Neue Rheinische Zeitung. Nr. 219. Köln, 11. Februar 1849. Zweite Ausgabe.treten, bis endlich die Regierung uns eines gegenüberstellte, welches mit uns im Prinzip des Volksstaates übereinstimmte. Wenn die Majorität der Kammer Hand in Hand geht mit dem Ministerium, so werden die Arbeiten schnell gemacht; wenn die Majorität der Versammlung mit dem Ministerium auseinandergeht, so hilft alle Thätigkeit nichts, denn es fehlt ihr die Ausführung. Jene Partei des Centrums fiel uns erst zu, als es zu spät war, als die Feinde des Vaterlandes in der brutalsten Leidenschaftlichkeit an Thür und Thor klopften, und nichts mehr zu vermitteln war; als die Gewalt, das Prinzip der Vereinbarung von sich werfend, uns einen Schein Konstitutionalismus octroyirte. (Bravo!) Meine Herren, bei unseren jetzigen Wahlen steht es anders. Die Gewalt ist wieder zu ganzer Stärke erwacht und sie hat das Feld der Wahlen mit ihren ungeheuren Hülfsmitteln auf's Kräftigste bearbeitet. Dieses Feld, welches sie uns früher ganz allein überlassen hatte, hat sie sich jetzt mit hundertfältigen Mitteln geebnet; was dem Gelde nicht gelang, bewirkte der offizielle Charakter ihrer Agitatoren. Ja sogar die Presse ist bestochen und dienstbar gemacht durch Geld und den Belagerungszustand; und dennoch ist die Furcht von dem Volke gewichen, die im Frühjahr auf ihm ruhte und die Wahlen sind demokratischer ausgefallen, als damals. (Bravo!) Das ist uns ein voller Trost für alle die Unbilden der Gewalt und der Verläumdung, die unsere Partei erfahren, und das ist der bündigste Beweis dafür, daß unsere Forderungen wirklich im Bewußtsein des Volkes und in der Vernunft begründet sind. Dies, meine Herren, ist für mich zugleich die Veranlassung, mich Ihnen zum Streiter im Kampf für dieselbe Sache abermals anzubieten, die ich bereits früher verfochten. Wir wollen den Volksstaat in seiner vollen Reinheit organisiren. Zu diesem Zweck müssen zuerst die Grundrechte rein hingestellt werden, nicht mehr verklausulirt, nicht mehr bedroht durch die Willkür, durch eine veraltete Gesetzgebung. Die Preßfreiheit ist noch immer illusorisch, so lange das Landrecht existirt; das Landrecht mit seinen §§. über den frechen unehrerbietigen Tadel, über den Spott und die Majestätsbeleidigung. In England und Amerika treten die Staatsanwalte nur dann gegen Schriften auf, wenn ein bestimmter Zusammenhang mit einem concreten Verbrechen vorliegt. Meine Herren, die Freizügigkeit existirt bei uns auf dem Papier, so lange die Polizei, auf ihren alten Rescripten fußend, jeden Gesellen, der 3 oder 4 Tage außer Arbeit ist, aus der Stadt weist. Die Volksversammlungen sind ein leerer Wahn, so lange ihre Abhaltung von der Erlaubniß unserer volksfreundlichen Polizei abhängt. Meine Herren, die Geschwornen, welche 12- bis 1500 Thlr. Einkommen haben müssen, sind schlimmer, als unsere alten Richter. (Bravo!) Meine Herren! Die Volksbewaffnung ist eine Seifenblase, wenn diejenigen, wegen deren Uebergriffe sie eingeführt ist, noch immer das Recht haben, uns die Waffen aus der Hand zu nehmen und die Bürgerwehr zu suspendiren. Die Freiheit ist noch immer in Gefahr, so lange die Söhne des Vaterlandes gezwungen sind, Sklaven des blinden Gehorsams, des unbeschränkten Machtwortes zu sein, so lange sie von ihren Landesbrüdern getrennt und besonderen Strafgesetzen unterworfen sind. (Bravo!) Auch die persönliche Freiheit ist noch immer gefährdet, so lange der Soldat, der sie verletzt, nicht dem bürgerlichen Richter unterworfen ist, welcher den Schutz der Freiheit gewähren soll. Wie es mit den Grundrechten ist, so ist es mit der Verfassung. Was hilft eine zweite, eine Volkskammer, in der der Wille der Nation zum Ausdruck kommt, wenn ihr gegenüber der zwiefache Damm, die erste Kammer und das Veto der Krone, besteht? Daß der Deutsche sich nicht überstürzt, zeigt das Frankfurter Parlament alle Tage. Man kann der Krone nur unter der Voraussetzung das Recht zugestehen, die Volkskammer aufzulösen, wenn man annehmen könnte, in dieser Volkskammer spricht sich augenblicklich nicht die wahre Meinung der Majorität des Volkes aus, sondern die verfälschte. Aber, meine Herren, um die Krone nicht in Verlegenheit zu bringen, gibt es ein weit einfacheres Mittel. Man nehme jährliche und direkte Wahlen vor, so verhindert man, daß der Deputirte sich jemals vom Bewußtsein des Volkes entfernen kann, dadurch bringt man zu Wege, daß der Deputirte weiter nichts ist, als der Mund seiner Wähler, daß die Volksmeinung reiner zu Tage kommt, die Zeitverschwendung, welche indirekt dem Census gleichkommt, nicht mehr stattfindet. Meine Herren! Keine Gesetzgebung ohne die Volkskammer; auch keine provisorische durch die Minister und endlich ein ordentliches Gesetz über die Verantwortlichkeit derselben, und ein Gericht über sie, nicht von Richtern, welche die Minister selbst ernennen, sondern durch Geschworne aus dem Volke. Ich verlange eine sichere Garantie für die Verfassung und diese ist am meisten bedingt durch eine wahrhaft volksthümliche Gemeinde-, Kreis- und Bezirksordnung, basirt auf das ausgedehnteste Recht der Selbstregierung. Statt dessen hat man uns aber ein System des Luges und Scheines gegeben, dies System der drei sich gleich gegenüber stehenden Staatsgewalten. Wir haben es in anderen Ländern gesehen, was es zu Wege bringt. Man hat sich auf Belgien berufen und dieses als einen Musterstaat hingestellt; man hat darauf hingewiesen, wie es der allgemeinen Revolution widerstanden. Aber mit demselben Rechte hätte man auch auf die Schweiz und auf Rußland hinweisen können, die ebenfalls dieser Revolution widerstanden haben; man hätte auf die Republik wie auf den Absolutismus hinweisen können. Solche Beispiele beweisen also nichts. Aber wohl zeigt uns Frankreich, wie dieses System der drei Staatsgewalten stete Reibung hervorbringt, einen Kampf, der sich in Intriguen verliert, in ein Zerbrechen aller Sittlichkeit. Es verbinden sich jene allein Privilegirten gegen das Volk, und so entsteht, wie unter dem bürgerfreundlichen Könige Louis Philippe, die Herrschaft der Corruption. Diese Forderungen sind es, welche das Volk zu machen hat und die ich als Volksvertreter in der neuen Volkskammer aufstellen würde. Sie werden sagen, die Stellung dieser Kammer sei eine andere als die der früheren National-Versammlung; sie stand allein, sie hatte keine erste Kammer und nur das Prinzip der Vereinbarung gegen sich, das Prinzip der Vereinbarung, welches von ihr bestritten wurde, wenigstens von unsrer Fraktion. Der Schein, nicht das Wesen der Dinge ist verändert, für mich giebt es nur eine Arbeit, einen Beruf, nur einen Zweck, und das ist: den Willen der Majorität des Volkes, wie er in der zweiten Kammer zur Sprache kommt, zur Gesetzeskraft und Form zu bringen. Ob ihr ein Widerstand entgegengesetzt wird durch ein Veto, Nein, oder durch das Nein der Vereinbarung, durch ein Nein der Camarilla, oder durch ein Nein der ersten privilegirten Kammer, ist mir gleich. Es kommt ja doch nur darauf an, welche Macht hinter diesem Nein steckt. Ich würde es stets zu bekämpfen suchen mit allen Mitteln, welche mir meine Stellung giebt; daß ich dabei nimmermehr die Gewalt, welche das preußische Volk durch die Oktroyirung der Verfassung erlitten, anerkennen werde, versteht sich von selbst. Gewalt kann nicht Recht werden, und wenn der Staatsanzeiger noch zwei Jahre lang viele Hunderte von Ergebenheitsadressen bringt, jene Ergebenheitsadressen, welche den Frankfurter Reichsminister zu dem Glauben brachten, sie hätten die Gewalt gerechtfertigt und ratifizirt. Ich glaube, der Ausfall der Wahlen wird den Herrn Reichsminister sehr enttäuschen. Wenn ich aber die Gewalt nimmermehr anerkenne, so werde ich mich von ihr nicht abhalten lassen, sofort an die eigentliche Arbeit zu gehen, an die Bearbeitung der Verfassung. Noch sind wir nicht machtlos; große Mittel bleiben uns noch, zunächst die Macht der öffentlichen Meinung, wie sie sich in der Volkskammer ausspricht, und wenn uns die Regierung in nichts Rechnung tragen will, so bleibt uns noch das Mittel der Steuerbewilligung, dies konstitutionelle Mittel. Wenigstens soviel gesteht die oktroyirte Verfassung zu, daß außerordentliche Abgaben von der Bewilligung der Kammer abhängen. Die außerordentlichen Abgaben dürften aber, wenn dieses System fortbesteht, sehr bald zu den ordentlichen gehören, und dann machen wir es wie in England, wenn dort das Unterhaus mit der Hartnäckigkeit der Herrn Lords fertig werden will: man schickt die Steuerbewilligungsbill mit angenehmer Begleitung in's Oberhaus. Auf diese Weise dürfte die Volksfreiheit hoffähig werden. Es ist aber endlich Zeit, daß wir die politische Frage hinter uns bekommen, denn es erwartet uns eine ganz andere Arbeit, gegen welche die politische Frage nur eine leichte Arbeit ist. Ich meine die soziale. Sie haben so oft in den Thronreden der Fürsten von der Wohlfahrt der Völker gehört, von dem Wachsthum ihres Reichthums. Aber wenn man die Bücher der Statistik nachschlägt, wo eine ordentliche Statistik existirt, wie in Frankreich, dann sieht man, daß der größte Theil der Nation in Noth und Sorge lebte, welche ihn hindert, an dem eigentlichen Kulturgange Theil zu nehmen. In Deutschland ist es nicht besser. Es geht dies deutlich aus der geringen Zahl der Urwähler für die erste Kammer hervor, wenn die Zahlen auch nicht so genau stimmen möchten, wie in den Angaben für Frankreich und England. Wenn wir finden, daß in Breslau 2000 Urwähler für die erste Kammer, in Berlin 12,000 vorhanden sind, so kann man berechnen, daß in Preußen nicht viel mehr als 100,000 Urwähler zur ersten Kammer kommen. Es ist dies ein erschreckendes Resultat, daß der zwanzigste bis dreißigste Theil der Kandidaten nur an einem Einkommen von 500 Thalern betheiligt ist. Man ersieht, welche große Zahl bei uns in Preußen, wie in Frankreich und England zu jener bedürftigen Klasse gehört, von der ich vorher redete. Diese schrecklichen Zahlenverhältnisse, welche stets im Zunehmen sind, haben die ausgezeichnetsten Köpfe unseres Jahrhunderts der sozialen Frage zugewendet. Man hat neue soziale Systeme aufgebaut, aber sie sind wieder aufgegeben worden. Den gesellschaftlichen Organismus macht man nicht auf dem Papier, er muß sich im Leben selbst formen. Es ist zunächst sonnenklar, daß wenn die Majorität der Nation es ausspricht, daß sie sich in einem der Reorganisation der Gesellschaft bedürftigen Zustande befindet, das mächtigste Mittel, welches zur Abhülfe sich darbiete, die Staatsform ist, welche ihr die Gewalt giebt, ihren Willen zur Gesetzesform zu machen. Sodann ist es die Theilnahme, welche dem Volke an der Gemeinde-, Kreis- und Bezirks-Verwaltung zusteht. Durch sie wird die Kraft, welche in 16 Millionen schlummert, an das Tageslicht gefördert. Durch die Presse wird jeder neue Gedanke hervorgelockt, er geht durch die Feuerläuterung der Kritik und wird endlich Gemeingut der Nation. Durch die Association wird dem Schwachen Gelegenheit gegeben, sich gegen die Macht des Kapitals ausreichend zu verbinden. Aber noch viel läßt sich in staatswirthschaftlicher Hinsicht für die Anbahnung der sozialen Frage thun. Wenn wir das System unserer Besteuerung nachsehen, so werden Sie finden, daß der bedürftige Theil der Bevölkerung bei Weitem den größten Theil der Steuern trägt, und die reiche Klasse verhältnißmäßig nur schwach besteuert ist. Auf der andern Seite finden wir, daß die Verwendung der Steuern vorzugsweise gerade im Interesse der Privilegirten geschieht. Erlauben Sie mir, daß ich Ihnen einige Zahlen angeben darf, um dieses System schlagend darzuthun. Die Klassensteuer der ersten Hauptstufe (Leute von 20,000 bis 100,000 Thlr. Vermögen und darüber) beträgt 356,724 Thlr.
Sie sehen, meine Herren, daß die erste Klasse, welche allein aus reichen Leuten besteht, nur etwa 356,000 Thlr. bezahlt, die andere Klasse (und Leute bis 20,000 Thlr. kann man noch nicht zu den reichen Leuten zählen, Leute, die jährlich etwa 1000 Thlr. Einkommen haben, wenn sie von ihren Renten leben wollen) und also auch diejenigen, welche nichts haben, zahlen mit ihnen zusammen 7,397,010 Thaler. Sie sehen, welches Verhältniß hier stattfindet. Bei der Schlacht- und Mahlsteuer stellt sich die Berechnung heraus, daß Leute, welche 3 bis 400 Thlr. Einkommen haben, vom Thaler 6 Pf. zahlen. Natürlicher zahlen diejenigen, welche weniger haben, vom Thaler noch mehr Abgaben. Leute, welche 3 bis 4000 Thaler haben, zahlen aber nur 1 Pfennig vom Thaler. Noch krasser stellt sich das Verhältniß bei der Grundsteuer heraus. Im Regierungs-Bezirk Cöslin z. B. bezahlt der Bauer vom Morgen Grundsteuer 3 Sgr., der Städter 1 Sgr. 8 Pfg., der Adlige und der Domänen-Pächter etc. 1 Pfennig. Wenn wir also gesehen haben, daß die große Masse der Unvermögenden gerade den Hauptbetrag der Steuern giebt, werden wir auf der andern Seite sehen, wie die Steuern im Interesse der reichen Leute verwendet werden. Ich will Ihnen nur einige Zahlen in dieser Beziehung anführen. Für die Gymnasien, Bibliotheken und Universitäten werden 910,027 Thaler verausgabt. Obgleich nicht zu leugnen ist, daß die Auszeichnung in den Wissenschaften dem Volke zu gute kommt, so ist doch das Verhältniß eigenthümlich. Wenn Sie diese Summe auf den Kopf vertheilen, auf die Person, welche an den Universitäten etc. Theil nehmen, so beträgt dies 26 Thlr. Was thut aber der Staat für die Masse der Unvermögenden? Für die Elementar-Schulen ist die Summe von 252,754 Thlr. ausgesetzt, und es kommen hier auf den Kopf 3 Sgr. Meine Herren! Ebenso stellt es sich mit den meisten Schutzzöllen heraus, daß dieselben ein Privilegium der großen Fabrikbesitzer sind. Besonders schlagend ist dies beim Zuckerzoll. Der Zuckerzoll beträgt 10 Thlr. auf den Centner. Der Staat erläßt dem Zucker-Raffineur 5 Thlr., dies beträgt im ganzen Zollverein 7,000,000 Thlr., auf Preußen beträgt dies 3,700,000. Preußen giebt also seinen 57 Raffineuren 3,700,000 Thlr. zum Geschenk. Nun, wird man sagen, dafür sind auch viele Arbeiter beschäftigt. Das sind im Jahre 1846 2907 gewesen. Rechnen sie jeden auf höchstens 200 Thlr., so kommt heraus 5-600,000. Der Staat giebt also den 57 Raffineurs 3,000,000 Thlr. Hieraus können wir erkennen, wie die Herren Schickler, Jacobs und Jost in Köln so reich geworden sind. Der Staat könnte also mit diesem Gelde die Zuckerarbeiter pensioniren, und noch viele Tausend mit dem Rest beschäftigen. Die großen Lieferungen und Unternehmungen des Staates, die Verpachtung der Domänen, wem kommen sie zu Gute? nur den Kapitalisten, insbesondere scheint die Verpachtung der Domänen nur darum da zu sein, um neue Kapitalisten zu schaffen, um den biblischen Grundsatz: "Wer hat, dem wird gegeben," zu verwirklichen. Der Domänenpächter erhält häufig den Morgen zu 2 Thlr. Pacht, und verpachtet ihn wieder zu 13 Thlr., so daß er von jedem Morgen 11 Thlr. einsteckt. Die Unterstützungen des Staates, der Credit den er giebt, sie kommen nur dem Reichen zu Gute. Sie sehen aus dem Bericht der Finanz-Commission der aufgelösten National-Versammlung, wie mit den Geschenken verfahren wird. Sie finden besonders Namen von Beamten: Landrath Keller zur Erziehung seiner Kinder, den Grafen Dohna, einen General zur Einrichtung, dem Prinzen Wilhelm zur Einrichtung in Mainz 6000 Thlr. und für seinen Stellvertreter wieder 6000 Thlr., den General Grolmann als Geschenk an seine Familie u. s. w. So ist fortwährend der ganze Dispositions-Fond zu Gunsten der privilegirten Klassen verwandt. Es sind auch darunter die Ausgaben für die Orden, 43,000 Thlr., welche die National-Versammlung abschaffte, was auch eine Verwendung zu Gunsten der privilegirten Klassen ist. Eben so ist es mit dem Extrafond für Kunstbauten, während der Staats-Haushalt noch einen Prachtbau-Fond hatte mit vielen Millionen. Hierzu kommt nun noch, daß die Commission der National-Versammlung nicht Zeit hatte, Alles durchzusehen. Sie hat rasch abschließen müssen, und hat nicht einmal die Provinzial-Kassen durchgesehen. Jede Provinz nimmt die Einnahmen ein und bestreitet die Ausgaben. Den Ueberschuß schickt sie an die General-Staats-Kasse, und diese bucht nur Ueberschüsse. Um eine vollständige Uebersicht zu haben, hätte die Commission auch diese Provinzial-Hauptkassenbücher einsehen müssen. Da wären wir noch auf ganz andere Verwendungen gekommen. Ich glaube, daß diese Zahlen genügen, um das zu beweisen, was ich gesagt habe: Die Steuern werden hauptsächlich erhoben von der großen Majorität der Bedürftigen, und hauptsächlich verwandt im Interesse der Privilegirten. Sie sehen, was der Volksstaat vermag für Verbesserung der socialen Verhältnisse. Man wende die Steuern umgekehrt an zu Gunsten der Bedürftigen, und es werden ungeheure Kräfte zur Lösung der socialen Frage verwandt werden können. Sie sehen demnach, meine Herren, die politische Frage verhält sich zur socialen Frage wie das Erdreich zur Pflanze. Die Pflanze gebraucht das Erdreich zum Wachsthum. Räumen wir die Hindernisse hinweg, damit der neue Messias kommen kann, welcher die Seligkeit nicht blos für das Jenseits, sondern auch schon für das Diesseits bringe! (Lebhafter Beifall.) Berlin, 9. Febr. In der vergangenen Woche hat ein Lehrer, früherer Redakteur einer hiesigen Zeitschrift, seinem Leben ein Ende gemacht, weil er, nachdem sein Blatt im vorigen Herbst eingegangen war, nachdem er vergeblich an allen Thüren, die sich ihm öffneten, um Beschäftigung gebeten, nachdem er seine Frau und seine 7 Kinder dem Hungertode nahe gesehen, in diesem Mittel die einzige Hülfe für seine Familie und auch für sich gefunden, indem er voraussetzte, daß dann wohl für die Erhaltung der Armen gesorgt werden müsse. (Publiz.)-- Der als Verfasser der "Enthüllungen" enthüllte Privatschreiber Wilh. Piersig ist, wie sich aus den Akten des hiesigen Kriminalgerichts ergibt, ein schon dreimal bestraftes Individuum, so u. A. auch einmal wegen Betrugs durch Fälschung mit 3 Jahren Festung belegt. -- Heute kommen zwei literarische Prozesse zur Verhandlung, der eine wegen der in einer Nummer zur Probe ausgegebenen Zeitung, der blaue Montag; der andere in Betreff einer Karrikatur, die der Staatsanwalt als den Prinzen von Preußen angehend, ansieht. Bei dem letzteren ist es wahrscheinlich, daß das Urtel verschoben und die Hauptfrage, ob Beleidigungen gegen Prinzen des königlichen Hauses noch als besonders strafbar oder als bloße Injurien anzusehen sind, vor das Plenum wird gebracht werden. 088 Frankenstein, 8. Febr. Seitdem die hiesigen Konstitutionellen eine so totale Niederlage erlitten, daß auch nicht Einer ihrer Kandidaten Wahlmann geworden, sinnt diese Sorte auf Mittel, uns zu schaden. Kein Mittel ist ihr zu diesem Zweck zu schlecht. Die hohe Geistlichkeit mit ihren enragirten Helfershelfern von Beamten -- Pensionäre und dergleichen Scheinheiligen, glaubte mit fester Zuversicht an das Gelingen ihrer feinangelegten Pläne. Desto schrecklicher war ihre Enttäuschung. Um den hiesigen kostitutionellen Verein mit wenigen Worten zu charakterisiren, theile ich Ihnen aus einer Rede seines Präsidenten, Justitiar Kassea, eines treuen Gehülfen der Geistlichkeit, einen Satz wortgetreu mit: "Ich warne, sagte er, vor der Civilehe, ich bin gegen Geschwornengerichte, ich eifre gegen sogenannte Glaubensfreiheit und gegen die Emanzipation der Schule; aber ich bin kein Reaktionär"!!! Während wir uns im wahren Sinne des Wortes und zum Aerger unserer Gegner, ganz ruhig verhalten, gibt sich jene Partei die größte Mühe, uns zu reizen. Bald nach der Niederlage, hatte sie anonyme Briefe an den Stadtpfarrer und an den Bürgermeister abgesandt und darin angezeigt, daß die Demokraten den bezeichneten Personen Katzenmusiken zu bringen beabsichtigten! Sofort beauftragt der Bürgermeister den Bürgerwehr-Kommandanten (der ein tüchtiger Demokrat ist), der angedeuteten Katzenmusik entgegenzutreten, eine Kompagnie Bürgerwehr zu requiriren und vor dem Hause des Canonicus Wachen aufzustellen, so wie Patrouillen in der Stadt herum zu senden! Die Bürgerwehr erscheint 8 Tage lang von 8 bis 12 Uhr, aber nichts rührt sich! Während die Bürgerwehr so auf einen anonymen Wisch hin herumgejagt wird, läßt auch der hiesige Hauptmann Kößlitz sein Militär patrouilliren. Doch es entstehen noch immer keine Händel; es bleibt ruhig! Der edle Hauptmann äußert öffentlich, er habe seine Soldaten mit tüchtigen Knütteln versehen, um die Demokraten damit zur Ruhe zu bringen! Trotz alledem keine Möglichkeit, den in Schlesien so beliebten Belagerungszustand auch für unsere Stadt herbeizuführen. Hier und in der Umgegend nehmen die Auswanderungen ungemein zu. An 50 Personen gehen im Frühjahre nach Amerika ab. In Langenbielau haben sich bereits 185 unglückliche Weberfamilien vereinigt, um das Vaterland, in welchem sie schlechterdings verhungern müssen, zu velassen. Am Sonntage habe ich dem Auswanderungsvereine selbst beigewohnt. Die Leute sind alle ohne Mittel und haben die Regierung um die nöthige Unterstützung zur Reise ersucht. Voraussichtlich erfolgt eine abschlägige Antwort -- und was werden die Armen dann anfangen? So muß es leider kommen, wenn eine Regierung für Luxus, überflüssige Beamte, hohe Pensionen, Militär, Millionen verschwendet, dann müssen auf der andern Seite Tausende verhungern. Die beiden am 5. erwählten Abgeordneten: Pape und Ebel sind entschieden demokratisch. 102 Graudenz, 6. Febr. Die gottbegnadete "Rechte" hat sich hier mit 2 Stimmen rekrutirt. Für den Rosenberger und Graudenzer Kreis sind nämlich der Exminister des Innern, Herr treten, bis endlich die Regierung uns eines gegenüberstellte, welches mit uns im Prinzip des Volksstaates übereinstimmte. Wenn die Majorität der Kammer Hand in Hand geht mit dem Ministerium, so werden die Arbeiten schnell gemacht; wenn die Majorität der Versammlung mit dem Ministerium auseinandergeht, so hilft alle Thätigkeit nichts, denn es fehlt ihr die Ausführung. Jene Partei des Centrums fiel uns erst zu, als es zu spät war, als die Feinde des Vaterlandes in der brutalsten Leidenschaftlichkeit an Thür und Thor klopften, und nichts mehr zu vermitteln war; als die Gewalt, das Prinzip der Vereinbarung von sich werfend, uns einen Schein Konstitutionalismus octroyirte. (Bravo!) Meine Herren, bei unseren jetzigen Wahlen steht es anders. Die Gewalt ist wieder zu ganzer Stärke erwacht und sie hat das Feld der Wahlen mit ihren ungeheuren Hülfsmitteln auf's Kräftigste bearbeitet. Dieses Feld, welches sie uns früher ganz allein überlassen hatte, hat sie sich jetzt mit hundertfältigen Mitteln geebnet; was dem Gelde nicht gelang, bewirkte der offizielle Charakter ihrer Agitatoren. Ja sogar die Presse ist bestochen und dienstbar gemacht durch Geld und den Belagerungszustand; und dennoch ist die Furcht von dem Volke gewichen, die im Frühjahr auf ihm ruhte und die Wahlen sind demokratischer ausgefallen, als damals. (Bravo!) Das ist uns ein voller Trost für alle die Unbilden der Gewalt und der Verläumdung, die unsere Partei erfahren, und das ist der bündigste Beweis dafür, daß unsere Forderungen wirklich im Bewußtsein des Volkes und in der Vernunft begründet sind. Dies, meine Herren, ist für mich zugleich die Veranlassung, mich Ihnen zum Streiter im Kampf für dieselbe Sache abermals anzubieten, die ich bereits früher verfochten. Wir wollen den Volksstaat in seiner vollen Reinheit organisiren. Zu diesem Zweck müssen zuerst die Grundrechte rein hingestellt werden, nicht mehr verklausulirt, nicht mehr bedroht durch die Willkür, durch eine veraltete Gesetzgebung. Die Preßfreiheit ist noch immer illusorisch, so lange das Landrecht existirt; das Landrecht mit seinen §§. über den frechen unehrerbietigen Tadel, über den Spott und die Majestätsbeleidigung. In England und Amerika treten die Staatsanwalte nur dann gegen Schriften auf, wenn ein bestimmter Zusammenhang mit einem concreten Verbrechen vorliegt. Meine Herren, die Freizügigkeit existirt bei uns auf dem Papier, so lange die Polizei, auf ihren alten Rescripten fußend, jeden Gesellen, der 3 oder 4 Tage außer Arbeit ist, aus der Stadt weist. Die Volksversammlungen sind ein leerer Wahn, so lange ihre Abhaltung von der Erlaubniß unserer volksfreundlichen Polizei abhängt. Meine Herren, die Geschwornen, welche 12- bis 1500 Thlr. Einkommen haben müssen, sind schlimmer, als unsere alten Richter. (Bravo!) Meine Herren! Die Volksbewaffnung ist eine Seifenblase, wenn diejenigen, wegen deren Uebergriffe sie eingeführt ist, noch immer das Recht haben, uns die Waffen aus der Hand zu nehmen und die Bürgerwehr zu suspendiren. Die Freiheit ist noch immer in Gefahr, so lange die Söhne des Vaterlandes gezwungen sind, Sklaven des blinden Gehorsams, des unbeschränkten Machtwortes zu sein, so lange sie von ihren Landesbrüdern getrennt und besonderen Strafgesetzen unterworfen sind. (Bravo!) Auch die persönliche Freiheit ist noch immer gefährdet, so lange der Soldat, der sie verletzt, nicht dem bürgerlichen Richter unterworfen ist, welcher den Schutz der Freiheit gewähren soll. Wie es mit den Grundrechten ist, so ist es mit der Verfassung. Was hilft eine zweite, eine Volkskammer, in der der Wille der Nation zum Ausdruck kommt, wenn ihr gegenüber der zwiefache Damm, die erste Kammer und das Veto der Krone, besteht? Daß der Deutsche sich nicht überstürzt, zeigt das Frankfurter Parlament alle Tage. Man kann der Krone nur unter der Voraussetzung das Recht zugestehen, die Volkskammer aufzulösen, wenn man annehmen könnte, in dieser Volkskammer spricht sich augenblicklich nicht die wahre Meinung der Majorität des Volkes aus, sondern die verfälschte. Aber, meine Herren, um die Krone nicht in Verlegenheit zu bringen, gibt es ein weit einfacheres Mittel. Man nehme jährliche und direkte Wahlen vor, so verhindert man, daß der Deputirte sich jemals vom Bewußtsein des Volkes entfernen kann, dadurch bringt man zu Wege, daß der Deputirte weiter nichts ist, als der Mund seiner Wähler, daß die Volksmeinung reiner zu Tage kommt, die Zeitverschwendung, welche indirekt dem Census gleichkommt, nicht mehr stattfindet. Meine Herren! Keine Gesetzgebung ohne die Volkskammer; auch keine provisorische durch die Minister und endlich ein ordentliches Gesetz über die Verantwortlichkeit derselben, und ein Gericht über sie, nicht von Richtern, welche die Minister selbst ernennen, sondern durch Geschworne aus dem Volke. Ich verlange eine sichere Garantie für die Verfassung und diese ist am meisten bedingt durch eine wahrhaft volksthümliche Gemeinde-, Kreis- und Bezirksordnung, basirt auf das ausgedehnteste Recht der Selbstregierung. Statt dessen hat man uns aber ein System des Luges und Scheines gegeben, dies System der drei sich gleich gegenüber stehenden Staatsgewalten. Wir haben es in anderen Ländern gesehen, was es zu Wege bringt. Man hat sich auf Belgien berufen und dieses als einen Musterstaat hingestellt; man hat darauf hingewiesen, wie es der allgemeinen Revolution widerstanden. Aber mit demselben Rechte hätte man auch auf die Schweiz und auf Rußland hinweisen können, die ebenfalls dieser Revolution widerstanden haben; man hätte auf die Republik wie auf den Absolutismus hinweisen können. Solche Beispiele beweisen also nichts. Aber wohl zeigt uns Frankreich, wie dieses System der drei Staatsgewalten stete Reibung hervorbringt, einen Kampf, der sich in Intriguen verliert, in ein Zerbrechen aller Sittlichkeit. Es verbinden sich jene allein Privilegirten gegen das Volk, und so entsteht, wie unter dem bürgerfreundlichen Könige Louis Philippe, die Herrschaft der Corruption. Diese Forderungen sind es, welche das Volk zu machen hat und die ich als Volksvertreter in der neuen Volkskammer aufstellen würde. Sie werden sagen, die Stellung dieser Kammer sei eine andere als die der früheren National-Versammlung; sie stand allein, sie hatte keine erste Kammer und nur das Prinzip der Vereinbarung gegen sich, das Prinzip der Vereinbarung, welches von ihr bestritten wurde, wenigstens von unsrer Fraktion. Der Schein, nicht das Wesen der Dinge ist verändert, für mich giebt es nur eine Arbeit, einen Beruf, nur einen Zweck, und das ist: den Willen der Majorität des Volkes, wie er in der zweiten Kammer zur Sprache kommt, zur Gesetzeskraft und Form zu bringen. Ob ihr ein Widerstand entgegengesetzt wird durch ein Veto, Nein, oder durch das Nein der Vereinbarung, durch ein Nein der Camarilla, oder durch ein Nein der ersten privilegirten Kammer, ist mir gleich. Es kommt ja doch nur darauf an, welche Macht hinter diesem Nein steckt. Ich würde es stets zu bekämpfen suchen mit allen Mitteln, welche mir meine Stellung giebt; daß ich dabei nimmermehr die Gewalt, welche das preußische Volk durch die Oktroyirung der Verfassung erlitten, anerkennen werde, versteht sich von selbst. Gewalt kann nicht Recht werden, und wenn der Staatsanzeiger noch zwei Jahre lang viele Hunderte von Ergebenheitsadressen bringt, jene Ergebenheitsadressen, welche den Frankfurter Reichsminister zu dem Glauben brachten, sie hätten die Gewalt gerechtfertigt und ratifizirt. Ich glaube, der Ausfall der Wahlen wird den Herrn Reichsminister sehr enttäuschen. Wenn ich aber die Gewalt nimmermehr anerkenne, so werde ich mich von ihr nicht abhalten lassen, sofort an die eigentliche Arbeit zu gehen, an die Bearbeitung der Verfassung. Noch sind wir nicht machtlos; große Mittel bleiben uns noch, zunächst die Macht der öffentlichen Meinung, wie sie sich in der Volkskammer ausspricht, und wenn uns die Regierung in nichts Rechnung tragen will, so bleibt uns noch das Mittel der Steuerbewilligung, dies konstitutionelle Mittel. Wenigstens soviel gesteht die oktroyirte Verfassung zu, daß außerordentliche Abgaben von der Bewilligung der Kammer abhängen. Die außerordentlichen Abgaben dürften aber, wenn dieses System fortbesteht, sehr bald zu den ordentlichen gehören, und dann machen wir es wie in England, wenn dort das Unterhaus mit der Hartnäckigkeit der Herrn Lords fertig werden will: man schickt die Steuerbewilligungsbill mit angenehmer Begleitung in's Oberhaus. Auf diese Weise dürfte die Volksfreiheit hoffähig werden. Es ist aber endlich Zeit, daß wir die politische Frage hinter uns bekommen, denn es erwartet uns eine ganz andere Arbeit, gegen welche die politische Frage nur eine leichte Arbeit ist. Ich meine die soziale. Sie haben so oft in den Thronreden der Fürsten von der Wohlfahrt der Völker gehört, von dem Wachsthum ihres Reichthums. Aber wenn man die Bücher der Statistik nachschlägt, wo eine ordentliche Statistik existirt, wie in Frankreich, dann sieht man, daß der größte Theil der Nation in Noth und Sorge lebte, welche ihn hindert, an dem eigentlichen Kulturgange Theil zu nehmen. In Deutschland ist es nicht besser. Es geht dies deutlich aus der geringen Zahl der Urwähler für die erste Kammer hervor, wenn die Zahlen auch nicht so genau stimmen möchten, wie in den Angaben für Frankreich und England. Wenn wir finden, daß in Breslau 2000 Urwähler für die erste Kammer, in Berlin 12,000 vorhanden sind, so kann man berechnen, daß in Preußen nicht viel mehr als 100,000 Urwähler zur ersten Kammer kommen. Es ist dies ein erschreckendes Resultat, daß der zwanzigste bis dreißigste Theil der Kandidaten nur an einem Einkommen von 500 Thalern betheiligt ist. Man ersieht, welche große Zahl bei uns in Preußen, wie in Frankreich und England zu jener bedürftigen Klasse gehört, von der ich vorher redete. Diese schrecklichen Zahlenverhältnisse, welche stets im Zunehmen sind, haben die ausgezeichnetsten Köpfe unseres Jahrhunderts der sozialen Frage zugewendet. Man hat neue soziale Systeme aufgebaut, aber sie sind wieder aufgegeben worden. Den gesellschaftlichen Organismus macht man nicht auf dem Papier, er muß sich im Leben selbst formen. Es ist zunächst sonnenklar, daß wenn die Majorität der Nation es ausspricht, daß sie sich in einem der Reorganisation der Gesellschaft bedürftigen Zustande befindet, das mächtigste Mittel, welches zur Abhülfe sich darbiete, die Staatsform ist, welche ihr die Gewalt giebt, ihren Willen zur Gesetzesform zu machen. Sodann ist es die Theilnahme, welche dem Volke an der Gemeinde-, Kreis- und Bezirks-Verwaltung zusteht. Durch sie wird die Kraft, welche in 16 Millionen schlummert, an das Tageslicht gefördert. Durch die Presse wird jeder neue Gedanke hervorgelockt, er geht durch die Feuerläuterung der Kritik und wird endlich Gemeingut der Nation. Durch die Association wird dem Schwachen Gelegenheit gegeben, sich gegen die Macht des Kapitals ausreichend zu verbinden. Aber noch viel läßt sich in staatswirthschaftlicher Hinsicht für die Anbahnung der sozialen Frage thun. Wenn wir das System unserer Besteuerung nachsehen, so werden Sie finden, daß der bedürftige Theil der Bevölkerung bei Weitem den größten Theil der Steuern trägt, und die reiche Klasse verhältnißmäßig nur schwach besteuert ist. Auf der andern Seite finden wir, daß die Verwendung der Steuern vorzugsweise gerade im Interesse der Privilegirten geschieht. Erlauben Sie mir, daß ich Ihnen einige Zahlen angeben darf, um dieses System schlagend darzuthun. Die Klassensteuer der ersten Hauptstufe (Leute von 20,000 bis 100,000 Thlr. Vermögen und darüber) beträgt 356,724 Thlr.
Sie sehen, meine Herren, daß die erste Klasse, welche allein aus reichen Leuten besteht, nur etwa 356,000 Thlr. bezahlt, die andere Klasse (und Leute bis 20,000 Thlr. kann man noch nicht zu den reichen Leuten zählen, Leute, die jährlich etwa 1000 Thlr. Einkommen haben, wenn sie von ihren Renten leben wollen) und also auch diejenigen, welche nichts haben, zahlen mit ihnen zusammen 7,397,010 Thaler. Sie sehen, welches Verhältniß hier stattfindet. Bei der Schlacht- und Mahlsteuer stellt sich die Berechnung heraus, daß Leute, welche 3 bis 400 Thlr. Einkommen haben, vom Thaler 6 Pf. zahlen. Natürlicher zahlen diejenigen, welche weniger haben, vom Thaler noch mehr Abgaben. Leute, welche 3 bis 4000 Thaler haben, zahlen aber nur 1 Pfennig vom Thaler. Noch krasser stellt sich das Verhältniß bei der Grundsteuer heraus. Im Regierungs-Bezirk Cöslin z. B. bezahlt der Bauer vom Morgen Grundsteuer 3 Sgr., der Städter 1 Sgr. 8 Pfg., der Adlige und der Domänen-Pächter etc. 1 Pfennig. Wenn wir also gesehen haben, daß die große Masse der Unvermögenden gerade den Hauptbetrag der Steuern giebt, werden wir auf der andern Seite sehen, wie die Steuern im Interesse der reichen Leute verwendet werden. Ich will Ihnen nur einige Zahlen in dieser Beziehung anführen. Für die Gymnasien, Bibliotheken und Universitäten werden 910,027 Thaler verausgabt. Obgleich nicht zu leugnen ist, daß die Auszeichnung in den Wissenschaften dem Volke zu gute kommt, so ist doch das Verhältniß eigenthümlich. Wenn Sie diese Summe auf den Kopf vertheilen, auf die Person, welche an den Universitäten etc. Theil nehmen, so beträgt dies 26 Thlr. Was thut aber der Staat für die Masse der Unvermögenden? Für die Elementar-Schulen ist die Summe von 252,754 Thlr. ausgesetzt, und es kommen hier auf den Kopf 3 Sgr. Meine Herren! Ebenso stellt es sich mit den meisten Schutzzöllen heraus, daß dieselben ein Privilegium der großen Fabrikbesitzer sind. Besonders schlagend ist dies beim Zuckerzoll. Der Zuckerzoll beträgt 10 Thlr. auf den Centner. Der Staat erläßt dem Zucker-Raffineur 5 Thlr., dies beträgt im ganzen Zollverein 7,000,000 Thlr., auf Preußen beträgt dies 3,700,000. Preußen giebt also seinen 57 Raffineuren 3,700,000 Thlr. zum Geschenk. Nun, wird man sagen, dafür sind auch viele Arbeiter beschäftigt. Das sind im Jahre 1846 2907 gewesen. Rechnen sie jeden auf höchstens 200 Thlr., so kommt heraus 5-600,000. Der Staat giebt also den 57 Raffineurs 3,000,000 Thlr. Hieraus können wir erkennen, wie die Herren Schickler, Jacobs und Jost in Köln so reich geworden sind. Der Staat könnte also mit diesem Gelde die Zuckerarbeiter pensioniren, und noch viele Tausend mit dem Rest beschäftigen. Die großen Lieferungen und Unternehmungen des Staates, die Verpachtung der Domänen, wem kommen sie zu Gute? nur den Kapitalisten, insbesondere scheint die Verpachtung der Domänen nur darum da zu sein, um neue Kapitalisten zu schaffen, um den biblischen Grundsatz: „Wer hat, dem wird gegeben,“ zu verwirklichen. Der Domänenpächter erhält häufig den Morgen zu 2 Thlr. Pacht, und verpachtet ihn wieder zu 13 Thlr., so daß er von jedem Morgen 11 Thlr. einsteckt. Die Unterstützungen des Staates, der Credit den er giebt, sie kommen nur dem Reichen zu Gute. Sie sehen aus dem Bericht der Finanz-Commission der aufgelösten National-Versammlung, wie mit den Geschenken verfahren wird. Sie finden besonders Namen von Beamten: Landrath Keller zur Erziehung seiner Kinder, den Grafen Dohna, einen General zur Einrichtung, dem Prinzen Wilhelm zur Einrichtung in Mainz 6000 Thlr. und für seinen Stellvertreter wieder 6000 Thlr., den General Grolmann als Geschenk an seine Familie u. s. w. So ist fortwährend der ganze Dispositions-Fond zu Gunsten der privilegirten Klassen verwandt. Es sind auch darunter die Ausgaben für die Orden, 43,000 Thlr., welche die National-Versammlung abschaffte, was auch eine Verwendung zu Gunsten der privilegirten Klassen ist. Eben so ist es mit dem Extrafond für Kunstbauten, während der Staats-Haushalt noch einen Prachtbau-Fond hatte mit vielen Millionen. Hierzu kommt nun noch, daß die Commission der National-Versammlung nicht Zeit hatte, Alles durchzusehen. Sie hat rasch abschließen müssen, und hat nicht einmal die Provinzial-Kassen durchgesehen. Jede Provinz nimmt die Einnahmen ein und bestreitet die Ausgaben. Den Ueberschuß schickt sie an die General-Staats-Kasse, und diese bucht nur Ueberschüsse. Um eine vollständige Uebersicht zu haben, hätte die Commission auch diese Provinzial-Hauptkassenbücher einsehen müssen. Da wären wir noch auf ganz andere Verwendungen gekommen. Ich glaube, daß diese Zahlen genügen, um das zu beweisen, was ich gesagt habe: Die Steuern werden hauptsächlich erhoben von der großen Majorität der Bedürftigen, und hauptsächlich verwandt im Interesse der Privilegirten. Sie sehen, was der Volksstaat vermag für Verbesserung der socialen Verhältnisse. Man wende die Steuern umgekehrt an zu Gunsten der Bedürftigen, und es werden ungeheure Kräfte zur Lösung der socialen Frage verwandt werden können. Sie sehen demnach, meine Herren, die politische Frage verhält sich zur socialen Frage wie das Erdreich zur Pflanze. Die Pflanze gebraucht das Erdreich zum Wachsthum. Räumen wir die Hindernisse hinweg, damit der neue Messias kommen kann, welcher die Seligkeit nicht blos für das Jenseits, sondern auch schon für das Diesseits bringe! (Lebhafter Beifall.) Berlin, 9. Febr. In der vergangenen Woche hat ein Lehrer, früherer Redakteur einer hiesigen Zeitschrift, seinem Leben ein Ende gemacht, weil er, nachdem sein Blatt im vorigen Herbst eingegangen war, nachdem er vergeblich an allen Thüren, die sich ihm öffneten, um Beschäftigung gebeten, nachdem er seine Frau und seine 7 Kinder dem Hungertode nahe gesehen, in diesem Mittel die einzige Hülfe für seine Familie und auch für sich gefunden, indem er voraussetzte, daß dann wohl für die Erhaltung der Armen gesorgt werden müsse. (Publiz.)— Der als Verfasser der „Enthüllungen“ enthüllte Privatschreiber Wilh. Piersig ist, wie sich aus den Akten des hiesigen Kriminalgerichts ergibt, ein schon dreimal bestraftes Individuum, so u. A. auch einmal wegen Betrugs durch Fälschung mit 3 Jahren Festung belegt. — Heute kommen zwei literarische Prozesse zur Verhandlung, der eine wegen der in einer Nummer zur Probe ausgegebenen Zeitung, der blaue Montag; der andere in Betreff einer Karrikatur, die der Staatsanwalt als den Prinzen von Preußen angehend, ansieht. Bei dem letzteren ist es wahrscheinlich, daß das Urtel verschoben und die Hauptfrage, ob Beleidigungen gegen Prinzen des königlichen Hauses noch als besonders strafbar oder als bloße Injurien anzusehen sind, vor das Plenum wird gebracht werden. 088 Frankenstein, 8. Febr. Seitdem die hiesigen Konstitutionellen eine so totale Niederlage erlitten, daß auch nicht Einer ihrer Kandidaten Wahlmann geworden, sinnt diese Sorte auf Mittel, uns zu schaden. Kein Mittel ist ihr zu diesem Zweck zu schlecht. Die hohe Geistlichkeit mit ihren enragirten Helfershelfern von Beamten — Pensionäre und dergleichen Scheinheiligen, glaubte mit fester Zuversicht an das Gelingen ihrer feinangelegten Pläne. Desto schrecklicher war ihre Enttäuschung. Um den hiesigen kostitutionellen Verein mit wenigen Worten zu charakterisiren, theile ich Ihnen aus einer Rede seines Präsidenten, Justitiar Kassea, eines treuen Gehülfen der Geistlichkeit, einen Satz wortgetreu mit: „Ich warne, sagte er, vor der Civilehe, ich bin gegen Geschwornengerichte, ich eifre gegen sogenannte Glaubensfreiheit und gegen die Emanzipation der Schule; aber ich bin kein Reaktionär“!!! Während wir uns im wahren Sinne des Wortes und zum Aerger unserer Gegner, ganz ruhig verhalten, gibt sich jene Partei die größte Mühe, uns zu reizen. Bald nach der Niederlage, hatte sie anonyme Briefe an den Stadtpfarrer und an den Bürgermeister abgesandt und darin angezeigt, daß die Demokraten den bezeichneten Personen Katzenmusiken zu bringen beabsichtigten! Sofort beauftragt der Bürgermeister den Bürgerwehr-Kommandanten (der ein tüchtiger Demokrat ist), der angedeuteten Katzenmusik entgegenzutreten, eine Kompagnie Bürgerwehr zu requiriren und vor dem Hause des Canonicus Wachen aufzustellen, so wie Patrouillen in der Stadt herum zu senden! Die Bürgerwehr erscheint 8 Tage lang von 8 bis 12 Uhr, aber nichts rührt sich! Während die Bürgerwehr so auf einen anonymen Wisch hin herumgejagt wird, läßt auch der hiesige Hauptmann Kößlitz sein Militär patrouilliren. Doch es entstehen noch immer keine Händel; es bleibt ruhig! Der edle Hauptmann äußert öffentlich, er habe seine Soldaten mit tüchtigen Knütteln versehen, um die Demokraten damit zur Ruhe zu bringen! Trotz alledem keine Möglichkeit, den in Schlesien so beliebten Belagerungszustand auch für unsere Stadt herbeizuführen. Hier und in der Umgegend nehmen die Auswanderungen ungemein zu. An 50 Personen gehen im Frühjahre nach Amerika ab. In Langenbielau haben sich bereits 185 unglückliche Weberfamilien vereinigt, um das Vaterland, in welchem sie schlechterdings verhungern müssen, zu velassen. Am Sonntage habe ich dem Auswanderungsvereine selbst beigewohnt. Die Leute sind alle ohne Mittel und haben die Regierung um die nöthige Unterstützung zur Reise ersucht. Voraussichtlich erfolgt eine abschlägige Antwort — und was werden die Armen dann anfangen? So muß es leider kommen, wenn eine Regierung für Luxus, überflüssige Beamte, hohe Pensionen, Militär, Millionen verschwendet, dann müssen auf der andern Seite Tausende verhungern. Die beiden am 5. erwählten Abgeordneten: Pape und Ebel sind entschieden demokratisch. 102 Graudenz, 6. Febr. Die gottbegnadete „Rechte“ hat sich hier mit 2 Stimmen rekrutirt. Für den Rosenberger und Graudenzer Kreis sind nämlich der Exminister des Innern, Herr <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar219-2_003" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0002" n="1204"/> treten, bis endlich die Regierung uns eines gegenüberstellte, welches mit uns im Prinzip des Volksstaates übereinstimmte.</p> <p>Wenn die Majorität der Kammer Hand in Hand geht mit dem Ministerium, so werden die Arbeiten schnell gemacht; wenn die Majorität der Versammlung mit dem Ministerium auseinandergeht, so hilft alle Thätigkeit nichts, denn es fehlt ihr die Ausführung. Jene Partei des Centrums fiel uns erst zu, als es zu spät war, als die Feinde des Vaterlandes in der brutalsten Leidenschaftlichkeit an Thür und Thor klopften, und nichts mehr zu vermitteln war; als die Gewalt, das Prinzip der Vereinbarung von sich werfend, uns einen Schein Konstitutionalismus octroyirte. (Bravo!)</p> <p>Meine Herren, bei unseren jetzigen Wahlen steht es anders. Die Gewalt ist wieder zu ganzer Stärke erwacht und sie hat das Feld der Wahlen mit ihren ungeheuren Hülfsmitteln auf's Kräftigste bearbeitet. Dieses Feld, welches sie uns früher ganz allein überlassen hatte, hat sie sich jetzt mit hundertfältigen Mitteln geebnet; was dem Gelde nicht gelang, bewirkte der offizielle Charakter ihrer Agitatoren. Ja sogar die Presse ist bestochen und dienstbar gemacht durch Geld und den Belagerungszustand; und dennoch ist die Furcht von dem Volke gewichen, die im Frühjahr auf ihm ruhte und die Wahlen sind demokratischer ausgefallen, als damals. (Bravo!)</p> <p>Das ist uns ein voller Trost für alle die Unbilden der Gewalt und der Verläumdung, die unsere Partei erfahren, und das ist der bündigste Beweis dafür, daß unsere Forderungen wirklich im Bewußtsein des Volkes und in der Vernunft begründet sind. Dies, meine Herren, ist für mich zugleich die Veranlassung, mich Ihnen zum Streiter im Kampf für dieselbe Sache abermals anzubieten, die ich bereits früher verfochten.</p> <p>Wir wollen den Volksstaat in seiner vollen Reinheit organisiren. Zu diesem Zweck müssen zuerst die Grundrechte rein hingestellt werden, nicht mehr verklausulirt, nicht mehr bedroht durch die Willkür, durch eine veraltete Gesetzgebung. Die Preßfreiheit ist noch immer illusorisch, so lange das Landrecht existirt; das Landrecht mit seinen §§. über den frechen unehrerbietigen Tadel, über den Spott und die Majestätsbeleidigung. In England und Amerika treten die Staatsanwalte nur dann gegen Schriften auf, wenn ein bestimmter Zusammenhang mit einem concreten Verbrechen vorliegt.</p> <p>Meine Herren, die Freizügigkeit existirt bei uns auf dem Papier, so lange die Polizei, auf ihren alten Rescripten fußend, jeden Gesellen, der 3 oder 4 Tage außer Arbeit ist, aus der Stadt weist. Die Volksversammlungen sind ein leerer Wahn, so lange ihre Abhaltung von der Erlaubniß unserer volksfreundlichen Polizei abhängt.</p> <p>Meine Herren, die Geschwornen, welche 12- bis 1500 Thlr. Einkommen haben müssen, sind schlimmer, als unsere alten Richter. (Bravo!)</p> <p>Meine Herren! Die Volksbewaffnung ist eine Seifenblase, wenn diejenigen, wegen deren Uebergriffe sie eingeführt ist, noch immer das Recht haben, uns die Waffen aus der Hand zu nehmen und die Bürgerwehr zu suspendiren.</p> <p>Die Freiheit ist noch immer in Gefahr, so lange die Söhne des Vaterlandes gezwungen sind, Sklaven des blinden Gehorsams, des unbeschränkten Machtwortes zu sein, so lange sie von ihren Landesbrüdern getrennt und besonderen Strafgesetzen unterworfen sind. (Bravo!)</p> <p>Auch die persönliche Freiheit ist noch immer gefährdet, so lange der Soldat, der sie verletzt, nicht dem bürgerlichen Richter unterworfen ist, welcher den Schutz der Freiheit gewähren soll. Wie es mit den Grundrechten ist, so ist es mit der Verfassung.</p> <p>Was hilft eine zweite, eine Volkskammer, in der der Wille der Nation zum Ausdruck kommt, wenn ihr gegenüber der zwiefache Damm, die erste Kammer und das Veto der Krone, besteht? Daß der Deutsche sich nicht überstürzt, zeigt das Frankfurter Parlament alle Tage. Man kann der Krone nur unter der Voraussetzung das Recht zugestehen, die Volkskammer aufzulösen, wenn man annehmen könnte, in dieser Volkskammer spricht sich augenblicklich nicht die wahre Meinung der Majorität des Volkes aus, sondern die verfälschte.</p> <p>Aber, meine Herren, um die Krone nicht in Verlegenheit zu bringen, gibt es ein weit einfacheres Mittel. Man nehme jährliche und direkte Wahlen vor, so verhindert man, daß der Deputirte sich jemals vom Bewußtsein des Volkes entfernen kann, dadurch bringt man zu Wege, daß der Deputirte weiter nichts ist, als der Mund seiner Wähler, daß die Volksmeinung reiner zu Tage kommt, die Zeitverschwendung, welche indirekt dem Census gleichkommt, nicht mehr stattfindet.</p> <p>Meine Herren! Keine Gesetzgebung ohne die Volkskammer; auch keine provisorische durch die Minister und endlich ein ordentliches Gesetz über die Verantwortlichkeit derselben, und ein Gericht über sie, nicht von Richtern, welche die Minister selbst ernennen, sondern durch Geschworne aus dem Volke. Ich verlange eine sichere Garantie für die Verfassung und diese ist am meisten bedingt durch eine wahrhaft volksthümliche Gemeinde-, Kreis- und Bezirksordnung, basirt auf das ausgedehnteste Recht der Selbstregierung.</p> <p>Statt dessen hat man uns aber ein System des Luges und Scheines gegeben, dies System der drei sich gleich gegenüber stehenden Staatsgewalten. Wir haben es in anderen Ländern gesehen, was es zu Wege bringt. Man hat sich auf Belgien berufen und dieses als einen Musterstaat hingestellt; man hat darauf hingewiesen, wie es der allgemeinen Revolution widerstanden. Aber mit demselben Rechte hätte man auch auf die Schweiz und auf Rußland hinweisen können, die ebenfalls dieser Revolution widerstanden haben; man hätte auf die Republik wie auf den Absolutismus hinweisen können. Solche Beispiele beweisen also nichts. Aber wohl zeigt uns Frankreich, wie dieses System der drei Staatsgewalten stete Reibung hervorbringt, einen Kampf, der sich in Intriguen verliert, in ein Zerbrechen aller Sittlichkeit. Es verbinden sich jene allein Privilegirten gegen das Volk, und so entsteht, wie unter dem bürgerfreundlichen Könige Louis Philippe, die Herrschaft der Corruption.</p> <p>Diese Forderungen sind es, welche das Volk zu machen hat und die ich als Volksvertreter in der neuen Volkskammer aufstellen würde. Sie werden sagen, die Stellung dieser Kammer sei eine andere als die der früheren National-Versammlung; sie stand allein, sie hatte keine erste Kammer und nur das Prinzip der Vereinbarung gegen sich, das Prinzip der Vereinbarung, welches von ihr bestritten wurde, wenigstens von unsrer Fraktion. Der Schein, nicht das Wesen der Dinge ist verändert, für mich giebt es nur eine Arbeit, einen Beruf, nur einen Zweck, und das ist: den Willen der Majorität des Volkes, wie er in der zweiten Kammer zur Sprache kommt, zur Gesetzeskraft und Form zu bringen. Ob ihr ein Widerstand entgegengesetzt wird durch ein Veto, Nein, oder durch das Nein der Vereinbarung, durch ein Nein der Camarilla, oder durch ein Nein der ersten privilegirten Kammer, ist mir gleich. Es kommt ja doch nur darauf an, welche Macht hinter diesem Nein steckt. Ich würde es stets zu bekämpfen suchen mit allen Mitteln, welche mir meine Stellung giebt; daß ich dabei nimmermehr die Gewalt, welche das preußische Volk durch die Oktroyirung der Verfassung erlitten, anerkennen werde, versteht sich von selbst. Gewalt kann nicht Recht werden, und wenn der Staatsanzeiger noch zwei Jahre lang viele Hunderte von Ergebenheitsadressen bringt, jene Ergebenheitsadressen, welche den Frankfurter Reichsminister zu dem Glauben brachten, sie hätten die Gewalt gerechtfertigt und ratifizirt.</p> <p>Ich glaube, der Ausfall der Wahlen wird den Herrn Reichsminister sehr enttäuschen. Wenn ich aber die Gewalt nimmermehr anerkenne, so werde ich mich von ihr nicht abhalten lassen, sofort an die eigentliche Arbeit zu gehen, an die Bearbeitung der Verfassung.</p> <p>Noch sind wir nicht machtlos; große Mittel bleiben uns noch, zunächst die Macht der öffentlichen Meinung, wie sie sich in der Volkskammer ausspricht, und wenn uns die Regierung in nichts Rechnung tragen will, so bleibt uns noch das Mittel der Steuerbewilligung, dies konstitutionelle Mittel. Wenigstens soviel gesteht die oktroyirte Verfassung zu, daß außerordentliche Abgaben von der Bewilligung der Kammer abhängen. Die außerordentlichen Abgaben dürften aber, wenn dieses System fortbesteht, sehr bald zu den ordentlichen gehören, und dann machen wir es wie in England, wenn dort das Unterhaus mit der Hartnäckigkeit der Herrn Lords fertig werden will: man schickt die Steuerbewilligungsbill mit angenehmer Begleitung in's Oberhaus. Auf diese Weise dürfte die Volksfreiheit hoffähig werden.</p> <p>Es ist aber endlich Zeit, daß wir die politische Frage hinter uns bekommen, denn es erwartet uns eine ganz andere Arbeit, gegen welche die politische Frage nur eine leichte Arbeit ist. Ich meine die soziale.</p> <p>Sie haben so oft in den Thronreden der Fürsten von der Wohlfahrt der Völker gehört, von dem Wachsthum ihres Reichthums. Aber wenn man die Bücher der Statistik nachschlägt, wo eine ordentliche Statistik existirt, wie in Frankreich, dann sieht man, daß der größte Theil der Nation in Noth und Sorge lebte, welche ihn hindert, an dem eigentlichen Kulturgange Theil zu nehmen. In Deutschland ist es nicht besser. Es geht dies deutlich aus der geringen Zahl der Urwähler für die erste Kammer hervor, wenn die Zahlen auch nicht so genau stimmen möchten, wie in den Angaben für Frankreich und England.</p> <p>Wenn wir finden, daß in Breslau 2000 Urwähler für die erste Kammer, in Berlin 12,000 vorhanden sind, so kann man berechnen, daß in Preußen nicht viel mehr als 100,000 Urwähler zur ersten Kammer kommen. Es ist dies ein erschreckendes Resultat, daß der zwanzigste bis dreißigste Theil der Kandidaten nur an einem Einkommen von 500 Thalern betheiligt ist. Man ersieht, welche große Zahl bei uns in Preußen, wie in Frankreich und England zu jener bedürftigen Klasse gehört, von der ich vorher redete.</p> <p>Diese schrecklichen Zahlenverhältnisse, welche stets im Zunehmen sind, haben die ausgezeichnetsten Köpfe unseres Jahrhunderts der sozialen Frage zugewendet. Man hat neue soziale Systeme aufgebaut, aber sie sind wieder aufgegeben worden. Den gesellschaftlichen Organismus macht man nicht auf dem Papier, er muß sich im Leben selbst formen.</p> <p>Es ist zunächst sonnenklar, daß wenn die Majorität der Nation es ausspricht, daß sie sich in einem der Reorganisation der Gesellschaft bedürftigen Zustande befindet, das mächtigste Mittel, welches zur Abhülfe sich darbiete, die Staatsform ist, welche ihr die Gewalt giebt, ihren Willen zur Gesetzesform zu machen.</p> <p>Sodann ist es die Theilnahme, welche dem Volke an der Gemeinde-, Kreis- und Bezirks-Verwaltung zusteht. Durch sie wird die Kraft, welche in 16 Millionen schlummert, an das Tageslicht gefördert. Durch die Presse wird jeder neue Gedanke hervorgelockt, er geht durch die Feuerläuterung der Kritik und wird endlich Gemeingut der Nation. Durch die Association wird dem Schwachen Gelegenheit gegeben, sich gegen die Macht des Kapitals ausreichend zu verbinden. Aber noch viel läßt sich in staatswirthschaftlicher Hinsicht für die Anbahnung der sozialen Frage thun. Wenn wir das System unserer Besteuerung nachsehen, so werden Sie finden, daß der bedürftige Theil der Bevölkerung bei Weitem den größten Theil der Steuern trägt, und die reiche Klasse verhältnißmäßig nur schwach besteuert ist. Auf der andern Seite finden wir, daß die Verwendung der Steuern vorzugsweise gerade im Interesse der Privilegirten geschieht.</p> <p>Erlauben Sie mir, daß ich Ihnen einige Zahlen angeben darf, um dieses System schlagend darzuthun.</p> <p>Die Klassensteuer der ersten Hauptstufe (Leute von 20,000 bis 100,000 Thlr. Vermögen und darüber) beträgt 356,724 Thlr.</p> <table> <row> <cell>Die 2. Haupt-Steuer-Klasse (Leute, die ein Vermögen von 8 bis 20,000 Thlr. besitzen)</cell> <cell>1,203,789 Thlr.</cell> </row> <row> <cell>Die 3. Haupt-Steuer-Klasse (Leute, die ein Vermögen von 2 bis 8000 Thaler besitzen)</cell> <cell>2,400,571 Thlr.</cell> </row> <row> <cell>Die 4. Haupt-Steuer-Klasse (Leute, die unter 2000 Thlr. und ganz ohne Vermögen sind)</cell> <cell> 3,792,650 Thlr.</cell> </row> <row> <cell/> <cell/> <cell>7,397,010 Thlr.</cell> </row> <row> <cell/> <cell>Zusammen:</cell> <cell>7,752,734 Thlr.</cell> </row> </table> <p>Sie sehen, meine Herren, daß die erste Klasse, welche allein aus reichen Leuten besteht, nur etwa 356,000 Thlr. bezahlt, die andere Klasse (und Leute bis 20,000 Thlr. kann man noch nicht zu den reichen Leuten zählen, Leute, die jährlich etwa 1000 Thlr. Einkommen haben, wenn sie von ihren Renten leben wollen) und also auch diejenigen, welche nichts haben, zahlen mit ihnen zusammen 7,397,010 Thaler. Sie sehen, welches Verhältniß hier stattfindet.</p> <p>Bei der Schlacht- und Mahlsteuer stellt sich die Berechnung heraus, daß Leute, welche 3 bis 400 Thlr. Einkommen haben, vom Thaler 6 Pf. zahlen. Natürlicher zahlen diejenigen, welche weniger haben, vom Thaler noch mehr Abgaben. Leute, welche 3 bis 4000 Thaler haben, zahlen aber nur 1 Pfennig vom Thaler. Noch krasser stellt sich das Verhältniß bei der Grundsteuer heraus.</p> <p>Im Regierungs-Bezirk Cöslin z. B. bezahlt der Bauer vom Morgen Grundsteuer 3 Sgr., der Städter 1 Sgr. 8 Pfg., der Adlige und der Domänen-Pächter etc. 1 Pfennig. Wenn wir also gesehen haben, daß die große Masse der Unvermögenden gerade den Hauptbetrag der Steuern giebt, werden wir auf der andern Seite sehen, wie die Steuern im Interesse der reichen Leute verwendet werden. Ich will Ihnen nur einige Zahlen in dieser Beziehung anführen.</p> <p>Für die Gymnasien, Bibliotheken und Universitäten werden 910,027 Thaler verausgabt. Obgleich nicht zu leugnen ist, daß die Auszeichnung in den Wissenschaften dem Volke zu gute kommt, so ist doch das Verhältniß eigenthümlich. Wenn Sie diese Summe auf den Kopf vertheilen, auf die Person, welche an den Universitäten etc. Theil nehmen, so beträgt dies 26 Thlr.</p> <p>Was thut aber der Staat für die Masse der Unvermögenden?</p> <p>Für die Elementar-Schulen ist die Summe von 252,754 Thlr. ausgesetzt, und es kommen hier auf den Kopf 3 Sgr.</p> <p>Meine Herren! Ebenso stellt es sich mit den meisten Schutzzöllen heraus, daß dieselben ein Privilegium der großen Fabrikbesitzer sind. Besonders schlagend ist dies beim Zuckerzoll. Der Zuckerzoll beträgt 10 Thlr. auf den Centner. Der Staat erläßt dem Zucker-Raffineur 5 Thlr., dies beträgt im ganzen Zollverein 7,000,000 Thlr., auf Preußen beträgt dies 3,700,000. Preußen giebt also seinen 57 Raffineuren 3,700,000 Thlr. zum Geschenk. Nun, wird man sagen, dafür sind auch viele Arbeiter beschäftigt. Das sind im Jahre 1846 2907 gewesen. Rechnen sie jeden auf höchstens 200 Thlr., so kommt heraus 5-600,000. Der Staat giebt also den 57 Raffineurs 3,000,000 Thlr. Hieraus können wir erkennen, wie die Herren Schickler, Jacobs und Jost in Köln so reich geworden sind. Der Staat könnte also mit diesem Gelde die Zuckerarbeiter pensioniren, und noch viele Tausend mit dem Rest beschäftigen.</p> <p>Die großen Lieferungen und Unternehmungen des Staates, die Verpachtung der Domänen, wem kommen sie zu Gute? nur den Kapitalisten, insbesondere scheint die Verpachtung der Domänen nur darum da zu sein, um neue Kapitalisten zu schaffen, um den biblischen Grundsatz: „Wer hat, dem wird gegeben,“ zu verwirklichen. Der Domänenpächter erhält häufig den Morgen zu 2 Thlr. Pacht, und verpachtet ihn wieder zu 13 Thlr., so daß er von jedem Morgen 11 Thlr. einsteckt. Die Unterstützungen des Staates, der Credit den er giebt, sie kommen nur dem Reichen zu Gute.</p> <p>Sie sehen aus dem Bericht der Finanz-Commission der aufgelösten National-Versammlung, wie mit den Geschenken verfahren wird. Sie finden besonders Namen von Beamten: Landrath Keller zur Erziehung seiner Kinder, den Grafen Dohna, einen General zur Einrichtung, dem Prinzen Wilhelm zur Einrichtung in Mainz 6000 Thlr. und für seinen Stellvertreter wieder 6000 Thlr., den General Grolmann als Geschenk an seine Familie u. s. w. So ist fortwährend der ganze Dispositions-Fond zu Gunsten der privilegirten Klassen verwandt. Es sind auch darunter die Ausgaben für die Orden, 43,000 Thlr., welche die National-Versammlung abschaffte, was auch eine Verwendung zu Gunsten der privilegirten Klassen ist. Eben so ist es mit dem Extrafond für Kunstbauten, während der Staats-Haushalt noch einen Prachtbau-Fond hatte mit vielen Millionen. Hierzu kommt nun noch, daß die Commission der National-Versammlung nicht Zeit hatte, Alles durchzusehen. Sie hat rasch abschließen müssen, und hat nicht einmal die Provinzial-Kassen durchgesehen. Jede Provinz nimmt die Einnahmen ein und bestreitet die Ausgaben. Den Ueberschuß schickt sie an die General-Staats-Kasse, und diese bucht nur Ueberschüsse. Um eine vollständige Uebersicht zu haben, hätte die Commission auch diese Provinzial-Hauptkassenbücher einsehen müssen. Da wären wir noch auf ganz andere Verwendungen gekommen. Ich glaube, daß diese Zahlen genügen, um das zu beweisen, was ich gesagt habe: Die Steuern werden hauptsächlich erhoben von der großen Majorität der Bedürftigen, und hauptsächlich verwandt im Interesse der Privilegirten. Sie sehen, was der Volksstaat vermag für Verbesserung der socialen Verhältnisse. Man wende die Steuern umgekehrt an zu Gunsten der Bedürftigen, und es werden ungeheure Kräfte zur Lösung der socialen Frage verwandt werden können. Sie sehen demnach, meine Herren, die politische Frage verhält sich zur socialen Frage wie das Erdreich zur Pflanze. Die Pflanze gebraucht das Erdreich zum Wachsthum. Räumen wir die Hindernisse hinweg, damit der neue Messias kommen kann, welcher die Seligkeit nicht blos für das Jenseits, sondern auch schon für das Diesseits bringe!</p> <p>(Lebhafter Beifall.)</p> </div> <div xml:id="ar219-2_004" type="jArticle"> <head>Berlin, 9. Febr.</head> <p>In der vergangenen Woche hat ein Lehrer, früherer Redakteur einer hiesigen Zeitschrift, seinem Leben ein Ende gemacht, weil er, nachdem sein Blatt im vorigen Herbst eingegangen war, nachdem er vergeblich an allen Thüren, die sich ihm öffneten, um Beschäftigung gebeten, nachdem er seine Frau und seine 7 Kinder dem Hungertode nahe gesehen, in diesem Mittel die einzige Hülfe für seine Familie und auch für sich gefunden, indem er voraussetzte, daß dann wohl für die Erhaltung der Armen gesorgt werden müsse.</p> <bibl>(Publiz.)</bibl> <p>— Der als Verfasser der „Enthüllungen“ enthüllte Privatschreiber Wilh. Piersig ist, wie sich aus den Akten des hiesigen Kriminalgerichts ergibt, ein schon dreimal bestraftes Individuum, so u. A. auch einmal wegen Betrugs durch Fälschung mit 3 Jahren Festung belegt. — Heute kommen zwei literarische Prozesse zur Verhandlung, der eine wegen der in einer Nummer zur Probe ausgegebenen Zeitung, der blaue Montag; der andere in Betreff einer Karrikatur, die der Staatsanwalt als den Prinzen von Preußen angehend, ansieht. Bei dem letzteren ist es wahrscheinlich, daß das Urtel verschoben und die Hauptfrage, ob Beleidigungen gegen Prinzen des königlichen Hauses noch als besonders strafbar oder als bloße Injurien anzusehen sind, vor das Plenum wird gebracht werden.</p> </div> <div xml:id="ar219-2_005" type="jArticle"> <head><bibl><author>088</author></bibl> Frankenstein, 8. Febr.</head> <p>Seitdem die hiesigen Konstitutionellen eine so totale Niederlage erlitten, daß auch nicht Einer ihrer Kandidaten Wahlmann geworden, sinnt diese Sorte auf Mittel, uns zu schaden. Kein Mittel ist ihr zu diesem Zweck zu schlecht. Die hohe Geistlichkeit mit ihren enragirten Helfershelfern von Beamten — Pensionäre und dergleichen Scheinheiligen, glaubte mit fester Zuversicht an das Gelingen ihrer feinangelegten Pläne. Desto schrecklicher war ihre Enttäuschung. Um den hiesigen kostitutionellen Verein mit wenigen Worten zu charakterisiren, theile ich Ihnen aus einer Rede seines Präsidenten, Justitiar Kassea, eines treuen Gehülfen der Geistlichkeit, einen Satz wortgetreu mit:</p> <p>„Ich warne, sagte er, vor der <hi rendition="#g">Civilehe,</hi> ich bin gegen Geschwornengerichte, ich eifre gegen sogenannte Glaubensfreiheit und gegen die Emanzipation der Schule; aber ich bin kein Reaktionär“!!!</p> <p>Während wir uns im wahren Sinne des Wortes und zum Aerger unserer Gegner, ganz ruhig verhalten, gibt sich jene Partei die größte Mühe, uns zu reizen. Bald nach der Niederlage, hatte sie anonyme Briefe an den Stadtpfarrer und an den Bürgermeister abgesandt und darin angezeigt, daß die Demokraten den bezeichneten Personen Katzenmusiken zu bringen beabsichtigten!</p> <p>Sofort beauftragt der Bürgermeister den Bürgerwehr-Kommandanten (der ein tüchtiger Demokrat ist), der angedeuteten Katzenmusik entgegenzutreten, eine Kompagnie Bürgerwehr zu requiriren und vor dem Hause des Canonicus Wachen aufzustellen, so wie Patrouillen in der Stadt herum zu senden! Die Bürgerwehr erscheint 8 Tage lang von 8 bis 12 Uhr, aber nichts rührt sich! Während die Bürgerwehr so auf einen anonymen Wisch hin herumgejagt wird, läßt auch der hiesige Hauptmann Kößlitz sein Militär patrouilliren. Doch es entstehen noch immer keine Händel; es bleibt ruhig! Der edle Hauptmann äußert öffentlich, er habe seine Soldaten mit tüchtigen Knütteln versehen, um die Demokraten damit zur Ruhe zu bringen! Trotz alledem keine Möglichkeit, den in Schlesien so beliebten Belagerungszustand auch für unsere Stadt herbeizuführen.</p> <p>Hier und in der Umgegend nehmen die Auswanderungen ungemein zu. An 50 Personen gehen im Frühjahre nach Amerika ab. In Langenbielau haben sich bereits 185 unglückliche Weberfamilien vereinigt, um das Vaterland, in welchem sie schlechterdings verhungern müssen, zu velassen. Am Sonntage habe ich dem Auswanderungsvereine selbst beigewohnt. Die Leute sind alle ohne Mittel und haben die Regierung um die nöthige Unterstützung zur Reise ersucht. Voraussichtlich erfolgt eine abschlägige Antwort — und was werden die Armen dann anfangen? So muß es leider kommen, wenn eine Regierung für Luxus, überflüssige Beamte, hohe Pensionen, Militär, Millionen verschwendet, dann müssen auf der andern Seite Tausende verhungern.</p> <p>Die beiden am 5. erwählten Abgeordneten: <hi rendition="#g">Pape</hi> und <hi rendition="#g">Ebel</hi> sind entschieden demokratisch.</p> </div> <div xml:id="ar219-2_006" type="jArticle"> <head><bibl><author>102</author></bibl> Graudenz, 6. Febr.</head> <p>Die gottbegnadete „Rechte“ hat sich hier mit 2 Stimmen rekrutirt. Für den Rosenberger und Graudenzer Kreis sind nämlich der Exminister des Innern, Herr </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1204/0002]
treten, bis endlich die Regierung uns eines gegenüberstellte, welches mit uns im Prinzip des Volksstaates übereinstimmte.
Wenn die Majorität der Kammer Hand in Hand geht mit dem Ministerium, so werden die Arbeiten schnell gemacht; wenn die Majorität der Versammlung mit dem Ministerium auseinandergeht, so hilft alle Thätigkeit nichts, denn es fehlt ihr die Ausführung. Jene Partei des Centrums fiel uns erst zu, als es zu spät war, als die Feinde des Vaterlandes in der brutalsten Leidenschaftlichkeit an Thür und Thor klopften, und nichts mehr zu vermitteln war; als die Gewalt, das Prinzip der Vereinbarung von sich werfend, uns einen Schein Konstitutionalismus octroyirte. (Bravo!)
Meine Herren, bei unseren jetzigen Wahlen steht es anders. Die Gewalt ist wieder zu ganzer Stärke erwacht und sie hat das Feld der Wahlen mit ihren ungeheuren Hülfsmitteln auf's Kräftigste bearbeitet. Dieses Feld, welches sie uns früher ganz allein überlassen hatte, hat sie sich jetzt mit hundertfältigen Mitteln geebnet; was dem Gelde nicht gelang, bewirkte der offizielle Charakter ihrer Agitatoren. Ja sogar die Presse ist bestochen und dienstbar gemacht durch Geld und den Belagerungszustand; und dennoch ist die Furcht von dem Volke gewichen, die im Frühjahr auf ihm ruhte und die Wahlen sind demokratischer ausgefallen, als damals. (Bravo!)
Das ist uns ein voller Trost für alle die Unbilden der Gewalt und der Verläumdung, die unsere Partei erfahren, und das ist der bündigste Beweis dafür, daß unsere Forderungen wirklich im Bewußtsein des Volkes und in der Vernunft begründet sind. Dies, meine Herren, ist für mich zugleich die Veranlassung, mich Ihnen zum Streiter im Kampf für dieselbe Sache abermals anzubieten, die ich bereits früher verfochten.
Wir wollen den Volksstaat in seiner vollen Reinheit organisiren. Zu diesem Zweck müssen zuerst die Grundrechte rein hingestellt werden, nicht mehr verklausulirt, nicht mehr bedroht durch die Willkür, durch eine veraltete Gesetzgebung. Die Preßfreiheit ist noch immer illusorisch, so lange das Landrecht existirt; das Landrecht mit seinen §§. über den frechen unehrerbietigen Tadel, über den Spott und die Majestätsbeleidigung. In England und Amerika treten die Staatsanwalte nur dann gegen Schriften auf, wenn ein bestimmter Zusammenhang mit einem concreten Verbrechen vorliegt.
Meine Herren, die Freizügigkeit existirt bei uns auf dem Papier, so lange die Polizei, auf ihren alten Rescripten fußend, jeden Gesellen, der 3 oder 4 Tage außer Arbeit ist, aus der Stadt weist. Die Volksversammlungen sind ein leerer Wahn, so lange ihre Abhaltung von der Erlaubniß unserer volksfreundlichen Polizei abhängt.
Meine Herren, die Geschwornen, welche 12- bis 1500 Thlr. Einkommen haben müssen, sind schlimmer, als unsere alten Richter. (Bravo!)
Meine Herren! Die Volksbewaffnung ist eine Seifenblase, wenn diejenigen, wegen deren Uebergriffe sie eingeführt ist, noch immer das Recht haben, uns die Waffen aus der Hand zu nehmen und die Bürgerwehr zu suspendiren.
Die Freiheit ist noch immer in Gefahr, so lange die Söhne des Vaterlandes gezwungen sind, Sklaven des blinden Gehorsams, des unbeschränkten Machtwortes zu sein, so lange sie von ihren Landesbrüdern getrennt und besonderen Strafgesetzen unterworfen sind. (Bravo!)
Auch die persönliche Freiheit ist noch immer gefährdet, so lange der Soldat, der sie verletzt, nicht dem bürgerlichen Richter unterworfen ist, welcher den Schutz der Freiheit gewähren soll. Wie es mit den Grundrechten ist, so ist es mit der Verfassung.
Was hilft eine zweite, eine Volkskammer, in der der Wille der Nation zum Ausdruck kommt, wenn ihr gegenüber der zwiefache Damm, die erste Kammer und das Veto der Krone, besteht? Daß der Deutsche sich nicht überstürzt, zeigt das Frankfurter Parlament alle Tage. Man kann der Krone nur unter der Voraussetzung das Recht zugestehen, die Volkskammer aufzulösen, wenn man annehmen könnte, in dieser Volkskammer spricht sich augenblicklich nicht die wahre Meinung der Majorität des Volkes aus, sondern die verfälschte.
Aber, meine Herren, um die Krone nicht in Verlegenheit zu bringen, gibt es ein weit einfacheres Mittel. Man nehme jährliche und direkte Wahlen vor, so verhindert man, daß der Deputirte sich jemals vom Bewußtsein des Volkes entfernen kann, dadurch bringt man zu Wege, daß der Deputirte weiter nichts ist, als der Mund seiner Wähler, daß die Volksmeinung reiner zu Tage kommt, die Zeitverschwendung, welche indirekt dem Census gleichkommt, nicht mehr stattfindet.
Meine Herren! Keine Gesetzgebung ohne die Volkskammer; auch keine provisorische durch die Minister und endlich ein ordentliches Gesetz über die Verantwortlichkeit derselben, und ein Gericht über sie, nicht von Richtern, welche die Minister selbst ernennen, sondern durch Geschworne aus dem Volke. Ich verlange eine sichere Garantie für die Verfassung und diese ist am meisten bedingt durch eine wahrhaft volksthümliche Gemeinde-, Kreis- und Bezirksordnung, basirt auf das ausgedehnteste Recht der Selbstregierung.
Statt dessen hat man uns aber ein System des Luges und Scheines gegeben, dies System der drei sich gleich gegenüber stehenden Staatsgewalten. Wir haben es in anderen Ländern gesehen, was es zu Wege bringt. Man hat sich auf Belgien berufen und dieses als einen Musterstaat hingestellt; man hat darauf hingewiesen, wie es der allgemeinen Revolution widerstanden. Aber mit demselben Rechte hätte man auch auf die Schweiz und auf Rußland hinweisen können, die ebenfalls dieser Revolution widerstanden haben; man hätte auf die Republik wie auf den Absolutismus hinweisen können. Solche Beispiele beweisen also nichts. Aber wohl zeigt uns Frankreich, wie dieses System der drei Staatsgewalten stete Reibung hervorbringt, einen Kampf, der sich in Intriguen verliert, in ein Zerbrechen aller Sittlichkeit. Es verbinden sich jene allein Privilegirten gegen das Volk, und so entsteht, wie unter dem bürgerfreundlichen Könige Louis Philippe, die Herrschaft der Corruption.
Diese Forderungen sind es, welche das Volk zu machen hat und die ich als Volksvertreter in der neuen Volkskammer aufstellen würde. Sie werden sagen, die Stellung dieser Kammer sei eine andere als die der früheren National-Versammlung; sie stand allein, sie hatte keine erste Kammer und nur das Prinzip der Vereinbarung gegen sich, das Prinzip der Vereinbarung, welches von ihr bestritten wurde, wenigstens von unsrer Fraktion. Der Schein, nicht das Wesen der Dinge ist verändert, für mich giebt es nur eine Arbeit, einen Beruf, nur einen Zweck, und das ist: den Willen der Majorität des Volkes, wie er in der zweiten Kammer zur Sprache kommt, zur Gesetzeskraft und Form zu bringen. Ob ihr ein Widerstand entgegengesetzt wird durch ein Veto, Nein, oder durch das Nein der Vereinbarung, durch ein Nein der Camarilla, oder durch ein Nein der ersten privilegirten Kammer, ist mir gleich. Es kommt ja doch nur darauf an, welche Macht hinter diesem Nein steckt. Ich würde es stets zu bekämpfen suchen mit allen Mitteln, welche mir meine Stellung giebt; daß ich dabei nimmermehr die Gewalt, welche das preußische Volk durch die Oktroyirung der Verfassung erlitten, anerkennen werde, versteht sich von selbst. Gewalt kann nicht Recht werden, und wenn der Staatsanzeiger noch zwei Jahre lang viele Hunderte von Ergebenheitsadressen bringt, jene Ergebenheitsadressen, welche den Frankfurter Reichsminister zu dem Glauben brachten, sie hätten die Gewalt gerechtfertigt und ratifizirt.
Ich glaube, der Ausfall der Wahlen wird den Herrn Reichsminister sehr enttäuschen. Wenn ich aber die Gewalt nimmermehr anerkenne, so werde ich mich von ihr nicht abhalten lassen, sofort an die eigentliche Arbeit zu gehen, an die Bearbeitung der Verfassung.
Noch sind wir nicht machtlos; große Mittel bleiben uns noch, zunächst die Macht der öffentlichen Meinung, wie sie sich in der Volkskammer ausspricht, und wenn uns die Regierung in nichts Rechnung tragen will, so bleibt uns noch das Mittel der Steuerbewilligung, dies konstitutionelle Mittel. Wenigstens soviel gesteht die oktroyirte Verfassung zu, daß außerordentliche Abgaben von der Bewilligung der Kammer abhängen. Die außerordentlichen Abgaben dürften aber, wenn dieses System fortbesteht, sehr bald zu den ordentlichen gehören, und dann machen wir es wie in England, wenn dort das Unterhaus mit der Hartnäckigkeit der Herrn Lords fertig werden will: man schickt die Steuerbewilligungsbill mit angenehmer Begleitung in's Oberhaus. Auf diese Weise dürfte die Volksfreiheit hoffähig werden.
Es ist aber endlich Zeit, daß wir die politische Frage hinter uns bekommen, denn es erwartet uns eine ganz andere Arbeit, gegen welche die politische Frage nur eine leichte Arbeit ist. Ich meine die soziale.
Sie haben so oft in den Thronreden der Fürsten von der Wohlfahrt der Völker gehört, von dem Wachsthum ihres Reichthums. Aber wenn man die Bücher der Statistik nachschlägt, wo eine ordentliche Statistik existirt, wie in Frankreich, dann sieht man, daß der größte Theil der Nation in Noth und Sorge lebte, welche ihn hindert, an dem eigentlichen Kulturgange Theil zu nehmen. In Deutschland ist es nicht besser. Es geht dies deutlich aus der geringen Zahl der Urwähler für die erste Kammer hervor, wenn die Zahlen auch nicht so genau stimmen möchten, wie in den Angaben für Frankreich und England.
Wenn wir finden, daß in Breslau 2000 Urwähler für die erste Kammer, in Berlin 12,000 vorhanden sind, so kann man berechnen, daß in Preußen nicht viel mehr als 100,000 Urwähler zur ersten Kammer kommen. Es ist dies ein erschreckendes Resultat, daß der zwanzigste bis dreißigste Theil der Kandidaten nur an einem Einkommen von 500 Thalern betheiligt ist. Man ersieht, welche große Zahl bei uns in Preußen, wie in Frankreich und England zu jener bedürftigen Klasse gehört, von der ich vorher redete.
Diese schrecklichen Zahlenverhältnisse, welche stets im Zunehmen sind, haben die ausgezeichnetsten Köpfe unseres Jahrhunderts der sozialen Frage zugewendet. Man hat neue soziale Systeme aufgebaut, aber sie sind wieder aufgegeben worden. Den gesellschaftlichen Organismus macht man nicht auf dem Papier, er muß sich im Leben selbst formen.
Es ist zunächst sonnenklar, daß wenn die Majorität der Nation es ausspricht, daß sie sich in einem der Reorganisation der Gesellschaft bedürftigen Zustande befindet, das mächtigste Mittel, welches zur Abhülfe sich darbiete, die Staatsform ist, welche ihr die Gewalt giebt, ihren Willen zur Gesetzesform zu machen.
Sodann ist es die Theilnahme, welche dem Volke an der Gemeinde-, Kreis- und Bezirks-Verwaltung zusteht. Durch sie wird die Kraft, welche in 16 Millionen schlummert, an das Tageslicht gefördert. Durch die Presse wird jeder neue Gedanke hervorgelockt, er geht durch die Feuerläuterung der Kritik und wird endlich Gemeingut der Nation. Durch die Association wird dem Schwachen Gelegenheit gegeben, sich gegen die Macht des Kapitals ausreichend zu verbinden. Aber noch viel läßt sich in staatswirthschaftlicher Hinsicht für die Anbahnung der sozialen Frage thun. Wenn wir das System unserer Besteuerung nachsehen, so werden Sie finden, daß der bedürftige Theil der Bevölkerung bei Weitem den größten Theil der Steuern trägt, und die reiche Klasse verhältnißmäßig nur schwach besteuert ist. Auf der andern Seite finden wir, daß die Verwendung der Steuern vorzugsweise gerade im Interesse der Privilegirten geschieht.
Erlauben Sie mir, daß ich Ihnen einige Zahlen angeben darf, um dieses System schlagend darzuthun.
Die Klassensteuer der ersten Hauptstufe (Leute von 20,000 bis 100,000 Thlr. Vermögen und darüber) beträgt 356,724 Thlr.
Die 2. Haupt-Steuer-Klasse (Leute, die ein Vermögen von 8 bis 20,000 Thlr. besitzen) 1,203,789 Thlr.
Die 3. Haupt-Steuer-Klasse (Leute, die ein Vermögen von 2 bis 8000 Thaler besitzen) 2,400,571 Thlr.
Die 4. Haupt-Steuer-Klasse (Leute, die unter 2000 Thlr. und ganz ohne Vermögen sind) 3,792,650 Thlr.
7,397,010 Thlr.
Zusammen: 7,752,734 Thlr.
Sie sehen, meine Herren, daß die erste Klasse, welche allein aus reichen Leuten besteht, nur etwa 356,000 Thlr. bezahlt, die andere Klasse (und Leute bis 20,000 Thlr. kann man noch nicht zu den reichen Leuten zählen, Leute, die jährlich etwa 1000 Thlr. Einkommen haben, wenn sie von ihren Renten leben wollen) und also auch diejenigen, welche nichts haben, zahlen mit ihnen zusammen 7,397,010 Thaler. Sie sehen, welches Verhältniß hier stattfindet.
Bei der Schlacht- und Mahlsteuer stellt sich die Berechnung heraus, daß Leute, welche 3 bis 400 Thlr. Einkommen haben, vom Thaler 6 Pf. zahlen. Natürlicher zahlen diejenigen, welche weniger haben, vom Thaler noch mehr Abgaben. Leute, welche 3 bis 4000 Thaler haben, zahlen aber nur 1 Pfennig vom Thaler. Noch krasser stellt sich das Verhältniß bei der Grundsteuer heraus.
Im Regierungs-Bezirk Cöslin z. B. bezahlt der Bauer vom Morgen Grundsteuer 3 Sgr., der Städter 1 Sgr. 8 Pfg., der Adlige und der Domänen-Pächter etc. 1 Pfennig. Wenn wir also gesehen haben, daß die große Masse der Unvermögenden gerade den Hauptbetrag der Steuern giebt, werden wir auf der andern Seite sehen, wie die Steuern im Interesse der reichen Leute verwendet werden. Ich will Ihnen nur einige Zahlen in dieser Beziehung anführen.
Für die Gymnasien, Bibliotheken und Universitäten werden 910,027 Thaler verausgabt. Obgleich nicht zu leugnen ist, daß die Auszeichnung in den Wissenschaften dem Volke zu gute kommt, so ist doch das Verhältniß eigenthümlich. Wenn Sie diese Summe auf den Kopf vertheilen, auf die Person, welche an den Universitäten etc. Theil nehmen, so beträgt dies 26 Thlr.
Was thut aber der Staat für die Masse der Unvermögenden?
Für die Elementar-Schulen ist die Summe von 252,754 Thlr. ausgesetzt, und es kommen hier auf den Kopf 3 Sgr.
Meine Herren! Ebenso stellt es sich mit den meisten Schutzzöllen heraus, daß dieselben ein Privilegium der großen Fabrikbesitzer sind. Besonders schlagend ist dies beim Zuckerzoll. Der Zuckerzoll beträgt 10 Thlr. auf den Centner. Der Staat erläßt dem Zucker-Raffineur 5 Thlr., dies beträgt im ganzen Zollverein 7,000,000 Thlr., auf Preußen beträgt dies 3,700,000. Preußen giebt also seinen 57 Raffineuren 3,700,000 Thlr. zum Geschenk. Nun, wird man sagen, dafür sind auch viele Arbeiter beschäftigt. Das sind im Jahre 1846 2907 gewesen. Rechnen sie jeden auf höchstens 200 Thlr., so kommt heraus 5-600,000. Der Staat giebt also den 57 Raffineurs 3,000,000 Thlr. Hieraus können wir erkennen, wie die Herren Schickler, Jacobs und Jost in Köln so reich geworden sind. Der Staat könnte also mit diesem Gelde die Zuckerarbeiter pensioniren, und noch viele Tausend mit dem Rest beschäftigen.
Die großen Lieferungen und Unternehmungen des Staates, die Verpachtung der Domänen, wem kommen sie zu Gute? nur den Kapitalisten, insbesondere scheint die Verpachtung der Domänen nur darum da zu sein, um neue Kapitalisten zu schaffen, um den biblischen Grundsatz: „Wer hat, dem wird gegeben,“ zu verwirklichen. Der Domänenpächter erhält häufig den Morgen zu 2 Thlr. Pacht, und verpachtet ihn wieder zu 13 Thlr., so daß er von jedem Morgen 11 Thlr. einsteckt. Die Unterstützungen des Staates, der Credit den er giebt, sie kommen nur dem Reichen zu Gute.
Sie sehen aus dem Bericht der Finanz-Commission der aufgelösten National-Versammlung, wie mit den Geschenken verfahren wird. Sie finden besonders Namen von Beamten: Landrath Keller zur Erziehung seiner Kinder, den Grafen Dohna, einen General zur Einrichtung, dem Prinzen Wilhelm zur Einrichtung in Mainz 6000 Thlr. und für seinen Stellvertreter wieder 6000 Thlr., den General Grolmann als Geschenk an seine Familie u. s. w. So ist fortwährend der ganze Dispositions-Fond zu Gunsten der privilegirten Klassen verwandt. Es sind auch darunter die Ausgaben für die Orden, 43,000 Thlr., welche die National-Versammlung abschaffte, was auch eine Verwendung zu Gunsten der privilegirten Klassen ist. Eben so ist es mit dem Extrafond für Kunstbauten, während der Staats-Haushalt noch einen Prachtbau-Fond hatte mit vielen Millionen. Hierzu kommt nun noch, daß die Commission der National-Versammlung nicht Zeit hatte, Alles durchzusehen. Sie hat rasch abschließen müssen, und hat nicht einmal die Provinzial-Kassen durchgesehen. Jede Provinz nimmt die Einnahmen ein und bestreitet die Ausgaben. Den Ueberschuß schickt sie an die General-Staats-Kasse, und diese bucht nur Ueberschüsse. Um eine vollständige Uebersicht zu haben, hätte die Commission auch diese Provinzial-Hauptkassenbücher einsehen müssen. Da wären wir noch auf ganz andere Verwendungen gekommen. Ich glaube, daß diese Zahlen genügen, um das zu beweisen, was ich gesagt habe: Die Steuern werden hauptsächlich erhoben von der großen Majorität der Bedürftigen, und hauptsächlich verwandt im Interesse der Privilegirten. Sie sehen, was der Volksstaat vermag für Verbesserung der socialen Verhältnisse. Man wende die Steuern umgekehrt an zu Gunsten der Bedürftigen, und es werden ungeheure Kräfte zur Lösung der socialen Frage verwandt werden können. Sie sehen demnach, meine Herren, die politische Frage verhält sich zur socialen Frage wie das Erdreich zur Pflanze. Die Pflanze gebraucht das Erdreich zum Wachsthum. Räumen wir die Hindernisse hinweg, damit der neue Messias kommen kann, welcher die Seligkeit nicht blos für das Jenseits, sondern auch schon für das Diesseits bringe!
(Lebhafter Beifall.)
Berlin, 9. Febr. In der vergangenen Woche hat ein Lehrer, früherer Redakteur einer hiesigen Zeitschrift, seinem Leben ein Ende gemacht, weil er, nachdem sein Blatt im vorigen Herbst eingegangen war, nachdem er vergeblich an allen Thüren, die sich ihm öffneten, um Beschäftigung gebeten, nachdem er seine Frau und seine 7 Kinder dem Hungertode nahe gesehen, in diesem Mittel die einzige Hülfe für seine Familie und auch für sich gefunden, indem er voraussetzte, daß dann wohl für die Erhaltung der Armen gesorgt werden müsse.
(Publiz.) — Der als Verfasser der „Enthüllungen“ enthüllte Privatschreiber Wilh. Piersig ist, wie sich aus den Akten des hiesigen Kriminalgerichts ergibt, ein schon dreimal bestraftes Individuum, so u. A. auch einmal wegen Betrugs durch Fälschung mit 3 Jahren Festung belegt. — Heute kommen zwei literarische Prozesse zur Verhandlung, der eine wegen der in einer Nummer zur Probe ausgegebenen Zeitung, der blaue Montag; der andere in Betreff einer Karrikatur, die der Staatsanwalt als den Prinzen von Preußen angehend, ansieht. Bei dem letzteren ist es wahrscheinlich, daß das Urtel verschoben und die Hauptfrage, ob Beleidigungen gegen Prinzen des königlichen Hauses noch als besonders strafbar oder als bloße Injurien anzusehen sind, vor das Plenum wird gebracht werden.
088 Frankenstein, 8. Febr. Seitdem die hiesigen Konstitutionellen eine so totale Niederlage erlitten, daß auch nicht Einer ihrer Kandidaten Wahlmann geworden, sinnt diese Sorte auf Mittel, uns zu schaden. Kein Mittel ist ihr zu diesem Zweck zu schlecht. Die hohe Geistlichkeit mit ihren enragirten Helfershelfern von Beamten — Pensionäre und dergleichen Scheinheiligen, glaubte mit fester Zuversicht an das Gelingen ihrer feinangelegten Pläne. Desto schrecklicher war ihre Enttäuschung. Um den hiesigen kostitutionellen Verein mit wenigen Worten zu charakterisiren, theile ich Ihnen aus einer Rede seines Präsidenten, Justitiar Kassea, eines treuen Gehülfen der Geistlichkeit, einen Satz wortgetreu mit:
„Ich warne, sagte er, vor der Civilehe, ich bin gegen Geschwornengerichte, ich eifre gegen sogenannte Glaubensfreiheit und gegen die Emanzipation der Schule; aber ich bin kein Reaktionär“!!!
Während wir uns im wahren Sinne des Wortes und zum Aerger unserer Gegner, ganz ruhig verhalten, gibt sich jene Partei die größte Mühe, uns zu reizen. Bald nach der Niederlage, hatte sie anonyme Briefe an den Stadtpfarrer und an den Bürgermeister abgesandt und darin angezeigt, daß die Demokraten den bezeichneten Personen Katzenmusiken zu bringen beabsichtigten!
Sofort beauftragt der Bürgermeister den Bürgerwehr-Kommandanten (der ein tüchtiger Demokrat ist), der angedeuteten Katzenmusik entgegenzutreten, eine Kompagnie Bürgerwehr zu requiriren und vor dem Hause des Canonicus Wachen aufzustellen, so wie Patrouillen in der Stadt herum zu senden! Die Bürgerwehr erscheint 8 Tage lang von 8 bis 12 Uhr, aber nichts rührt sich! Während die Bürgerwehr so auf einen anonymen Wisch hin herumgejagt wird, läßt auch der hiesige Hauptmann Kößlitz sein Militär patrouilliren. Doch es entstehen noch immer keine Händel; es bleibt ruhig! Der edle Hauptmann äußert öffentlich, er habe seine Soldaten mit tüchtigen Knütteln versehen, um die Demokraten damit zur Ruhe zu bringen! Trotz alledem keine Möglichkeit, den in Schlesien so beliebten Belagerungszustand auch für unsere Stadt herbeizuführen.
Hier und in der Umgegend nehmen die Auswanderungen ungemein zu. An 50 Personen gehen im Frühjahre nach Amerika ab. In Langenbielau haben sich bereits 185 unglückliche Weberfamilien vereinigt, um das Vaterland, in welchem sie schlechterdings verhungern müssen, zu velassen. Am Sonntage habe ich dem Auswanderungsvereine selbst beigewohnt. Die Leute sind alle ohne Mittel und haben die Regierung um die nöthige Unterstützung zur Reise ersucht. Voraussichtlich erfolgt eine abschlägige Antwort — und was werden die Armen dann anfangen? So muß es leider kommen, wenn eine Regierung für Luxus, überflüssige Beamte, hohe Pensionen, Militär, Millionen verschwendet, dann müssen auf der andern Seite Tausende verhungern.
Die beiden am 5. erwählten Abgeordneten: Pape und Ebel sind entschieden demokratisch.
102 Graudenz, 6. Febr. Die gottbegnadete „Rechte“ hat sich hier mit 2 Stimmen rekrutirt. Für den Rosenberger und Graudenzer Kreis sind nämlich der Exminister des Innern, Herr
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(2017-03-20T13:08:10Z)
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Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML
(2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat
(2017-03-20T13:08:10Z)
Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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