Neue Rheinische Zeitung. Nr. 190. Köln, 9. Januar 1849.von der Ermordung eines "der würdigsten Männer, eines Ministers, der sein ganzes Zutrauen hatte und verdiente." Der tückische und reaktionäre Rossi bildete die praktische Ergänzung zu dem Manne des "guten Willens". Der Papst protestirt schließlich gegen alle Akte, welche die Regierungs-Junta vollstrecken würde. Leider stützt sich sein Protest auf den "bösen Willen" der Oestreicher und Franzosen. Mailand, 28. Dez. Eine außerordentliche Kriegssteuer von 4,338,293 Lire ist der Provinz Mailand auferlegt worden, sie muß bis Ende Frebruars entrichtet sein, und ist theils zum Unterhalt der Truppen, theils zur Entschädigung der Offiziere und Beamten der frühern Garnison bestimmt, welche während der Revolution ihre Effekten verloren hatten. -- Die Eröffnung der Scala fand am 26. Dezember statt, das herrliche Theater bot jedoch einen traurigen Anblick dar, indem die Logen leer, ja sogar ganz verhängt waren; dieser Anblick wurde noch düsterer, als sogar Fledermäuse in den weiten Räumen herumschwirrten. Die Nachricht, daß der Belagerungszustand der Stadt aufgehoben sei, ist unrichtig, vielmehr wurden die Bewohner, da wieder politische Demonstrationen hätten stattfinden sollen (ein Corso mit Calabreser Hüten und rothen Halsbinden, dann Wegwerfung von Cigarren), wiederholt darauf aufmerksam gemacht, daß nicht die Stadt Mailand allein, sondern die ganze Provinz im Belagerungszustand sich befinde. (A. Z.) * Turin, 30. Dez. Alle Postverbindung zwischen der Lombardei und Piemont (Sardinien und Oestreich) ist abgebrochen. Die Schnellpost zwischen Genua und Mailand mußte nach Genua zurückkehren, weil sie von den Oestreichern nicht durchgelassen wurde. Der Krieg gegen Oestreich ist so gut als entschieden. Karl Albert besichtigt bereits auf einer Rundreise sämmtliche Felddienstfähige Truppen. Das hiesige demokratische Ministerium Gioberti hat übrigens völlig freie Hand, die Kammern sind seit vorgestern aufgelöst und neue Wahlen ausgeschrieben, welche hoffentlich im ganz freisinnigen Charakter ausfallen werden. * Florenz. Die Kammern sind für den 10. Januar einberufen. * Rom, 28. Dez. Die Kammern sind aufgelöst. Junta und Ministerium handeln vollständig einig. Nach dem vorgestern der Deputirtenkammer vorgelegten Gesetzentwurf für die Berufung der Constituante werden die Wahlkollegien in sämmtlichen römischen Staaten auf den 21. Januar zusammenberufen. Die Wahl wird zur Grundlage die Bevölkerung haben. Die Zahl der Abgeordneten wird 200 sein. Das Stimmrecht ist direkt und allgemein. Wählbar ist jeder Wähler, der 25 Jahre alt ist. Niemand kann zum Abgeordneten ernannt werden, wenn er nicht wenigstens 500 Stimmen erhält. Die Abgeordneten erhalten eine Vergütung von 2 Scudi pro Tag. Die Versammlung soll am 5. Febr. zu Rom eröffnet werden. * Modena, 26. Dez. Es haben hier heute ziemlich ernsthafte Unruhen stattgefundrn. Ein Korporal arretirte einen jungen Mann weil er ein dreifarbiges Halstuch trug, das Volk schlug sich ins Mittel, und ohne das energische Einschreiten der Nationalgarde würde der Korporal schwerlich mit dem Leben davon gekommen sein. Als sie sich der Sache annahm, hatte ein Regiment Ungarn den Bedrohten schon zweimal mit der größten Mühe der wüthenden Menge entrissen. Die Plätze sind mit Truppen bedeckt, und die Stadt befindet sich wie im Belagerungszustande. 68 Neapel, 25. Dez. Die englisch-französische Intervention nimmt ein klägliches Ende. In einer Note des Fürsten Cariati an Herrn Temple weis't Neapel das Ultimatum der beiden intervenirenden Mächte entschieden zurück. Bis jetzt haben weder Herr Temple noch Herr Rayneval darauf geantwortet, sondern dem Vernehmen nach an ihre resp. Regierungen um nähere Verhaltungsregeln geschrieben. Jetzt mischen Spanien und namentlich Rußland sich in die sizilianische Angelegenheit. Der Kaiser von Rußland hat dem neapolitanischen Kabinet wiederholt seine feste Absicht an den Tag gelegt, es zu unterstützen, wenn man es in seinen Handlungen irgendwie beschränken wollte. Eine neue Expedition nach Sizilien soll vor der Thür sein. Französische Republik. 12 Paris, 6. Jan. Die Nationalversammlung und das Ministerium sind wie Katzen und Hunde. Die Deputirten stehn den Ministern, die Minister den Deputirten im Wege. Die Minister sagen: Ihr seht, wir können mit Euch keinen Schritt weiter kommen; alle Eure Gesetzesvorschläge müssen wir umändern; warum geht ihr nicht auseinander? Wollt Ihr warten, bis Ihr auseinander getrieben werdet? Die Deputirten sagen: Wir wissen recht gut, daß Ihr uns gerne los sein möchtet. Aber wisset Ihr denn nicht, daß wir dieselbe Berechtigung haben zu existiren, wie Ihr? Wir haben die Konstitution, die Konstitution hat den Präsidenten, und der Präsident hat Euch geschaffen. Also sind wir Eure Mutter. -- Was schert uns die Mutter? Die Mutter quält uns; wir halten es mit dem Vater; wir sind dieselbe Person, wie der Vater: 6 Millionen und Napoleon oben drein! Könnt Ihr eine gleiche Berechtigung aufweisen wie wir? Die Revolution! antwortet die Mutter! Napoleon! antwortet der Vater. Reaktion schreien Vater und Mutter. Mutter und Vater liegen sich in den Haaren. Die armen Kinder! Was soll aus ihnen werden? Der ganze Streit in der heutigen Deputirtenkammer hat keine andere Bedeutung. Das Gesetz über das Unterrichtswesen gehört bekanntlich zu den organischen Gesetzen; d. h. die konstituirende Versammlung sollte nicht eher auseinandergehn, als bis dieser Gegenstand durch ein Gesetz geordnet ist. Ein früherer Minister, Carnot, hatte bereits einen Gesetzesvorschlag der Kammer vorgelegt, und die Kammer hatte aus ihrer Mitte eine eigene Kommission zur Berathung ernannt. Herr Falloux, der jetzige Minister des Unterrichtswesens, nimmt diesen Gesetzentwurf zurück, und ernennt eine Kommission außerhalb der Deputirtenkammer; Kommission, die, wie man aus den persönlichen Neigungen des Herrn Falloux schon allein abnehmen konnte, aus lauter katholischen und reaktionären Elementen besteht. Barthelemy Saint Hilaire, Berichterstatter der alten Kommission, beklagt sich, daß man der parlamentarischen Kommission gegenüber eine exparlamentarische ernannt habe, deren Zweck kein anderer sein könne, als das Parlament zu umgehen. Reppelin spricht in demselben Sinne. Man will der Kammer das Recht, über ein organisches Gesetz zu bestimmen, entziehen, um sie früher auflösen zu können. Odilon-Barrot will vermittelnd auftreten und verwirrt die Sachen, indem er von der großen Manifestation eines Volkswillens spricht, der sich in 6 Millionen Stimmen kund gegeben habe. Wenn Odilon-Barrot von den 6 Millionen Stimmen spricht, so klingt es gerade so, als wenn diese 6 Millionen nicht den Napoleon, sondern den Odilon-Barrot erwählt hätten; oder richtiger, daß Napoleon nur Mittel zum Zweck, und Napoleon erwählt worden sei, um Barrot wieder zu Ehren zu bringen. Und nun ermahnt Barrot die Kammer zur Eintracht im wahrhaft väterlichen Sinne: Vater und Mutter dürften sich nicht zanken. Der Vater ist natürlich Barrot -- nun aber tritt Dupont de Bussac auf und frägt: Wer ist Vater hier? In andern Worten: er unterscheidet den Präsidenten der Republik von dem Präsidenten des Ministeriums, und er gibt zu, daß beide, Kammer und Napoleon, Ausflüsse des Volkswillens und folglich gleich berechtigt seien. Aber was hat das Ministerium mit den beiden Ausflüssen zu schaffen? Wie darf das Ministerium eine Kommission außerhalb der Kammer erwählen, für die Ausarbeitung eines Gesetzes, welches als organisches Gesetz der konstituirenden Versammlung angehört? Nun weiß man, daß Dupont de Bussac ein Napoleonist im weitesten Sinne des Wortes ist; und um Napoleon von seinem Ministerium zu trennen, thut er, als wolle er vorläufig Napoleon und die Kammer vereinbaren. Vater ist gut, und Mutter ist gut; was nicht taugt, das ist das, was dazwischen liegt. Das Ministerium Odilon-Barrot ist ein Kuppler, der ebenso geneigt ist, dem Vater andere Weiber zuzuführen, wie er sich schon bewogen gefunden hat, der Mutter einen andern Vater zu geben. Vater und Mutter liegen sich in den Haaren und der Kuppler Barrot kann den Frieden nicht herstellen, sowenig als Dupont. Die Proletarier schauen mit Freude dem Zanke zwischen ihren Stiefeltern zu und denken: Was soll uns Vater? Was soll uns Mutter? Unsere Mutter ist eine Prostituirte, unser Vater ist ein Stier; mögen sie jetzt den Streit unter sich ausmachen; uns ist wenigstens Ruhe vergönnt. Solange Cavaignac unser Vater war, und die Mutter mit ihm in süßer Eintracht lebte, da hatten wir Kinder viel zu leiden. Jetzt, wo wir der Mutter ein Leides zugefügt, und ihr einen Stieren aufgedrungen, möge sie sehn, wie sie fertig wird, mit dem Stiere und mit Cavaignac. Uns ist Ruhe vergönnt. Was den Stier der Republik selbst anbetrifft, so bestätigen sich unsere Aussagen tagtäglich mehr. Er hat beständig wie ein Ochse gehandelt und ist auch als solcher beständig behandelt und neuerdings erwählt worden. Nach der Straßburger Geschichte konnte Louis Philipp nicht mehr schlafen: er fürchtete eine Erneuerung der Geschichte der Herzogin von Berry. Und wie Thiers schon einmal seinen Herrn und Meister von der Herzogin befreit hatte, indem er zwei Fliegen in einem Schlage fing, d. h. indem er die Herzogin in sichern Gewahrsam verlockte, mit der Frucht, welche sie in ihrem Schooße trug, so erneuerte Thiers damals sein Meisterstück, indem er Louis Napoleon verlockte, die Straßburger Geschichte in Boulogne zu wiederholen, um sie vor ihrer Reise zum Ausbruche zu bringen, um seinem Herrn Louis Philipp wieder die Ruhe zu verschaffen. Thiers, der Minister, hatte damals zu seinem Vertrauten den Hrn. v. Malleville, Direktor in seinem Ministerium. Beide haben durch ihre Agenten in London den Conspirator Napoleon zu der bekannten Expedition in Boulogne völlig provozirt. Das Weitere ist bekannt. Kaum war aber Malleville Minister unter Napoleon geworden, so schrieb Panis, Direktor an der Polizei-Präfektur, und von Malleville abgesetzt, an den Präsidenten der Republik, um ihm Kundschaft zu geben von einem gewissen Karton, der im Ministerium des Innern aufbewahrt würde, und der ihm wichtige Aufschlüsse verschaffen könnte über die Expedition von Boulogne. Man sieht nun aber, welches ungemeine Interesse Thiers haben mußte, einen von seinen Vertrauten und Mitschuldigen in das Ministerium Napoleons einzuführen. Thiers schien durch seine Agenten in London dermaßen gut manövrirt zu haben, daß er Napoleons ganzes Zutrauen erworben. Unter den Papieren, die man nach der Boulogner Geschichte entdeckte, fand sich ein Verzeichniß von Namen, wo der Ochse seinen Verräther zum ersten Minister eingesetzt hatte. Und Thiers hatte die ganze Zeit über dieses Vertrauen nicht verloren. Und der Ochse wollte selbst nach seiner Wahl zum Präsidenten immer noch Thiers zum Minister haben. Und Thiers war wirklich Minister geworden unter der Firma Malleville's. Und Barrot's Ehrlichkeit mußte der Deckmantel werden dieser ganzen diplomatischen Spitzbuberei. Der Austritt Mallevilles, der Brief Napoleons, der scheinbare Vorwand von Absetzung und Ernennung neuer Präfekten, der ehrliche Rücken Barrots mußte für Alles hinhalten. Und glaubt man vielleicht, daß jetzt Napoleon los sei von Thiers? Nein; er hängt noch mit ihm zusammen durch ein -- Weib; dasselbe Weib, dessen Thiers sich damals als Agentin in London bediente, vor der Boulogner Expedition. Doch das ist noch nicht Alles. Das Blatt, welches es vielleicht am treusten mit Napoleon meint, ist ohne Zweifel "la Liberte" von Dumas redigirt. Napoleon ist der eigentliche Mann des Hrn. Dumas. Es ist sein Monte-Christo. Und nun kommt Thiers, und will ihm seinen Helden Napoleon streitig machen, um aus ihm wieder einen "roi a l'engrais" zu machen: einen König oder Präsidenten, der auf seinem Throne sitzen sollte, wie ein Ochs im Stalle, d. h. der, durch die Verantwortlichkeit seiner Minister vollkommen bedekt, keine andere Bestimmung hätte, als gemästet zu werden. Nein, nein! die Liberte hat Recht! Louis Napoleon ist kein unverantwortlicher König a l'engrais; Louis Napoleon darf keinem Thiers anheimfallen. Louis Napoleon gehört ganz dem Dumas an; er ist der Romanenwelt verfallen; und Dumas mag aus ihm machen, was er will: einen Sultan, einen Kaiser und gar einen Apis!! In Dumas hat er seinen besten Minister, seinen besten Effendi gefunden. Wer könnte ihm besser zur Seite stehen als Dumas in der Wahl seiner Livres, seines Kostüms und seiner Pferde? Glück auf! Während das Proletariat drohend sein Haupt erhebt, während die Bourgeoisie rathloser steht als je, halten Napoleon und Dumas großen Rath über Toilette und schmiedet Odilon-Barrot große Pläne für die Vereinbarung? Indessen gehen Minister, Kammer und Präsident immer rascher ihrem Untergange entgegen. Die Kammer tritt gegen das Ministerium revolutionär auf. Dem Unterrichtsminister Falloux zum Trotze sehen wir, daß die Majorität der Kommissarien, welche das Gesetz über das Unterrichtswesen vorbereiten sollen, aus Männern besteht, welche in direkter Opposition mit Hrn. Falloux stehen. Ein gleiches Bewandniß hat es mit der Wahl der neuen Vicepräsidenten und Sekretäre der Kammer. Sogar die Ausschließung Bixios, Republikaner vom Vorabend, der sonst nie unter den Vicepräsidenten fehlte, ist bloß eine Bestrafung für die Annahme eines Minister-Portefeuille. Aber was bedeutet dieses revolutionäre Auftreten einer schwachen Bourgeoiskammer gegen ein Ministerium, welches Barrot an seiner Spitze hat? Die Verhältnisse sind wieder so loose geworden, die drei Gewalten haben so ganz ihre Gewalt verloren, daß selbst aus der Art und Weise, wie sie sich ihre Gewalt streitig machen, ihre Ohnmacht hervorgeht. Die offizielle Welt ist erschöpft und Napoleon hat selbst den letzten Glanz -- seinen Namen verloren. Kein Mensch spricht mehr von ihm. Vater und Mutter liegen sich in den Haaren, und die Kinder thun, was sie wollen. Sonntag erscheint ein neues Journal unter dem Namen: travail affranchi. Die Herren Vidal, Vincard, Tourrenel und Viktor Meunier werden als Redaktoren genannt. Vom Departement der Seine und Marne ist eine Proposition angelangt, welche auf die Auflösung der Kammer dringt. Aehnliche Propositionen sind von allen Seiten zu erwarten. Marrast soll vom Präsidenten Napoleon eingeladen worden sein, ein neues Ministerium zu bilden. Die franz. Regierung hat deßhalb Lagrenee nach Brüssel gesandt, um dem Gerüchte vorzubeugen, als sei der Kongreß von Brüssel vereitelt. Paris, 6. Januar. Sarrut hat heute das Ministerium wegen Malleville's Austritt aus dem Ministerium zur Rede gestellt. Tumultuarische Sitzung. -- Die Ankunft eines Kardinals in Olmütz beunruhigt das hiesige Kabinet. Man will wissen, daß der Papst heimlich durch ihn um Intervention antragen lasse. In Folge dieser Eröffnungen hat das hiesige Kabinet an die betreffenden Höfe Kuriere gesandt, um jede Intervention zu hintertreiben, die nicht im Verein mit der französischen Republik geschähe. Auch die Marschgelüste des Hrn. Wrangel nach den Rheingegenden geben hier zu allerlei für Preußen eben nicht günstigen Betrachtungen Veranlassung. -- Die Herren Thiers und Mole, seit dem 24. Februar die besten Freunde, speisten gestern Abend an der Tafel des Präsidenten Bonaparte. Nach der Tafel hatten die hiesigen Engländer (Zeitungskorrespondenten und sonstige Gentlemen) die Ehre, Sr. kaiserl. Majestät vorgestellt zu werden. -- Barrot wird sein Justizportefeuille und seine Conseil-Vizepräsidentschaft niederlegen und wahr[s]cheinlich durch Mole ersetzt werden. "Sonderbares Zusammentreffen! ruft Ledru Rollin's "Revolution" zu dieser Nachricht aus. So wären wir denn verdammt, die Stufenleiter der Februarrevolution noch einmal rückwärts durchzumachen? Barrot war der letzte Mann, den Louis Philipp rufen ließ und in dem Augenblick, wo er sein Kabinet bildete, proklamirte man die Republik in den Straßen. Man begreift, daß dieser todtgeborne Februarminister doch zu abgelebt sei und man wendet sich jetzt zu jenem Manne, den Louis Philipp benutzte, ehe er den Barrot rufen ließ. Mole war der nächste Erbe des Guizot'schen Nachlasses. Wir sind heute wieder am 24. Februar; morgen rücken wir in den 23. Februar und es wird nicht lange dauern, so sehen wir den Verräther von Gent wieder am Ruder. Die Reaktion marschirt so geschwind, daß sich die Männer der Revolution eines Tages unvermuthet wieder gezwungen sehen werden, die Zügel der Regierung zu übernehmen." -- Louis Napoleon Bonaparte empfing gestern in seinem Präsidentschaftshotel eine Polnische Deputation. General Rybinski stellte dem Präsidenten die Stabsoffiziere und sonstigen Würdenträger der Revolutionsarmee vor, die sich unter der Deputation befanden und unter denen wir besonders den General Sierawski und den Obersten Zalewski erkannten, der 15 Jahre auf Kuffstein saß. Olizar, Glied des polnischen Senats, stellte dem Präsidenten die Glieder der ehemaligen polnischen Kammer vor, die sich in der Deputation befanden. Mickiewicz, der bekannte dichterische Theologe, hielt die Anrede, welche ungefähr also lautet: "Herr Präsident der französischen Republik! Gott hat, indem er Sie durch die Stimmen des Volks zum ersten Beamten einer großen Nation berief, der Welt die Macht der Nationalgefühle enthüllt. Diese Gefühle beginnen bereits die künstlichen Kombinationen individueller oder einseitiger Parteipolitik zu beherrschen. Ihre Popularität, Ausdruck der Volkshoffnungen in die Zukunft und der volksthümlichen Verehrung wahrer Größe der Vergangenheit, welche den Fortschritt darstellt, der stets in den Wünschen eines Volkes bleiben wird, sowie die Idee der öffentlichen Ordnung, welche stets die Grundlage des Wohlstandes einer großen Nation war, ist und sein wird: diese Popularität bringt der Regierung des Landes neue Kraft. Sie haben diese neue Kraft dem Dienste der Republik geweiht. Es wird von der Republik abhängen, die Thätigkeit dieser neuen Kraft so weit auszudehnen, als sich die volksthümlichen Sympathien für Alles erstrecken, was die Napoleonische Epoche wirklich Heroisches und die französische Revolution wirklich Progressives boten. Die moralischen Gränzen dieser volksthümlichen Sympathien bleiben dem Berechnungsgeiste der gewöhnlichen Politiker unerreichbar: Gott allein kennt die Mysterien, welche sich in den Seelen der Völker bewegen. Der reine Geist erräth und der Heldenmuth bekundet sie, indem er die Idee der Zeit realisirt. Wir sprechen in der Ueberzeugung zu Ihnen, daß wir die Meinung des polnischen Volkes und vieler Millionen unserer slavischen Brüder vertreten. Wir wollen unsere Geister zum Allerhöchsten erheben und ihn bitten, daß er sie in Erfüllung Ihres Amtes segnen möge, das eben so unermeßlich ist als die Kraft, welche Ihnen das moralische Gefühl des französischen Volkes und aller mit ihm verbündeten Völker verleiht. Louis Napoleon! Möge der Geist des Helden, dessen Namen Sie tragen, Sie in Ihren Inspirationen leiten!" Auf diese Anrede antwortete der Präsident ziemlich unzusammenhängend, daß sie ihm beweise, wie richtig die Polen seine Stellung auffaßten. "Franzose vor Allem, sagte er, vereinige ich mich mit Frankreich in seinen lebhaften Sympathieen für Polen, und wünsche, daß diese Sympathie von allen Völkern getheilt werden möge." Dann wandte er sich an einzelne Glieder und erkundigte sich nach den Gründen, welche die politischen Parteien der Emigration spalte, sowie nach den materiellen Bedürfnissen der Flüchtlinge. -- Die berüchtigte Mobilgarde (Bouchers de Cavaignac) soll von 24 auf 12 Bataillone reduzirt werden, und von jetzt an nur ebensoviele Löhnung beziehen als die Linie. -- Im Justizausschuß gab Jouin's Antrag auf Abschaffung der Gesetze vom 10. April 1832 und 26. Mai 1848 (rücksichtlich der Verbannung der ehemaligen Herrscher Frankreichs) zu stürmischer Debatte Veranlassung. Emil Leroux, Cremieux, Debruel etc. verheidigten den Antrag, weil man aller Welt die Thore der Republik öffnen müsse, (und wohl auch aus andern Gründen) während ihn Detours als gefährlich schilderte. Leroux hat Bericht abzustatten. -- Nach den Batignolles marschiren so eben (1 Uhr) starke Truppenabtheilungen ab, um einige widerspenstige Weinhändler zur Ordnung zu bringen, die von den Steuerbeamten ihre Keller nicht durchsuchen lassen wollen. Die provisorische Regierung schaffte bekanntlich diese gehässige Kontrolle ab, sie wurde aber von Herrn Cavaignac wiederhergestellt. Allmählig wird sich auch die neue Regierung den Haß des Kleinbürgerthums zuziehen. -- National-Versammlung. Sitzung vom 6. Januar. Vicepräsident Havin eröffnet die Sitzung um 2 1/2 Uhr. Die Hoffnung, über die Straßburger, Boulogner und Londoner Irrfahrten des Prinzen Louis Bonaparte einigen Scandal zu hören, wie dies ein Brief Sarruts in der "Liberte" von heute Morgen durchblicken ließ, lockte wieder viele Neugierige in die Galerien. Das Protokoll wird vorgelesen und genehmigt. Eine bedeutende Zahl von Deputirten verlangt Urlaub. (Bewilligt). Die Versammlung nimmt die Gefängnißarbeitsfrage wieder auf. Die Debatte war beim Artikel 2 des Gesetzentwurfs stehen geblieben, der im Gegensatze zur provisorischen Regierung die Arbeit mit der Bedingung in den Gefängnissen wieder einführt, daß sich die Gefängnißdirektionen wegen des Absatzes der Produkte an die Handelskammern der betreffenden Städte wenden. De Rance erhebt sich gegen diese Beschränkung der Staatsgewalt. Er gibt dem Plane Senards, welcher die Produkte der Staatskonsumtion vorbehält, den Vorzug. Dablaux findet die Klagen der Privatindustrie keineswegs übertrieben und fürchtet, der Gesetzentwurf werde diejenigen Industrieherren in bedeutende Verluste setzen, welche mit Gefängnißdirektoren Verträge abschlossen. Jedenfalls müsse man diese Verträge treulich erfüllen. Bouchez: Das gehöre in den Artikel 6 und man stehe noch im Art. 2. Stourm räth den Artikel und den ganzen Entwurf anzunehmen. Er verliert sich in lange ökonomische Betrachtungen. Roux Carbonnel und Senard vertheidigen Jeder ihre Entwürfe. Nach Senard beginnen die lang ersehnten Interpellationen wegen Straßburg und Boulogne. Maleville betritt die Bühne und refütirt den Brief in der Liberte. (Siehe oben). Maleville entschuldigt sich zuvörderst, daß er den Lauf der Verhandlungen durch eine Interpellation störe. Seit längerer Zeit, fährt er fort, brachten die Journale Mittheilungen, welche nicht mehr oder minder verdeckt anklagen, öffentliche Papiere unterschlagen oder sonstwie bei gewissen Unternehmungen betheiligt zu haben. So lange diese Mittheilungen von Privatorganen ausgingen, hielt ich sie nicht der Widerlegung werth. Heute Vormittag aber bringt die Liberte einen Brief von unserem Kollegen Ger- von der Ermordung eines „der würdigsten Männer, eines Ministers, der sein ganzes Zutrauen hatte und verdiente.“ Der tückische und reaktionäre Rossi bildete die praktische Ergänzung zu dem Manne des „guten Willens“. Der Papst protestirt schließlich gegen alle Akte, welche die Regierungs-Junta vollstrecken würde. Leider stützt sich sein Protest auf den „bösen Willen“ der Oestreicher und Franzosen. Mailand, 28. Dez. Eine außerordentliche Kriegssteuer von 4,338,293 Lire ist der Provinz Mailand auferlegt worden, sie muß bis Ende Frebruars entrichtet sein, und ist theils zum Unterhalt der Truppen, theils zur Entschädigung der Offiziere und Beamten der frühern Garnison bestimmt, welche während der Revolution ihre Effekten verloren hatten. — Die Eröffnung der Scala fand am 26. Dezember statt, das herrliche Theater bot jedoch einen traurigen Anblick dar, indem die Logen leer, ja sogar ganz verhängt waren; dieser Anblick wurde noch düsterer, als sogar Fledermäuse in den weiten Räumen herumschwirrten. Die Nachricht, daß der Belagerungszustand der Stadt aufgehoben sei, ist unrichtig, vielmehr wurden die Bewohner, da wieder politische Demonstrationen hätten stattfinden sollen (ein Corso mit Calabreser Hüten und rothen Halsbinden, dann Wegwerfung von Cigarren), wiederholt darauf aufmerksam gemacht, daß nicht die Stadt Mailand allein, sondern die ganze Provinz im Belagerungszustand sich befinde. (A. Z.) * Turin, 30. Dez. Alle Postverbindung zwischen der Lombardei und Piemont (Sardinien und Oestreich) ist abgebrochen. Die Schnellpost zwischen Genua und Mailand mußte nach Genua zurückkehren, weil sie von den Oestreichern nicht durchgelassen wurde. Der Krieg gegen Oestreich ist so gut als entschieden. Karl Albert besichtigt bereits auf einer Rundreise sämmtliche Felddienstfähige Truppen. Das hiesige demokratische Ministerium Gioberti hat übrigens völlig freie Hand, die Kammern sind seit vorgestern aufgelöst und neue Wahlen ausgeschrieben, welche hoffentlich im ganz freisinnigen Charakter ausfallen werden. * Florenz. Die Kammern sind für den 10. Januar einberufen. * Rom, 28. Dez. Die Kammern sind aufgelöst. Junta und Ministerium handeln vollständig einig. Nach dem vorgestern der Deputirtenkammer vorgelegten Gesetzentwurf für die Berufung der Constituante werden die Wahlkollegien in sämmtlichen römischen Staaten auf den 21. Januar zusammenberufen. Die Wahl wird zur Grundlage die Bevölkerung haben. Die Zahl der Abgeordneten wird 200 sein. Das Stimmrecht ist direkt und allgemein. Wählbar ist jeder Wähler, der 25 Jahre alt ist. Niemand kann zum Abgeordneten ernannt werden, wenn er nicht wenigstens 500 Stimmen erhält. Die Abgeordneten erhalten eine Vergütung von 2 Scudi pro Tag. Die Versammlung soll am 5. Febr. zu Rom eröffnet werden. * Modena, 26. Dez. Es haben hier heute ziemlich ernsthafte Unruhen stattgefundrn. Ein Korporal arretirte einen jungen Mann weil er ein dreifarbiges Halstuch trug, das Volk schlug sich ins Mittel, und ohne das energische Einschreiten der Nationalgarde würde der Korporal schwerlich mit dem Leben davon gekommen sein. Als sie sich der Sache annahm, hatte ein Regiment Ungarn den Bedrohten schon zweimal mit der größten Mühe der wüthenden Menge entrissen. Die Plätze sind mit Truppen bedeckt, und die Stadt befindet sich wie im Belagerungszustande. 68 Neapel, 25. Dez. Die englisch-französische Intervention nimmt ein klägliches Ende. In einer Note des Fürsten Cariati an Herrn Temple weis't Neapel das Ultimatum der beiden intervenirenden Mächte entschieden zurück. Bis jetzt haben weder Herr Temple noch Herr Rayneval darauf geantwortet, sondern dem Vernehmen nach an ihre resp. Regierungen um nähere Verhaltungsregeln geschrieben. Jetzt mischen Spanien und namentlich Rußland sich in die sizilianische Angelegenheit. Der Kaiser von Rußland hat dem neapolitanischen Kabinet wiederholt seine feste Absicht an den Tag gelegt, es zu unterstützen, wenn man es in seinen Handlungen irgendwie beschränken wollte. Eine neue Expedition nach Sizilien soll vor der Thür sein. Französische Republik. 12 Paris, 6. Jan. Die Nationalversammlung und das Ministerium sind wie Katzen und Hunde. Die Deputirten stehn den Ministern, die Minister den Deputirten im Wege. Die Minister sagen: Ihr seht, wir können mit Euch keinen Schritt weiter kommen; alle Eure Gesetzesvorschläge müssen wir umändern; warum geht ihr nicht auseinander? Wollt Ihr warten, bis Ihr auseinander getrieben werdet? Die Deputirten sagen: Wir wissen recht gut, daß Ihr uns gerne los sein möchtet. Aber wisset Ihr denn nicht, daß wir dieselbe Berechtigung haben zu existiren, wie Ihr? Wir haben die Konstitution, die Konstitution hat den Präsidenten, und der Präsident hat Euch geschaffen. Also sind wir Eure Mutter. — Was schert uns die Mutter? Die Mutter quält uns; wir halten es mit dem Vater; wir sind dieselbe Person, wie der Vater: 6 Millionen und Napoleon oben drein! Könnt Ihr eine gleiche Berechtigung aufweisen wie wir? Die Revolution! antwortet die Mutter! Napoleon! antwortet der Vater. Reaktion schreien Vater und Mutter. Mutter und Vater liegen sich in den Haaren. Die armen Kinder! Was soll aus ihnen werden? Der ganze Streit in der heutigen Deputirtenkammer hat keine andere Bedeutung. Das Gesetz über das Unterrichtswesen gehört bekanntlich zu den organischen Gesetzen; d. h. die konstituirende Versammlung sollte nicht eher auseinandergehn, als bis dieser Gegenstand durch ein Gesetz geordnet ist. Ein früherer Minister, Carnot, hatte bereits einen Gesetzesvorschlag der Kammer vorgelegt, und die Kammer hatte aus ihrer Mitte eine eigene Kommission zur Berathung ernannt. Herr Falloux, der jetzige Minister des Unterrichtswesens, nimmt diesen Gesetzentwurf zurück, und ernennt eine Kommission außerhalb der Deputirtenkammer; Kommission, die, wie man aus den persönlichen Neigungen des Herrn Falloux schon allein abnehmen konnte, aus lauter katholischen und reaktionären Elementen besteht. Barthelemy Saint Hilaire, Berichterstatter der alten Kommission, beklagt sich, daß man der parlamentarischen Kommission gegenüber eine exparlamentarische ernannt habe, deren Zweck kein anderer sein könne, als das Parlament zu umgehen. Reppelin spricht in demselben Sinne. Man will der Kammer das Recht, über ein organisches Gesetz zu bestimmen, entziehen, um sie früher auflösen zu können. Odilon-Barrot will vermittelnd auftreten und verwirrt die Sachen, indem er von der großen Manifestation eines Volkswillens spricht, der sich in 6 Millionen Stimmen kund gegeben habe. Wenn Odilon-Barrot von den 6 Millionen Stimmen spricht, so klingt es gerade so, als wenn diese 6 Millionen nicht den Napoleon, sondern den Odilon-Barrot erwählt hätten; oder richtiger, daß Napoleon nur Mittel zum Zweck, und Napoleon erwählt worden sei, um Barrot wieder zu Ehren zu bringen. Und nun ermahnt Barrot die Kammer zur Eintracht im wahrhaft väterlichen Sinne: Vater und Mutter dürften sich nicht zanken. Der Vater ist natürlich Barrot — nun aber tritt Dupont de Bussac auf und frägt: Wer ist Vater hier? In andern Worten: er unterscheidet den Präsidenten der Republik von dem Präsidenten des Ministeriums, und er gibt zu, daß beide, Kammer und Napoleon, Ausflüsse des Volkswillens und folglich gleich berechtigt seien. Aber was hat das Ministerium mit den beiden Ausflüssen zu schaffen? Wie darf das Ministerium eine Kommission außerhalb der Kammer erwählen, für die Ausarbeitung eines Gesetzes, welches als organisches Gesetz der konstituirenden Versammlung angehört? Nun weiß man, daß Dupont de Bussac ein Napoleonist im weitesten Sinne des Wortes ist; und um Napoleon von seinem Ministerium zu trennen, thut er, als wolle er vorläufig Napoleon und die Kammer vereinbaren. Vater ist gut, und Mutter ist gut; was nicht taugt, das ist das, was dazwischen liegt. Das Ministerium Odilon-Barrot ist ein Kuppler, der ebenso geneigt ist, dem Vater andere Weiber zuzuführen, wie er sich schon bewogen gefunden hat, der Mutter einen andern Vater zu geben. Vater und Mutter liegen sich in den Haaren und der Kuppler Barrot kann den Frieden nicht herstellen, sowenig als Dupont. Die Proletarier schauen mit Freude dem Zanke zwischen ihren Stiefeltern zu und denken: Was soll uns Vater? Was soll uns Mutter? Unsere Mutter ist eine Prostituirte, unser Vater ist ein Stier; mögen sie jetzt den Streit unter sich ausmachen; uns ist wenigstens Ruhe vergönnt. Solange Cavaignac unser Vater war, und die Mutter mit ihm in süßer Eintracht lebte, da hatten wir Kinder viel zu leiden. Jetzt, wo wir der Mutter ein Leides zugefügt, und ihr einen Stieren aufgedrungen, möge sie sehn, wie sie fertig wird, mit dem Stiere und mit Cavaignac. Uns ist Ruhe vergönnt. Was den Stier der Republik selbst anbetrifft, so bestätigen sich unsere Aussagen tagtäglich mehr. Er hat beständig wie ein Ochse gehandelt und ist auch als solcher beständig behandelt und neuerdings erwählt worden. Nach der Straßburger Geschichte konnte Louis Philipp nicht mehr schlafen: er fürchtete eine Erneuerung der Geschichte der Herzogin von Berry. Und wie Thiers schon einmal seinen Herrn und Meister von der Herzogin befreit hatte, indem er zwei Fliegen in einem Schlage fing, d. h. indem er die Herzogin in sichern Gewahrsam verlockte, mit der Frucht, welche sie in ihrem Schooße trug, so erneuerte Thiers damals sein Meisterstück, indem er Louis Napoleon verlockte, die Straßburger Geschichte in Boulogne zu wiederholen, um sie vor ihrer Reise zum Ausbruche zu bringen, um seinem Herrn Louis Philipp wieder die Ruhe zu verschaffen. Thiers, der Minister, hatte damals zu seinem Vertrauten den Hrn. v. Malleville, Direktor in seinem Ministerium. Beide haben durch ihre Agenten in London den Conspirator Napoleon zu der bekannten Expedition in Boulogne völlig provozirt. Das Weitere ist bekannt. Kaum war aber Malleville Minister unter Napoleon geworden, so schrieb Panis, Direktor an der Polizei-Präfektur, und von Malleville abgesetzt, an den Präsidenten der Republik, um ihm Kundschaft zu geben von einem gewissen Karton, der im Ministerium des Innern aufbewahrt würde, und der ihm wichtige Aufschlüsse verschaffen könnte über die Expedition von Boulogne. Man sieht nun aber, welches ungemeine Interesse Thiers haben mußte, einen von seinen Vertrauten und Mitschuldigen in das Ministerium Napoleons einzuführen. Thiers schien durch seine Agenten in London dermaßen gut manövrirt zu haben, daß er Napoleons ganzes Zutrauen erworben. Unter den Papieren, die man nach der Boulogner Geschichte entdeckte, fand sich ein Verzeichniß von Namen, wo der Ochse seinen Verräther zum ersten Minister eingesetzt hatte. Und Thiers hatte die ganze Zeit über dieses Vertrauen nicht verloren. Und der Ochse wollte selbst nach seiner Wahl zum Präsidenten immer noch Thiers zum Minister haben. Und Thiers war wirklich Minister geworden unter der Firma Malleville's. Und Barrot's Ehrlichkeit mußte der Deckmantel werden dieser ganzen diplomatischen Spitzbuberei. Der Austritt Mallevilles, der Brief Napoleons, der scheinbare Vorwand von Absetzung und Ernennung neuer Präfekten, der ehrliche Rücken Barrots mußte für Alles hinhalten. Und glaubt man vielleicht, daß jetzt Napoleon los sei von Thiers? Nein; er hängt noch mit ihm zusammen durch ein — Weib; dasselbe Weib, dessen Thiers sich damals als Agentin in London bediente, vor der Boulogner Expedition. Doch das ist noch nicht Alles. Das Blatt, welches es vielleicht am treusten mit Napoleon meint, ist ohne Zweifel «la Liberté» von Dumas redigirt. Napoleon ist der eigentliche Mann des Hrn. Dumas. Es ist sein Monte-Christo. Und nun kommt Thiers, und will ihm seinen Helden Napoleon streitig machen, um aus ihm wieder einen «roi à l'engrais» zu machen: einen König oder Präsidenten, der auf seinem Throne sitzen sollte, wie ein Ochs im Stalle, d. h. der, durch die Verantwortlichkeit seiner Minister vollkommen bedekt, keine andere Bestimmung hätte, als gemästet zu werden. Nein, nein! die Liberté hat Recht! Louis Napoleon ist kein unverantwortlicher König à l'engrais; Louis Napoleon darf keinem Thiers anheimfallen. Louis Napoleon gehört ganz dem Dumas an; er ist der Romanenwelt verfallen; und Dumas mag aus ihm machen, was er will: einen Sultan, einen Kaiser und gar einen Apis!! In Dumas hat er seinen besten Minister, seinen besten Effendi gefunden. Wer könnte ihm besser zur Seite stehen als Dumas in der Wahl seiner Livres, seines Kostüms und seiner Pferde? Glück auf! Während das Proletariat drohend sein Haupt erhebt, während die Bourgeoisie rathloser steht als je, halten Napoleon und Dumas großen Rath über Toilette und schmiedet Odilon-Barrot große Pläne für die Vereinbarung? Indessen gehen Minister, Kammer und Präsident immer rascher ihrem Untergange entgegen. Die Kammer tritt gegen das Ministerium revolutionär auf. Dem Unterrichtsminister Falloux zum Trotze sehen wir, daß die Majorität der Kommissarien, welche das Gesetz über das Unterrichtswesen vorbereiten sollen, aus Männern besteht, welche in direkter Opposition mit Hrn. Falloux stehen. Ein gleiches Bewandniß hat es mit der Wahl der neuen Vicepräsidenten und Sekretäre der Kammer. Sogar die Ausschließung Bixios, Republikaner vom Vorabend, der sonst nie unter den Vicepräsidenten fehlte, ist bloß eine Bestrafung für die Annahme eines Minister-Portefeuille. Aber was bedeutet dieses revolutionäre Auftreten einer schwachen Bourgeoiskammer gegen ein Ministerium, welches Barrot an seiner Spitze hat? Die Verhältnisse sind wieder so loose geworden, die drei Gewalten haben so ganz ihre Gewalt verloren, daß selbst aus der Art und Weise, wie sie sich ihre Gewalt streitig machen, ihre Ohnmacht hervorgeht. Die offizielle Welt ist erschöpft und Napoleon hat selbst den letzten Glanz — seinen Namen verloren. Kein Mensch spricht mehr von ihm. Vater und Mutter liegen sich in den Haaren, und die Kinder thun, was sie wollen. Sonntag erscheint ein neues Journal unter dem Namen: travail affranchi. Die Herren Vidal, Vincard, Tourrenel und Viktor Meunier werden als Redaktoren genannt. Vom Departement der Seine und Marne ist eine Proposition angelangt, welche auf die Auflösung der Kammer dringt. Aehnliche Propositionen sind von allen Seiten zu erwarten. Marrast soll vom Präsidenten Napoleon eingeladen worden sein, ein neues Ministerium zu bilden. Die franz. Regierung hat deßhalb Lagrenée nach Brüssel gesandt, um dem Gerüchte vorzubeugen, als sei der Kongreß von Brüssel vereitelt. Paris, 6. Januar. Sarrut hat heute das Ministerium wegen Malleville's Austritt aus dem Ministerium zur Rede gestellt. Tumultuarische Sitzung. — Die Ankunft eines Kardinals in Olmütz beunruhigt das hiesige Kabinet. Man will wissen, daß der Papst heimlich durch ihn um Intervention antragen lasse. In Folge dieser Eröffnungen hat das hiesige Kabinet an die betreffenden Höfe Kuriere gesandt, um jede Intervention zu hintertreiben, die nicht im Verein mit der französischen Republik geschähe. Auch die Marschgelüste des Hrn. Wrangel nach den Rheingegenden geben hier zu allerlei für Preußen eben nicht günstigen Betrachtungen Veranlassung. — Die Herren Thiers und Molé, seit dem 24. Februar die besten Freunde, speisten gestern Abend an der Tafel des Präsidenten Bonaparte. Nach der Tafel hatten die hiesigen Engländer (Zeitungskorrespondenten und sonstige Gentlemen) die Ehre, Sr. kaiserl. Majestät vorgestellt zu werden. — Barrot wird sein Justizportefeuille und seine Conseil-Vizepräsidentschaft niederlegen und wahr[s]cheinlich durch Molé ersetzt werden. „Sonderbares Zusammentreffen! ruft Ledru Rollin's „Revolution“ zu dieser Nachricht aus. So wären wir denn verdammt, die Stufenleiter der Februarrevolution noch einmal rückwärts durchzumachen? Barrot war der letzte Mann, den Louis Philipp rufen ließ und in dem Augenblick, wo er sein Kabinet bildete, proklamirte man die Republik in den Straßen. Man begreift, daß dieser todtgeborne Februarminister doch zu abgelebt sei und man wendet sich jetzt zu jenem Manne, den Louis Philipp benutzte, ehe er den Barrot rufen ließ. Molé war der nächste Erbe des Guizot'schen Nachlasses. Wir sind heute wieder am 24. Februar; morgen rücken wir in den 23. Februar und es wird nicht lange dauern, so sehen wir den Verräther von Gent wieder am Ruder. Die Reaktion marschirt so geschwind, daß sich die Männer der Revolution eines Tages unvermuthet wieder gezwungen sehen werden, die Zügel der Regierung zu übernehmen.“ — Louis Napoleon Bonaparte empfing gestern in seinem Präsidentschaftshotel eine Polnische Deputation. General Rybinski stellte dem Präsidenten die Stabsoffiziere und sonstigen Würdenträger der Revolutionsarmee vor, die sich unter der Deputation befanden und unter denen wir besonders den General Sierawski und den Obersten Zalewski erkannten, der 15 Jahre auf Kuffstein saß. Olizar, Glied des polnischen Senats, stellte dem Präsidenten die Glieder der ehemaligen polnischen Kammer vor, die sich in der Deputation befanden. Mickiewicz, der bekannte dichterische Theologe, hielt die Anrede, welche ungefähr also lautet: „Herr Präsident der französischen Republik! Gott hat, indem er Sie durch die Stimmen des Volks zum ersten Beamten einer großen Nation berief, der Welt die Macht der Nationalgefühle enthüllt. Diese Gefühle beginnen bereits die künstlichen Kombinationen individueller oder einseitiger Parteipolitik zu beherrschen. Ihre Popularität, Ausdruck der Volkshoffnungen in die Zukunft und der volksthümlichen Verehrung wahrer Größe der Vergangenheit, welche den Fortschritt darstellt, der stets in den Wünschen eines Volkes bleiben wird, sowie die Idee der öffentlichen Ordnung, welche stets die Grundlage des Wohlstandes einer großen Nation war, ist und sein wird: diese Popularität bringt der Regierung des Landes neue Kraft. Sie haben diese neue Kraft dem Dienste der Republik geweiht. Es wird von der Republik abhängen, die Thätigkeit dieser neuen Kraft so weit auszudehnen, als sich die volksthümlichen Sympathien für Alles erstrecken, was die Napoleonische Epoche wirklich Heroisches und die französische Revolution wirklich Progressives boten. Die moralischen Gränzen dieser volksthümlichen Sympathien bleiben dem Berechnungsgeiste der gewöhnlichen Politiker unerreichbar: Gott allein kennt die Mysterien, welche sich in den Seelen der Völker bewegen. Der reine Geist erräth und der Heldenmuth bekundet sie, indem er die Idee der Zeit realisirt. Wir sprechen in der Ueberzeugung zu Ihnen, daß wir die Meinung des polnischen Volkes und vieler Millionen unserer slavischen Brüder vertreten. Wir wollen unsere Geister zum Allerhöchsten erheben und ihn bitten, daß er sie in Erfüllung Ihres Amtes segnen möge, das eben so unermeßlich ist als die Kraft, welche Ihnen das moralische Gefühl des französischen Volkes und aller mit ihm verbündeten Völker verleiht. Louis Napoleon! Möge der Geist des Helden, dessen Namen Sie tragen, Sie in Ihren Inspirationen leiten!“ Auf diese Anrede antwortete der Präsident ziemlich unzusammenhängend, daß sie ihm beweise, wie richtig die Polen seine Stellung auffaßten. „Franzose vor Allem, sagte er, vereinige ich mich mit Frankreich in seinen lebhaften Sympathieen für Polen, und wünsche, daß diese Sympathie von allen Völkern getheilt werden möge.“ Dann wandte er sich an einzelne Glieder und erkundigte sich nach den Gründen, welche die politischen Parteien der Emigration spalte, sowie nach den materiellen Bedürfnissen der Flüchtlinge. — Die berüchtigte Mobilgarde (Bouchers de Cavaignac) soll von 24 auf 12 Bataillone reduzirt werden, und von jetzt an nur ebensoviele Löhnung beziehen als die Linie. — Im Justizausschuß gab Jouin's Antrag auf Abschaffung der Gesetze vom 10. April 1832 und 26. Mai 1848 (rücksichtlich der Verbannung der ehemaligen Herrscher Frankreichs) zu stürmischer Debatte Veranlassung. Emil Leroux, Cremieux, Debruel etc. verheidigten den Antrag, weil man aller Welt die Thore der Republik öffnen müsse, (und wohl auch aus andern Gründen) während ihn Detours als gefährlich schilderte. Leroux hat Bericht abzustatten. — Nach den Batignolles marschiren so eben (1 Uhr) starke Truppenabtheilungen ab, um einige widerspenstige Weinhändler zur Ordnung zu bringen, die von den Steuerbeamten ihre Keller nicht durchsuchen lassen wollen. Die provisorische Regierung schaffte bekanntlich diese gehässige Kontrolle ab, sie wurde aber von Herrn Cavaignac wiederhergestellt. Allmählig wird sich auch die neue Regierung den Haß des Kleinbürgerthums zuziehen. — National-Versammlung. Sitzung vom 6. Januar. Vicepräsident Havin eröffnet die Sitzung um 2 1/2 Uhr. Die Hoffnung, über die Straßburger, Boulogner und Londoner Irrfahrten des Prinzen Louis Bonaparte einigen Scandal zu hören, wie dies ein Brief Sarruts in der „Liberté“ von heute Morgen durchblicken ließ, lockte wieder viele Neugierige in die Galerien. Das Protokoll wird vorgelesen und genehmigt. Eine bedeutende Zahl von Deputirten verlangt Urlaub. (Bewilligt). Die Versammlung nimmt die Gefängnißarbeitsfrage wieder auf. Die Debatte war beim Artikel 2 des Gesetzentwurfs stehen geblieben, der im Gegensatze zur provisorischen Regierung die Arbeit mit der Bedingung in den Gefängnissen wieder einführt, daß sich die Gefängnißdirektionen wegen des Absatzes der Produkte an die Handelskammern der betreffenden Städte wenden. De Rancé erhebt sich gegen diese Beschränkung der Staatsgewalt. Er gibt dem Plane Senards, welcher die Produkte der Staatskonsumtion vorbehält, den Vorzug. Dablaux findet die Klagen der Privatindustrie keineswegs übertrieben und fürchtet, der Gesetzentwurf werde diejenigen Industrieherren in bedeutende Verluste setzen, welche mit Gefängnißdirektoren Verträge abschlossen. Jedenfalls müsse man diese Verträge treulich erfüllen. Bouchez: Das gehöre in den Artikel 6 und man stehe noch im Art. 2. Stourm räth den Artikel und den ganzen Entwurf anzunehmen. Er verliert sich in lange ökonomische Betrachtungen. Roux Carbonnel und Senard vertheidigen Jeder ihre Entwürfe. Nach Senard beginnen die lang ersehnten Interpellationen wegen Straßburg und Boulogne. Maleville betritt die Bühne und refütirt den Brief in der Liberté. (Siehe oben). Maleville entschuldigt sich zuvörderst, daß er den Lauf der Verhandlungen durch eine Interpellation störe. Seit längerer Zeit, fährt er fort, brachten die Journale Mittheilungen, welche nicht mehr oder minder verdeckt anklagen, öffentliche Papiere unterschlagen oder sonstwie bei gewissen Unternehmungen betheiligt zu haben. So lange diese Mittheilungen von Privatorganen ausgingen, hielt ich sie nicht der Widerlegung werth. Heute Vormittag aber bringt die Liberté einen Brief von unserem Kollegen Ger- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar190_022" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0003" n="1031"/> von der Ermordung eines „der würdigsten Männer, eines Ministers, der sein ganzes Zutrauen hatte und verdiente.“</p> <p>Der tückische und reaktionäre Rossi bildete die praktische Ergänzung zu dem Manne des „guten Willens“. Der Papst protestirt schließlich gegen alle Akte, welche die Regierungs-Junta vollstrecken würde. Leider stützt sich sein Protest auf den „bösen Willen“ der Oestreicher und Franzosen.</p> </div> <div xml:id="ar190_023" type="jArticle"> <head>Mailand, 28. Dez.</head> <p>Eine außerordentliche Kriegssteuer von 4,338,293 Lire ist der Provinz Mailand auferlegt worden, sie muß bis Ende Frebruars entrichtet sein, und ist theils zum Unterhalt der Truppen, theils zur Entschädigung der Offiziere und Beamten der frühern Garnison bestimmt, welche während der Revolution ihre Effekten verloren hatten. — Die Eröffnung der Scala fand am 26. Dezember statt, das herrliche Theater bot jedoch einen traurigen Anblick dar, indem die Logen leer, ja sogar ganz verhängt waren; dieser Anblick wurde noch düsterer, als sogar Fledermäuse in den weiten Räumen herumschwirrten. Die Nachricht, daß der Belagerungszustand der Stadt aufgehoben sei, ist unrichtig, vielmehr wurden die Bewohner, da wieder politische Demonstrationen hätten stattfinden sollen (ein Corso mit Calabreser Hüten und rothen Halsbinden, dann Wegwerfung von Cigarren), wiederholt darauf aufmerksam gemacht, daß nicht die Stadt Mailand allein, sondern die ganze Provinz im Belagerungszustand sich befinde.</p> <bibl>(A. Z.)</bibl> </div> <div xml:id="ar190_024" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Turin, 30. Dez.</head> <p>Alle Postverbindung zwischen der Lombardei und Piemont (Sardinien und Oestreich) ist abgebrochen. Die Schnellpost zwischen Genua und Mailand mußte nach Genua zurückkehren, weil sie von den Oestreichern nicht durchgelassen wurde.</p> <p>Der Krieg gegen Oestreich ist so gut als entschieden. Karl Albert besichtigt bereits auf einer Rundreise sämmtliche Felddienstfähige Truppen. Das hiesige demokratische Ministerium Gioberti hat übrigens völlig freie Hand, die Kammern sind seit vorgestern aufgelöst und neue Wahlen ausgeschrieben, welche hoffentlich im ganz freisinnigen Charakter ausfallen werden.</p> </div> <div xml:id="ar190_025" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Florenz.</head> <p>Die Kammern sind für den 10. Januar einberufen.</p> </div> <div xml:id="ar190_026" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Rom, 28. Dez.</head> <p>Die Kammern sind aufgelöst. Junta und Ministerium handeln vollständig einig.</p> <p>Nach dem vorgestern der Deputirtenkammer vorgelegten Gesetzentwurf für die Berufung der Constituante werden die Wahlkollegien in sämmtlichen römischen Staaten auf den 21. Januar zusammenberufen. Die Wahl wird zur Grundlage die Bevölkerung haben. Die Zahl der Abgeordneten wird 200 sein. Das Stimmrecht ist direkt und allgemein. Wählbar ist jeder Wähler, der 25 Jahre alt ist. Niemand kann zum Abgeordneten ernannt werden, wenn er nicht wenigstens 500 Stimmen erhält. Die Abgeordneten erhalten eine Vergütung von 2 Scudi pro Tag. Die Versammlung soll am 5. Febr. zu Rom eröffnet werden.</p> </div> <div xml:id="ar190_027" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Modena, 26. Dez.</head> <p>Es haben hier heute ziemlich ernsthafte Unruhen stattgefundrn. Ein Korporal arretirte einen jungen Mann weil er ein dreifarbiges Halstuch trug, das Volk schlug sich ins Mittel, und ohne das energische Einschreiten der Nationalgarde würde der Korporal schwerlich mit dem Leben davon gekommen sein. Als sie sich der Sache annahm, hatte ein Regiment Ungarn den Bedrohten schon zweimal mit der größten Mühe der wüthenden Menge entrissen. Die Plätze sind mit Truppen bedeckt, und die Stadt befindet sich wie im Belagerungszustande.</p> </div> <div xml:id="ar190_028" type="jArticle"> <head><bibl><author>68</author></bibl> Neapel, 25. Dez.</head> <p>Die englisch-französische Intervention nimmt ein klägliches Ende. In einer Note des Fürsten Cariati an Herrn Temple weis't Neapel das Ultimatum der beiden intervenirenden Mächte entschieden zurück. Bis jetzt haben weder Herr Temple noch Herr Rayneval darauf geantwortet, sondern dem Vernehmen nach an ihre resp. Regierungen um nähere Verhaltungsregeln geschrieben. Jetzt mischen Spanien und namentlich Rußland sich in die sizilianische Angelegenheit. Der Kaiser von Rußland hat dem neapolitanischen Kabinet wiederholt seine feste Absicht an den Tag gelegt, es zu unterstützen, wenn man es in seinen Handlungen irgendwie beschränken wollte. Eine neue Expedition nach Sizilien soll vor der Thür sein.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Französische Republik.</head> <div xml:id="ar190_029" type="jArticle"> <head><bibl><author>12</author></bibl> Paris, 6. Jan.</head> <p>Die Nationalversammlung und das Ministerium sind wie Katzen und Hunde. Die Deputirten stehn den Ministern, die Minister den Deputirten im Wege. Die Minister sagen: Ihr seht, wir können mit Euch keinen Schritt weiter kommen; alle Eure Gesetzesvorschläge müssen wir umändern; warum geht ihr nicht auseinander? Wollt Ihr warten, bis Ihr auseinander getrieben werdet? Die Deputirten sagen: Wir wissen recht gut, daß Ihr uns gerne los sein möchtet. Aber wisset Ihr denn nicht, daß wir dieselbe Berechtigung haben zu existiren, wie Ihr? Wir haben die Konstitution, die Konstitution hat den Präsidenten, und der Präsident hat Euch geschaffen. Also sind wir Eure Mutter. — Was schert uns die Mutter? Die Mutter quält uns; wir halten es mit dem Vater; wir sind dieselbe Person, wie der Vater: 6 Millionen und Napoleon oben drein! Könnt Ihr eine gleiche Berechtigung aufweisen wie wir?</p> <p>Die Revolution! antwortet die Mutter! Napoleon! antwortet der Vater. Reaktion schreien Vater und Mutter. Mutter und Vater liegen sich in den Haaren. Die armen Kinder! Was soll aus ihnen werden?</p> <p>Der ganze Streit in der heutigen Deputirtenkammer hat keine andere Bedeutung. Das Gesetz über das Unterrichtswesen gehört bekanntlich zu den organischen Gesetzen; d. h. die konstituirende Versammlung sollte nicht eher auseinandergehn, als bis dieser Gegenstand durch ein Gesetz geordnet ist. Ein früherer Minister, Carnot, hatte bereits einen Gesetzesvorschlag der Kammer vorgelegt, und die Kammer hatte aus ihrer Mitte eine eigene Kommission zur Berathung ernannt. Herr Falloux, der jetzige Minister des Unterrichtswesens, nimmt diesen Gesetzentwurf zurück, und ernennt eine Kommission außerhalb der Deputirtenkammer; Kommission, die, wie man aus den persönlichen Neigungen des Herrn Falloux schon allein abnehmen konnte, aus lauter katholischen und reaktionären Elementen besteht. Barthelemy Saint Hilaire, Berichterstatter der alten Kommission, beklagt sich, daß man der parlamentarischen Kommission gegenüber eine exparlamentarische ernannt habe, deren Zweck kein anderer sein könne, als das Parlament zu umgehen. Reppelin spricht in demselben Sinne. Man will der Kammer das Recht, über ein organisches Gesetz zu bestimmen, entziehen, um sie früher auflösen zu können. Odilon-Barrot will vermittelnd auftreten und verwirrt die Sachen, indem er von der großen Manifestation eines Volkswillens spricht, der sich in 6 Millionen Stimmen kund gegeben habe. Wenn Odilon-Barrot von den 6 Millionen Stimmen spricht, so klingt es gerade so, als wenn diese 6 Millionen nicht den Napoleon, sondern den Odilon-Barrot erwählt hätten; oder richtiger, daß Napoleon nur Mittel zum Zweck, und Napoleon erwählt worden sei, um Barrot wieder zu Ehren zu bringen. Und nun ermahnt Barrot die Kammer zur Eintracht im wahrhaft väterlichen Sinne: Vater und Mutter dürften sich nicht zanken. Der Vater ist natürlich Barrot — nun aber tritt Dupont de Bussac auf und frägt: Wer ist Vater hier? In andern Worten: er unterscheidet den Präsidenten der Republik von dem Präsidenten des Ministeriums, und er gibt zu, daß beide, Kammer und Napoleon, Ausflüsse des Volkswillens und folglich gleich berechtigt seien. Aber was hat das Ministerium mit den beiden Ausflüssen zu schaffen? Wie darf das Ministerium eine Kommission außerhalb der Kammer erwählen, für die Ausarbeitung eines Gesetzes, welches als organisches Gesetz der konstituirenden Versammlung angehört? Nun weiß man, daß Dupont de Bussac ein Napoleonist im weitesten Sinne des Wortes ist; und um Napoleon von seinem Ministerium zu trennen, thut er, als wolle er vorläufig Napoleon und die Kammer vereinbaren. Vater ist gut, und Mutter ist gut; was nicht taugt, das ist das, was dazwischen liegt. Das Ministerium Odilon-Barrot ist ein Kuppler, der ebenso geneigt ist, dem Vater andere Weiber zuzuführen, wie er sich schon bewogen gefunden hat, der Mutter einen andern Vater zu geben. Vater und Mutter liegen sich in den Haaren und der Kuppler Barrot kann den Frieden nicht herstellen, sowenig als Dupont. Die Proletarier schauen mit Freude dem Zanke zwischen ihren Stiefeltern zu und denken: Was soll uns Vater? Was soll uns Mutter? Unsere Mutter ist eine Prostituirte, unser Vater ist ein Stier; mögen sie jetzt den Streit unter sich ausmachen; uns ist wenigstens Ruhe vergönnt. Solange Cavaignac unser Vater war, und die Mutter mit ihm in süßer Eintracht lebte, da hatten wir Kinder viel zu leiden. Jetzt, wo wir der Mutter ein Leides zugefügt, und ihr einen Stieren aufgedrungen, möge sie sehn, wie sie fertig wird, mit dem Stiere und mit Cavaignac. Uns ist Ruhe vergönnt.</p> <p>Was den Stier der Republik selbst anbetrifft, so bestätigen sich unsere Aussagen tagtäglich mehr. Er hat beständig wie ein Ochse gehandelt und ist auch als solcher beständig behandelt und neuerdings erwählt worden. Nach der Straßburger Geschichte konnte Louis Philipp nicht mehr schlafen: er fürchtete eine Erneuerung der Geschichte der Herzogin von Berry. Und wie Thiers schon einmal seinen Herrn und Meister von der Herzogin befreit hatte, indem er zwei Fliegen in einem Schlage fing, d. h. indem er die Herzogin in sichern Gewahrsam verlockte, mit der Frucht, welche sie in ihrem Schooße trug, so erneuerte Thiers damals sein Meisterstück, indem er Louis Napoleon verlockte, die Straßburger Geschichte in Boulogne zu wiederholen, um sie vor ihrer Reise zum Ausbruche zu bringen, um seinem Herrn Louis Philipp wieder die Ruhe zu verschaffen. Thiers, der Minister, hatte damals zu seinem Vertrauten den Hrn. v. Malleville, Direktor in seinem Ministerium.</p> <p>Beide haben durch ihre Agenten in London den Conspirator Napoleon zu der bekannten Expedition in Boulogne völlig provozirt. Das Weitere ist bekannt. Kaum war aber Malleville Minister unter Napoleon geworden, so schrieb Panis, Direktor an der Polizei-Präfektur, und von Malleville abgesetzt, an den Präsidenten der Republik, um ihm Kundschaft zu geben von einem gewissen Karton, der im Ministerium des Innern aufbewahrt würde, und der ihm wichtige Aufschlüsse verschaffen könnte über die Expedition von Boulogne.</p> <p>Man sieht nun aber, welches ungemeine Interesse Thiers haben mußte, einen von seinen Vertrauten und Mitschuldigen in das Ministerium Napoleons einzuführen.</p> <p>Thiers schien durch seine Agenten in London dermaßen gut manövrirt zu haben, daß er Napoleons ganzes Zutrauen erworben. Unter den Papieren, die man nach der Boulogner Geschichte entdeckte, fand sich ein Verzeichniß von Namen, wo der Ochse seinen Verräther zum ersten Minister eingesetzt hatte. Und Thiers hatte die ganze Zeit über dieses Vertrauen nicht verloren. Und der Ochse wollte selbst nach seiner Wahl zum Präsidenten immer noch Thiers zum Minister haben. Und Thiers war wirklich Minister geworden unter der Firma Malleville's. Und Barrot's Ehrlichkeit mußte der Deckmantel werden dieser ganzen diplomatischen Spitzbuberei. Der Austritt Mallevilles, der Brief Napoleons, der scheinbare Vorwand von Absetzung und Ernennung neuer Präfekten, der ehrliche Rücken Barrots mußte für Alles hinhalten. Und glaubt man vielleicht, daß jetzt Napoleon los sei von Thiers? Nein; er hängt noch mit ihm zusammen durch ein — Weib; dasselbe Weib, dessen Thiers sich damals als Agentin in London bediente, vor der Boulogner Expedition.</p> <p>Doch das ist noch nicht Alles. Das Blatt, welches es vielleicht am treusten mit Napoleon meint, ist ohne Zweifel «la Liberté» von Dumas redigirt. Napoleon ist der eigentliche Mann des Hrn. Dumas. Es ist sein Monte-Christo. Und nun kommt Thiers, und will ihm seinen Helden Napoleon streitig machen, um aus ihm wieder einen «roi à l'engrais» zu machen: einen König oder Präsidenten, der auf seinem Throne sitzen sollte, wie ein Ochs im Stalle, d. h. der, durch die Verantwortlichkeit seiner Minister vollkommen bedekt, keine andere Bestimmung hätte, als gemästet zu werden. Nein, nein! die Liberté hat Recht! Louis Napoleon ist kein unverantwortlicher König à l'engrais; Louis Napoleon darf keinem Thiers anheimfallen. Louis Napoleon gehört ganz dem Dumas an; er ist der Romanenwelt verfallen; und Dumas mag aus ihm machen, was er will: einen Sultan, einen Kaiser und gar einen Apis!! In Dumas hat er seinen besten Minister, seinen besten Effendi gefunden. Wer könnte ihm besser zur Seite stehen als Dumas in der Wahl seiner Livres, seines Kostüms und seiner Pferde? Glück auf! Während das Proletariat drohend sein Haupt erhebt, während die Bourgeoisie rathloser steht als je, halten Napoleon und Dumas großen Rath über Toilette und schmiedet Odilon-Barrot große Pläne für die Vereinbarung?</p> <p>Indessen gehen Minister, Kammer und Präsident immer rascher ihrem Untergange entgegen. Die Kammer tritt gegen das Ministerium revolutionär auf. Dem Unterrichtsminister Falloux zum Trotze sehen wir, daß die Majorität der Kommissarien, welche das Gesetz über das Unterrichtswesen vorbereiten sollen, aus Männern besteht, welche in direkter Opposition mit Hrn. Falloux stehen. Ein gleiches Bewandniß hat es mit der Wahl der neuen Vicepräsidenten und Sekretäre der Kammer. Sogar die Ausschließung Bixios, Republikaner vom Vorabend, der sonst nie unter den Vicepräsidenten fehlte, ist bloß eine Bestrafung für die Annahme eines Minister-Portefeuille. Aber was bedeutet dieses revolutionäre Auftreten einer schwachen Bourgeoiskammer gegen ein Ministerium, welches Barrot an seiner Spitze hat? Die Verhältnisse sind wieder so loose geworden, die drei Gewalten haben so ganz ihre Gewalt verloren, daß selbst aus der Art und Weise, wie sie sich ihre Gewalt streitig machen, ihre Ohnmacht hervorgeht. Die offizielle Welt ist erschöpft und Napoleon hat selbst den letzten Glanz — seinen Namen verloren. Kein Mensch spricht mehr von ihm.</p> <p>Vater und Mutter liegen sich in den Haaren, und die Kinder thun, was sie wollen.</p> <p>Sonntag erscheint ein neues Journal unter dem Namen: travail affranchi. Die Herren Vidal, Vincard, Tourrenel und Viktor Meunier werden als Redaktoren genannt.</p> <p>Vom Departement der Seine und Marne ist eine Proposition angelangt, welche auf die Auflösung der Kammer dringt. Aehnliche Propositionen sind von allen Seiten zu erwarten.</p> <p>Marrast soll vom Präsidenten Napoleon eingeladen worden sein, ein neues Ministerium zu bilden.</p> <p>Die franz. Regierung hat deßhalb Lagrenée nach Brüssel gesandt, um dem Gerüchte vorzubeugen, als sei der Kongreß von Brüssel vereitelt.</p> </div> <div xml:id="ar190_030" type="jArticle"> <head>Paris, 6. Januar.</head> <p>Sarrut hat heute das Ministerium wegen Malleville's Austritt aus dem Ministerium zur Rede gestellt. Tumultuarische Sitzung.</p> <p>— Die Ankunft eines Kardinals in Olmütz beunruhigt das hiesige Kabinet. Man will wissen, daß der Papst heimlich durch ihn um Intervention antragen lasse. In Folge dieser Eröffnungen hat das hiesige Kabinet an die betreffenden Höfe Kuriere gesandt, um jede Intervention zu hintertreiben, die nicht im Verein mit der französischen Republik geschähe.</p> <p>Auch die Marschgelüste des Hrn. Wrangel nach den Rheingegenden geben hier zu allerlei für Preußen eben nicht günstigen Betrachtungen Veranlassung.</p> <p>— Die Herren Thiers und Molé, seit dem 24. Februar die besten Freunde, speisten gestern Abend an der Tafel des Präsidenten Bonaparte. Nach der Tafel hatten die hiesigen Engländer (Zeitungskorrespondenten und sonstige Gentlemen) die Ehre, Sr. kaiserl. Majestät vorgestellt zu werden.</p> <p>— Barrot wird sein Justizportefeuille und seine Conseil-Vizepräsidentschaft niederlegen und wahr[s]cheinlich durch Molé ersetzt werden.</p> <p>„Sonderbares Zusammentreffen! ruft Ledru Rollin's „Revolution“ zu dieser Nachricht aus. So wären wir denn verdammt, die Stufenleiter der Februarrevolution noch einmal rückwärts durchzumachen? Barrot war der letzte Mann, den Louis Philipp rufen ließ und in dem Augenblick, wo er sein Kabinet bildete, proklamirte man die Republik in den Straßen. Man begreift, daß dieser todtgeborne Februarminister doch zu abgelebt sei und man wendet sich jetzt zu jenem Manne, den Louis Philipp benutzte, ehe er den Barrot rufen ließ. Molé war der nächste Erbe des Guizot'schen Nachlasses. Wir sind heute wieder am 24. Februar; morgen rücken wir in den 23. Februar und es wird nicht lange dauern, so sehen wir den Verräther von Gent wieder am Ruder. Die Reaktion marschirt so geschwind, daß sich die Männer der Revolution eines Tages unvermuthet wieder gezwungen sehen werden, die Zügel der Regierung zu übernehmen.“</p> <p>— Louis Napoleon Bonaparte empfing gestern in seinem Präsidentschaftshotel eine <hi rendition="#g">Polnische Deputation</hi>. General Rybinski stellte dem Präsidenten die Stabsoffiziere und sonstigen Würdenträger der Revolutionsarmee vor, die sich unter der Deputation befanden und unter denen wir besonders den General Sierawski und den Obersten Zalewski erkannten, der 15 Jahre auf Kuffstein saß. Olizar, Glied des polnischen Senats, stellte dem Präsidenten die Glieder der ehemaligen polnischen Kammer vor, die sich in der Deputation befanden. Mickiewicz, der bekannte dichterische Theologe, hielt die Anrede, welche ungefähr also lautet:</p> <p>„Herr Präsident der französischen Republik! Gott hat, indem er Sie durch die Stimmen des Volks zum ersten Beamten einer großen Nation berief, der Welt die Macht der Nationalgefühle enthüllt. Diese Gefühle beginnen bereits die künstlichen Kombinationen individueller oder einseitiger Parteipolitik zu beherrschen. Ihre Popularität, Ausdruck der Volkshoffnungen in die Zukunft und der volksthümlichen Verehrung wahrer Größe der Vergangenheit, welche den Fortschritt darstellt, der stets in den Wünschen eines Volkes bleiben wird, sowie die Idee der öffentlichen Ordnung, welche stets die Grundlage des Wohlstandes einer großen Nation war, ist und sein wird: diese Popularität bringt der Regierung des Landes neue Kraft. Sie haben diese neue Kraft dem Dienste der Republik geweiht. Es wird von der Republik abhängen, die Thätigkeit dieser neuen Kraft so weit auszudehnen, als sich die volksthümlichen Sympathien für Alles erstrecken, was die Napoleonische Epoche wirklich Heroisches und die französische Revolution wirklich Progressives boten. Die moralischen Gränzen dieser volksthümlichen Sympathien bleiben dem Berechnungsgeiste der gewöhnlichen Politiker unerreichbar: Gott allein kennt die Mysterien, welche sich in den Seelen der Völker bewegen. Der reine Geist erräth und der Heldenmuth bekundet sie, indem er die Idee der Zeit realisirt. Wir sprechen in der Ueberzeugung zu Ihnen, daß wir die Meinung des polnischen Volkes und vieler Millionen unserer slavischen Brüder vertreten. Wir wollen unsere Geister zum Allerhöchsten erheben und ihn bitten, daß er sie in Erfüllung Ihres Amtes segnen möge, das eben so unermeßlich ist als die Kraft, welche Ihnen das moralische Gefühl des französischen Volkes und aller mit ihm verbündeten Völker verleiht. Louis Napoleon! Möge der Geist des Helden, dessen Namen Sie tragen, Sie in Ihren Inspirationen leiten!“</p> <p>Auf diese Anrede antwortete der Präsident ziemlich unzusammenhängend, daß sie ihm beweise, wie richtig die Polen seine Stellung auffaßten. „Franzose vor Allem, sagte er, vereinige ich mich mit Frankreich in seinen lebhaften Sympathieen für Polen, und wünsche, daß diese Sympathie von allen Völkern getheilt werden möge.“ Dann wandte er sich an einzelne Glieder und erkundigte sich nach den Gründen, welche die politischen Parteien der Emigration spalte, sowie nach den materiellen Bedürfnissen der Flüchtlinge.</p> <p>— Die berüchtigte Mobilgarde (Bouchers de Cavaignac) soll von 24 auf 12 Bataillone reduzirt werden, und von jetzt an nur ebensoviele Löhnung beziehen als die Linie.</p> <p>— Im Justizausschuß gab Jouin's Antrag auf Abschaffung der Gesetze vom 10. April 1832 und 26. Mai 1848 (rücksichtlich der Verbannung der ehemaligen Herrscher Frankreichs) zu stürmischer Debatte Veranlassung. Emil Leroux, Cremieux, Debruel etc. verheidigten den Antrag, weil man aller Welt die Thore der Republik öffnen müsse, (und wohl auch aus andern Gründen) während ihn Detours als gefährlich schilderte. Leroux hat Bericht abzustatten.</p> <p>— Nach den Batignolles marschiren so eben (1 Uhr) starke Truppenabtheilungen ab, um einige widerspenstige Weinhändler zur Ordnung zu bringen, die von den Steuerbeamten ihre Keller nicht durchsuchen lassen wollen. Die provisorische Regierung schaffte bekanntlich diese gehässige Kontrolle ab, sie wurde aber von Herrn Cavaignac wiederhergestellt. Allmählig wird sich auch die neue Regierung den Haß des Kleinbürgerthums zuziehen.</p> <p>— <hi rendition="#g">National-Versammlung</hi>. Sitzung vom 6. Januar. Vicepräsident Havin eröffnet die Sitzung um 2 1/2 Uhr.</p> <p>Die Hoffnung, über die Straßburger, Boulogner und Londoner Irrfahrten des Prinzen Louis Bonaparte einigen Scandal zu hören, wie dies ein Brief Sarruts in der „Liberté“ von heute Morgen durchblicken ließ, lockte wieder viele Neugierige in die Galerien.</p> <p>Das Protokoll wird vorgelesen und genehmigt.</p> <p>Eine bedeutende Zahl von Deputirten verlangt Urlaub. (Bewilligt).</p> <p>Die Versammlung nimmt die Gefängnißarbeitsfrage wieder auf.</p> <p>Die Debatte war beim Artikel 2 des Gesetzentwurfs stehen geblieben, der im Gegensatze zur provisorischen Regierung die Arbeit mit der Bedingung in den Gefängnissen wieder einführt, daß sich die Gefängnißdirektionen wegen des Absatzes der Produkte an die Handelskammern der betreffenden Städte wenden.</p> <p><hi rendition="#g">De Rancé</hi> erhebt sich gegen diese Beschränkung der Staatsgewalt. Er gibt dem Plane Senards, welcher die Produkte der Staatskonsumtion vorbehält, den Vorzug.</p> <p><hi rendition="#g">Dablaux</hi> findet die Klagen der Privatindustrie keineswegs übertrieben und fürchtet, der Gesetzentwurf werde diejenigen Industrieherren in bedeutende Verluste setzen, welche mit Gefängnißdirektoren Verträge abschlossen. Jedenfalls müsse man diese Verträge treulich erfüllen.</p> <p><hi rendition="#g">Bouchez:</hi> Das gehöre in den Artikel 6 und man stehe noch im Art. 2.</p> <p><hi rendition="#g">Stourm</hi> räth den Artikel und den ganzen Entwurf anzunehmen. Er verliert sich in lange ökonomische Betrachtungen.</p> <p><hi rendition="#g">Roux Carbonnel</hi> und <hi rendition="#g">Senard</hi> vertheidigen Jeder ihre Entwürfe.</p> <p>Nach Senard beginnen die lang ersehnten Interpellationen wegen Straßburg und Boulogne.</p> <p><hi rendition="#g">Maleville</hi> betritt die Bühne und refütirt den Brief in der Liberté. (Siehe oben). Maleville entschuldigt sich zuvörderst, daß er den Lauf der Verhandlungen durch eine Interpellation störe. Seit längerer Zeit, fährt er fort, brachten die Journale Mittheilungen, welche nicht mehr oder minder verdeckt anklagen, öffentliche Papiere unterschlagen oder sonstwie bei gewissen Unternehmungen betheiligt zu haben. So lange diese Mittheilungen von Privatorganen ausgingen, hielt ich sie nicht der Widerlegung werth. Heute Vormittag aber bringt die Liberté einen Brief von unserem Kollegen Ger- </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1031/0003]
von der Ermordung eines „der würdigsten Männer, eines Ministers, der sein ganzes Zutrauen hatte und verdiente.“
Der tückische und reaktionäre Rossi bildete die praktische Ergänzung zu dem Manne des „guten Willens“. Der Papst protestirt schließlich gegen alle Akte, welche die Regierungs-Junta vollstrecken würde. Leider stützt sich sein Protest auf den „bösen Willen“ der Oestreicher und Franzosen.
Mailand, 28. Dez. Eine außerordentliche Kriegssteuer von 4,338,293 Lire ist der Provinz Mailand auferlegt worden, sie muß bis Ende Frebruars entrichtet sein, und ist theils zum Unterhalt der Truppen, theils zur Entschädigung der Offiziere und Beamten der frühern Garnison bestimmt, welche während der Revolution ihre Effekten verloren hatten. — Die Eröffnung der Scala fand am 26. Dezember statt, das herrliche Theater bot jedoch einen traurigen Anblick dar, indem die Logen leer, ja sogar ganz verhängt waren; dieser Anblick wurde noch düsterer, als sogar Fledermäuse in den weiten Räumen herumschwirrten. Die Nachricht, daß der Belagerungszustand der Stadt aufgehoben sei, ist unrichtig, vielmehr wurden die Bewohner, da wieder politische Demonstrationen hätten stattfinden sollen (ein Corso mit Calabreser Hüten und rothen Halsbinden, dann Wegwerfung von Cigarren), wiederholt darauf aufmerksam gemacht, daß nicht die Stadt Mailand allein, sondern die ganze Provinz im Belagerungszustand sich befinde.
(A. Z.) * Turin, 30. Dez. Alle Postverbindung zwischen der Lombardei und Piemont (Sardinien und Oestreich) ist abgebrochen. Die Schnellpost zwischen Genua und Mailand mußte nach Genua zurückkehren, weil sie von den Oestreichern nicht durchgelassen wurde.
Der Krieg gegen Oestreich ist so gut als entschieden. Karl Albert besichtigt bereits auf einer Rundreise sämmtliche Felddienstfähige Truppen. Das hiesige demokratische Ministerium Gioberti hat übrigens völlig freie Hand, die Kammern sind seit vorgestern aufgelöst und neue Wahlen ausgeschrieben, welche hoffentlich im ganz freisinnigen Charakter ausfallen werden.
* Florenz. Die Kammern sind für den 10. Januar einberufen.
* Rom, 28. Dez. Die Kammern sind aufgelöst. Junta und Ministerium handeln vollständig einig.
Nach dem vorgestern der Deputirtenkammer vorgelegten Gesetzentwurf für die Berufung der Constituante werden die Wahlkollegien in sämmtlichen römischen Staaten auf den 21. Januar zusammenberufen. Die Wahl wird zur Grundlage die Bevölkerung haben. Die Zahl der Abgeordneten wird 200 sein. Das Stimmrecht ist direkt und allgemein. Wählbar ist jeder Wähler, der 25 Jahre alt ist. Niemand kann zum Abgeordneten ernannt werden, wenn er nicht wenigstens 500 Stimmen erhält. Die Abgeordneten erhalten eine Vergütung von 2 Scudi pro Tag. Die Versammlung soll am 5. Febr. zu Rom eröffnet werden.
* Modena, 26. Dez. Es haben hier heute ziemlich ernsthafte Unruhen stattgefundrn. Ein Korporal arretirte einen jungen Mann weil er ein dreifarbiges Halstuch trug, das Volk schlug sich ins Mittel, und ohne das energische Einschreiten der Nationalgarde würde der Korporal schwerlich mit dem Leben davon gekommen sein. Als sie sich der Sache annahm, hatte ein Regiment Ungarn den Bedrohten schon zweimal mit der größten Mühe der wüthenden Menge entrissen. Die Plätze sind mit Truppen bedeckt, und die Stadt befindet sich wie im Belagerungszustande.
68 Neapel, 25. Dez. Die englisch-französische Intervention nimmt ein klägliches Ende. In einer Note des Fürsten Cariati an Herrn Temple weis't Neapel das Ultimatum der beiden intervenirenden Mächte entschieden zurück. Bis jetzt haben weder Herr Temple noch Herr Rayneval darauf geantwortet, sondern dem Vernehmen nach an ihre resp. Regierungen um nähere Verhaltungsregeln geschrieben. Jetzt mischen Spanien und namentlich Rußland sich in die sizilianische Angelegenheit. Der Kaiser von Rußland hat dem neapolitanischen Kabinet wiederholt seine feste Absicht an den Tag gelegt, es zu unterstützen, wenn man es in seinen Handlungen irgendwie beschränken wollte. Eine neue Expedition nach Sizilien soll vor der Thür sein.
Französische Republik. 12 Paris, 6. Jan. Die Nationalversammlung und das Ministerium sind wie Katzen und Hunde. Die Deputirten stehn den Ministern, die Minister den Deputirten im Wege. Die Minister sagen: Ihr seht, wir können mit Euch keinen Schritt weiter kommen; alle Eure Gesetzesvorschläge müssen wir umändern; warum geht ihr nicht auseinander? Wollt Ihr warten, bis Ihr auseinander getrieben werdet? Die Deputirten sagen: Wir wissen recht gut, daß Ihr uns gerne los sein möchtet. Aber wisset Ihr denn nicht, daß wir dieselbe Berechtigung haben zu existiren, wie Ihr? Wir haben die Konstitution, die Konstitution hat den Präsidenten, und der Präsident hat Euch geschaffen. Also sind wir Eure Mutter. — Was schert uns die Mutter? Die Mutter quält uns; wir halten es mit dem Vater; wir sind dieselbe Person, wie der Vater: 6 Millionen und Napoleon oben drein! Könnt Ihr eine gleiche Berechtigung aufweisen wie wir?
Die Revolution! antwortet die Mutter! Napoleon! antwortet der Vater. Reaktion schreien Vater und Mutter. Mutter und Vater liegen sich in den Haaren. Die armen Kinder! Was soll aus ihnen werden?
Der ganze Streit in der heutigen Deputirtenkammer hat keine andere Bedeutung. Das Gesetz über das Unterrichtswesen gehört bekanntlich zu den organischen Gesetzen; d. h. die konstituirende Versammlung sollte nicht eher auseinandergehn, als bis dieser Gegenstand durch ein Gesetz geordnet ist. Ein früherer Minister, Carnot, hatte bereits einen Gesetzesvorschlag der Kammer vorgelegt, und die Kammer hatte aus ihrer Mitte eine eigene Kommission zur Berathung ernannt. Herr Falloux, der jetzige Minister des Unterrichtswesens, nimmt diesen Gesetzentwurf zurück, und ernennt eine Kommission außerhalb der Deputirtenkammer; Kommission, die, wie man aus den persönlichen Neigungen des Herrn Falloux schon allein abnehmen konnte, aus lauter katholischen und reaktionären Elementen besteht. Barthelemy Saint Hilaire, Berichterstatter der alten Kommission, beklagt sich, daß man der parlamentarischen Kommission gegenüber eine exparlamentarische ernannt habe, deren Zweck kein anderer sein könne, als das Parlament zu umgehen. Reppelin spricht in demselben Sinne. Man will der Kammer das Recht, über ein organisches Gesetz zu bestimmen, entziehen, um sie früher auflösen zu können. Odilon-Barrot will vermittelnd auftreten und verwirrt die Sachen, indem er von der großen Manifestation eines Volkswillens spricht, der sich in 6 Millionen Stimmen kund gegeben habe. Wenn Odilon-Barrot von den 6 Millionen Stimmen spricht, so klingt es gerade so, als wenn diese 6 Millionen nicht den Napoleon, sondern den Odilon-Barrot erwählt hätten; oder richtiger, daß Napoleon nur Mittel zum Zweck, und Napoleon erwählt worden sei, um Barrot wieder zu Ehren zu bringen. Und nun ermahnt Barrot die Kammer zur Eintracht im wahrhaft väterlichen Sinne: Vater und Mutter dürften sich nicht zanken. Der Vater ist natürlich Barrot — nun aber tritt Dupont de Bussac auf und frägt: Wer ist Vater hier? In andern Worten: er unterscheidet den Präsidenten der Republik von dem Präsidenten des Ministeriums, und er gibt zu, daß beide, Kammer und Napoleon, Ausflüsse des Volkswillens und folglich gleich berechtigt seien. Aber was hat das Ministerium mit den beiden Ausflüssen zu schaffen? Wie darf das Ministerium eine Kommission außerhalb der Kammer erwählen, für die Ausarbeitung eines Gesetzes, welches als organisches Gesetz der konstituirenden Versammlung angehört? Nun weiß man, daß Dupont de Bussac ein Napoleonist im weitesten Sinne des Wortes ist; und um Napoleon von seinem Ministerium zu trennen, thut er, als wolle er vorläufig Napoleon und die Kammer vereinbaren. Vater ist gut, und Mutter ist gut; was nicht taugt, das ist das, was dazwischen liegt. Das Ministerium Odilon-Barrot ist ein Kuppler, der ebenso geneigt ist, dem Vater andere Weiber zuzuführen, wie er sich schon bewogen gefunden hat, der Mutter einen andern Vater zu geben. Vater und Mutter liegen sich in den Haaren und der Kuppler Barrot kann den Frieden nicht herstellen, sowenig als Dupont. Die Proletarier schauen mit Freude dem Zanke zwischen ihren Stiefeltern zu und denken: Was soll uns Vater? Was soll uns Mutter? Unsere Mutter ist eine Prostituirte, unser Vater ist ein Stier; mögen sie jetzt den Streit unter sich ausmachen; uns ist wenigstens Ruhe vergönnt. Solange Cavaignac unser Vater war, und die Mutter mit ihm in süßer Eintracht lebte, da hatten wir Kinder viel zu leiden. Jetzt, wo wir der Mutter ein Leides zugefügt, und ihr einen Stieren aufgedrungen, möge sie sehn, wie sie fertig wird, mit dem Stiere und mit Cavaignac. Uns ist Ruhe vergönnt.
Was den Stier der Republik selbst anbetrifft, so bestätigen sich unsere Aussagen tagtäglich mehr. Er hat beständig wie ein Ochse gehandelt und ist auch als solcher beständig behandelt und neuerdings erwählt worden. Nach der Straßburger Geschichte konnte Louis Philipp nicht mehr schlafen: er fürchtete eine Erneuerung der Geschichte der Herzogin von Berry. Und wie Thiers schon einmal seinen Herrn und Meister von der Herzogin befreit hatte, indem er zwei Fliegen in einem Schlage fing, d. h. indem er die Herzogin in sichern Gewahrsam verlockte, mit der Frucht, welche sie in ihrem Schooße trug, so erneuerte Thiers damals sein Meisterstück, indem er Louis Napoleon verlockte, die Straßburger Geschichte in Boulogne zu wiederholen, um sie vor ihrer Reise zum Ausbruche zu bringen, um seinem Herrn Louis Philipp wieder die Ruhe zu verschaffen. Thiers, der Minister, hatte damals zu seinem Vertrauten den Hrn. v. Malleville, Direktor in seinem Ministerium.
Beide haben durch ihre Agenten in London den Conspirator Napoleon zu der bekannten Expedition in Boulogne völlig provozirt. Das Weitere ist bekannt. Kaum war aber Malleville Minister unter Napoleon geworden, so schrieb Panis, Direktor an der Polizei-Präfektur, und von Malleville abgesetzt, an den Präsidenten der Republik, um ihm Kundschaft zu geben von einem gewissen Karton, der im Ministerium des Innern aufbewahrt würde, und der ihm wichtige Aufschlüsse verschaffen könnte über die Expedition von Boulogne.
Man sieht nun aber, welches ungemeine Interesse Thiers haben mußte, einen von seinen Vertrauten und Mitschuldigen in das Ministerium Napoleons einzuführen.
Thiers schien durch seine Agenten in London dermaßen gut manövrirt zu haben, daß er Napoleons ganzes Zutrauen erworben. Unter den Papieren, die man nach der Boulogner Geschichte entdeckte, fand sich ein Verzeichniß von Namen, wo der Ochse seinen Verräther zum ersten Minister eingesetzt hatte. Und Thiers hatte die ganze Zeit über dieses Vertrauen nicht verloren. Und der Ochse wollte selbst nach seiner Wahl zum Präsidenten immer noch Thiers zum Minister haben. Und Thiers war wirklich Minister geworden unter der Firma Malleville's. Und Barrot's Ehrlichkeit mußte der Deckmantel werden dieser ganzen diplomatischen Spitzbuberei. Der Austritt Mallevilles, der Brief Napoleons, der scheinbare Vorwand von Absetzung und Ernennung neuer Präfekten, der ehrliche Rücken Barrots mußte für Alles hinhalten. Und glaubt man vielleicht, daß jetzt Napoleon los sei von Thiers? Nein; er hängt noch mit ihm zusammen durch ein — Weib; dasselbe Weib, dessen Thiers sich damals als Agentin in London bediente, vor der Boulogner Expedition.
Doch das ist noch nicht Alles. Das Blatt, welches es vielleicht am treusten mit Napoleon meint, ist ohne Zweifel «la Liberté» von Dumas redigirt. Napoleon ist der eigentliche Mann des Hrn. Dumas. Es ist sein Monte-Christo. Und nun kommt Thiers, und will ihm seinen Helden Napoleon streitig machen, um aus ihm wieder einen «roi à l'engrais» zu machen: einen König oder Präsidenten, der auf seinem Throne sitzen sollte, wie ein Ochs im Stalle, d. h. der, durch die Verantwortlichkeit seiner Minister vollkommen bedekt, keine andere Bestimmung hätte, als gemästet zu werden. Nein, nein! die Liberté hat Recht! Louis Napoleon ist kein unverantwortlicher König à l'engrais; Louis Napoleon darf keinem Thiers anheimfallen. Louis Napoleon gehört ganz dem Dumas an; er ist der Romanenwelt verfallen; und Dumas mag aus ihm machen, was er will: einen Sultan, einen Kaiser und gar einen Apis!! In Dumas hat er seinen besten Minister, seinen besten Effendi gefunden. Wer könnte ihm besser zur Seite stehen als Dumas in der Wahl seiner Livres, seines Kostüms und seiner Pferde? Glück auf! Während das Proletariat drohend sein Haupt erhebt, während die Bourgeoisie rathloser steht als je, halten Napoleon und Dumas großen Rath über Toilette und schmiedet Odilon-Barrot große Pläne für die Vereinbarung?
Indessen gehen Minister, Kammer und Präsident immer rascher ihrem Untergange entgegen. Die Kammer tritt gegen das Ministerium revolutionär auf. Dem Unterrichtsminister Falloux zum Trotze sehen wir, daß die Majorität der Kommissarien, welche das Gesetz über das Unterrichtswesen vorbereiten sollen, aus Männern besteht, welche in direkter Opposition mit Hrn. Falloux stehen. Ein gleiches Bewandniß hat es mit der Wahl der neuen Vicepräsidenten und Sekretäre der Kammer. Sogar die Ausschließung Bixios, Republikaner vom Vorabend, der sonst nie unter den Vicepräsidenten fehlte, ist bloß eine Bestrafung für die Annahme eines Minister-Portefeuille. Aber was bedeutet dieses revolutionäre Auftreten einer schwachen Bourgeoiskammer gegen ein Ministerium, welches Barrot an seiner Spitze hat? Die Verhältnisse sind wieder so loose geworden, die drei Gewalten haben so ganz ihre Gewalt verloren, daß selbst aus der Art und Weise, wie sie sich ihre Gewalt streitig machen, ihre Ohnmacht hervorgeht. Die offizielle Welt ist erschöpft und Napoleon hat selbst den letzten Glanz — seinen Namen verloren. Kein Mensch spricht mehr von ihm.
Vater und Mutter liegen sich in den Haaren, und die Kinder thun, was sie wollen.
Sonntag erscheint ein neues Journal unter dem Namen: travail affranchi. Die Herren Vidal, Vincard, Tourrenel und Viktor Meunier werden als Redaktoren genannt.
Vom Departement der Seine und Marne ist eine Proposition angelangt, welche auf die Auflösung der Kammer dringt. Aehnliche Propositionen sind von allen Seiten zu erwarten.
Marrast soll vom Präsidenten Napoleon eingeladen worden sein, ein neues Ministerium zu bilden.
Die franz. Regierung hat deßhalb Lagrenée nach Brüssel gesandt, um dem Gerüchte vorzubeugen, als sei der Kongreß von Brüssel vereitelt.
Paris, 6. Januar. Sarrut hat heute das Ministerium wegen Malleville's Austritt aus dem Ministerium zur Rede gestellt. Tumultuarische Sitzung.
— Die Ankunft eines Kardinals in Olmütz beunruhigt das hiesige Kabinet. Man will wissen, daß der Papst heimlich durch ihn um Intervention antragen lasse. In Folge dieser Eröffnungen hat das hiesige Kabinet an die betreffenden Höfe Kuriere gesandt, um jede Intervention zu hintertreiben, die nicht im Verein mit der französischen Republik geschähe.
Auch die Marschgelüste des Hrn. Wrangel nach den Rheingegenden geben hier zu allerlei für Preußen eben nicht günstigen Betrachtungen Veranlassung.
— Die Herren Thiers und Molé, seit dem 24. Februar die besten Freunde, speisten gestern Abend an der Tafel des Präsidenten Bonaparte. Nach der Tafel hatten die hiesigen Engländer (Zeitungskorrespondenten und sonstige Gentlemen) die Ehre, Sr. kaiserl. Majestät vorgestellt zu werden.
— Barrot wird sein Justizportefeuille und seine Conseil-Vizepräsidentschaft niederlegen und wahr[s]cheinlich durch Molé ersetzt werden.
„Sonderbares Zusammentreffen! ruft Ledru Rollin's „Revolution“ zu dieser Nachricht aus. So wären wir denn verdammt, die Stufenleiter der Februarrevolution noch einmal rückwärts durchzumachen? Barrot war der letzte Mann, den Louis Philipp rufen ließ und in dem Augenblick, wo er sein Kabinet bildete, proklamirte man die Republik in den Straßen. Man begreift, daß dieser todtgeborne Februarminister doch zu abgelebt sei und man wendet sich jetzt zu jenem Manne, den Louis Philipp benutzte, ehe er den Barrot rufen ließ. Molé war der nächste Erbe des Guizot'schen Nachlasses. Wir sind heute wieder am 24. Februar; morgen rücken wir in den 23. Februar und es wird nicht lange dauern, so sehen wir den Verräther von Gent wieder am Ruder. Die Reaktion marschirt so geschwind, daß sich die Männer der Revolution eines Tages unvermuthet wieder gezwungen sehen werden, die Zügel der Regierung zu übernehmen.“
— Louis Napoleon Bonaparte empfing gestern in seinem Präsidentschaftshotel eine Polnische Deputation. General Rybinski stellte dem Präsidenten die Stabsoffiziere und sonstigen Würdenträger der Revolutionsarmee vor, die sich unter der Deputation befanden und unter denen wir besonders den General Sierawski und den Obersten Zalewski erkannten, der 15 Jahre auf Kuffstein saß. Olizar, Glied des polnischen Senats, stellte dem Präsidenten die Glieder der ehemaligen polnischen Kammer vor, die sich in der Deputation befanden. Mickiewicz, der bekannte dichterische Theologe, hielt die Anrede, welche ungefähr also lautet:
„Herr Präsident der französischen Republik! Gott hat, indem er Sie durch die Stimmen des Volks zum ersten Beamten einer großen Nation berief, der Welt die Macht der Nationalgefühle enthüllt. Diese Gefühle beginnen bereits die künstlichen Kombinationen individueller oder einseitiger Parteipolitik zu beherrschen. Ihre Popularität, Ausdruck der Volkshoffnungen in die Zukunft und der volksthümlichen Verehrung wahrer Größe der Vergangenheit, welche den Fortschritt darstellt, der stets in den Wünschen eines Volkes bleiben wird, sowie die Idee der öffentlichen Ordnung, welche stets die Grundlage des Wohlstandes einer großen Nation war, ist und sein wird: diese Popularität bringt der Regierung des Landes neue Kraft. Sie haben diese neue Kraft dem Dienste der Republik geweiht. Es wird von der Republik abhängen, die Thätigkeit dieser neuen Kraft so weit auszudehnen, als sich die volksthümlichen Sympathien für Alles erstrecken, was die Napoleonische Epoche wirklich Heroisches und die französische Revolution wirklich Progressives boten. Die moralischen Gränzen dieser volksthümlichen Sympathien bleiben dem Berechnungsgeiste der gewöhnlichen Politiker unerreichbar: Gott allein kennt die Mysterien, welche sich in den Seelen der Völker bewegen. Der reine Geist erräth und der Heldenmuth bekundet sie, indem er die Idee der Zeit realisirt. Wir sprechen in der Ueberzeugung zu Ihnen, daß wir die Meinung des polnischen Volkes und vieler Millionen unserer slavischen Brüder vertreten. Wir wollen unsere Geister zum Allerhöchsten erheben und ihn bitten, daß er sie in Erfüllung Ihres Amtes segnen möge, das eben so unermeßlich ist als die Kraft, welche Ihnen das moralische Gefühl des französischen Volkes und aller mit ihm verbündeten Völker verleiht. Louis Napoleon! Möge der Geist des Helden, dessen Namen Sie tragen, Sie in Ihren Inspirationen leiten!“
Auf diese Anrede antwortete der Präsident ziemlich unzusammenhängend, daß sie ihm beweise, wie richtig die Polen seine Stellung auffaßten. „Franzose vor Allem, sagte er, vereinige ich mich mit Frankreich in seinen lebhaften Sympathieen für Polen, und wünsche, daß diese Sympathie von allen Völkern getheilt werden möge.“ Dann wandte er sich an einzelne Glieder und erkundigte sich nach den Gründen, welche die politischen Parteien der Emigration spalte, sowie nach den materiellen Bedürfnissen der Flüchtlinge.
— Die berüchtigte Mobilgarde (Bouchers de Cavaignac) soll von 24 auf 12 Bataillone reduzirt werden, und von jetzt an nur ebensoviele Löhnung beziehen als die Linie.
— Im Justizausschuß gab Jouin's Antrag auf Abschaffung der Gesetze vom 10. April 1832 und 26. Mai 1848 (rücksichtlich der Verbannung der ehemaligen Herrscher Frankreichs) zu stürmischer Debatte Veranlassung. Emil Leroux, Cremieux, Debruel etc. verheidigten den Antrag, weil man aller Welt die Thore der Republik öffnen müsse, (und wohl auch aus andern Gründen) während ihn Detours als gefährlich schilderte. Leroux hat Bericht abzustatten.
— Nach den Batignolles marschiren so eben (1 Uhr) starke Truppenabtheilungen ab, um einige widerspenstige Weinhändler zur Ordnung zu bringen, die von den Steuerbeamten ihre Keller nicht durchsuchen lassen wollen. Die provisorische Regierung schaffte bekanntlich diese gehässige Kontrolle ab, sie wurde aber von Herrn Cavaignac wiederhergestellt. Allmählig wird sich auch die neue Regierung den Haß des Kleinbürgerthums zuziehen.
— National-Versammlung. Sitzung vom 6. Januar. Vicepräsident Havin eröffnet die Sitzung um 2 1/2 Uhr.
Die Hoffnung, über die Straßburger, Boulogner und Londoner Irrfahrten des Prinzen Louis Bonaparte einigen Scandal zu hören, wie dies ein Brief Sarruts in der „Liberté“ von heute Morgen durchblicken ließ, lockte wieder viele Neugierige in die Galerien.
Das Protokoll wird vorgelesen und genehmigt.
Eine bedeutende Zahl von Deputirten verlangt Urlaub. (Bewilligt).
Die Versammlung nimmt die Gefängnißarbeitsfrage wieder auf.
Die Debatte war beim Artikel 2 des Gesetzentwurfs stehen geblieben, der im Gegensatze zur provisorischen Regierung die Arbeit mit der Bedingung in den Gefängnissen wieder einführt, daß sich die Gefängnißdirektionen wegen des Absatzes der Produkte an die Handelskammern der betreffenden Städte wenden.
De Rancé erhebt sich gegen diese Beschränkung der Staatsgewalt. Er gibt dem Plane Senards, welcher die Produkte der Staatskonsumtion vorbehält, den Vorzug.
Dablaux findet die Klagen der Privatindustrie keineswegs übertrieben und fürchtet, der Gesetzentwurf werde diejenigen Industrieherren in bedeutende Verluste setzen, welche mit Gefängnißdirektoren Verträge abschlossen. Jedenfalls müsse man diese Verträge treulich erfüllen.
Bouchez: Das gehöre in den Artikel 6 und man stehe noch im Art. 2.
Stourm räth den Artikel und den ganzen Entwurf anzunehmen. Er verliert sich in lange ökonomische Betrachtungen.
Roux Carbonnel und Senard vertheidigen Jeder ihre Entwürfe.
Nach Senard beginnen die lang ersehnten Interpellationen wegen Straßburg und Boulogne.
Maleville betritt die Bühne und refütirt den Brief in der Liberté. (Siehe oben). Maleville entschuldigt sich zuvörderst, daß er den Lauf der Verhandlungen durch eine Interpellation störe. Seit längerer Zeit, fährt er fort, brachten die Journale Mittheilungen, welche nicht mehr oder minder verdeckt anklagen, öffentliche Papiere unterschlagen oder sonstwie bei gewissen Unternehmungen betheiligt zu haben. So lange diese Mittheilungen von Privatorganen ausgingen, hielt ich sie nicht der Widerlegung werth. Heute Vormittag aber bringt die Liberté einen Brief von unserem Kollegen Ger-
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Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat
(2017-03-20T13:08:10Z)
Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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