vollen Rechte. Wunderlich aber ist es, daß die Schweiz sich von der französischen Bourgeoisierepublik Alles ruhig gefallen läßt, worüber sie, wenn es von Deutschland her kömmt, vor Wuth außer sich geräth. Welch ein Sturm der Erbitterung brach gegen Deutschland los, als ein Schweizer durch eine tölpelhafte Unterbehörde aus dem Königreich Hannover erwiesen wurde, als die preußische Gesandtschaft in Dresden einen Schweizer das Visum nach Preußen verweigert haben sollte! Es konnte gar nicht bewiesen werden, und die preußische Gesandtschaft stellte es in Abrede. Von Frankreich aber wurden gleich nach der Februarrevolution mehrere Schweizer Arbeiter ausgewiesen; man ließ es sich ruhig gefallen. In letzter Zeit wiederholte sich dieses vielfach, und die französische Gesandtschaft in der Schweiz machte sogar den Ausgewiesenen den Wiedereintritt in Frankreich durch Verweigerung des Paßvisums unmöglich. Kein Wort des Tadels darüber ist in der gesammten Schweizer Presse zu finden. Nur beiläufig wird es hin und wieder bemerkt, daß der Vorort einstweilen wieder die Beglaubigung der Reisepässe ausgewirkt habe, und damit ist man vollkommen zufrieden. Wie die jetzt ins Leben getretene Zollerhöhung in Deutschland, die doch nur durch die Ausfuhrprämien Frankreichs veranlaßt worden ist, aufs neue Erbitterung gegen Deutschland hervorgerufen hat, während man sich die völlige Absperrung Frankreichs gefallen läßt, habe ich Ihnen schon früher geschrieben. ‒ Die Nachwehen und Nachzügeler des Sonderbundskrieges machen der Schweiz noch immer zu schaffen. Die Tagsatzung hatte durch Beschluß vom 4. Febr. d. J. den Stand Luzern eingeladen, gegen die Mitglieder des Sonderbundskriegsrathes, welche fremde Hülfe in Anspruch genommen haben sollten, einen Prozeß wegen Landesverrath anzustellen. Luzern hatte aber aber in seinem eigenen Canton so viel zu thun, daß es längere Zeit nicht zur Ausführung dieses Beschlusses gelangte; es mochte auch wohl nicht gar zu viel Luft dazu haben. Erst vor Kurzem, als die Ultramontanen und Sonderbündler überall wieder so keck und frech auftraten, entschloß es sich, den Prozeß an die Hand zu nehmen; es stellte ein außerordentliches Verhöramt dazu auf, welches jedoch von den übrigen Sonderbundscantonen nicht anerkannt wurde; seinen Vorladungen wurde keine Folge gegeben. Schweiz ersuchte darauf durch Kreisschreiben sämmtliche Stände und darauf die Tagsatzung, diesen Landesverrathsprozeß niederzuschlagen; mit gar schönen und rührenden Worten hieß es, daß man bei Annahme des neuen Bundes im Interesse einer aufrichtigen Versöhnung die Vergangenheit ruhen lassen und nicht so viele Leidenschaften von Neuem aufwecken solle. Das Gesuch wurde indessen von der Tagsatzung sehr ungünstig aufgenommen. Bern bemerkte mit großem Nachdruck, obschon es ohne Instruktion sei, wisse es, was es zu thun habe, da es den angesprochenen Landesverrath in den Sonderbundsakten gesehen habe, und stimme für Nichteintreten; man solle sich durch solche schöne Worte ja nicht täuschen lassen und etwa glauben, daß die neue Verfassung bei diesen Leuten je Eingang finden werde. Das Gesuch wurde bloß von Uri und Unterwalden unterstützt und mit 17 1/2 Stimmen abgewiesen. ‒ Eine tief einschneidende Neuerung scheint sich aus unbedeutendem Anfang in den Urcantonen zu entwickeln, nämlich die Allmenden oder Gemeindeländereien: Diese bilden in den meisten Gemeinden den größten Theil des Acker- und Waidlandes; die Nutznießung derselben kömmt aber fast nur den Magnaten und größeren Bauern zu Gute, indem die Aermeren nur sehr geringe Parzellen, einen kleinen Gemüsegarten u. dgl. erhalten, und von dem Weidelande nur die Besitzer größerer Viehherden erheblichen Vortheil haben. Obgleich die getheilten Ländereien natürlich einen reicheren Ertrag hervorbringen würden, so scheiterte doch der schon öfters ausgesprochene Wunsch einer Theilung immer an dem Widerstande der Bauernaristokratie. Im letzten Monat aber hat die Gemeinde Sarnen (Obwalden) wirklich den Beschluß, die Allmend zu theilen und ihre Alpen zu verpachten, mit Mehrheit durchgesetzt. Die Bauernaristokratie schlug den Rechtsweg ein, gewann in erster Instanz, das Appellationsgericht aber bestätigte die Theilung, die nun so schnell als möglich durchgeführt werden soll. Andere Gemeinden werden ohne Zweifel bald diesem Beispiel folgen. Uebrigens werden die jedem Gemeindesgenossen zufallenden Theile nicht Eigenthum, sondern nur lebenslänglicher Besitz; nach dem Tode des jedesmaligen Besitzers fällt dessen Theil wieder der Corporation anheim und wird von Neuem in's Loos geworfen; Keiner aber darf sein Stück Allmend verpfänden. Damit ist der Anfang gemacht, die Macht der Bauernaristokratie und das ihr anheftende starre und unbewegliche Element zu brechen. ‒ Der Nationalrath und der Ständerath sollen beide am 6. November, vorläufig, bis zur Wahl der neuen Bundesstadt, in Bern eröffnet werden. Sobald sie die neuen Bundesbehörden ernannt haben und diese in Funktion getreten sind, ist die Tagsatzung von selbst aufgelöst; bis dahin wird sie sich nur, wenn ihre laufenden Geschäfte abgethan sind, vertagen. Für die Wahlen zum Nationalrath ist nur festgesetzt, daß sie überall direkt sein müssen; sonst ist es jedem Canton vorläufig überlassen, für die Wahl der auf ihn kommenden Repräsentanten einen oder mehrere Wahlkreise zu bilden. Auf Bern kommen 20 Repräsentarten, auf Zürich 12, Luzern 6, Waadt 9, auf Schwaz, 2, auf Ob- und Nidwalden, Glarus, Zug, Baselstadt, Appenzell J. Rb. je Einen, auf Genf 3 u. s. w. Italien. Turin, 19. September. Evasio Radice, bisher sardinischer Bevollmächtigter bei der Central-Gewalt zu Frankfurt, hat seine Demission eingereicht, weil er die politische Richtung des jetzigen Ministeriums nicht billigen kann und seine Ehre unbefleckt erhalten wird. Es wird demnach bald ein neuer Abgesandter ernannt werden. Der jüngere Theil der Nationalgarde, 35,000 Mann, werden mobilisirt. Es wird auch in jeder andern Beziehung auf einen neuen Feldzug gerüstet. Aus Mailand lauten die Berichte mit jedem Tage düsterer. Die politischen Hinrichtungen mehren sich dort, wie in andern lombardischen Städten, z. B. in Monza. Gestern wurde die Eisenbahn von hier bis Traffarella probeweise zum ersten Mal befahren. * Rom, 14. Sept. Folgendes Ministerium ist das neueste; Fabbri hat nebst seinen Kollegen abgedankt. Die Reaktion wurde endlich auch ihm zu arg: Fornari, Auswärtiges (jetzt päbstl. Gesandter in Paris); Graf Rossi(der bekannte Louis Phielipp'sche Gauner), Inneres und Polizei; Herzog v. Rignano, öffentliche Arbeiten; Righetti, Finanzen; General Zucchi, Krieg; Cicognani, Justiz; Guarini, Handel und Ackerbau. Turin, 15. Sept. Noch immer schmeichelt man sich in Piemont mit einer Vereinigung der beiden Staaten, ohne die ungeheuer veränderte Stimmung in der Lombardei seit Karl Albert's schimpflichem Rückzug zu bedenken. So wie die Sachen jetzt stehen, halten wir den Wiederausbruch des Kriegs zwischen Oestreich und Italien für unvermeidlich, selbst wenn die übrigen vermittelnden Mächte sich verständigen sollten. (A. A. Z. )Neapel, 16. Septbr. Einstweilen darf Ferdinand gegen Sizilien nichts unternehmen, weil Frankreich und England dawider sind. Daß freilich Messina bombardirt und in einen Schutthaufen verwandelt wurde, das duldeten die Geschwader jener beiden „zivilisirten“ Nationen mit völlig kaltem Blute. Jetzt aber, wo ganz Sizilien so gut wie Ein Mann dasteht und Rache zunehmen bereit ist, für die gegen Messina verübten Grausamkeiten und Barbareien: da werden die Regierungen Frankreichs und Englands auf einmal philanthropisch und fordern Suspendirung der Feindselichkeiten an. Wie sie wissen, zerfallen die Lazzaronis in 2 Parteien: Liberale und Royalisten. Während der in Folge der Parlamentsvertagung ausgebrochenen Unruhen erging von den Ersteren eine Proklamation oder Ansprache an den König, die überall angeklebt aber von den Polizei-Agenten auch an den meisten Orten sogleich wieder abgerissen wurden. Darin heißt es: „Majestät:..... Wir wollen's Ihnen ganz deutlich sagen. Wir verlangen die Konstitution! Sie haben dieselbe gegeben und dürfen sie nicht zurücknehmen, denn wir sind keine Kinder, denen man etwas zur Beschwichtigung hinreicht, um es Ihnen bald wieder abzunehmen, und da Gott uns die Freiheit verlien, so soll sie uns Niemand entreißen. Und mit der Constitution wandeln die Kammern; sie müssen bald wieder eröffnet werden, um unsere Lasten zu erleichtern und die Mißbräuche der Polizeigewalt abzuschaffen. Es gibt eine Nationalgarde; sie muß werden, wie sie früher war. Das Volk verlangt Waffen, um Freiheit und Leben zu vertheidigung. Wir verlangen, daß Sie die Minister und alle jene Mörder in Ihrer Nähe, von welchen Sie betrogen und verrathen worden, entlassen. Mit der Hand müssen Sie es gegriffen haben, daß dieselben Ihnen die Unwahrheit sagen. Diese machen Ihnen glauben, daß das Volk die Konstitution nicht will. Aber es will derselbe. Schaffen Sie diese Leute von sich; denn diese Schurken trinken unser Blut. Kurz Majestät, wir verlangen Gerechtigkeit; und wenn Sie uns dieselbe nicht gewähren, werden wir sie mit eigenen Händen, gleich den Sizilianern, zu erringen wissen. Und damit Basta! Des Redens ist genug; wir werden die Thaten sehen. Aber der Himmel möge Dich vor der Wuth des Volkes schützen. Diese Ansprache ist unterzeichnet: „Jl Popolo Napolitano.“ Nachschrift. Es wird versichert, daß sich die Königlichen der Städte Siracusa und Catania nach höchst blutigem Kampfe bemächtigt haben. * Florenz, 17. Sept. In Lucca kam es vorgestern, wie uns das „Eco della Matina“ berichtet, zu Unruhen, weil die Bürgergarde zusammenberufen und nach Pisa zu marschiren beordert wurde. Es erschienen überhaupt wenige von der Garde, und das in Massen versammelte Volk widersetzte sich dem Abmarsch derselben. Einige Schüsse wurden abgefeuert; ein Mann verwundet. Das Volk zwang die Nationalgarde, nach Hause zu gehen, und nachdem es sich zum Theil mit Gewehren derselben bewaffnet, zog es nach der Eisenbahn und besetzte den Bahnhof. Hieraus ersieht man, daß die Bevölkerung mit der von Livorno fraternisirt und jede Demonstration gegen letztere zurückweis't. Gegen das Dekret der Deputirtenkammer vom 6. August und gegen die Gesetze vom Ende August, die Uebertragung diktatorialer Gewalt an die Regierung betreffend, laufen von allen Seiten Proteste ein, die meist von Nationalgarden unterzeichnet sind. Die Eisenbahn zwischen Pisa und Livorno ist seit gestern wieder im Gange. Französische Republik. 12 Paris, 22. Sept. Die konstituirenden Versammlungen, die gegenwärtig in Europa über neue„Konstitutionen“ brüten, werden in ihren weisen und „tiefen Berathungen“ manchmal auf unangenehme Weise gestört. Diese Störungen finden so häufig und mit solcher logischer Konsequenz statt, daß man wohl voraussagen kann: von den Konstitutionen wird keine einzige zu Wege kommen; die Herrn von Frankfurt, Berlin, Paris etc. mühen sich umsonst ab, zu konstituiren und festzustellen, was noch in vollem Fluße ist. Bei dem geringsten Anstoße fällt die angefangene Konstitution über Haufen, und während die konstituirenden Versammlungen allgemeine Phrasen über Politik delibriren und „organische Gesetze“ statuiren, kommt mitten in ihrem Pathos und Ithos ein politischer Stoß, eine unorganische Commotion, die hinlänglich bekundet, was es in jetziger Zeit mit dem Konstituiren für ein Bewandtniß hat. Die Pariser Vereinbarer waren im besten Zuge; wie in Frankfurt delibrirte man in Paris ganz ruhig über Kirche und Schule, über Freiheit des Unterrichts; die Herren des Nationale, welche darüber delibrirten, wähnten sich in aller Sicherheit die Herren der Nation zu sein. Da kamen plötzlich die neuen Wahlen und die Leute werden abermals irre an den Gewählten, am Volke ‒ an der zu konstituirenden Konstitution. Das Journal des Debats und der National gestehen in aller Gutmüthigkeit: Napoleon sei ein x für sie.“ Napoleon ein x! Und die 300,000 Wähler, die ihn gewählt haben, sind dies etwa 300,000 x? Hätte man noch gesagt, daß das, was man in Napoleon hätte wählen wollen, das x war, das Unbekannte war das, was man der bekannten und der voraus schon konstituirten Constitution entgegensetzen wollte! Aber dieses Unbekannte in Napoleon war förmlich bekannt; es ist der Name, das Abenteuer, die Verwegenheit, es ist Alles, ausgenommen den neapoleonischen Adler! Und nur diesen Adler fürchtet man in der ganzen Versammlung, weil dieser Adler die ganze erste Legion auf offenem Platze hat hoch leben lassen, und alle Welt gesungen hat: veillons au salut de l'empire. Das Ministerium ist geschlagen, die Constitutions-Kommission ist durcheinander, und in dieser Stimmung läßt das Ministerium sich ein Vertrauens-Votum abstimmen. Und wer gibt dieses Vertrauens-Votum? Die Kammer, der so eben ein Trotz-Votum gegeben worden. Nicht das Ministerium ist durch die neuen Wahlen in Frage gestellt, sondern die Kammer selbst. Wen hat man in Raspail gewählt? Etwa den Gefangenen in Vincennes? Nein, sondern denjenigen, der am 15. Mai die Constituirende Versammlung und die zukünftige Constitution stürzen wollte. Indem man Cabet und Thoré eine gleiche Stimmenanzahl zuerkannte, wollte man dasselbe, der Bourgeois-Kammer feindselige Element zur Anerkennung bringen. Raspail ist zum Deputirten ernannt und von der Kammer muß jetzt erst die Erlaubniß eingeholt werden zur Untersuchung über den am Stadthause zum Volksreprasentanten prollamirten Gefangenen. Durch diese nöthig gewordene Autorisation wird die bereits begonnene Untersuchung wieder in Frage gestellt, werden die am 15. Mai vorgefallenen Ereignisse wieder einstweilen verläugnet, als ungeschehen dargestellt. In Napoleon tritt der Widerspruch mit der Nationalversammlung noch weit greller hervor. Nicht den Napoleon, den Schweizer, den Ausländer, nicht Napoleon, dessen Wahl noch erst bestritten werden soll in der Nationalversammlung, und den man so gerne ausstoßen möchte, hat das Volk wählen wollen, nein, Napoleon, den Verbannten, den das Volk sich als seinen General, dem General Cavaignac gegenüber ausersehen will, nicht weil Napoleon wirklich General ist, sondern weil er es sein kann, nicht für das, was Napoleon wirklich ist, sondern für das, er sein kann, und weil das Volk eben glaubt, Alles mit ihm machen zu können. Paris, 24. Sept. Das philippistische Blatt, „Assemblee nationale“, das lügt wie gedruckt, hatte vor einigen Tagen eine fürchterliche Verschwörung entdeckt. Es handele sich nämlich um nichts Geringeres, als die ganze Clique in der Rue de Poitiers in die Luft zu sprengen, oder jedes einzelne Glied zu ermorden. Der Plan klang so fürchterlich, daß man ihn wahrscheinlich in Rußland fabrizirt haben mochte. Heute enthält der „Moniteur“ folgende Erklärung: „Das Journal „Assemblee nationale“ spricht von einer Verschwörung, welche gegen die Reunion der Rue de Poitiers gerichtet worden. Die Glieder der Reunion hätten ermordet werden sollen. Der Chef der Exeiutivgewalt sei Gegenstand eines Mordversuchs etc. Diese Berichte sind gänzlich falsch. Keine Demonstration hat nicht einmal zu dem Gedanken (pretexte) solcher Thaten berechtigen können.“ Das Bankettfieber dehnt sich immer mehr aus. Ein Maueranschlag benachrichtigt heute die Pariser Bevölkerung, daß für den 22. Oktbr. ein großartiges Bankett organisirt wird, in welchem das Kleinbürgerthum (Schenkwirthe, Krämer, Bierbrauer etc.) mit den Arbeitern fraternisiren soll. Flocon steht, wie die Reforme meldet, an der Spitze des diesfälligen Ausschusses. Eintrittspreis 1 Franken. Den Ort werden spätere Assichen bekannt machen. ‒ Der Prozeß des bekannten Kommandanten Constantin, eines der wärmste Anhänger der rothen Juni-Republik, beginnt morgen vor dem Kriegsgericht in der Rue du Cherche-midi. ‒ Gestern rollte ein neuer Schub Insurgenten nach Harve. ‒ Die Regierung soll indeß gestern entschieden haben, die Insurgenten nicht zu deportiren, sondern zu amnestiren. Cavaignac warte nur auf den geeigneten Augenblick. ‒ Der National prophezeit dem Berliner neuen Ministerium eine Dauer von wenigen Tagen. „Die Majorität, die Beckerath's Programm wenn auch nicht auf langezusammengebracht hätte, wird für das militär-büreaukratische Kabinet von Pfuel's keine Minute lang erzielt werden.“ Weiterer Betrachtungen enthält sich das halboffizielle Blatt noch. ‒ Neues Papiergeld! Das ist der Schreck des Journal des Debats, des Rothschildschen Blattes. „Neues Papiergeld ist der Bankrott der ganzen Gesellschaft,“ wird in vier langen Spalten dargethan. Freilich, das neue Papiergeld, welches der Staat zu schaffen gedenkt, würde der Gesellschaft der Rothschilds einen ungeheuern Schlag versetzen. Das fühlt das Blatt Rothschilds dermaßen, daß es der Republik ungewöhnliche Konzessionen zu machen bereit ist, wenn nur kein Papiergeld geschaffen wird. „Die Republik ist eine von allen Fiktionen befreite Regierungsform. Nun ist aber Papiergeld eine Fiktion. Folglich darf die Regierung kein Papiergeld schaffen.“ * Paris. Der Italiener Montucci hat von hier aus einen Aufrauf: „An seine deutschen Brüder“ ergehen lassen, worin er u. A. sagt: „Deutschland und Italien, zwei durch Abstammung, Klima und Gefühle höchst verschiedene, durch Unterdrückung, Verfolgung und Zertheilung aber einander ähnliche Völker, denen das bisher vergebliche Seufzen nach Freiheit zur andern Natur geworden, mußten nothwendig als die ersten Mitstreiter im großen, vom edlen Frankreich begonnenen Kampfe der politischen Rechte der Volker gegen die Anmaßungen absolutistischer Fürstengewalt auftreten. Allein bereits ist man eifrig beflissen, das deutsche Volk von seinen natürlichen Bundesgenossen zu entfernen. Deutschland gegen Italien und Frankreich anzuhetzen, daß ist das Meisterstück welches man durchzusetzen hofft. Wo bliebe denn, so heißt es, d. m Despotismus ein Schutzwinkel, böten sich Frankreich, Deutschland und Italien brüderlich die Hand? Das kann, das darf nicht sein! Drum frisch ans Werk! Jeder alte Groll sei aufgeschürt; Haß, Verdacht und Zwist unter die Völker gesäet; denn so nur kann unbedingte Alleinherrschaft bestehen! Darum, ihr Deutschen, predigt man euch schon vor, daß Rußland und Frankreich sich gegen Deutschland koalisiren… Dergleichen Lügen sind d. s. Absolutismus beste Waffen, nur hoffentlich für unsere Zeit nicht scharf genug.“ Der Aufruf schließt mit dem Wunsche der Herstellung der brüderlichen Eintracht zwischen Deutschland und Italien. Straßburg, 22. Sept. Die italienischen Flüchtlinge haben nun alle unsere Gränze verlassen; dagegen mehrt sich die Zahl der Polen wieder, indem dieselben allmälig von der preußischen Gränze wieder zurückkehren. Die Zahl der politischen Verbannten aus den verschiedenen Ländern, welche sich gegenwärtig in Frankreich aufhalten, ist größer als je. ‒ Die Nationalversammlung wird demnächst ein Gesetz in Bezug auf die zu verabreichenden Unterstützungsgelder in Berathung nehmen. (Fr. I.) * Köln, 26. Sept. Die „Elberfelder Zeitung“ (Redakteur: Hr. Rave) enthält in ihrer Kölner Korrespondenz folgende Stelle, zu welcher Name und Charakter des gedachten Blattes die beste Kritik liefern: „Morgen findet hier der zweite Kongreß der Rheinischen Demokraten Statt. Von dem Ersten ist wenig verlautet, nur daß sich die Mitglieder, namentlich Redakteure der Rheinischen Zeitung, nach Beendigung desselben weiblich zerprügelt haben. Diese Redakteure führen jetzt überall das große Wort, sie sind Mitglieder des Sicherheitsausschusses, berufen Volksversammlungen und gebehrden sich überall als das Organ der Kölner Bürgerschaft, als ob sie unsere Stadt wie Christoph den Heiland auf den Schultern trügen. Die Gutgesinnten schütteln den Kopf und meinen: das Spiel wurde nicht lange mehr dauern. Am 18. und 19. Sept. sind viele Opfer gefallen. Von manchen Derer aus dem Burgerstande ist gewiß, daß sie am Kampf unbetheiligt waren. Aber, abgesehen davon, die Weiber und Kinder der Gebliebenen und Gefangenen tragen keinerlei Schuld. Für die Nothleidenden unter Diesen bitte ich um milde Gaben, welche ich berechnen und gewissenhaft vertheilen werde. A. Rösler von Oels, Abgeordneter der deutschen Nationalversammlung, schöne Aussicht Nro. 12. Als ich gestern von meiner Arbeit mit meinem Sohne zurückkehrte wurde ich von einem Trupp Soldaten, dem 34. Regimente angehörend, überfallen und mißhandelt. Auf meine Aussage, daß ich Bürger von Köln sei, erwiderten sie: „Nun wohl, so haben wir den rechten Punkt erwischt.“ Mein Sohn wurde von mir gerissen und in die Senke geworfen. Ich weiß nicht, wie ich entkommen bin. Die Mißhandlungen hatten mir alle Besinnung benommen. Köln, den 24. September 1848. Reiner Kleinertz, Trompeter von der Burgergarde, Heumachergasse Nro. 4. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0003" n="0561"/> <div xml:id="ar113_018" type="jArticle"> <head><bibl><author>***</author></bibl> Zürich, 22. Sept.</head> <p>Während das k. k. Ministerium zu Wien sich in einer Depesche, von welcher Hr. von Kaisersfeld die Tagsatzung in einer Zuschrift vom 16. d. in Kenntniß gesetzt hat, sehr lobend und anerkennend über das Verhalten der Eidgenossenschaft in Bezug auf die Bewahrung ihrer Neutralität in den italienischen Angelegenheiten ausspricht, während dem hört Radetzky nicht auf, Rache gegen den armen Canton Tessin zu schnauben; vergeblich beweist Tessin, unterstützt von den eidgen. Commissarien daß die Beschwerden Radetzkys unbegründet seien, Radetzky kehrt sich daran so wenig, wie an die lobende Anerkennung des Wiener Ministeriums, denn in der Lombardei ist <hi rendition="#g">er</hi> Herr. Am 15. hat er den Befehl erlassen, daß alle in der Lombardei sich aufhaltenden Tessiner innerhalb 3 Tagen die Lombardei zu verlassen haben, daß alle postalischen und commerziellen Verbindungen mit Tessin aufhören, und daß kein Paß der tessinischen Regierung nach der Lombardei als gültig angesehen werden soll, wenn er nicht mit dem Visum des östreichischen Gesandten versehen ist. Bereits am 18. d. machte das hiesige Oberpostamt das Aufhören der Postverbindung über Tessin bekannt; Briefe nach Italien gehen jetzt über Chur und den Splügen. Diese neue Note Radetzkys wurde von der Tessiner Regierung der Tagsatzung mitgetheilt und langte, spaßhaft genug, gerade in demselben Augenblick an, als jenes Schreiben des Wiener Ministeriums verlesen wurde. Allgemeine Entrüstung sprach sich darüber aus; Genf wollte sofort an Oestreich den Krieg erklären. Es wurde eine Commission niedergesetzt, um darüber Bericht zu erstatten; es versteht sich von selbst, daß die Eidgenossenschaft sich Tessins annehmen muß. Sie ist dabei in ihrem vollen Rechte. Wunderlich aber ist es, daß die Schweiz sich von der französischen Bourgeoisierepublik Alles ruhig gefallen läßt, worüber sie, wenn es von Deutschland her kömmt, vor Wuth außer sich geräth. Welch ein Sturm der Erbitterung brach gegen Deutschland los, als ein Schweizer durch eine tölpelhafte Unterbehörde aus dem Königreich Hannover erwiesen wurde, als die preußische Gesandtschaft in Dresden einen Schweizer das Visum nach Preußen verweigert haben <hi rendition="#g">sollte!</hi> Es konnte gar nicht bewiesen werden, und die preußische Gesandtschaft stellte es in Abrede. Von Frankreich aber wurden gleich nach der Februarrevolution mehrere Schweizer Arbeiter ausgewiesen; man ließ es sich ruhig gefallen. In letzter Zeit wiederholte sich dieses vielfach, und die französische Gesandtschaft in der Schweiz machte sogar den Ausgewiesenen den Wiedereintritt in Frankreich durch Verweigerung des Paßvisums unmöglich. Kein Wort des Tadels darüber ist in der gesammten Schweizer Presse zu finden. Nur beiläufig wird es hin und wieder bemerkt, daß der Vorort einstweilen wieder die Beglaubigung der Reisepässe ausgewirkt habe, und damit ist man vollkommen zufrieden. Wie die jetzt ins Leben getretene Zollerhöhung in Deutschland, die doch nur durch die Ausfuhrprämien Frankreichs veranlaßt worden ist, aufs neue Erbitterung gegen Deutschland hervorgerufen hat, während man sich die völlige Absperrung Frankreichs gefallen läßt, habe ich Ihnen schon früher geschrieben. ‒ Die Nachwehen und Nachzügeler des Sonderbundskrieges machen der Schweiz noch immer zu schaffen. Die Tagsatzung hatte durch Beschluß vom 4. Febr. d. J. den Stand Luzern eingeladen, gegen die Mitglieder des Sonderbundskriegsrathes, welche fremde Hülfe in Anspruch genommen haben sollten, einen Prozeß wegen Landesverrath anzustellen. Luzern hatte aber aber in seinem eigenen Canton so viel zu thun, daß es längere Zeit nicht zur Ausführung dieses Beschlusses gelangte; es mochte auch wohl nicht gar zu viel Luft dazu haben. Erst vor Kurzem, als die Ultramontanen und Sonderbündler überall wieder so keck und frech auftraten, entschloß es sich, den Prozeß an die Hand zu nehmen; es stellte ein außerordentliches Verhöramt dazu auf, welches jedoch von den übrigen Sonderbundscantonen nicht anerkannt wurde; seinen Vorladungen wurde keine Folge gegeben. Schweiz ersuchte darauf durch Kreisschreiben sämmtliche Stände und darauf die Tagsatzung, diesen Landesverrathsprozeß niederzuschlagen; mit gar schönen und rührenden Worten hieß es, daß man bei Annahme des neuen Bundes im Interesse einer aufrichtigen Versöhnung die Vergangenheit ruhen lassen und nicht so viele Leidenschaften von Neuem aufwecken solle. Das Gesuch wurde indessen von der Tagsatzung sehr ungünstig aufgenommen. Bern bemerkte mit großem Nachdruck, obschon es ohne Instruktion sei, wisse es, was es zu thun habe, da es den angesprochenen Landesverrath in den Sonderbundsakten gesehen habe, und stimme für <hi rendition="#g">Nichteintreten;</hi> man solle sich durch solche schöne Worte ja nicht täuschen lassen und etwa glauben, daß die neue Verfassung bei diesen Leuten je Eingang finden werde. Das Gesuch wurde bloß von Uri und Unterwalden unterstützt und mit 17 1/2 Stimmen abgewiesen. ‒ Eine tief einschneidende Neuerung scheint sich aus unbedeutendem Anfang in den Urcantonen zu entwickeln, nämlich die Allmenden oder Gemeindeländereien: Diese bilden in den meisten Gemeinden den größten Theil des Acker- und Waidlandes; die Nutznießung derselben kömmt aber fast nur den Magnaten und größeren Bauern zu Gute, indem die Aermeren nur sehr geringe Parzellen, einen kleinen Gemüsegarten u. dgl. erhalten, und von dem Weidelande nur die Besitzer größerer Viehherden erheblichen Vortheil haben. Obgleich die <hi rendition="#g">getheilten</hi> Ländereien natürlich einen reicheren Ertrag hervorbringen würden, so scheiterte doch der schon öfters ausgesprochene Wunsch einer Theilung immer an dem Widerstande der Bauernaristokratie. Im letzten Monat aber hat die Gemeinde Sarnen (Obwalden) wirklich den Beschluß, die Allmend zu theilen und ihre Alpen zu verpachten, mit Mehrheit durchgesetzt. Die Bauernaristokratie schlug den Rechtsweg ein, gewann in erster Instanz, das Appellationsgericht aber bestätigte die Theilung, die nun so schnell als möglich durchgeführt werden soll. Andere Gemeinden werden ohne Zweifel bald diesem Beispiel folgen. Uebrigens werden die jedem Gemeindesgenossen zufallenden Theile nicht Eigenthum, sondern nur lebenslänglicher Besitz; nach dem Tode des jedesmaligen Besitzers fällt dessen Theil wieder der Corporation anheim und wird von Neuem in's Loos geworfen; Keiner aber darf sein Stück Allmend verpfänden. Damit ist der Anfang gemacht, die Macht der Bauernaristokratie und das ihr anheftende starre und unbewegliche Element zu brechen. ‒ Der Nationalrath und der Ständerath sollen beide am 6. November, vorläufig, bis zur Wahl der neuen Bundesstadt, in Bern eröffnet werden. Sobald sie die neuen Bundesbehörden ernannt haben und diese in Funktion getreten sind, ist die Tagsatzung von selbst aufgelöst; bis dahin wird sie sich nur, wenn ihre laufenden Geschäfte abgethan sind, vertagen. Für die Wahlen zum Nationalrath ist nur festgesetzt, daß sie überall direkt sein müssen; sonst ist es jedem Canton vorläufig überlassen, für die Wahl der auf ihn kommenden Repräsentanten einen oder mehrere Wahlkreise zu bilden. Auf Bern kommen 20 Repräsentarten, auf Zürich 12, Luzern 6, Waadt 9, auf Schwaz, 2, auf Ob- und Nidwalden, Glarus, Zug, Baselstadt, Appenzell J. Rb. je Einen, auf Genf 3 u. s. w.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Italien.</head> <div xml:id="ar113_019" type="jArticle"> <head>Turin, 19. September.</head> <p>Evasio Radice, bisher sardinischer Bevollmächtigter bei der Central-Gewalt zu Frankfurt, hat seine Demission eingereicht, weil er die politische Richtung des jetzigen Ministeriums nicht billigen kann und seine Ehre unbefleckt erhalten wird. Es wird demnach bald ein neuer Abgesandter ernannt werden. Der jüngere Theil der Nationalgarde, 35,000 Mann, werden mobilisirt. Es wird auch in jeder andern Beziehung auf einen neuen Feldzug gerüstet. Aus Mailand lauten die Berichte mit jedem Tage düsterer. Die politischen Hinrichtungen mehren sich dort, wie in andern lombardischen Städten, z. B. in Monza. Gestern wurde die Eisenbahn von hier bis Traffarella probeweise zum ersten Mal befahren.</p> </div> <div xml:id="ar113_020" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Rom, 14. Sept.</head> <p>Folgendes Ministerium ist das neueste; Fabbri hat nebst seinen Kollegen abgedankt. Die Reaktion wurde endlich auch ihm zu arg:</p> <p><hi rendition="#g">Fornari,</hi> Auswärtiges (jetzt päbstl. Gesandter in Paris); Graf <hi rendition="#g">Rossi</hi>(der bekannte Louis Phielipp'sche Gauner), Inneres und Polizei; Herzog v. <hi rendition="#g">Rignano,</hi> öffentliche Arbeiten; <hi rendition="#g">Righetti,</hi> Finanzen; General <hi rendition="#g">Zucchi,</hi> Krieg; <hi rendition="#g">Cicognani,</hi> Justiz; <hi rendition="#g">Guarini,</hi> Handel und Ackerbau.</p> </div> <div xml:id="ar113_021" type="jArticle"> <head>Turin, 15. Sept.</head> <p>Noch immer schmeichelt man sich in Piemont mit einer Vereinigung der beiden Staaten, ohne die ungeheuer veränderte Stimmung in der Lombardei seit Karl Albert's schimpflichem Rückzug zu bedenken. So wie die Sachen jetzt stehen, halten wir den Wiederausbruch des Kriegs zwischen Oestreich und Italien für unvermeidlich, selbst wenn die übrigen vermittelnden Mächte sich verständigen sollten.</p> <bibl>(A. A. Z. )</bibl> </div> <div xml:id="ar113_022" type="jArticle"> <head>Neapel, 16. Septbr.</head> <p>Einstweilen darf Ferdinand gegen Sizilien nichts unternehmen, weil Frankreich und England dawider sind. Daß freilich Messina bombardirt und in einen Schutthaufen verwandelt wurde, das duldeten die Geschwader jener beiden „zivilisirten“ Nationen mit völlig kaltem Blute. Jetzt aber, wo ganz Sizilien so gut wie Ein Mann dasteht und Rache zunehmen bereit ist, für die gegen Messina verübten Grausamkeiten und Barbareien: da werden die Regierungen Frankreichs und Englands auf einmal philanthropisch und fordern Suspendirung der Feindselichkeiten an.</p> <p>Wie sie wissen, zerfallen die Lazzaronis in 2 Parteien: Liberale und Royalisten. Während der in Folge der Parlamentsvertagung ausgebrochenen Unruhen erging von den Ersteren eine Proklamation oder Ansprache an den König, die überall angeklebt aber von den Polizei-Agenten auch an den meisten Orten sogleich wieder abgerissen wurden. Darin heißt es: „Majestät:..... Wir wollen's Ihnen ganz deutlich sagen. Wir verlangen die Konstitution! Sie haben dieselbe gegeben und dürfen sie nicht zurücknehmen, denn wir sind keine Kinder, denen man etwas zur Beschwichtigung hinreicht, um es Ihnen bald wieder abzunehmen, und da Gott uns die Freiheit verlien, so soll sie uns Niemand entreißen. Und mit der Constitution wandeln die Kammern; sie müssen bald wieder eröffnet werden, um unsere Lasten zu erleichtern und die Mißbräuche der Polizeigewalt abzuschaffen. Es gibt eine Nationalgarde; sie muß werden, wie sie früher war. Das Volk verlangt Waffen, um Freiheit und Leben zu vertheidigung. Wir verlangen, daß Sie die Minister und alle jene Mörder in Ihrer Nähe, von welchen Sie betrogen und verrathen worden, entlassen. Mit der Hand müssen Sie es gegriffen haben, daß dieselben Ihnen die Unwahrheit sagen. Diese machen Ihnen glauben, daß das Volk die Konstitution nicht will. Aber es will derselbe. Schaffen Sie diese Leute von sich; denn diese Schurken trinken unser Blut. Kurz Majestät, wir verlangen Gerechtigkeit; und wenn Sie uns dieselbe nicht gewähren, werden wir sie mit eigenen Händen, gleich den Sizilianern, zu erringen wissen. Und damit Basta! Des Redens ist genug; wir werden die Thaten sehen. Aber der Himmel möge Dich vor der Wuth des Volkes schützen. Diese Ansprache ist unterzeichnet: „Jl Popolo Napolitano.“</p> <p><hi rendition="#g">Nachschrift.</hi> Es wird versichert, daß sich die Königlichen der Städte Siracusa und Catania nach höchst blutigem Kampfe bemächtigt haben.</p> </div> <div xml:id="ar113_023" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Florenz, 17. Sept.</head> <p>In Lucca kam es vorgestern, wie uns das „Eco della Matina“ berichtet, zu Unruhen, weil die Bürgergarde zusammenberufen und nach Pisa zu marschiren beordert wurde. Es erschienen überhaupt wenige von der Garde, und das in Massen versammelte Volk widersetzte sich dem Abmarsch derselben. Einige Schüsse wurden abgefeuert; ein Mann verwundet. Das Volk zwang die Nationalgarde, nach Hause zu gehen, und nachdem es sich zum Theil mit Gewehren derselben bewaffnet, zog es nach der Eisenbahn und besetzte den Bahnhof. Hieraus ersieht man, daß die Bevölkerung mit der von Livorno fraternisirt und jede Demonstration gegen letztere zurückweis't. Gegen das Dekret der Deputirtenkammer vom 6. August und gegen die Gesetze vom Ende August, die Uebertragung diktatorialer Gewalt an die Regierung betreffend, laufen von allen Seiten Proteste ein, die meist von Nationalgarden unterzeichnet sind. Die Eisenbahn zwischen Pisa und Livorno ist seit gestern wieder im Gange.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Französische Republik.</head> <div xml:id="ar113_024" type="jArticle"> <head><bibl><author>12</author></bibl> Paris, 22. Sept.</head> <p>Die konstituirenden Versammlungen, die gegenwärtig in Europa über neue„Konstitutionen“ brüten, werden in ihren weisen und „tiefen Berathungen“ manchmal auf unangenehme Weise gestört. Diese Störungen finden so häufig und mit solcher logischer Konsequenz statt, daß man wohl voraussagen kann: von den Konstitutionen wird keine einzige zu Wege kommen; die Herrn von Frankfurt, Berlin, Paris etc. mühen sich umsonst ab, zu konstituiren und festzustellen, was noch in vollem Fluße ist. Bei dem geringsten Anstoße fällt die angefangene Konstitution über Haufen, und während die konstituirenden Versammlungen allgemeine Phrasen über Politik delibriren und „organische Gesetze“ statuiren, kommt mitten in ihrem Pathos und Ithos ein politischer Stoß, eine unorganische Commotion, die hinlänglich bekundet, was es in jetziger Zeit mit dem Konstituiren für ein Bewandtniß hat. Die Pariser Vereinbarer waren im besten Zuge; wie in Frankfurt delibrirte man in Paris ganz ruhig über Kirche und Schule, über Freiheit des Unterrichts; die Herren des Nationale, welche darüber delibrirten, wähnten sich in aller Sicherheit die Herren der Nation zu sein. Da kamen plötzlich die neuen Wahlen und die Leute werden abermals irre an den Gewählten, am Volke ‒ an der zu konstituirenden Konstitution. Das Journal des Debats und der National gestehen in aller Gutmüthigkeit: Napoleon sei ein x für sie.“ Napoleon ein x! Und die 300,000 Wähler, die ihn gewählt haben, sind dies etwa 300,000 x? Hätte man noch gesagt, daß das, was man in Napoleon hätte wählen wollen, das x war, das Unbekannte war das, was man der bekannten und der voraus schon konstituirten Constitution entgegensetzen wollte! Aber dieses Unbekannte in Napoleon war förmlich bekannt; es ist der Name, das Abenteuer, die Verwegenheit, es ist Alles, ausgenommen den neapoleonischen Adler! Und nur diesen Adler fürchtet man in der ganzen Versammlung, weil dieser Adler die ganze erste Legion auf offenem Platze hat hoch leben lassen, und alle Welt gesungen hat: veillons au salut de l'empire. Das Ministerium ist geschlagen, die Constitutions-Kommission ist durcheinander, und in dieser Stimmung läßt das Ministerium sich ein Vertrauens-Votum abstimmen. Und wer gibt dieses Vertrauens-Votum? Die Kammer, der so eben ein Trotz-Votum gegeben worden. Nicht das Ministerium ist durch die neuen Wahlen in Frage gestellt, sondern die Kammer selbst. Wen hat man in Raspail gewählt? Etwa den Gefangenen in Vincennes? Nein, sondern denjenigen, der am 15. Mai die Constituirende Versammlung und die zukünftige Constitution stürzen wollte. Indem man Cabet und Thoré eine gleiche Stimmenanzahl zuerkannte, wollte man dasselbe, der Bourgeois-Kammer feindselige Element zur Anerkennung bringen. Raspail ist zum Deputirten ernannt und von der Kammer muß jetzt erst die Erlaubniß eingeholt werden zur Untersuchung über den am Stadthause zum Volksreprasentanten prollamirten Gefangenen. Durch diese nöthig gewordene Autorisation wird die bereits begonnene Untersuchung wieder in Frage gestellt, werden die am 15. Mai vorgefallenen Ereignisse wieder einstweilen verläugnet, als ungeschehen dargestellt. In Napoleon tritt der Widerspruch mit der Nationalversammlung noch weit greller hervor. Nicht den Napoleon, den Schweizer, den Ausländer, nicht Napoleon, dessen Wahl noch erst bestritten werden soll in der Nationalversammlung, und den man so gerne ausstoßen möchte, hat das Volk wählen wollen, nein, Napoleon, den Verbannten, den das Volk sich als <hi rendition="#g">seinen</hi> General, dem General Cavaignac gegenüber ausersehen will, nicht weil Napoleon wirklich General ist, sondern weil er es sein kann, nicht für das, was Napoleon wirklich ist, sondern für das, er sein kann, und weil das Volk eben glaubt, Alles mit ihm machen zu können.</p> </div> <div xml:id="ar113_025" type="jArticle"> <head>Paris, 24. Sept.</head> <p>Das philippistische Blatt, „Assemblee nationale“, das lügt wie gedruckt, hatte vor einigen Tagen eine fürchterliche Verschwörung entdeckt. Es handele sich nämlich um nichts Geringeres, als die ganze Clique in der Rue de Poitiers in die Luft zu sprengen, oder jedes einzelne Glied zu ermorden. Der Plan klang so fürchterlich, daß man ihn wahrscheinlich in Rußland fabrizirt haben mochte. Heute enthält der „Moniteur“ folgende Erklärung:</p> <p>„Das Journal „Assemblee nationale“ spricht von einer Verschwörung, welche gegen die Reunion der Rue de Poitiers gerichtet worden. Die Glieder der Reunion hätten ermordet werden sollen. Der Chef der Exeiutivgewalt sei Gegenstand eines Mordversuchs etc. Diese Berichte sind gänzlich falsch. Keine Demonstration hat nicht einmal zu dem Gedanken (pretexte) solcher Thaten berechtigen können.“</p> <p>Das Bankettfieber dehnt sich immer mehr aus. Ein Maueranschlag benachrichtigt heute die Pariser Bevölkerung, daß für den 22. Oktbr. ein großartiges Bankett organisirt wird, in welchem das Kleinbürgerthum (Schenkwirthe, Krämer, Bierbrauer etc.) mit den Arbeitern fraternisiren soll. Flocon steht, wie die Reforme meldet, an der Spitze des diesfälligen Ausschusses. Eintrittspreis 1 Franken. Den Ort werden spätere Assichen bekannt machen.</p> <p>‒ Der Prozeß des bekannten Kommandanten Constantin, eines der wärmste Anhänger der rothen Juni-Republik, beginnt morgen vor dem Kriegsgericht in der Rue du Cherche-midi.</p> <p>‒ Gestern rollte ein neuer Schub Insurgenten nach Harve.</p> <p>‒ Die Regierung soll indeß gestern entschieden haben, die Insurgenten nicht zu deportiren, sondern zu <hi rendition="#g">amnestiren.</hi> Cavaignac warte nur auf den geeigneten Augenblick.</p> <p>‒ Der National prophezeit dem Berliner neuen Ministerium eine Dauer von wenigen Tagen. „Die Majorität, die Beckerath's Programm wenn auch nicht auf langezusammengebracht hätte, wird für das militär-büreaukratische Kabinet von Pfuel's keine Minute lang erzielt werden.“ Weiterer Betrachtungen enthält sich das halboffizielle Blatt noch.</p> <p>‒ Neues Papiergeld! Das ist der Schreck des Journal des Debats, des Rothschildschen Blattes. „Neues Papiergeld ist der Bankrott der ganzen Gesellschaft,“ wird in vier langen Spalten dargethan. Freilich, das neue Papiergeld, welches der Staat zu schaffen gedenkt, würde der Gesellschaft der Rothschilds einen ungeheuern Schlag versetzen. Das fühlt das Blatt Rothschilds dermaßen, daß es der Republik ungewöhnliche Konzessionen zu machen bereit ist, wenn nur kein Papiergeld geschaffen wird. „Die Republik ist eine von allen Fiktionen befreite Regierungsform. Nun ist aber Papiergeld eine Fiktion. Folglich darf die Regierung kein Papiergeld schaffen.“</p> </div> <div xml:id="ar113_026" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Paris.</head> <p>Der Italiener Montucci hat von hier aus einen Aufrauf: „An seine deutschen Brüder“ ergehen lassen, worin er u. A. sagt:</p> <p>„Deutschland und Italien, zwei durch Abstammung, Klima und Gefühle höchst verschiedene, durch Unterdrückung, Verfolgung und Zertheilung aber einander ähnliche Völker, denen das bisher vergebliche Seufzen nach Freiheit zur andern Natur geworden, mußten nothwendig als die ersten Mitstreiter im großen, vom edlen Frankreich begonnenen Kampfe der politischen Rechte der Volker gegen die Anmaßungen absolutistischer Fürstengewalt auftreten. Allein bereits ist man eifrig beflissen, das deutsche Volk von seinen natürlichen Bundesgenossen zu entfernen. Deutschland gegen Italien und Frankreich anzuhetzen, daß ist das Meisterstück welches man durchzusetzen hofft. Wo bliebe denn, so heißt es, d. m Despotismus ein Schutzwinkel, böten sich Frankreich, Deutschland und Italien brüderlich die Hand? Das kann, das darf nicht sein! Drum frisch ans Werk! Jeder alte Groll sei aufgeschürt; Haß, Verdacht und Zwist unter die Völker gesäet; denn so nur kann unbedingte Alleinherrschaft bestehen! Darum, ihr Deutschen, predigt man euch schon vor, daß Rußland und Frankreich sich gegen Deutschland koalisiren… Dergleichen Lügen sind d. s. Absolutismus beste Waffen, nur hoffentlich für unsere Zeit nicht scharf genug.“</p> <p>Der Aufruf schließt mit dem Wunsche der Herstellung der brüderlichen Eintracht zwischen Deutschland und Italien.</p> </div> <div xml:id="ar113_027" type="jArticle"> <head>Straßburg, 22. Sept.</head> <p>Die italienischen Flüchtlinge haben nun alle unsere Gränze verlassen; dagegen mehrt sich die Zahl der Polen wieder, indem dieselben allmälig von der preußischen Gränze wieder zurückkehren. Die Zahl der politischen Verbannten aus den verschiedenen Ländern, welche sich gegenwärtig in Frankreich aufhalten, ist größer als je. ‒ Die Nationalversammlung wird demnächst ein Gesetz in Bezug auf die zu verabreichenden Unterstützungsgelder in Berathung nehmen.</p> <bibl>(Fr. I.)</bibl> </div> </div> <div type="jReadersLetters" n="1"> <div xml:id="ar113_028" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 26. Sept. </head> <p>Die „Elberfelder Zeitung“ (Redakteur: Hr. Rave) enthält in ihrer Kölner Korrespondenz folgende Stelle, zu welcher Name und Charakter des gedachten Blattes die beste Kritik liefern:</p> <p>„Morgen findet hier der zweite Kongreß der Rheinischen Demokraten Statt. Von dem Ersten ist wenig verlautet, nur daß sich die Mitglieder, namentlich Redakteure der Rheinischen Zeitung, nach Beendigung desselben weiblich zerprügelt haben. Diese Redakteure führen jetzt überall das große Wort, sie sind Mitglieder des Sicherheitsausschusses, berufen Volksversammlungen und gebehrden sich überall als das Organ der Kölner Bürgerschaft, als ob sie unsere Stadt wie Christoph den Heiland auf den Schultern trügen. Die Gutgesinnten schütteln den Kopf und meinen: das Spiel wurde nicht lange mehr dauern.</p> </div> <div xml:id="ar113_029" type="jArticle"> <p>Am 18. und 19. Sept. sind viele Opfer gefallen. Von manchen Derer aus dem Burgerstande ist gewiß, daß sie am Kampf unbetheiligt waren. Aber, abgesehen davon, die Weiber und Kinder der Gebliebenen und Gefangenen tragen keinerlei Schuld. Für die Nothleidenden unter Diesen bitte ich um milde Gaben, welche ich berechnen und gewissenhaft vertheilen werde.</p> <p>A. <hi rendition="#g">Rösler</hi> von Oels, Abgeordneter der deutschen Nationalversammlung, schöne Aussicht Nro. 12.</p> </div> <div xml:id="ar113_030" type="jArticle"> <p>Als ich gestern von meiner Arbeit mit meinem Sohne zurückkehrte wurde ich von einem Trupp Soldaten, dem 34. Regimente angehörend, überfallen und mißhandelt. Auf meine Aussage, daß ich Bürger von Köln sei, erwiderten sie: „Nun wohl, so haben wir den rechten Punkt erwischt.“ Mein Sohn wurde von mir gerissen und in die Senke geworfen. Ich weiß nicht, wie ich entkommen bin. Die Mißhandlungen hatten mir alle Besinnung benommen.</p> <p>Köln, den 24. September 1848.</p> <p><hi rendition="#g">Reiner Kleinertz,</hi> Trompeter von der Burgergarde, Heumachergasse Nro. 4.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0561/0003]
*** Zürich, 22. Sept. Während das k. k. Ministerium zu Wien sich in einer Depesche, von welcher Hr. von Kaisersfeld die Tagsatzung in einer Zuschrift vom 16. d. in Kenntniß gesetzt hat, sehr lobend und anerkennend über das Verhalten der Eidgenossenschaft in Bezug auf die Bewahrung ihrer Neutralität in den italienischen Angelegenheiten ausspricht, während dem hört Radetzky nicht auf, Rache gegen den armen Canton Tessin zu schnauben; vergeblich beweist Tessin, unterstützt von den eidgen. Commissarien daß die Beschwerden Radetzkys unbegründet seien, Radetzky kehrt sich daran so wenig, wie an die lobende Anerkennung des Wiener Ministeriums, denn in der Lombardei ist er Herr. Am 15. hat er den Befehl erlassen, daß alle in der Lombardei sich aufhaltenden Tessiner innerhalb 3 Tagen die Lombardei zu verlassen haben, daß alle postalischen und commerziellen Verbindungen mit Tessin aufhören, und daß kein Paß der tessinischen Regierung nach der Lombardei als gültig angesehen werden soll, wenn er nicht mit dem Visum des östreichischen Gesandten versehen ist. Bereits am 18. d. machte das hiesige Oberpostamt das Aufhören der Postverbindung über Tessin bekannt; Briefe nach Italien gehen jetzt über Chur und den Splügen. Diese neue Note Radetzkys wurde von der Tessiner Regierung der Tagsatzung mitgetheilt und langte, spaßhaft genug, gerade in demselben Augenblick an, als jenes Schreiben des Wiener Ministeriums verlesen wurde. Allgemeine Entrüstung sprach sich darüber aus; Genf wollte sofort an Oestreich den Krieg erklären. Es wurde eine Commission niedergesetzt, um darüber Bericht zu erstatten; es versteht sich von selbst, daß die Eidgenossenschaft sich Tessins annehmen muß. Sie ist dabei in ihrem vollen Rechte. Wunderlich aber ist es, daß die Schweiz sich von der französischen Bourgeoisierepublik Alles ruhig gefallen läßt, worüber sie, wenn es von Deutschland her kömmt, vor Wuth außer sich geräth. Welch ein Sturm der Erbitterung brach gegen Deutschland los, als ein Schweizer durch eine tölpelhafte Unterbehörde aus dem Königreich Hannover erwiesen wurde, als die preußische Gesandtschaft in Dresden einen Schweizer das Visum nach Preußen verweigert haben sollte! Es konnte gar nicht bewiesen werden, und die preußische Gesandtschaft stellte es in Abrede. Von Frankreich aber wurden gleich nach der Februarrevolution mehrere Schweizer Arbeiter ausgewiesen; man ließ es sich ruhig gefallen. In letzter Zeit wiederholte sich dieses vielfach, und die französische Gesandtschaft in der Schweiz machte sogar den Ausgewiesenen den Wiedereintritt in Frankreich durch Verweigerung des Paßvisums unmöglich. Kein Wort des Tadels darüber ist in der gesammten Schweizer Presse zu finden. Nur beiläufig wird es hin und wieder bemerkt, daß der Vorort einstweilen wieder die Beglaubigung der Reisepässe ausgewirkt habe, und damit ist man vollkommen zufrieden. Wie die jetzt ins Leben getretene Zollerhöhung in Deutschland, die doch nur durch die Ausfuhrprämien Frankreichs veranlaßt worden ist, aufs neue Erbitterung gegen Deutschland hervorgerufen hat, während man sich die völlige Absperrung Frankreichs gefallen läßt, habe ich Ihnen schon früher geschrieben. ‒ Die Nachwehen und Nachzügeler des Sonderbundskrieges machen der Schweiz noch immer zu schaffen. Die Tagsatzung hatte durch Beschluß vom 4. Febr. d. J. den Stand Luzern eingeladen, gegen die Mitglieder des Sonderbundskriegsrathes, welche fremde Hülfe in Anspruch genommen haben sollten, einen Prozeß wegen Landesverrath anzustellen. Luzern hatte aber aber in seinem eigenen Canton so viel zu thun, daß es längere Zeit nicht zur Ausführung dieses Beschlusses gelangte; es mochte auch wohl nicht gar zu viel Luft dazu haben. Erst vor Kurzem, als die Ultramontanen und Sonderbündler überall wieder so keck und frech auftraten, entschloß es sich, den Prozeß an die Hand zu nehmen; es stellte ein außerordentliches Verhöramt dazu auf, welches jedoch von den übrigen Sonderbundscantonen nicht anerkannt wurde; seinen Vorladungen wurde keine Folge gegeben. Schweiz ersuchte darauf durch Kreisschreiben sämmtliche Stände und darauf die Tagsatzung, diesen Landesverrathsprozeß niederzuschlagen; mit gar schönen und rührenden Worten hieß es, daß man bei Annahme des neuen Bundes im Interesse einer aufrichtigen Versöhnung die Vergangenheit ruhen lassen und nicht so viele Leidenschaften von Neuem aufwecken solle. Das Gesuch wurde indessen von der Tagsatzung sehr ungünstig aufgenommen. Bern bemerkte mit großem Nachdruck, obschon es ohne Instruktion sei, wisse es, was es zu thun habe, da es den angesprochenen Landesverrath in den Sonderbundsakten gesehen habe, und stimme für Nichteintreten; man solle sich durch solche schöne Worte ja nicht täuschen lassen und etwa glauben, daß die neue Verfassung bei diesen Leuten je Eingang finden werde. Das Gesuch wurde bloß von Uri und Unterwalden unterstützt und mit 17 1/2 Stimmen abgewiesen. ‒ Eine tief einschneidende Neuerung scheint sich aus unbedeutendem Anfang in den Urcantonen zu entwickeln, nämlich die Allmenden oder Gemeindeländereien: Diese bilden in den meisten Gemeinden den größten Theil des Acker- und Waidlandes; die Nutznießung derselben kömmt aber fast nur den Magnaten und größeren Bauern zu Gute, indem die Aermeren nur sehr geringe Parzellen, einen kleinen Gemüsegarten u. dgl. erhalten, und von dem Weidelande nur die Besitzer größerer Viehherden erheblichen Vortheil haben. Obgleich die getheilten Ländereien natürlich einen reicheren Ertrag hervorbringen würden, so scheiterte doch der schon öfters ausgesprochene Wunsch einer Theilung immer an dem Widerstande der Bauernaristokratie. Im letzten Monat aber hat die Gemeinde Sarnen (Obwalden) wirklich den Beschluß, die Allmend zu theilen und ihre Alpen zu verpachten, mit Mehrheit durchgesetzt. Die Bauernaristokratie schlug den Rechtsweg ein, gewann in erster Instanz, das Appellationsgericht aber bestätigte die Theilung, die nun so schnell als möglich durchgeführt werden soll. Andere Gemeinden werden ohne Zweifel bald diesem Beispiel folgen. Uebrigens werden die jedem Gemeindesgenossen zufallenden Theile nicht Eigenthum, sondern nur lebenslänglicher Besitz; nach dem Tode des jedesmaligen Besitzers fällt dessen Theil wieder der Corporation anheim und wird von Neuem in's Loos geworfen; Keiner aber darf sein Stück Allmend verpfänden. Damit ist der Anfang gemacht, die Macht der Bauernaristokratie und das ihr anheftende starre und unbewegliche Element zu brechen. ‒ Der Nationalrath und der Ständerath sollen beide am 6. November, vorläufig, bis zur Wahl der neuen Bundesstadt, in Bern eröffnet werden. Sobald sie die neuen Bundesbehörden ernannt haben und diese in Funktion getreten sind, ist die Tagsatzung von selbst aufgelöst; bis dahin wird sie sich nur, wenn ihre laufenden Geschäfte abgethan sind, vertagen. Für die Wahlen zum Nationalrath ist nur festgesetzt, daß sie überall direkt sein müssen; sonst ist es jedem Canton vorläufig überlassen, für die Wahl der auf ihn kommenden Repräsentanten einen oder mehrere Wahlkreise zu bilden. Auf Bern kommen 20 Repräsentarten, auf Zürich 12, Luzern 6, Waadt 9, auf Schwaz, 2, auf Ob- und Nidwalden, Glarus, Zug, Baselstadt, Appenzell J. Rb. je Einen, auf Genf 3 u. s. w.
Italien. Turin, 19. September. Evasio Radice, bisher sardinischer Bevollmächtigter bei der Central-Gewalt zu Frankfurt, hat seine Demission eingereicht, weil er die politische Richtung des jetzigen Ministeriums nicht billigen kann und seine Ehre unbefleckt erhalten wird. Es wird demnach bald ein neuer Abgesandter ernannt werden. Der jüngere Theil der Nationalgarde, 35,000 Mann, werden mobilisirt. Es wird auch in jeder andern Beziehung auf einen neuen Feldzug gerüstet. Aus Mailand lauten die Berichte mit jedem Tage düsterer. Die politischen Hinrichtungen mehren sich dort, wie in andern lombardischen Städten, z. B. in Monza. Gestern wurde die Eisenbahn von hier bis Traffarella probeweise zum ersten Mal befahren.
* Rom, 14. Sept. Folgendes Ministerium ist das neueste; Fabbri hat nebst seinen Kollegen abgedankt. Die Reaktion wurde endlich auch ihm zu arg:
Fornari, Auswärtiges (jetzt päbstl. Gesandter in Paris); Graf Rossi(der bekannte Louis Phielipp'sche Gauner), Inneres und Polizei; Herzog v. Rignano, öffentliche Arbeiten; Righetti, Finanzen; General Zucchi, Krieg; Cicognani, Justiz; Guarini, Handel und Ackerbau.
Turin, 15. Sept. Noch immer schmeichelt man sich in Piemont mit einer Vereinigung der beiden Staaten, ohne die ungeheuer veränderte Stimmung in der Lombardei seit Karl Albert's schimpflichem Rückzug zu bedenken. So wie die Sachen jetzt stehen, halten wir den Wiederausbruch des Kriegs zwischen Oestreich und Italien für unvermeidlich, selbst wenn die übrigen vermittelnden Mächte sich verständigen sollten.
(A. A. Z. ) Neapel, 16. Septbr. Einstweilen darf Ferdinand gegen Sizilien nichts unternehmen, weil Frankreich und England dawider sind. Daß freilich Messina bombardirt und in einen Schutthaufen verwandelt wurde, das duldeten die Geschwader jener beiden „zivilisirten“ Nationen mit völlig kaltem Blute. Jetzt aber, wo ganz Sizilien so gut wie Ein Mann dasteht und Rache zunehmen bereit ist, für die gegen Messina verübten Grausamkeiten und Barbareien: da werden die Regierungen Frankreichs und Englands auf einmal philanthropisch und fordern Suspendirung der Feindselichkeiten an.
Wie sie wissen, zerfallen die Lazzaronis in 2 Parteien: Liberale und Royalisten. Während der in Folge der Parlamentsvertagung ausgebrochenen Unruhen erging von den Ersteren eine Proklamation oder Ansprache an den König, die überall angeklebt aber von den Polizei-Agenten auch an den meisten Orten sogleich wieder abgerissen wurden. Darin heißt es: „Majestät:..... Wir wollen's Ihnen ganz deutlich sagen. Wir verlangen die Konstitution! Sie haben dieselbe gegeben und dürfen sie nicht zurücknehmen, denn wir sind keine Kinder, denen man etwas zur Beschwichtigung hinreicht, um es Ihnen bald wieder abzunehmen, und da Gott uns die Freiheit verlien, so soll sie uns Niemand entreißen. Und mit der Constitution wandeln die Kammern; sie müssen bald wieder eröffnet werden, um unsere Lasten zu erleichtern und die Mißbräuche der Polizeigewalt abzuschaffen. Es gibt eine Nationalgarde; sie muß werden, wie sie früher war. Das Volk verlangt Waffen, um Freiheit und Leben zu vertheidigung. Wir verlangen, daß Sie die Minister und alle jene Mörder in Ihrer Nähe, von welchen Sie betrogen und verrathen worden, entlassen. Mit der Hand müssen Sie es gegriffen haben, daß dieselben Ihnen die Unwahrheit sagen. Diese machen Ihnen glauben, daß das Volk die Konstitution nicht will. Aber es will derselbe. Schaffen Sie diese Leute von sich; denn diese Schurken trinken unser Blut. Kurz Majestät, wir verlangen Gerechtigkeit; und wenn Sie uns dieselbe nicht gewähren, werden wir sie mit eigenen Händen, gleich den Sizilianern, zu erringen wissen. Und damit Basta! Des Redens ist genug; wir werden die Thaten sehen. Aber der Himmel möge Dich vor der Wuth des Volkes schützen. Diese Ansprache ist unterzeichnet: „Jl Popolo Napolitano.“
Nachschrift. Es wird versichert, daß sich die Königlichen der Städte Siracusa und Catania nach höchst blutigem Kampfe bemächtigt haben.
* Florenz, 17. Sept. In Lucca kam es vorgestern, wie uns das „Eco della Matina“ berichtet, zu Unruhen, weil die Bürgergarde zusammenberufen und nach Pisa zu marschiren beordert wurde. Es erschienen überhaupt wenige von der Garde, und das in Massen versammelte Volk widersetzte sich dem Abmarsch derselben. Einige Schüsse wurden abgefeuert; ein Mann verwundet. Das Volk zwang die Nationalgarde, nach Hause zu gehen, und nachdem es sich zum Theil mit Gewehren derselben bewaffnet, zog es nach der Eisenbahn und besetzte den Bahnhof. Hieraus ersieht man, daß die Bevölkerung mit der von Livorno fraternisirt und jede Demonstration gegen letztere zurückweis't. Gegen das Dekret der Deputirtenkammer vom 6. August und gegen die Gesetze vom Ende August, die Uebertragung diktatorialer Gewalt an die Regierung betreffend, laufen von allen Seiten Proteste ein, die meist von Nationalgarden unterzeichnet sind. Die Eisenbahn zwischen Pisa und Livorno ist seit gestern wieder im Gange.
Französische Republik. 12 Paris, 22. Sept. Die konstituirenden Versammlungen, die gegenwärtig in Europa über neue„Konstitutionen“ brüten, werden in ihren weisen und „tiefen Berathungen“ manchmal auf unangenehme Weise gestört. Diese Störungen finden so häufig und mit solcher logischer Konsequenz statt, daß man wohl voraussagen kann: von den Konstitutionen wird keine einzige zu Wege kommen; die Herrn von Frankfurt, Berlin, Paris etc. mühen sich umsonst ab, zu konstituiren und festzustellen, was noch in vollem Fluße ist. Bei dem geringsten Anstoße fällt die angefangene Konstitution über Haufen, und während die konstituirenden Versammlungen allgemeine Phrasen über Politik delibriren und „organische Gesetze“ statuiren, kommt mitten in ihrem Pathos und Ithos ein politischer Stoß, eine unorganische Commotion, die hinlänglich bekundet, was es in jetziger Zeit mit dem Konstituiren für ein Bewandtniß hat. Die Pariser Vereinbarer waren im besten Zuge; wie in Frankfurt delibrirte man in Paris ganz ruhig über Kirche und Schule, über Freiheit des Unterrichts; die Herren des Nationale, welche darüber delibrirten, wähnten sich in aller Sicherheit die Herren der Nation zu sein. Da kamen plötzlich die neuen Wahlen und die Leute werden abermals irre an den Gewählten, am Volke ‒ an der zu konstituirenden Konstitution. Das Journal des Debats und der National gestehen in aller Gutmüthigkeit: Napoleon sei ein x für sie.“ Napoleon ein x! Und die 300,000 Wähler, die ihn gewählt haben, sind dies etwa 300,000 x? Hätte man noch gesagt, daß das, was man in Napoleon hätte wählen wollen, das x war, das Unbekannte war das, was man der bekannten und der voraus schon konstituirten Constitution entgegensetzen wollte! Aber dieses Unbekannte in Napoleon war förmlich bekannt; es ist der Name, das Abenteuer, die Verwegenheit, es ist Alles, ausgenommen den neapoleonischen Adler! Und nur diesen Adler fürchtet man in der ganzen Versammlung, weil dieser Adler die ganze erste Legion auf offenem Platze hat hoch leben lassen, und alle Welt gesungen hat: veillons au salut de l'empire. Das Ministerium ist geschlagen, die Constitutions-Kommission ist durcheinander, und in dieser Stimmung läßt das Ministerium sich ein Vertrauens-Votum abstimmen. Und wer gibt dieses Vertrauens-Votum? Die Kammer, der so eben ein Trotz-Votum gegeben worden. Nicht das Ministerium ist durch die neuen Wahlen in Frage gestellt, sondern die Kammer selbst. Wen hat man in Raspail gewählt? Etwa den Gefangenen in Vincennes? Nein, sondern denjenigen, der am 15. Mai die Constituirende Versammlung und die zukünftige Constitution stürzen wollte. Indem man Cabet und Thoré eine gleiche Stimmenanzahl zuerkannte, wollte man dasselbe, der Bourgeois-Kammer feindselige Element zur Anerkennung bringen. Raspail ist zum Deputirten ernannt und von der Kammer muß jetzt erst die Erlaubniß eingeholt werden zur Untersuchung über den am Stadthause zum Volksreprasentanten prollamirten Gefangenen. Durch diese nöthig gewordene Autorisation wird die bereits begonnene Untersuchung wieder in Frage gestellt, werden die am 15. Mai vorgefallenen Ereignisse wieder einstweilen verläugnet, als ungeschehen dargestellt. In Napoleon tritt der Widerspruch mit der Nationalversammlung noch weit greller hervor. Nicht den Napoleon, den Schweizer, den Ausländer, nicht Napoleon, dessen Wahl noch erst bestritten werden soll in der Nationalversammlung, und den man so gerne ausstoßen möchte, hat das Volk wählen wollen, nein, Napoleon, den Verbannten, den das Volk sich als seinen General, dem General Cavaignac gegenüber ausersehen will, nicht weil Napoleon wirklich General ist, sondern weil er es sein kann, nicht für das, was Napoleon wirklich ist, sondern für das, er sein kann, und weil das Volk eben glaubt, Alles mit ihm machen zu können.
Paris, 24. Sept. Das philippistische Blatt, „Assemblee nationale“, das lügt wie gedruckt, hatte vor einigen Tagen eine fürchterliche Verschwörung entdeckt. Es handele sich nämlich um nichts Geringeres, als die ganze Clique in der Rue de Poitiers in die Luft zu sprengen, oder jedes einzelne Glied zu ermorden. Der Plan klang so fürchterlich, daß man ihn wahrscheinlich in Rußland fabrizirt haben mochte. Heute enthält der „Moniteur“ folgende Erklärung:
„Das Journal „Assemblee nationale“ spricht von einer Verschwörung, welche gegen die Reunion der Rue de Poitiers gerichtet worden. Die Glieder der Reunion hätten ermordet werden sollen. Der Chef der Exeiutivgewalt sei Gegenstand eines Mordversuchs etc. Diese Berichte sind gänzlich falsch. Keine Demonstration hat nicht einmal zu dem Gedanken (pretexte) solcher Thaten berechtigen können.“
Das Bankettfieber dehnt sich immer mehr aus. Ein Maueranschlag benachrichtigt heute die Pariser Bevölkerung, daß für den 22. Oktbr. ein großartiges Bankett organisirt wird, in welchem das Kleinbürgerthum (Schenkwirthe, Krämer, Bierbrauer etc.) mit den Arbeitern fraternisiren soll. Flocon steht, wie die Reforme meldet, an der Spitze des diesfälligen Ausschusses. Eintrittspreis 1 Franken. Den Ort werden spätere Assichen bekannt machen.
‒ Der Prozeß des bekannten Kommandanten Constantin, eines der wärmste Anhänger der rothen Juni-Republik, beginnt morgen vor dem Kriegsgericht in der Rue du Cherche-midi.
‒ Gestern rollte ein neuer Schub Insurgenten nach Harve.
‒ Die Regierung soll indeß gestern entschieden haben, die Insurgenten nicht zu deportiren, sondern zu amnestiren. Cavaignac warte nur auf den geeigneten Augenblick.
‒ Der National prophezeit dem Berliner neuen Ministerium eine Dauer von wenigen Tagen. „Die Majorität, die Beckerath's Programm wenn auch nicht auf langezusammengebracht hätte, wird für das militär-büreaukratische Kabinet von Pfuel's keine Minute lang erzielt werden.“ Weiterer Betrachtungen enthält sich das halboffizielle Blatt noch.
‒ Neues Papiergeld! Das ist der Schreck des Journal des Debats, des Rothschildschen Blattes. „Neues Papiergeld ist der Bankrott der ganzen Gesellschaft,“ wird in vier langen Spalten dargethan. Freilich, das neue Papiergeld, welches der Staat zu schaffen gedenkt, würde der Gesellschaft der Rothschilds einen ungeheuern Schlag versetzen. Das fühlt das Blatt Rothschilds dermaßen, daß es der Republik ungewöhnliche Konzessionen zu machen bereit ist, wenn nur kein Papiergeld geschaffen wird. „Die Republik ist eine von allen Fiktionen befreite Regierungsform. Nun ist aber Papiergeld eine Fiktion. Folglich darf die Regierung kein Papiergeld schaffen.“
* Paris. Der Italiener Montucci hat von hier aus einen Aufrauf: „An seine deutschen Brüder“ ergehen lassen, worin er u. A. sagt:
„Deutschland und Italien, zwei durch Abstammung, Klima und Gefühle höchst verschiedene, durch Unterdrückung, Verfolgung und Zertheilung aber einander ähnliche Völker, denen das bisher vergebliche Seufzen nach Freiheit zur andern Natur geworden, mußten nothwendig als die ersten Mitstreiter im großen, vom edlen Frankreich begonnenen Kampfe der politischen Rechte der Volker gegen die Anmaßungen absolutistischer Fürstengewalt auftreten. Allein bereits ist man eifrig beflissen, das deutsche Volk von seinen natürlichen Bundesgenossen zu entfernen. Deutschland gegen Italien und Frankreich anzuhetzen, daß ist das Meisterstück welches man durchzusetzen hofft. Wo bliebe denn, so heißt es, d. m Despotismus ein Schutzwinkel, böten sich Frankreich, Deutschland und Italien brüderlich die Hand? Das kann, das darf nicht sein! Drum frisch ans Werk! Jeder alte Groll sei aufgeschürt; Haß, Verdacht und Zwist unter die Völker gesäet; denn so nur kann unbedingte Alleinherrschaft bestehen! Darum, ihr Deutschen, predigt man euch schon vor, daß Rußland und Frankreich sich gegen Deutschland koalisiren… Dergleichen Lügen sind d. s. Absolutismus beste Waffen, nur hoffentlich für unsere Zeit nicht scharf genug.“
Der Aufruf schließt mit dem Wunsche der Herstellung der brüderlichen Eintracht zwischen Deutschland und Italien.
Straßburg, 22. Sept. Die italienischen Flüchtlinge haben nun alle unsere Gränze verlassen; dagegen mehrt sich die Zahl der Polen wieder, indem dieselben allmälig von der preußischen Gränze wieder zurückkehren. Die Zahl der politischen Verbannten aus den verschiedenen Ländern, welche sich gegenwärtig in Frankreich aufhalten, ist größer als je. ‒ Die Nationalversammlung wird demnächst ein Gesetz in Bezug auf die zu verabreichenden Unterstützungsgelder in Berathung nehmen.
(Fr. I.) * Köln, 26. Sept. Die „Elberfelder Zeitung“ (Redakteur: Hr. Rave) enthält in ihrer Kölner Korrespondenz folgende Stelle, zu welcher Name und Charakter des gedachten Blattes die beste Kritik liefern:
„Morgen findet hier der zweite Kongreß der Rheinischen Demokraten Statt. Von dem Ersten ist wenig verlautet, nur daß sich die Mitglieder, namentlich Redakteure der Rheinischen Zeitung, nach Beendigung desselben weiblich zerprügelt haben. Diese Redakteure führen jetzt überall das große Wort, sie sind Mitglieder des Sicherheitsausschusses, berufen Volksversammlungen und gebehrden sich überall als das Organ der Kölner Bürgerschaft, als ob sie unsere Stadt wie Christoph den Heiland auf den Schultern trügen. Die Gutgesinnten schütteln den Kopf und meinen: das Spiel wurde nicht lange mehr dauern.
Am 18. und 19. Sept. sind viele Opfer gefallen. Von manchen Derer aus dem Burgerstande ist gewiß, daß sie am Kampf unbetheiligt waren. Aber, abgesehen davon, die Weiber und Kinder der Gebliebenen und Gefangenen tragen keinerlei Schuld. Für die Nothleidenden unter Diesen bitte ich um milde Gaben, welche ich berechnen und gewissenhaft vertheilen werde.
A. Rösler von Oels, Abgeordneter der deutschen Nationalversammlung, schöne Aussicht Nro. 12.
Als ich gestern von meiner Arbeit mit meinem Sohne zurückkehrte wurde ich von einem Trupp Soldaten, dem 34. Regimente angehörend, überfallen und mißhandelt. Auf meine Aussage, daß ich Bürger von Köln sei, erwiderten sie: „Nun wohl, so haben wir den rechten Punkt erwischt.“ Mein Sohn wurde von mir gerissen und in die Senke geworfen. Ich weiß nicht, wie ich entkommen bin. Die Mißhandlungen hatten mir alle Besinnung benommen.
Köln, den 24. September 1848.
Reiner Kleinertz, Trompeter von der Burgergarde, Heumachergasse Nro. 4.
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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