Neue Rheinische Zeitung. Nr. 292. Köln, 8. Mai 1849.Die ungarischen Machthaber haben sich endlich losgesagt von der Heuchelei der Ehrfurcht gegen die Krone, in deren Vertheidigung ihre betrogenen Anhänger zu sterben meinten. In der Sitzung vom 14. v. M. jener ungesetzlichen Versammlung, die sich das Repräsentantenhaus nennt, ist der letzte Schritt geschehen, und der Mann, dessen ungemessne Ehrfurcht so nahmenloses Elend über Ungarn gebracht, streckt die Hand aus nach der obersten Gewalt." Dresden, 3. Mai, Mittags 11 Uhr. Heute ist Alles in großer Aufregung. Auf der Schloßgasse und auf dem Markte stehen dichte Menschengruppen, welche von einzelnen Sprechern haranguirt werden. Man sieht selbst einzelne Gewehre und andere Waffen umhertragen. Der König hat diesen Morgen die Deputationen der Bürgerwehr und der städtischen Behörden empfangen, die betreffenden Adressen entgegengenommen, aber eine abschlägliche Antwort ertheilt. Nur wenn Preußen und Baiern die Reichsverfassung anerkennen würden, könne und würde auch er sie anerkennen, soll der König gesagt haben. Der König erklärte insbesondere der Deputation der städtischen Behörden, daß er zu jedem Opfer bereit sei, wie er dies ja auch in früherer Zeit bewiesen habe. Er könne aber, setzte er hinzu, von seiner Weigerung nicht abgehen, denn die Reichsverfassung werde Deutschland nicht groß, einig und stark machen, sondern zerstückeln, zerreißen; ohne daß Preußen und Baiern sie annehme, könne er sie nicht anerkennen. Ungeachtet einiger Einwendungen, die einzelne Deputirten machten, beharrte der König bei seiner Ansicht, und stellte er insbesondere auch die Befugniß und das Recht der Nationalversammlung in Abrede, die Reichsverfassung allein zu geben. In diesem Augenblicke befinden sich die Leipziger und die Freiberger Deputationen auf dem königlichen Schlosse. Es verbreitet sich das Gerücht, daß diese Nacht zwei Regimenter Preußen in Sachsen eingerückt seien und bereits bei Großenhain stehen sollen. Dieses jedenfalls noch ungegründete Gerücht trägt vielleicht dazu bei, die Aufregung zu vermehren, die aber noch keine bestimmte Richtung angenommen hat. Um 1 Uhr wurde für die Kommunalgarde Appell geschlagen und Glockensignal gegeben, um, wie ein Plakat sagte, den Abtheilungen die Antwort des Königs mitzutheilen und die in den gestrigen Urversammlungen beschlossene Parade abzuhalten, welche jedoch auf Befehl des Generalkommando's untersagt worden ist. Die auf dem Altmarkt aufgestellten Bataillone gingen bis auf angeblich zwei unter einem dreimaligen Hoch auseinander. Das Neustädter Bataillon steht in diesem Augenblick noch vor dem Rathhause. Gleichzeitig rückten auch mehrere Abtheilungen Infanterie in's Schloß. Sechs Geschütze sind in der Kavallerie-Kaserne unter einer entsprechenden Infanteriebedeckung aufgestellt, eben so mehrere Geschütze im Zeughause. Die Artillerie marschirte unter Hurrahruf hinter ihren Kanonen über die Brücke. Alle Eingänge des königlichen Schlosses sind gesperrt und von außen durch die Menge verrammelt worden. Eine zahllose Menschenmenge wogt durch die Straßen; es wurden dort Reden gehalten, und die Lust zu Gewaltthätigkeiten scheint sich in dem Maße zu steigern, als das Gerücht immer mehr Glauben findet, daß preußische Truppen einrücken sollen. An mehreren Orten macht man einen Anfang zur Sperrung der Passage. In diesem Augenblicke treten die Stadtverordneten zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen, um über die Niedersetzung eines Vertheidigungsausschusses zu berathen. Später wurde die Kommunalgarde nochmals durch Generalmarsch versammelt. Man hatte die Kirchen erbrochen, man läutete Sturm, und ein Volkshaufe versuchte das Zeughaus zu stürmen. Das Militär vertheidigte dasselbe, es wurde häufig gefeuert, und man sah mehrere Todte über den Neumarkt tragen und fahren. Ob das Eindringen in das Zeughaus den Angreifern gelungen, darüber waren die Gerüchte verschieden. Ein höherer Offizier soll geblieben sein. Indessen scheinen die sich nach der Richtung des Zeughauses bewegenden Massen durchaus unbewaffnet zu sein. Augenzeugen versichern, daß im Augenblicke, wo sie die Stadt verlassen, gegen 7 Uhr, Barrikaden im Innern der Stadt errichtet würden. Man hört keine Schüsse mehr. Militär-Patrouillen durchziehen die Stadt, vor dem Schlosse sind Kanonen aufgefahren, die Kommunalgarde scheint abgetreten. Der König hat die Stadt nicht verlassen, so eben sind noch Deputationen von ihm angenommen worden. Wie man hört, haben sie leider keine günstigere Entscheidung, wie die bereits bekannten, zu erlangen vermocht. 4 1/2 Uhr Nachmittags. So eben ist der erste Angriff von dem Volk auf das Zeughaus gemacht, und von dem dort postirten Bataillon Prinz Albert sind die ersten drei Salven gegeben worden. Fünf Todte und mehrere Verwundete sind die ersten Opfer. Man fährt die Todten auf Wagen unter Racheruf hinweg. Die Sturmglocken ertönen, der Generalmarsch wirbelt durch die Straßen; das Rathaus wird erstürmt und auf den Altan desselben die schwarz-roth-goldene Fahne aufgepflanzt. Weiter vernimmt man, daß der Kommandant der Kommunalgarde, Kaufmann Lenz, sein Kommando niedergelegt hat und statt seiner Oberstlieutenant Heinze zum Kommandanten erwählt worden ist. Vor dem Schloß auf dem Brückenplatze wogt eine Menschenmenge, Steine wirft man nach den Fenstern des Wohnzimmers des Königs, zwei derselben werden zertrümmert. 5 bis 6 Uhr. Jetzt rückt das Neustädter Bataillon der Kommunalgarde über die Brücke. Aber hinterher rasseln vier Geschütze und mehrere Schwadronen des leichten Reiter-Regiments, welche sich auf dem Brückenplatze, dem Königlichen Schlosse gegenüber, aufstellen; man hört Kanonenschüsse. Es ist am Zeughause. Das 5te Bataillon der Kommunalgarde soll mit einer Kartätschenlage empfangen worden sein und mehrere Todte und Verwundete haben. Barrikaden werden errichtet. Bald ist die ganze Schloßgasse verbarrikadirt, das literarische Museum wird von einer Abtheilung der Turnerschaar besetzt und die übrigen Häuser von Kommunalgardisten. Eben so soll der Neumarkt verbarrikadirt sein, und namentlich erhebt sich am Ausgang der Wilsdrufer Gasse, nach dem Postplatze zu, eine Barrikade, welche bis in das erste Stock der anliegenden Häuser reicht. Das Straßenpflaster wird aufgerissen, und die Straßenschleußen werden aufgedeckt, um der Kavallerie das Manövriren zu erschweren. 6 bis 7 Uhr. Die Turnerschaar besetzt das dem Zeughause gegenüber befindliche Gebäude des klinischen Instituts, und ihre Schusse bestreichen auf diese Weise einen Theil des Zeughaushofes. Mit einem Wagen stößt man das eine Thor des Zeughauses ein, aber in dem Augenblicke, wo das Thor zusammenbricht, kracht ein Kanonenschuß aus dem innern Raume, und es gibt abermals Todte und Verwundete. Das Stadtverordnetenkollegium und ein Theil des Stadtraths haben sich permanent erklärt und halten auf dem Altstädter Rathhause ihre Sitzungen. Die Menge schreit nach Munition und Waffen. Dr. Minckwitz, Oberstlieutenant Heinze (früher in griechischen Diensten), der frühere Landtags-Abgeordnete, und Dr. Tzschirner erscheinen auf dem Rathhausbalkon, mahnen zur Geduld und versprechen, Waffen und Patronen herbeizuschaffen. Es wird aus der Mitte des Stadtverordnetenkollegiums und des Stadtraths an den König gesendet, der abermals unter tiefer Bewegung eine abschlägige Antwort ertheilt. Jetzt scheint man eine Art provisorischer Regierung eingesetzt und Tzschirner mit der weiteren Leitung des Aufstandes beauftragt zu haben. Indem er dies vom Balkon aus der Menge bekannt macht, fällt ein Schuß, man glaubt auf ihn, aber ohne ihn zu treffen. Der Kommandant der Kommunalgarde, Kaufmann Lenz, soll gemißhandelt und in Gewahrsam gebracht worden sein. Die ganze Altstadt und einige Vorstädte sind noch in den Händen der Massen, denn die Bewegung hat nun einen ganz anderen Charakter angenommen, die deutsche Frage scheint in den Hintergrund getreten zu sein, und nach Allem zu urtheilen treten republikanische Tendenzen immer mehr voran. 7 bis 9 Uhr Abends. Wir sind hier in der Neustadt von dem, was in diesem Augenblicke drüben vorgeht, nur dürftig unterrichtet, indem seit 9 Uhr die Brückenpassage ganz gehemmt oder doch wenigstens sehr erschwert ist. Es scheint aber in den innern Stadttheilen eine Art Schreckensherrschaft ausgeübt zu werden und die republikanisch-demokratische Partei allein den Kampf fortführen zu wollen, dessen endlicher Ausgang kaum zweifelhaft sein dürfte, da man vielleicht noch im Laufe dieser Nacht die Mittel in die Hand bekomme, den Aufstand zu dämpfen. Das Kleingewehr schweigt, und man schließt daraus, daß man auf beiden Seiten eine Waffenruhe eingegangen habe. Um 10 Uhr hört man wieder feuern und Generalmarsch schlagen. Die Waffenruhe mag also zu Ende gegangen sein. Zwei Geschütze der reitenden Artillerie rasseln herbei, um die Brücke nach der neustädter Seite hin am Blockhause zu decken. Beim Auffahren wäre es beinahe zu Konflikten gekommen, indem die Kavallerie eine Charge machen mußte, und die Kanonen zu laden gezwungen waren. 11 Uhr. Es ist Alles ruhig. Der beginnende Morgen wird die Erneuerung des hoffentlich nur noch kurzen Kampfes bringen. Zuzug wird von allen Seiten zwar erwartet. aber wie die Sachen in diesem Augenblicke stehen, ist an einen Sieg der Massen nicht zu glauben. Die Neustadt ist vollkommen ruhig. Das Militär, so weit es uns zur Kenntniß gelangt ist, hat eine feste Haltung bewährt. 4. Mai früh 5 1/2 Uhr. Um 3 Uhr hat der Kampf auf der Schloßgasse wieder begonnen; Sturmgeläute und Kleingewehrfeuer. Von dem Militär sind auf der Schloßgasse zwei Barrikaden genommen; fremdes Militär ist noch nicht eingerückt. Ueber die (bereits erwähnte) Ministerkrisis wird folgendes amtlich bekannt gemacht: "Der König hat die Staats-Minister Dr. Held, von Ehrenstein und Dr. Weinlig auf ihren Wunsch ihrer Funktion als Staats-Minister enthoben und dem Geheimrath Dr. Ferdinand Zschinsky, unter Ernennung zum Staats-Minister, das Departement der Justiz neben dem Vorsitz im Gesammt-Ministerium übertragen, auch auf denselben Auftrag in den evangelischen Angelegenheiten erstreckt. Wegen der Wiederbesetzung des Ministeriums der Finanzen, des Kultus und öffentlichen Unterrichts und des Innern hat sich der König die Entschließung noch vorbehalten und angeordnet, daß die früher mit deren Leitung beziehentlich provisorisch beauftragten Staats-Minister die Geschäfte noch fortführen, bis deren Nachfolger eingetreten sein werden." (D. A. Z.)Dresden, 4. Mai, 4 Uhr Nachmittags. Eine provisorische Regierung hat sich constituirt, die soeben folgende Proklamationen erlassen hat: Mitbürger! Der König und die Minister sind entflohen, das Land ist ohne Regierung, sich selbst überlassen worden, die Reichsverfassung ist verleugnet. Mitbürger! Das Vaterland ist in Gefahr! Es ist nothwendig geworden, eine provisorische Regierung zu bilden, der Sicherheitsausschuß zu Dresden und die Abgeordneten des Volkes haben nun unterzeichnete Mitburger zur provisorischen Regierung ernannt. Die Stadt Dresden ist dem Vaterlande mit dem rühmlichste Beispiele vorangegangen und hat geschworen, mit der Reichsverfassung zu leben und zu sterben. Wir stellen Sachsen unter den Schutz der Regierungen Deutschlands, welche die Reichsverfassung anerkannt haben. Zuzug von allen Ortschaften des Vaterlandes ist angeordnet und wird hiermit angeordnet. Wir fordern den strengsten Gehosam für die Befehle der provisorischen Regierung und des Oberkommandanten Oberstlieutenant Heinze. Wir werden Parlamentare an die Truppen senden und sie auffordern, den Befehlen der provisorischen Regierung gleichfalls Gehorsam zu leisten. Auch sie bindet keine andere Pflicht, als die, für die bestehende Regierung, für die Einheit und Freiheit des deutschen Vaterlandes. Mitbürger! Die große Stunde der Entscheidung ist gekommen. Jetzt oder nie. Freiheit oder Sclaverei! Wählt! Wir stehen zu Euch, steht Ihr zu uns! Die provisorische Regierung. Tzschirner. Heubner. Todt. Soldaten! Brüder! Die provisorische Regierung, welche nach der Flucht des Königs und der Minister in der Stadt Dresden niedergesetzt worden ist, ruft Euch zu, das Land gemeinschaftlich mit ihr zu schützen, dem Volke die Bruderhand zu reichen, und Euch zur Verfügung der Landes- und Reichsverfassung zu stellen. Folgt dem Beispiele anderer braver Soldaten, vergeßt nicht, daß Ihr vereidete Staatsbürger seid, und daß Ihr für Aufrechthaltung der Rechte und Freiheiten des Volkes zu wachen habt. Ihr seid erwählt, dem Volke zu zeigen, daß Ihr mit ihm geht, nicht gegen dasselbe seid. - Soldaten! Auf denn, haltet zu uns, die provisorische Regierung hat die Pflicht, in der jetzigen Zeit die Gefahr des Vaterlandes abzuwenden, und braucht Eure Kräfte. Die provisorische Regierung Tzschirner. Heubner. Todt. Leipzig, 4. Mai. Die hier herrsch nde Aufregung über die deutsche Verfassungsfrage erhielt gestern Nachmittag einen neuen Anstoß durch die Nachricht, daß das hier liegende Schützenbataillon Befehl erhalten habe, noch am Abend auf der Eisenbahn nach Dresden abzugehen. Bedeutende Massen hatten sich, um den Abmarsch zu hindern, beim Eingang, wie beim Ausgang des Leipzig-Dresdener Bahnhofes aufgestellt und hinter demselben bis ziemlich weit hinaus die Bahn stellenweise aufgerissen, so daß der Abgang der Schützen auf der Eisenbahn und unmöglich wurde. Die Truppen gingen daher zurück und verließen die Stadt durch das Gerberthor, wo sie über Schönefeld die Bahn erreicht und einen Postzug zu der Fahrt nach Dresden benutzt haben. Die Reisenden, die mit dem Zuge von Dresden kamen, darunter auch die von hier an den König gesendeten Deputationen, mußten da, wo die Schienen aufgenommen, die Wagen verlassen und zu Fuß zur Stadt kommen. Von einzelnen Hindernissen, welche den Schützen bei ihrem Ausmarsche durch Sperrung der Straßen bereitet, wird erzählt, jedoch ist es nirgends zum Exzeß gekommen. Durch das Gerücht, preuß. Truppen würden einrücken, wurde bei einem Theile des Publikums die Aufregung erhalten. Man ging sogar so weit, Waffen vom Stadtrath zu fordern, und als diese nicht geliefert werden konnten, wurde von Einzelnen der Versuch gemacht, Sturm zu läuten, bei welcher Gelegenheit Verhaftungen vorgenommen wurden. Nun wurde um 11 Uhr Generalmarsch geschlagen, worauf sich, nachdem die Kommunalgarde zahlreich zusammengetreten, die Menge zerstreute. Vor dem Frankfurter Thore wurde ein Versuch gemacht, Barrikaden zu erbauen, um den von dort erwarteten Einmarsch preußischer Truppen zu erschweren. Die herbeigekommene Kommunalgarde fand die Barrikaden verlassen. Heute Vormittag sind die Eisenbahnzüge nach Dresden wieder abgegangen. (D. A. Z.)Leipzig, 4, Mai (Nachmittags 5 Uhr). Es fanden sich Abgeordnete, man sagt aller hiesigen politischen Vereine, auf dem Lokale des Communalgardeausschusses ein, und beantragten, der Commandant solle Befehl ertheilen, daß mehre Bataillone nach Dresden als Zuzug gesendet würden. Dies wurde nicht gewährt. Bald sammelten sich nun wieder Massen vor dem Rathhaus, und verlangten auch hier Waffen, die eine Gewehrhandlung, nachdem noch die Führer der politischen Vereine solche geprüft, gegen Sicherstellung des Stadtraths zu liefern zugesagt. Dies lehnte derselbe aber ebenfalls ab, wie die Beförderung von Zuzug nach Dresden. Während der Verhandlung darüber scheint es zwischen der zum Schutz des Rathhauses aufgestellten Communalgardenabtheilung und den Andrängenden zu Reibungen gekommen zu sein, in deren Folge nach 1 Uhr Generalmarsch geschlagen wurde. Die Massen zogen sich nach Aufforderung nun auf den Fleischerplatz, um dort, als mehr Raum gewährend, weiter über den Zug nach Dresden zu berathen. Sowohl der Leipzig-Dresdener Bahnhof als der Fleischerplatz wurden alsbald durch Communalgarde besetzt. Ein geschriebenes Placat, an die fremden Kaufleute gerichtet, lautet: An die fremden Kaufleute. Unterzeichnete politische Vereine Leipzigs halten es für ihre Pflicht, die fremden Kaufleute zu versichern, daß durch die außerordentlichen politischen Maßregeln, welche ihrerseits ergriffen wurden, weder die Sicherheit des Eigenthums noch der Personen, wie auch die Sicherheit des Verkehrs durchaus nicht gefährdet sein würde. Leipzig, 4. Mai 1849. Die sämmtlichen politischen Vereine Leipzigs. Dr. Reclam. Hassenstein. Dr. Göschen. Oelckers. Indeß wird ohnehin die Messe schon jetzt als beendet angesehen. Görlitz, 3. Mai. Wie man der N. Od.-Z. mittheilt, soll in der allernächsten Zeit in der Umgegend unserer Stadt ein Armeekorps von 40,000 Mann zusammengezogen werden. Hauptquartier wird Görlitz werden. * Schleswig-Holstein, 3. Mai. Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. Braunschweig, 4. Mai. Heute erwartete man die vorbehaltene Erklärung der Regierung, oder doch in deren Ermangelung fernere Interpellationen an dieselbe, wegen der ehegestern und gestern nicht ausgetheilten Gewehre. Es ist bis jetzt, Mittags 1 Uhr, zum allgemeinen Befremden so wenig eine Waffenvertheilung, als eine Anfrage, was derselben entgegenstehen könne, nicht erfolgt. Weshalb? Darüber sind die Meinungen sehr getheilt, weniger aber in der Beziehung, daß etwas vorliege, oder vorgekommen sei, was nicht Jedermann wisse, wodurch aber andere Ansichten gewonnen seien. (M. Z.) * Nürnberg, 3. Mai. Die gestern hier abgehaltene Volksversammlung, von circa 20,000 Menschen besucht, unter denen viele Soldaten, sprach sich energisch für die Reichsverfassung, und gegen die baierische, preußische etc. Regierungen aus. Unter donnerndem Beifall wurde erklärt, daß sich Franken nöthigenfalls von Baiern losreißen werde. Der Geist, der sich im Militär offenbarte, ist ein der Regierung entschieden feindlicher. 320 Frankfurt, 5. Mai. Die Ereignisse drängen sich. Gestern wurde der Nationalversammlung das Cirkular des preußischen Ministerpräsidenten Brandenburg mitgetheilt, worin nach vorheriger Anrühmung der Bundestreue, uneigennützigen Gesinnung und erhabenem Sinne, des k. russischen Unterknäs zu Potsdam die deutsche Reichsverfassung als unmöglich bezeichnet wird. Die Aufregung ist allgemein. In der baierischen Rheinpfalz hat sie bereits zum Ausbruch geführt. Es ist dort ein Landesvertheidigungs-Ausschuß ernannt worden, bestehend aus den Bürgern: Reichardt aus Speyer, Schmidt, Schüler aus Zweibrücken, Calmann, (sämmtlich Mitglieder der äußersten Linken zu Frankfurt) sodann den Mitgledern der baierischen Kammer, Dr. Hepp aus Neustadt, Dr. Greiner und Dr. Hanitz aus Zweibrücken, sowie ferner aus den Bürgern Fries aus Frankenthal, Schmidt aus Kirchheim - Bolanden und Didier aus Landstuhl. Dieser Ausschuß hat bereits dekretirt: 1) Steuerverweigerung (der Staatssteuern). Die Staatskassen sollen schon mit Beschlag belegt sein und die Organisation der Truppen ist ausgeschrieben. Die Erklärung der Regierung und Beamten muß in 3 mal 24 Stunden erfolgen, widrigenfalls weitere entscheidende Maßregeln getroffen werden. Die Frankfurter äußerste Linke hat folgenden Aufruf erlassen: Deutsche Männer! Die Gewaltherrschaft der Könige hat ihre Maske abgeworfen! Sie hat es gewagt - Angesichts der Völker Europas - mit Vernichtung zu bedrohen Alles, was civilisirten Nationen hoch und heilig ist! Sie hat die russische Barbarei auf Deutschlands Boden gerufen! Wortbrüchig verläugnet sie den letzten Schimmer von unseres Volkes Selbstständigkeit und Freiheit, die sie vor wenigen Monden bebend anerkannte! Fürstenwillkür vernichtet, was die Vertreter des souveränen Volkes beschlossen! Deutsche! Jetzt gilt es abermals, zum letzten Male, Eure Freiheit gegen die Angriffe der Fürsten zu schützen. Blicket auf das Beispiel der thatentschlossenen Pfälzer. Säumet nicht, bewaffnet Euch, organisirt Euch, benutzet Euere Vereine, wählet leitende Wehrausschüsse, seid mannhaft gerüstet für den Augenblick, wo Ihr Euch den Gewaltschritten der Willkürherren entgegen zu stellen habt! Und Ihr, Männer der Pfalz! - die Ihr für Freiheit, Ehre und Recht bereits in die Schranken getreten seid gegen den Verrath der Könige, haltet muthig Stand! Pfälzer! Deutschlands Männer können und werden nicht thatlos und feig Eurer Erhebung zusehen; sie werden es nicht geschehen lassen, daß der Despotismus über Eure Leichen hinweg auch zur Vernichtung ihrer und des ganz n Volkes Freiheit schreite! Frankfurt a. M., am 5. Mai 1849. Die äußerste Linke der Nationalversammlung. (Klubb Donnersberg.) Brentano. Culmann. Damm. Dietsch Erbe. Hönniger. Hoffbauer. Junghanns. Martiny. Mohr. Peter. Reichardt. Reinhardt. Richter. Rühl. Schlöffel. Schlutter. Schmidt. Schmitt. Schüler. Schütz. Titus. Trützschler. Werner. Wiesner. Würth. * Frankfurt, 4. Mai. Nachmittagssitzung der Nationalversammlung. (Schluß.) Nach Verwerfung der Minoritätsanträge kömmt der Majoritätsantrag des Dreißiger-Ausschusses zur Abstimmung durch Namensaufruf Derselbe wird mit einer Majorität von 2 Stimmen (190 gegen 188) angenommen; die äußerste Linke und fast die ganze Rechte stimmen dagegen. Der Antrag lautet: 1) Die Nationalversammlung fordert die Regierungen, die gesetzgebenden Körper, die Gemeinden der Einzelstaaten, das gesammte deutsche Volk auf, die Verfassung des deutschen Reichs vom 28. März d. J. zur Anerkennung und Geltung zu bringen. 2) Sie bestimmt den 15. August d. J als den Tag, an welchem der erste Reichstag auf den Grund der Verfassung in Frankfurt a. M. zusammen zu treten hat. 3) Sie bestimmt als den Tag, an welchem im deutschen Reiche die Wahlen für das Volkshaus vorzunehmen sind, den 15. Juli d. J. 4) Sollte, - abgesehen von Deutschösterreich, dessen zur Zeit etwa nicht erfolgter Eintritt bereits durch § 87 der Verfassung berücksichtigt ist, - ein oder der andere Staat im Reichstage nicht vertreten sein und deshalb eine oder die andere Bestimmung der für ganz Deutschland gegebenen Verfassung nicht ausführbar erscheinen, so erfolgt die Abänderung derselben auf dem in der Verfassung selbst vorgeschriebenen Wege provisorisch bis zu dem Zeitpunkte, wo die Verfassung überall in Wirksamkeit getreten sein wird. Die § 196 Nr. 1 der Verfassung gedachten zwei Drittheil der Mitglieder sind dann mit Zugrundlegung derjenigen Staaten, welche zum Volks- und Staatenhause wirklich gewählt haben, zu ermitteln. Die ungarischen Machthaber haben sich endlich losgesagt von der Heuchelei der Ehrfurcht gegen die Krone, in deren Vertheidigung ihre betrogenen Anhänger zu sterben meinten. In der Sitzung vom 14. v. M. jener ungesetzlichen Versammlung, die sich das Repräsentantenhaus nennt, ist der letzte Schritt geschehen, und der Mann, dessen ungemessne Ehrfurcht so nahmenloses Elend über Ungarn gebracht, streckt die Hand aus nach der obersten Gewalt.“ Dresden, 3. Mai, Mittags 11 Uhr. Heute ist Alles in großer Aufregung. Auf der Schloßgasse und auf dem Markte stehen dichte Menschengruppen, welche von einzelnen Sprechern haranguirt werden. Man sieht selbst einzelne Gewehre und andere Waffen umhertragen. Der König hat diesen Morgen die Deputationen der Bürgerwehr und der städtischen Behörden empfangen, die betreffenden Adressen entgegengenommen, aber eine abschlägliche Antwort ertheilt. Nur wenn Preußen und Baiern die Reichsverfassung anerkennen würden, könne und würde auch er sie anerkennen, soll der König gesagt haben. Der König erklärte insbesondere der Deputation der städtischen Behörden, daß er zu jedem Opfer bereit sei, wie er dies ja auch in früherer Zeit bewiesen habe. Er könne aber, setzte er hinzu, von seiner Weigerung nicht abgehen, denn die Reichsverfassung werde Deutschland nicht groß, einig und stark machen, sondern zerstückeln, zerreißen; ohne daß Preußen und Baiern sie annehme, könne er sie nicht anerkennen. Ungeachtet einiger Einwendungen, die einzelne Deputirten machten, beharrte der König bei seiner Ansicht, und stellte er insbesondere auch die Befugniß und das Recht der Nationalversammlung in Abrede, die Reichsverfassung allein zu geben. In diesem Augenblicke befinden sich die Leipziger und die Freiberger Deputationen auf dem königlichen Schlosse. Es verbreitet sich das Gerücht, daß diese Nacht zwei Regimenter Preußen in Sachsen eingerückt seien und bereits bei Großenhain stehen sollen. Dieses jedenfalls noch ungegründete Gerücht trägt vielleicht dazu bei, die Aufregung zu vermehren, die aber noch keine bestimmte Richtung angenommen hat. Um 1 Uhr wurde für die Kommunalgarde Appell geschlagen und Glockensignal gegeben, um, wie ein Plakat sagte, den Abtheilungen die Antwort des Königs mitzutheilen und die in den gestrigen Urversammlungen beschlossene Parade abzuhalten, welche jedoch auf Befehl des Generalkommando's untersagt worden ist. Die auf dem Altmarkt aufgestellten Bataillone gingen bis auf angeblich zwei unter einem dreimaligen Hoch auseinander. Das Neustädter Bataillon steht in diesem Augenblick noch vor dem Rathhause. Gleichzeitig rückten auch mehrere Abtheilungen Infanterie in's Schloß. Sechs Geschütze sind in der Kavallerie-Kaserne unter einer entsprechenden Infanteriebedeckung aufgestellt, eben so mehrere Geschütze im Zeughause. Die Artillerie marschirte unter Hurrahruf hinter ihren Kanonen über die Brücke. Alle Eingänge des königlichen Schlosses sind gesperrt und von außen durch die Menge verrammelt worden. Eine zahllose Menschenmenge wogt durch die Straßen; es wurden dort Reden gehalten, und die Lust zu Gewaltthätigkeiten scheint sich in dem Maße zu steigern, als das Gerücht immer mehr Glauben findet, daß preußische Truppen einrücken sollen. An mehreren Orten macht man einen Anfang zur Sperrung der Passage. In diesem Augenblicke treten die Stadtverordneten zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen, um über die Niedersetzung eines Vertheidigungsausschusses zu berathen. Später wurde die Kommunalgarde nochmals durch Generalmarsch versammelt. Man hatte die Kirchen erbrochen, man läutete Sturm, und ein Volkshaufe versuchte das Zeughaus zu stürmen. Das Militär vertheidigte dasselbe, es wurde häufig gefeuert, und man sah mehrere Todte über den Neumarkt tragen und fahren. Ob das Eindringen in das Zeughaus den Angreifern gelungen, darüber waren die Gerüchte verschieden. Ein höherer Offizier soll geblieben sein. Indessen scheinen die sich nach der Richtung des Zeughauses bewegenden Massen durchaus unbewaffnet zu sein. Augenzeugen versichern, daß im Augenblicke, wo sie die Stadt verlassen, gegen 7 Uhr, Barrikaden im Innern der Stadt errichtet würden. Man hört keine Schüsse mehr. Militär-Patrouillen durchziehen die Stadt, vor dem Schlosse sind Kanonen aufgefahren, die Kommunalgarde scheint abgetreten. Der König hat die Stadt nicht verlassen, so eben sind noch Deputationen von ihm angenommen worden. Wie man hört, haben sie leider keine günstigere Entscheidung, wie die bereits bekannten, zu erlangen vermocht. 4 1/2 Uhr Nachmittags. So eben ist der erste Angriff von dem Volk auf das Zeughaus gemacht, und von dem dort postirten Bataillon Prinz Albert sind die ersten drei Salven gegeben worden. Fünf Todte und mehrere Verwundete sind die ersten Opfer. Man fährt die Todten auf Wagen unter Racheruf hinweg. Die Sturmglocken ertönen, der Generalmarsch wirbelt durch die Straßen; das Rathaus wird erstürmt und auf den Altan desselben die schwarz-roth-goldene Fahne aufgepflanzt. Weiter vernimmt man, daß der Kommandant der Kommunalgarde, Kaufmann Lenz, sein Kommando niedergelegt hat und statt seiner Oberstlieutenant Heinze zum Kommandanten erwählt worden ist. Vor dem Schloß auf dem Brückenplatze wogt eine Menschenmenge, Steine wirft man nach den Fenstern des Wohnzimmers des Königs, zwei derselben werden zertrümmert. 5 bis 6 Uhr. Jetzt rückt das Neustädter Bataillon der Kommunalgarde über die Brücke. Aber hinterher rasseln vier Geschütze und mehrere Schwadronen des leichten Reiter-Regiments, welche sich auf dem Brückenplatze, dem Königlichen Schlosse gegenüber, aufstellen; man hört Kanonenschüsse. Es ist am Zeughause. Das 5te Bataillon der Kommunalgarde soll mit einer Kartätschenlage empfangen worden sein und mehrere Todte und Verwundete haben. Barrikaden werden errichtet. Bald ist die ganze Schloßgasse verbarrikadirt, das literarische Museum wird von einer Abtheilung der Turnerschaar besetzt und die übrigen Häuser von Kommunalgardisten. Eben so soll der Neumarkt verbarrikadirt sein, und namentlich erhebt sich am Ausgang der Wilsdrufer Gasse, nach dem Postplatze zu, eine Barrikade, welche bis in das erste Stock der anliegenden Häuser reicht. Das Straßenpflaster wird aufgerissen, und die Straßenschleußen werden aufgedeckt, um der Kavallerie das Manövriren zu erschweren. 6 bis 7 Uhr. Die Turnerschaar besetzt das dem Zeughause gegenüber befindliche Gebäude des klinischen Instituts, und ihre Schusse bestreichen auf diese Weise einen Theil des Zeughaushofes. Mit einem Wagen stößt man das eine Thor des Zeughauses ein, aber in dem Augenblicke, wo das Thor zusammenbricht, kracht ein Kanonenschuß aus dem innern Raume, und es gibt abermals Todte und Verwundete. Das Stadtverordnetenkollegium und ein Theil des Stadtraths haben sich permanent erklärt und halten auf dem Altstädter Rathhause ihre Sitzungen. Die Menge schreit nach Munition und Waffen. Dr. Minckwitz, Oberstlieutenant Heinze (früher in griechischen Diensten), der frühere Landtags-Abgeordnete, und Dr. Tzschirner erscheinen auf dem Rathhausbalkon, mahnen zur Geduld und versprechen, Waffen und Patronen herbeizuschaffen. Es wird aus der Mitte des Stadtverordnetenkollegiums und des Stadtraths an den König gesendet, der abermals unter tiefer Bewegung eine abschlägige Antwort ertheilt. Jetzt scheint man eine Art provisorischer Regierung eingesetzt und Tzschirner mit der weiteren Leitung des Aufstandes beauftragt zu haben. Indem er dies vom Balkon aus der Menge bekannt macht, fällt ein Schuß, man glaubt auf ihn, aber ohne ihn zu treffen. Der Kommandant der Kommunalgarde, Kaufmann Lenz, soll gemißhandelt und in Gewahrsam gebracht worden sein. Die ganze Altstadt und einige Vorstädte sind noch in den Händen der Massen, denn die Bewegung hat nun einen ganz anderen Charakter angenommen, die deutsche Frage scheint in den Hintergrund getreten zu sein, und nach Allem zu urtheilen treten republikanische Tendenzen immer mehr voran. 7 bis 9 Uhr Abends. Wir sind hier in der Neustadt von dem, was in diesem Augenblicke drüben vorgeht, nur dürftig unterrichtet, indem seit 9 Uhr die Brückenpassage ganz gehemmt oder doch wenigstens sehr erschwert ist. Es scheint aber in den innern Stadttheilen eine Art Schreckensherrschaft ausgeübt zu werden und die republikanisch-demokratische Partei allein den Kampf fortführen zu wollen, dessen endlicher Ausgang kaum zweifelhaft sein dürfte, da man vielleicht noch im Laufe dieser Nacht die Mittel in die Hand bekomme, den Aufstand zu dämpfen. Das Kleingewehr schweigt, und man schließt daraus, daß man auf beiden Seiten eine Waffenruhe eingegangen habe. Um 10 Uhr hört man wieder feuern und Generalmarsch schlagen. Die Waffenruhe mag also zu Ende gegangen sein. Zwei Geschütze der reitenden Artillerie rasseln herbei, um die Brücke nach der neustädter Seite hin am Blockhause zu decken. Beim Auffahren wäre es beinahe zu Konflikten gekommen, indem die Kavallerie eine Charge machen mußte, und die Kanonen zu laden gezwungen waren. 11 Uhr. Es ist Alles ruhig. Der beginnende Morgen wird die Erneuerung des hoffentlich nur noch kurzen Kampfes bringen. Zuzug wird von allen Seiten zwar erwartet. aber wie die Sachen in diesem Augenblicke stehen, ist an einen Sieg der Massen nicht zu glauben. Die Neustadt ist vollkommen ruhig. Das Militär, so weit es uns zur Kenntniß gelangt ist, hat eine feste Haltung bewährt. 4. Mai früh 5 1/2 Uhr. Um 3 Uhr hat der Kampf auf der Schloßgasse wieder begonnen; Sturmgeläute und Kleingewehrfeuer. Von dem Militär sind auf der Schloßgasse zwei Barrikaden genommen; fremdes Militär ist noch nicht eingerückt. Ueber die (bereits erwähnte) Ministerkrisis wird folgendes amtlich bekannt gemacht: „Der König hat die Staats-Minister Dr. Held, von Ehrenstein und Dr. Weinlig auf ihren Wunsch ihrer Funktion als Staats-Minister enthoben und dem Geheimrath Dr. Ferdinand Zschinsky, unter Ernennung zum Staats-Minister, das Departement der Justiz neben dem Vorsitz im Gesammt-Ministerium übertragen, auch auf denselben Auftrag in den evangelischen Angelegenheiten erstreckt. Wegen der Wiederbesetzung des Ministeriums der Finanzen, des Kultus und öffentlichen Unterrichts und des Innern hat sich der König die Entschließung noch vorbehalten und angeordnet, daß die früher mit deren Leitung beziehentlich provisorisch beauftragten Staats-Minister die Geschäfte noch fortführen, bis deren Nachfolger eingetreten sein werden.“ (D. A. Z.)Dresden, 4. Mai, 4 Uhr Nachmittags. Eine provisorische Regierung hat sich constituirt, die soeben folgende Proklamationen erlassen hat: Mitbürger! Der König und die Minister sind entflohen, das Land ist ohne Regierung, sich selbst überlassen worden, die Reichsverfassung ist verleugnet. Mitbürger! Das Vaterland ist in Gefahr! Es ist nothwendig geworden, eine provisorische Regierung zu bilden, der Sicherheitsausschuß zu Dresden und die Abgeordneten des Volkes haben nun unterzeichnete Mitburger zur provisorischen Regierung ernannt. Die Stadt Dresden ist dem Vaterlande mit dem rühmlichste Beispiele vorangegangen und hat geschworen, mit der Reichsverfassung zu leben und zu sterben. Wir stellen Sachsen unter den Schutz der Regierungen Deutschlands, welche die Reichsverfassung anerkannt haben. Zuzug von allen Ortschaften des Vaterlandes ist angeordnet und wird hiermit angeordnet. Wir fordern den strengsten Gehosam für die Befehle der provisorischen Regierung und des Oberkommandanten Oberstlieutenant Heinze. Wir werden Parlamentare an die Truppen senden und sie auffordern, den Befehlen der provisorischen Regierung gleichfalls Gehorsam zu leisten. Auch sie bindet keine andere Pflicht, als die, für die bestehende Regierung, für die Einheit und Freiheit des deutschen Vaterlandes. Mitbürger! Die große Stunde der Entscheidung ist gekommen. Jetzt oder nie. Freiheit oder Sclaverei! Wählt! Wir stehen zu Euch, steht Ihr zu uns! Die provisorische Regierung. Tzschirner. Heubner. Todt. Soldaten! Brüder! Die provisorische Regierung, welche nach der Flucht des Königs und der Minister in der Stadt Dresden niedergesetzt worden ist, ruft Euch zu, das Land gemeinschaftlich mit ihr zu schützen, dem Volke die Bruderhand zu reichen, und Euch zur Verfügung der Landes- und Reichsverfassung zu stellen. Folgt dem Beispiele anderer braver Soldaten, vergeßt nicht, daß Ihr vereidete Staatsbürger seid, und daß Ihr für Aufrechthaltung der Rechte und Freiheiten des Volkes zu wachen habt. Ihr seid erwählt, dem Volke zu zeigen, daß Ihr mit ihm geht, nicht gegen dasselbe seid. ‒ Soldaten! Auf denn, haltet zu uns, die provisorische Regierung hat die Pflicht, in der jetzigen Zeit die Gefahr des Vaterlandes abzuwenden, und braucht Eure Kräfte. Die provisorische Regierung Tzschirner. Heubner. Todt. Leipzig, 4. Mai. Die hier herrsch nde Aufregung über die deutsche Verfassungsfrage erhielt gestern Nachmittag einen neuen Anstoß durch die Nachricht, daß das hier liegende Schützenbataillon Befehl erhalten habe, noch am Abend auf der Eisenbahn nach Dresden abzugehen. Bedeutende Massen hatten sich, um den Abmarsch zu hindern, beim Eingang, wie beim Ausgang des Leipzig-Dresdener Bahnhofes aufgestellt und hinter demselben bis ziemlich weit hinaus die Bahn stellenweise aufgerissen, so daß der Abgang der Schützen auf der Eisenbahn und unmöglich wurde. Die Truppen gingen daher zurück und verließen die Stadt durch das Gerberthor, wo sie über Schönefeld die Bahn erreicht und einen Postzug zu der Fahrt nach Dresden benutzt haben. Die Reisenden, die mit dem Zuge von Dresden kamen, darunter auch die von hier an den König gesendeten Deputationen, mußten da, wo die Schienen aufgenommen, die Wagen verlassen und zu Fuß zur Stadt kommen. Von einzelnen Hindernissen, welche den Schützen bei ihrem Ausmarsche durch Sperrung der Straßen bereitet, wird erzählt, jedoch ist es nirgends zum Exzeß gekommen. Durch das Gerücht, preuß. Truppen würden einrücken, wurde bei einem Theile des Publikums die Aufregung erhalten. Man ging sogar so weit, Waffen vom Stadtrath zu fordern, und als diese nicht geliefert werden konnten, wurde von Einzelnen der Versuch gemacht, Sturm zu läuten, bei welcher Gelegenheit Verhaftungen vorgenommen wurden. Nun wurde um 11 Uhr Generalmarsch geschlagen, worauf sich, nachdem die Kommunalgarde zahlreich zusammengetreten, die Menge zerstreute. Vor dem Frankfurter Thore wurde ein Versuch gemacht, Barrikaden zu erbauen, um den von dort erwarteten Einmarsch preußischer Truppen zu erschweren. Die herbeigekommene Kommunalgarde fand die Barrikaden verlassen. Heute Vormittag sind die Eisenbahnzüge nach Dresden wieder abgegangen. (D. A. Z.)Leipzig, 4, Mai (Nachmittags 5 Uhr). Es fanden sich Abgeordnete, man sagt aller hiesigen politischen Vereine, auf dem Lokale des Communalgardeausschusses ein, und beantragten, der Commandant solle Befehl ertheilen, daß mehre Bataillone nach Dresden als Zuzug gesendet würden. Dies wurde nicht gewährt. Bald sammelten sich nun wieder Massen vor dem Rathhaus, und verlangten auch hier Waffen, die eine Gewehrhandlung, nachdem noch die Führer der politischen Vereine solche geprüft, gegen Sicherstellung des Stadtraths zu liefern zugesagt. Dies lehnte derselbe aber ebenfalls ab, wie die Beförderung von Zuzug nach Dresden. Während der Verhandlung darüber scheint es zwischen der zum Schutz des Rathhauses aufgestellten Communalgardenabtheilung und den Andrängenden zu Reibungen gekommen zu sein, in deren Folge nach 1 Uhr Generalmarsch geschlagen wurde. Die Massen zogen sich nach Aufforderung nun auf den Fleischerplatz, um dort, als mehr Raum gewährend, weiter über den Zug nach Dresden zu berathen. Sowohl der Leipzig-Dresdener Bahnhof als der Fleischerplatz wurden alsbald durch Communalgarde besetzt. Ein geschriebenes Placat, an die fremden Kaufleute gerichtet, lautet: An die fremden Kaufleute. Unterzeichnete politische Vereine Leipzigs halten es für ihre Pflicht, die fremden Kaufleute zu versichern, daß durch die außerordentlichen politischen Maßregeln, welche ihrerseits ergriffen wurden, weder die Sicherheit des Eigenthums noch der Personen, wie auch die Sicherheit des Verkehrs durchaus nicht gefährdet sein würde. Leipzig, 4. Mai 1849. Die sämmtlichen politischen Vereine Leipzigs. Dr. Reclam. Hassenstein. Dr. Göschen. Oelckers. Indeß wird ohnehin die Messe schon jetzt als beendet angesehen. Görlitz, 3. Mai. Wie man der N. Od.-Z. mittheilt, soll in der allernächsten Zeit in der Umgegend unserer Stadt ein Armeekorps von 40,000 Mann zusammengezogen werden. Hauptquartier wird Görlitz werden. * Schleswig-Holstein, 3. Mai. Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. Braunschweig, 4. Mai. Heute erwartete man die vorbehaltene Erklärung der Regierung, oder doch in deren Ermangelung fernere Interpellationen an dieselbe, wegen der ehegestern und gestern nicht ausgetheilten Gewehre. Es ist bis jetzt, Mittags 1 Uhr, zum allgemeinen Befremden so wenig eine Waffenvertheilung, als eine Anfrage, was derselben entgegenstehen könne, nicht erfolgt. Weshalb? Darüber sind die Meinungen sehr getheilt, weniger aber in der Beziehung, daß etwas vorliege, oder vorgekommen sei, was nicht Jedermann wisse, wodurch aber andere Ansichten gewonnen seien. (M. Z.) * Nürnberg, 3. Mai. Die gestern hier abgehaltene Volksversammlung, von circa 20,000 Menschen besucht, unter denen viele Soldaten, sprach sich energisch für die Reichsverfassung, und gegen die baierische, preußische etc. Regierungen aus. Unter donnerndem Beifall wurde erklärt, daß sich Franken nöthigenfalls von Baiern losreißen werde. Der Geist, der sich im Militär offenbarte, ist ein der Regierung entschieden feindlicher. 320 Frankfurt, 5. Mai. Die Ereignisse drängen sich. Gestern wurde der Nationalversammlung das Cirkular des preußischen Ministerpräsidenten Brandenburg mitgetheilt, worin nach vorheriger Anrühmung der Bundestreue, uneigennützigen Gesinnung und erhabenem Sinne, des k. russischen Unterknäs zu Potsdam die deutsche Reichsverfassung als unmöglich bezeichnet wird. Die Aufregung ist allgemein. In der baierischen Rheinpfalz hat sie bereits zum Ausbruch geführt. Es ist dort ein Landesvertheidigungs-Ausschuß ernannt worden, bestehend aus den Bürgern: Reichardt aus Speyer, Schmidt, Schüler aus Zweibrücken, Calmann, (sämmtlich Mitglieder der äußersten Linken zu Frankfurt) sodann den Mitgledern der baierischen Kammer, Dr. Hepp aus Neustadt, Dr. Greiner und Dr. Hanitz aus Zweibrücken, sowie ferner aus den Bürgern Fries aus Frankenthal, Schmidt aus Kirchheim ‒ Bolanden und Didier aus Landstuhl. Dieser Ausschuß hat bereits dekretirt: 1) Steuerverweigerung (der Staatssteuern). Die Staatskassen sollen schon mit Beschlag belegt sein und die Organisation der Truppen ist ausgeschrieben. Die Erklärung der Regierung und Beamten muß in 3 mal 24 Stunden erfolgen, widrigenfalls weitere entscheidende Maßregeln getroffen werden. Die Frankfurter äußerste Linke hat folgenden Aufruf erlassen: Deutsche Männer! Die Gewaltherrschaft der Könige hat ihre Maske abgeworfen! Sie hat es gewagt ‒ Angesichts der Völker Europas ‒ mit Vernichtung zu bedrohen Alles, was civilisirten Nationen hoch und heilig ist! Sie hat die russische Barbarei auf Deutschlands Boden gerufen! Wortbrüchig verläugnet sie den letzten Schimmer von unseres Volkes Selbstständigkeit und Freiheit, die sie vor wenigen Monden bebend anerkannte! Fürstenwillkür vernichtet, was die Vertreter des souveränen Volkes beschlossen! Deutsche! Jetzt gilt es abermals, zum letzten Male, Eure Freiheit gegen die Angriffe der Fürsten zu schützen. Blicket auf das Beispiel der thatentschlossenen Pfälzer. Säumet nicht, bewaffnet Euch, organisirt Euch, benutzet Euere Vereine, wählet leitende Wehrausschüsse, seid mannhaft gerüstet für den Augenblick, wo Ihr Euch den Gewaltschritten der Willkürherren entgegen zu stellen habt! Und Ihr, Männer der Pfalz! ‒ die Ihr für Freiheit, Ehre und Recht bereits in die Schranken getreten seid gegen den Verrath der Könige, haltet muthig Stand! Pfälzer! Deutschlands Männer können und werden nicht thatlos und feig Eurer Erhebung zusehen; sie werden es nicht geschehen lassen, daß der Despotismus über Eure Leichen hinweg auch zur Vernichtung ihrer und des ganz n Volkes Freiheit schreite! Frankfurt a. M., am 5. Mai 1849. Die äußerste Linke der Nationalversammlung. (Klubb Donnersberg.) Brentano. Culmann. Damm. Dietsch Erbe. Hönniger. Hoffbauer. Junghanns. Martiny. Mohr. Peter. Reichardt. Reinhardt. Richter. Rühl. Schlöffel. Schlutter. Schmidt. Schmitt. Schüler. Schütz. Titus. Trützschler. Werner. Wiesner. Würth. * Frankfurt, 4. Mai. Nachmittagssitzung der Nationalversammlung. (Schluß.) Nach Verwerfung der Minoritätsanträge kömmt der Majoritätsantrag des Dreißiger-Ausschusses zur Abstimmung durch Namensaufruf Derselbe wird mit einer Majorität von 2 Stimmen (190 gegen 188) angenommen; die äußerste Linke und fast die ganze Rechte stimmen dagegen. Der Antrag lautet: 1) Die Nationalversammlung fordert die Regierungen, die gesetzgebenden Körper, die Gemeinden der Einzelstaaten, das gesammte deutsche Volk auf, die Verfassung des deutschen Reichs vom 28. März d. J. zur Anerkennung und Geltung zu bringen. 2) Sie bestimmt den 15. August d. J als den Tag, an welchem der erste Reichstag auf den Grund der Verfassung in Frankfurt a. M. zusammen zu treten hat. 3) Sie bestimmt als den Tag, an welchem im deutschen Reiche die Wahlen für das Volkshaus vorzunehmen sind, den 15. Juli d. J. 4) Sollte, ‒ abgesehen von Deutschösterreich, dessen zur Zeit etwa nicht erfolgter Eintritt bereits durch § 87 der Verfassung berücksichtigt ist, ‒ ein oder der andere Staat im Reichstage nicht vertreten sein und deshalb eine oder die andere Bestimmung der für ganz Deutschland gegebenen Verfassung nicht ausführbar erscheinen, so erfolgt die Abänderung derselben auf dem in der Verfassung selbst vorgeschriebenen Wege provisorisch bis zu dem Zeitpunkte, wo die Verfassung überall in Wirksamkeit getreten sein wird. Die § 196 Nr. 1 der Verfassung gedachten zwei Drittheil der Mitglieder sind dann mit Zugrundlegung derjenigen Staaten, welche zum Volks- und Staatenhause wirklich gewählt haben, zu ermitteln. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar292_006" type="jArticle"> <pb facs="#f0002" n="1656"/> <p>Die ungarischen Machthaber haben sich endlich losgesagt von der Heuchelei der Ehrfurcht gegen die Krone, in deren Vertheidigung ihre betrogenen Anhänger zu sterben meinten. In der Sitzung vom 14. v. M. jener ungesetzlichen Versammlung, die sich das Repräsentantenhaus nennt, ist der letzte Schritt geschehen, und der Mann, dessen ungemessne Ehrfurcht so nahmenloses Elend über Ungarn gebracht, streckt die Hand aus nach der obersten Gewalt.“</p> </div> <div xml:id="ar292_007" type="jArticle"> <head>Dresden, 3. Mai, Mittags 11 Uhr.</head> <p>Heute ist Alles in großer Aufregung. Auf der Schloßgasse und auf dem Markte stehen dichte Menschengruppen, welche von einzelnen Sprechern haranguirt werden. Man sieht selbst einzelne Gewehre und andere Waffen umhertragen. Der König hat diesen Morgen die Deputationen der Bürgerwehr und der städtischen Behörden empfangen, die betreffenden Adressen entgegengenommen, aber eine abschlägliche Antwort ertheilt. Nur wenn Preußen und Baiern die Reichsverfassung anerkennen würden, könne und würde auch er sie anerkennen, soll der König gesagt haben. Der König erklärte insbesondere der Deputation der städtischen Behörden, daß er zu jedem Opfer bereit sei, wie er dies ja auch in früherer Zeit bewiesen habe. Er könne aber, setzte er hinzu, von seiner Weigerung nicht abgehen, denn die Reichsverfassung werde Deutschland nicht groß, einig und stark machen, sondern zerstückeln, zerreißen; ohne daß Preußen und Baiern sie annehme, könne er sie nicht anerkennen. Ungeachtet einiger Einwendungen, die einzelne Deputirten machten, beharrte der König bei seiner Ansicht, und stellte er insbesondere auch die Befugniß und das Recht der Nationalversammlung in Abrede, die Reichsverfassung allein zu geben. In diesem Augenblicke befinden sich die Leipziger und die Freiberger Deputationen auf dem königlichen Schlosse. Es verbreitet sich das Gerücht, daß diese Nacht zwei Regimenter Preußen in Sachsen eingerückt seien und bereits bei Großenhain stehen sollen. Dieses jedenfalls noch ungegründete Gerücht trägt vielleicht dazu bei, die Aufregung zu vermehren, die aber noch keine bestimmte Richtung angenommen hat.</p> <p>Um 1 Uhr wurde für die Kommunalgarde Appell geschlagen und Glockensignal gegeben, um, wie ein Plakat sagte, den Abtheilungen die Antwort des Königs mitzutheilen und die in den gestrigen Urversammlungen beschlossene Parade abzuhalten, welche jedoch auf Befehl des Generalkommando's untersagt worden ist. Die auf dem Altmarkt aufgestellten Bataillone gingen bis auf angeblich zwei unter einem dreimaligen Hoch auseinander. Das Neustädter Bataillon steht in diesem Augenblick noch vor dem Rathhause. Gleichzeitig rückten auch mehrere Abtheilungen Infanterie in's Schloß. Sechs Geschütze sind in der Kavallerie-Kaserne unter einer entsprechenden Infanteriebedeckung aufgestellt, eben so mehrere Geschütze im Zeughause. Die Artillerie marschirte unter Hurrahruf hinter ihren Kanonen über die Brücke. Alle Eingänge des königlichen Schlosses sind gesperrt und von außen durch die Menge verrammelt worden. Eine zahllose Menschenmenge wogt durch die Straßen; es wurden dort Reden gehalten, und die Lust zu Gewaltthätigkeiten scheint sich in dem Maße zu steigern, als das Gerücht immer mehr Glauben findet, daß preußische Truppen einrücken sollen. An mehreren Orten macht man einen Anfang zur Sperrung der Passage. In diesem Augenblicke treten die Stadtverordneten zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen, um über die Niedersetzung eines Vertheidigungsausschusses zu berathen. Später wurde die Kommunalgarde nochmals durch Generalmarsch versammelt. Man hatte die Kirchen erbrochen, man läutete Sturm, und ein Volkshaufe versuchte das Zeughaus zu stürmen. Das Militär vertheidigte dasselbe, es wurde häufig gefeuert, und man sah mehrere Todte über den Neumarkt tragen und fahren. Ob das Eindringen in das Zeughaus den Angreifern gelungen, darüber waren die Gerüchte verschieden. Ein höherer Offizier soll geblieben sein. Indessen scheinen die sich nach der Richtung des Zeughauses bewegenden Massen durchaus unbewaffnet zu sein. Augenzeugen versichern, daß im Augenblicke, wo sie die Stadt verlassen, gegen 7 Uhr, Barrikaden im Innern der Stadt errichtet würden. Man hört keine Schüsse mehr. Militär-Patrouillen durchziehen die Stadt, vor dem Schlosse sind Kanonen aufgefahren, die Kommunalgarde scheint abgetreten. Der König hat die Stadt nicht verlassen, so eben sind noch Deputationen von ihm angenommen worden. Wie man hört, haben sie leider keine günstigere Entscheidung, wie die bereits bekannten, zu erlangen vermocht.</p> <p><hi rendition="#g">4 1/2 Uhr Nachmittags.</hi> So eben ist der erste Angriff von dem Volk auf das Zeughaus gemacht, und von dem dort postirten Bataillon Prinz Albert sind die ersten drei Salven gegeben worden. Fünf Todte und mehrere Verwundete sind die ersten Opfer. Man fährt die Todten auf Wagen unter Racheruf hinweg. Die Sturmglocken ertönen, der Generalmarsch wirbelt durch die Straßen; das Rathaus wird erstürmt und auf den Altan desselben die schwarz-roth-goldene Fahne aufgepflanzt. Weiter vernimmt man, daß der Kommandant der Kommunalgarde, Kaufmann Lenz, sein Kommando niedergelegt hat und statt seiner Oberstlieutenant Heinze zum Kommandanten erwählt worden ist. Vor dem Schloß auf dem Brückenplatze wogt eine Menschenmenge, Steine wirft man nach den Fenstern des Wohnzimmers des Königs, zwei derselben werden zertrümmert.</p> <p><hi rendition="#g">5 bis 6 Uhr.</hi> Jetzt rückt das Neustädter Bataillon der Kommunalgarde über die Brücke. Aber hinterher rasseln vier Geschütze und mehrere Schwadronen des leichten Reiter-Regiments, welche sich auf dem Brückenplatze, dem Königlichen Schlosse gegenüber, aufstellen; man hört Kanonenschüsse. Es ist am Zeughause. Das 5te Bataillon der Kommunalgarde soll mit einer Kartätschenlage empfangen worden sein und mehrere Todte und Verwundete haben. Barrikaden werden errichtet. Bald ist die ganze Schloßgasse verbarrikadirt, das literarische Museum wird von einer Abtheilung der Turnerschaar besetzt und die übrigen Häuser von Kommunalgardisten. Eben so soll der Neumarkt verbarrikadirt sein, und namentlich erhebt sich am Ausgang der Wilsdrufer Gasse, nach dem Postplatze zu, eine Barrikade, welche bis in das erste Stock der anliegenden Häuser reicht. Das Straßenpflaster wird aufgerissen, und die Straßenschleußen werden aufgedeckt, um der Kavallerie das Manövriren zu erschweren.</p> <p><hi rendition="#g">6 bis 7 Uhr.</hi> Die Turnerschaar besetzt das dem Zeughause gegenüber befindliche Gebäude des klinischen Instituts, und ihre Schusse bestreichen auf diese Weise einen Theil des Zeughaushofes. Mit einem Wagen stößt man das eine Thor des Zeughauses ein, aber in dem Augenblicke, wo das Thor zusammenbricht, kracht ein Kanonenschuß aus dem innern Raume, und es gibt abermals Todte und Verwundete. Das Stadtverordnetenkollegium und ein Theil des Stadtraths haben sich permanent erklärt und halten auf dem Altstädter Rathhause ihre Sitzungen. Die Menge schreit nach Munition und Waffen. Dr. Minckwitz, Oberstlieutenant Heinze (früher in griechischen Diensten), der frühere Landtags-Abgeordnete, und Dr. Tzschirner erscheinen auf dem Rathhausbalkon, mahnen zur Geduld und versprechen, Waffen und Patronen herbeizuschaffen. Es wird aus der Mitte des Stadtverordnetenkollegiums und des Stadtraths an den König gesendet, der abermals unter tiefer Bewegung eine abschlägige Antwort ertheilt. Jetzt scheint man eine Art provisorischer Regierung eingesetzt und Tzschirner mit der weiteren Leitung des Aufstandes beauftragt zu haben.</p> <p>Indem er dies vom Balkon aus der Menge bekannt macht, fällt ein Schuß, man glaubt auf ihn, aber ohne ihn zu treffen. Der Kommandant der Kommunalgarde, Kaufmann Lenz, soll gemißhandelt und in Gewahrsam gebracht worden sein. Die ganze Altstadt und einige Vorstädte sind noch in den Händen der Massen, denn die Bewegung hat nun einen ganz anderen Charakter angenommen, die deutsche Frage scheint in den Hintergrund getreten zu sein, und nach Allem zu urtheilen treten republikanische Tendenzen immer mehr voran.</p> <p><hi rendition="#g">7 bis 9 Uhr Abends.</hi> Wir sind hier in der Neustadt von dem, was in diesem Augenblicke drüben vorgeht, nur dürftig unterrichtet, indem seit 9 Uhr die Brückenpassage ganz gehemmt oder doch wenigstens sehr erschwert ist. Es scheint aber in den innern Stadttheilen eine Art Schreckensherrschaft ausgeübt zu werden und die republikanisch-demokratische Partei allein den Kampf fortführen zu wollen, dessen endlicher Ausgang kaum zweifelhaft sein dürfte, da man vielleicht noch im Laufe dieser Nacht die Mittel in die Hand bekomme, den Aufstand zu dämpfen. Das Kleingewehr schweigt, und man schließt daraus, daß man auf beiden Seiten eine Waffenruhe eingegangen habe.</p> <p>Um 10 Uhr hört man wieder feuern und Generalmarsch schlagen. Die Waffenruhe mag also zu Ende gegangen sein. Zwei Geschütze der reitenden Artillerie rasseln herbei, um die Brücke nach der neustädter Seite hin am Blockhause zu decken. Beim Auffahren wäre es beinahe zu Konflikten gekommen, indem die Kavallerie eine Charge machen mußte, und die Kanonen zu laden gezwungen waren.</p> <p><hi rendition="#g">11 Uhr.</hi> Es ist Alles ruhig. Der beginnende Morgen wird die Erneuerung des hoffentlich nur noch kurzen Kampfes bringen. Zuzug wird von allen Seiten zwar erwartet. aber wie die Sachen in diesem Augenblicke stehen, ist an einen Sieg der Massen nicht zu glauben. Die Neustadt ist vollkommen ruhig. Das Militär, so weit es uns zur Kenntniß gelangt ist, hat eine feste Haltung bewährt.</p> <p><hi rendition="#g">4. Mai früh 5 1/2 Uhr.</hi> Um 3 Uhr hat der Kampf auf der Schloßgasse wieder begonnen; Sturmgeläute und Kleingewehrfeuer. Von dem Militär sind auf der Schloßgasse zwei Barrikaden genommen; fremdes Militär ist noch nicht eingerückt.</p> <p>Ueber die (bereits erwähnte) Ministerkrisis wird folgendes amtlich bekannt gemacht: „Der König hat die Staats-Minister Dr. Held, von Ehrenstein und Dr. Weinlig auf ihren Wunsch ihrer Funktion als Staats-Minister enthoben und dem Geheimrath Dr. Ferdinand Zschinsky, unter Ernennung zum Staats-Minister, das Departement der Justiz neben dem Vorsitz im Gesammt-Ministerium übertragen, auch auf denselben Auftrag in den evangelischen Angelegenheiten erstreckt. Wegen der Wiederbesetzung des Ministeriums der Finanzen, des Kultus und öffentlichen Unterrichts und des Innern hat sich der König die Entschließung noch vorbehalten und angeordnet, daß die früher mit deren Leitung beziehentlich provisorisch beauftragten Staats-Minister die Geschäfte noch fortführen, bis deren Nachfolger eingetreten sein werden.“</p> <bibl>(D. A. Z.)</bibl> </div> <div xml:id="ar292_008" type="jArticle"> <head>Dresden, 4. Mai, 4 Uhr Nachmittags.</head> <p>Eine provisorische Regierung hat sich constituirt, die soeben folgende Proklamationen erlassen hat:</p> <p> <hi rendition="#g">Mitbürger!</hi> </p> <p>Der König und die Minister sind entflohen, das Land ist ohne Regierung, sich selbst überlassen worden, die Reichsverfassung ist verleugnet.</p> <p>Mitbürger! Das Vaterland ist in Gefahr! Es ist nothwendig geworden, eine provisorische Regierung zu bilden, der Sicherheitsausschuß zu Dresden und die Abgeordneten des Volkes haben nun unterzeichnete Mitburger zur provisorischen Regierung ernannt.</p> <p>Die Stadt Dresden ist dem Vaterlande mit dem rühmlichste Beispiele vorangegangen und hat geschworen, mit der Reichsverfassung zu leben und zu sterben.</p> <p>Wir stellen Sachsen unter den Schutz der Regierungen Deutschlands, welche die Reichsverfassung anerkannt haben.</p> <p>Zuzug von allen Ortschaften des Vaterlandes ist angeordnet und wird hiermit angeordnet.</p> <p>Wir fordern den strengsten Gehosam für die Befehle der provisorischen Regierung und des Oberkommandanten Oberstlieutenant Heinze.</p> <p>Wir werden Parlamentare an die Truppen senden und sie auffordern, den Befehlen der provisorischen Regierung gleichfalls Gehorsam zu leisten. Auch sie bindet keine andere Pflicht, als die, für die bestehende Regierung, für die Einheit und Freiheit des deutschen Vaterlandes.</p> <p>Mitbürger! Die große Stunde der Entscheidung ist gekommen. Jetzt oder nie. Freiheit oder Sclaverei! Wählt!</p> <p>Wir stehen zu Euch, steht Ihr zu uns!</p> <p>Die provisorische Regierung.</p> <p> <hi rendition="#g">Tzschirner. Heubner. Todt.</hi> </p> <p> <hi rendition="#g">Soldaten! Brüder!</hi> </p> <p>Die provisorische Regierung, welche nach der Flucht des Königs und der Minister in der Stadt Dresden niedergesetzt worden ist, ruft Euch zu, das Land gemeinschaftlich mit ihr zu schützen, dem Volke die Bruderhand zu reichen, und Euch zur Verfügung der Landes- und Reichsverfassung zu stellen. Folgt dem Beispiele anderer braver Soldaten, vergeßt nicht, daß Ihr vereidete Staatsbürger seid, und daß Ihr für Aufrechthaltung der Rechte und Freiheiten des Volkes zu wachen habt. Ihr seid erwählt, dem Volke zu zeigen, daß Ihr mit ihm geht, nicht gegen dasselbe seid. ‒ <hi rendition="#g">Soldaten!</hi> Auf denn, haltet zu uns, die provisorische Regierung hat die Pflicht, in der jetzigen Zeit die Gefahr des Vaterlandes abzuwenden, und braucht Eure Kräfte.</p> <p>Die provisorische Regierung</p> <p> <hi rendition="#g">Tzschirner. Heubner. Todt.</hi> </p> </div> <div xml:id="ar292_009" type="jArticle"> <head>Leipzig, 4. Mai.</head> <p>Die hier herrsch nde Aufregung über die deutsche Verfassungsfrage erhielt gestern Nachmittag einen neuen Anstoß durch die Nachricht, daß das hier liegende Schützenbataillon Befehl erhalten habe, noch am Abend auf der Eisenbahn nach Dresden abzugehen. Bedeutende Massen hatten sich, um den Abmarsch zu hindern, beim Eingang, wie beim Ausgang des Leipzig-Dresdener Bahnhofes aufgestellt und hinter demselben bis ziemlich weit hinaus die Bahn stellenweise aufgerissen, so daß der Abgang der Schützen auf der Eisenbahn und unmöglich wurde. Die Truppen gingen daher zurück und verließen die Stadt durch das Gerberthor, wo sie über Schönefeld die Bahn erreicht und einen Postzug zu der Fahrt nach Dresden benutzt haben. Die Reisenden, die mit dem Zuge von Dresden kamen, darunter auch die von hier an den König gesendeten Deputationen, mußten da, wo die Schienen aufgenommen, die Wagen verlassen und zu Fuß zur Stadt kommen. Von einzelnen Hindernissen, welche den Schützen bei ihrem Ausmarsche durch Sperrung der Straßen bereitet, wird erzählt, jedoch ist es nirgends zum Exzeß gekommen. Durch das Gerücht, preuß. Truppen würden einrücken, wurde bei einem Theile des Publikums die Aufregung erhalten. Man ging sogar so weit, Waffen vom Stadtrath zu fordern, und als diese nicht geliefert werden konnten, wurde von Einzelnen der Versuch gemacht, Sturm zu läuten, bei welcher Gelegenheit Verhaftungen vorgenommen wurden. Nun wurde um 11 Uhr Generalmarsch geschlagen, worauf sich, nachdem die Kommunalgarde zahlreich zusammengetreten, die Menge zerstreute. Vor dem Frankfurter Thore wurde ein Versuch gemacht, Barrikaden zu erbauen, um den von dort erwarteten Einmarsch preußischer Truppen zu erschweren. Die herbeigekommene Kommunalgarde fand die Barrikaden verlassen. Heute Vormittag sind die Eisenbahnzüge nach Dresden wieder abgegangen.</p> <bibl>(D. A. Z.)</bibl> </div> <div xml:id="ar292_010" type="jArticle"> <head>Leipzig, 4, Mai (Nachmittags 5 Uhr).</head> <p>Es fanden sich Abgeordnete, man sagt aller hiesigen politischen Vereine, auf dem Lokale des Communalgardeausschusses ein, und beantragten, der Commandant solle Befehl ertheilen, daß mehre Bataillone nach Dresden als Zuzug gesendet würden. Dies wurde nicht gewährt. Bald sammelten sich nun wieder Massen vor dem Rathhaus, und verlangten auch hier Waffen, die eine Gewehrhandlung, nachdem noch die Führer der politischen Vereine solche geprüft, gegen Sicherstellung des Stadtraths zu liefern zugesagt. Dies lehnte derselbe aber ebenfalls ab, wie die Beförderung von Zuzug nach Dresden. Während der Verhandlung darüber scheint es zwischen der zum Schutz des Rathhauses aufgestellten Communalgardenabtheilung und den Andrängenden zu Reibungen gekommen zu sein, in deren Folge nach 1 Uhr Generalmarsch geschlagen wurde. Die Massen zogen sich nach Aufforderung nun auf den Fleischerplatz, um dort, als mehr Raum gewährend, weiter über den Zug nach Dresden zu berathen. Sowohl der Leipzig-Dresdener Bahnhof als der Fleischerplatz wurden alsbald durch Communalgarde besetzt.</p> <p>Ein geschriebenes Placat, an die fremden Kaufleute gerichtet, lautet:</p> <p>An die fremden Kaufleute. Unterzeichnete politische Vereine Leipzigs halten es für ihre Pflicht, die fremden Kaufleute zu versichern, daß durch die außerordentlichen politischen Maßregeln, welche ihrerseits ergriffen wurden, weder die Sicherheit des Eigenthums noch der Personen, wie auch die Sicherheit des Verkehrs durchaus nicht gefährdet sein würde. Leipzig, 4. Mai 1849. Die sämmtlichen politischen Vereine Leipzigs. Dr. Reclam. Hassenstein. Dr. Göschen. Oelckers.</p> <p>Indeß wird ohnehin die Messe schon jetzt als beendet angesehen.</p> </div> <div xml:id="ar292_011" type="jArticle"> <head>Görlitz, 3. Mai.</head> <p>Wie man der N. Od.-Z. mittheilt, soll in der allernächsten Zeit in der Umgegend unserer Stadt ein Armeekorps von 40,000 Mann zusammengezogen werden. Hauptquartier wird Görlitz werden.</p> </div> <div xml:id="ar292_012_c" type="jArticle"> <note type="editorial">Edition: <bibl>Friedrich Engels: Vom Kriegsschauplatze (Schleswig-Holstein), vorgesehen für: MEGA<hi rendition="#sup">2</hi>, I/9. </bibl> </note> <head><bibl><author>*</author></bibl> Schleswig-Holstein, 3. Mai.</head> <gap reason="copyright"/> </div> <div xml:id="ar292_013" type="jArticle"> <head>Braunschweig, 4. Mai.</head> <p>Heute erwartete man die vorbehaltene Erklärung der Regierung, oder doch in deren Ermangelung fernere Interpellationen an dieselbe, wegen der ehegestern und gestern nicht ausgetheilten Gewehre. Es ist bis jetzt, Mittags 1 Uhr, zum allgemeinen Befremden so wenig eine Waffenvertheilung, als eine Anfrage, was derselben entgegenstehen könne, nicht erfolgt. Weshalb? Darüber sind die Meinungen sehr getheilt, weniger aber in der Beziehung, daß etwas vorliege, oder vorgekommen sei, was nicht Jedermann wisse, wodurch aber andere Ansichten gewonnen seien.</p> <bibl>(M. Z.)</bibl> </div> <div xml:id="ar292_014" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Nürnberg, 3. Mai.</head> <p>Die gestern hier abgehaltene Volksversammlung, von circa 20,000 Menschen besucht, unter denen viele Soldaten, sprach sich energisch für die Reichsverfassung, und gegen die baierische, preußische etc. Regierungen aus. Unter donnerndem Beifall wurde erklärt, daß sich Franken nöthigenfalls von Baiern losreißen werde. Der Geist, der sich im Militär offenbarte, ist ein der Regierung entschieden feindlicher.</p> </div> <div xml:id="ar292_015" type="jArticle"> <head><bibl><author>320</author></bibl> Frankfurt, 5. Mai.</head> <p>Die Ereignisse drängen sich. Gestern wurde der Nationalversammlung das Cirkular des preußischen Ministerpräsidenten Brandenburg mitgetheilt, worin nach vorheriger Anrühmung der Bundestreue, uneigennützigen Gesinnung und erhabenem Sinne, des k. russischen Unterknäs zu Potsdam die deutsche Reichsverfassung als unmöglich bezeichnet wird. Die Aufregung ist allgemein. In der baierischen Rheinpfalz hat sie bereits zum Ausbruch geführt. Es ist dort ein Landesvertheidigungs-Ausschuß ernannt worden, bestehend aus den Bürgern: Reichardt aus Speyer, Schmidt, Schüler aus Zweibrücken, Calmann, (sämmtlich Mitglieder der äußersten Linken zu Frankfurt) sodann den Mitgledern der baierischen Kammer, Dr. Hepp aus Neustadt, Dr. Greiner und Dr. Hanitz aus Zweibrücken, sowie ferner aus den Bürgern Fries aus Frankenthal, Schmidt aus Kirchheim ‒ Bolanden und Didier aus Landstuhl. Dieser Ausschuß hat bereits dekretirt:</p> <p>1) Steuerverweigerung (der Staatssteuern).<lb/> 2) Rückberufung der pfälzischen Soldaten.<lb/> 3) Organisation der Volksbewaffnung von 18 bis 50 Jahren; die von 30 bis 50 Jahren kommen unter die Landwehr.<lb/> 4) Aufforderung an die Regierung und an die Beamten zur Anerkennung der Reichsverfassung.<lb/> 5) Aufforderung an die Gemeinden, um ihre Zustimmung zu erklären.<lb/> 6) Beschlagnahme der pfälzischen Staatskassen.<lb/> 7) Verbindung mit den angränzenden deutschen Vollsstämmen.</p> <p>Die Staatskassen sollen schon mit Beschlag belegt sein und die Organisation der Truppen ist ausgeschrieben. Die Erklärung der Regierung und Beamten muß in 3 mal 24 Stunden erfolgen, widrigenfalls weitere entscheidende Maßregeln getroffen werden.</p> <p>Die Frankfurter äußerste Linke hat folgenden Aufruf erlassen:</p> <p> <hi rendition="#b">Deutsche Männer!</hi> </p> <p>Die Gewaltherrschaft der Könige hat ihre Maske abgeworfen!</p> <p>Sie hat es gewagt ‒ Angesichts der Völker Europas ‒ mit Vernichtung zu bedrohen Alles, was civilisirten Nationen hoch und heilig ist!</p> <p>Sie hat die russische Barbarei auf Deutschlands Boden gerufen!</p> <p>Wortbrüchig verläugnet sie den letzten Schimmer von unseres Volkes Selbstständigkeit und Freiheit, die sie vor wenigen Monden bebend anerkannte!</p> <p>Fürstenwillkür vernichtet, was die Vertreter des souveränen Volkes beschlossen!</p> <p>Deutsche! Jetzt gilt es abermals, zum letzten Male, Eure Freiheit gegen die Angriffe der Fürsten zu schützen. Blicket auf das Beispiel der thatentschlossenen Pfälzer. Säumet nicht, bewaffnet Euch, organisirt Euch, benutzet Euere Vereine, wählet leitende Wehrausschüsse, seid mannhaft gerüstet für den Augenblick, wo Ihr Euch den Gewaltschritten der Willkürherren entgegen zu stellen habt!</p> <p>Und Ihr, Männer der Pfalz! ‒ die Ihr für Freiheit, Ehre und Recht bereits in die Schranken getreten seid gegen den Verrath der Könige, haltet muthig Stand! Pfälzer! Deutschlands Männer können und werden nicht thatlos und feig Eurer Erhebung zusehen; sie werden es nicht geschehen lassen, daß der Despotismus über Eure Leichen hinweg auch zur Vernichtung ihrer und des ganz n Volkes Freiheit schreite!</p> <p><hi rendition="#g">Frankfurt a. M.,</hi> am 5. Mai 1849.</p> <p>Die äußerste Linke der Nationalversammlung.</p> <p>(Klubb Donnersberg.)</p> <p>Brentano. Culmann. Damm. Dietsch Erbe. Hönniger. Hoffbauer. Junghanns. Martiny. Mohr. Peter. Reichardt. Reinhardt. Richter. Rühl. Schlöffel. Schlutter. Schmidt. Schmitt. Schüler. Schütz. Titus. Trützschler. Werner. Wiesner. Würth.</p> </div> <div xml:id="ar292_016" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Frankfurt, 4. Mai.</head> <p>Nachmittagssitzung der Nationalversammlung. (Schluß.)</p> <p>Nach Verwerfung der Minoritätsanträge kömmt der Majoritätsantrag des Dreißiger-Ausschusses zur Abstimmung durch Namensaufruf Derselbe wird mit einer <hi rendition="#g">Majorität von 2 Stimmen (190 gegen 188) angenommen;</hi> die äußerste Linke und fast die ganze Rechte stimmen dagegen.</p> <p>Der Antrag lautet:</p> <p>1) Die Nationalversammlung fordert die Regierungen, die gesetzgebenden Körper, die Gemeinden der Einzelstaaten, das gesammte deutsche Volk auf, die Verfassung des deutschen Reichs vom 28. März d. J. zur Anerkennung und Geltung zu bringen.</p> <p>2) Sie bestimmt den 15. August d. J als den Tag, an welchem der erste Reichstag auf den Grund der Verfassung in Frankfurt a. M. zusammen zu treten hat.</p> <p>3) Sie bestimmt als den Tag, an welchem im deutschen Reiche die Wahlen für das Volkshaus vorzunehmen sind, den 15. Juli d. J.</p> <p>4) Sollte, ‒ abgesehen von Deutschösterreich, dessen zur Zeit etwa nicht erfolgter Eintritt bereits durch § 87 der Verfassung berücksichtigt ist, ‒ ein oder der andere Staat im Reichstage nicht vertreten sein und deshalb eine oder die andere Bestimmung der für ganz Deutschland gegebenen Verfassung nicht ausführbar erscheinen, so erfolgt die Abänderung derselben auf dem in der Verfassung selbst vorgeschriebenen Wege provisorisch bis zu dem Zeitpunkte, wo die Verfassung überall in Wirksamkeit getreten sein wird. Die § 196 Nr. 1 der Verfassung gedachten zwei Drittheil der Mitglieder sind dann mit Zugrundlegung derjenigen Staaten, welche zum Volks- und Staatenhause wirklich gewählt haben, zu ermitteln.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1656/0002]
Die ungarischen Machthaber haben sich endlich losgesagt von der Heuchelei der Ehrfurcht gegen die Krone, in deren Vertheidigung ihre betrogenen Anhänger zu sterben meinten. In der Sitzung vom 14. v. M. jener ungesetzlichen Versammlung, die sich das Repräsentantenhaus nennt, ist der letzte Schritt geschehen, und der Mann, dessen ungemessne Ehrfurcht so nahmenloses Elend über Ungarn gebracht, streckt die Hand aus nach der obersten Gewalt.“
Dresden, 3. Mai, Mittags 11 Uhr. Heute ist Alles in großer Aufregung. Auf der Schloßgasse und auf dem Markte stehen dichte Menschengruppen, welche von einzelnen Sprechern haranguirt werden. Man sieht selbst einzelne Gewehre und andere Waffen umhertragen. Der König hat diesen Morgen die Deputationen der Bürgerwehr und der städtischen Behörden empfangen, die betreffenden Adressen entgegengenommen, aber eine abschlägliche Antwort ertheilt. Nur wenn Preußen und Baiern die Reichsverfassung anerkennen würden, könne und würde auch er sie anerkennen, soll der König gesagt haben. Der König erklärte insbesondere der Deputation der städtischen Behörden, daß er zu jedem Opfer bereit sei, wie er dies ja auch in früherer Zeit bewiesen habe. Er könne aber, setzte er hinzu, von seiner Weigerung nicht abgehen, denn die Reichsverfassung werde Deutschland nicht groß, einig und stark machen, sondern zerstückeln, zerreißen; ohne daß Preußen und Baiern sie annehme, könne er sie nicht anerkennen. Ungeachtet einiger Einwendungen, die einzelne Deputirten machten, beharrte der König bei seiner Ansicht, und stellte er insbesondere auch die Befugniß und das Recht der Nationalversammlung in Abrede, die Reichsverfassung allein zu geben. In diesem Augenblicke befinden sich die Leipziger und die Freiberger Deputationen auf dem königlichen Schlosse. Es verbreitet sich das Gerücht, daß diese Nacht zwei Regimenter Preußen in Sachsen eingerückt seien und bereits bei Großenhain stehen sollen. Dieses jedenfalls noch ungegründete Gerücht trägt vielleicht dazu bei, die Aufregung zu vermehren, die aber noch keine bestimmte Richtung angenommen hat.
Um 1 Uhr wurde für die Kommunalgarde Appell geschlagen und Glockensignal gegeben, um, wie ein Plakat sagte, den Abtheilungen die Antwort des Königs mitzutheilen und die in den gestrigen Urversammlungen beschlossene Parade abzuhalten, welche jedoch auf Befehl des Generalkommando's untersagt worden ist. Die auf dem Altmarkt aufgestellten Bataillone gingen bis auf angeblich zwei unter einem dreimaligen Hoch auseinander. Das Neustädter Bataillon steht in diesem Augenblick noch vor dem Rathhause. Gleichzeitig rückten auch mehrere Abtheilungen Infanterie in's Schloß. Sechs Geschütze sind in der Kavallerie-Kaserne unter einer entsprechenden Infanteriebedeckung aufgestellt, eben so mehrere Geschütze im Zeughause. Die Artillerie marschirte unter Hurrahruf hinter ihren Kanonen über die Brücke. Alle Eingänge des königlichen Schlosses sind gesperrt und von außen durch die Menge verrammelt worden. Eine zahllose Menschenmenge wogt durch die Straßen; es wurden dort Reden gehalten, und die Lust zu Gewaltthätigkeiten scheint sich in dem Maße zu steigern, als das Gerücht immer mehr Glauben findet, daß preußische Truppen einrücken sollen. An mehreren Orten macht man einen Anfang zur Sperrung der Passage. In diesem Augenblicke treten die Stadtverordneten zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen, um über die Niedersetzung eines Vertheidigungsausschusses zu berathen. Später wurde die Kommunalgarde nochmals durch Generalmarsch versammelt. Man hatte die Kirchen erbrochen, man läutete Sturm, und ein Volkshaufe versuchte das Zeughaus zu stürmen. Das Militär vertheidigte dasselbe, es wurde häufig gefeuert, und man sah mehrere Todte über den Neumarkt tragen und fahren. Ob das Eindringen in das Zeughaus den Angreifern gelungen, darüber waren die Gerüchte verschieden. Ein höherer Offizier soll geblieben sein. Indessen scheinen die sich nach der Richtung des Zeughauses bewegenden Massen durchaus unbewaffnet zu sein. Augenzeugen versichern, daß im Augenblicke, wo sie die Stadt verlassen, gegen 7 Uhr, Barrikaden im Innern der Stadt errichtet würden. Man hört keine Schüsse mehr. Militär-Patrouillen durchziehen die Stadt, vor dem Schlosse sind Kanonen aufgefahren, die Kommunalgarde scheint abgetreten. Der König hat die Stadt nicht verlassen, so eben sind noch Deputationen von ihm angenommen worden. Wie man hört, haben sie leider keine günstigere Entscheidung, wie die bereits bekannten, zu erlangen vermocht.
4 1/2 Uhr Nachmittags. So eben ist der erste Angriff von dem Volk auf das Zeughaus gemacht, und von dem dort postirten Bataillon Prinz Albert sind die ersten drei Salven gegeben worden. Fünf Todte und mehrere Verwundete sind die ersten Opfer. Man fährt die Todten auf Wagen unter Racheruf hinweg. Die Sturmglocken ertönen, der Generalmarsch wirbelt durch die Straßen; das Rathaus wird erstürmt und auf den Altan desselben die schwarz-roth-goldene Fahne aufgepflanzt. Weiter vernimmt man, daß der Kommandant der Kommunalgarde, Kaufmann Lenz, sein Kommando niedergelegt hat und statt seiner Oberstlieutenant Heinze zum Kommandanten erwählt worden ist. Vor dem Schloß auf dem Brückenplatze wogt eine Menschenmenge, Steine wirft man nach den Fenstern des Wohnzimmers des Königs, zwei derselben werden zertrümmert.
5 bis 6 Uhr. Jetzt rückt das Neustädter Bataillon der Kommunalgarde über die Brücke. Aber hinterher rasseln vier Geschütze und mehrere Schwadronen des leichten Reiter-Regiments, welche sich auf dem Brückenplatze, dem Königlichen Schlosse gegenüber, aufstellen; man hört Kanonenschüsse. Es ist am Zeughause. Das 5te Bataillon der Kommunalgarde soll mit einer Kartätschenlage empfangen worden sein und mehrere Todte und Verwundete haben. Barrikaden werden errichtet. Bald ist die ganze Schloßgasse verbarrikadirt, das literarische Museum wird von einer Abtheilung der Turnerschaar besetzt und die übrigen Häuser von Kommunalgardisten. Eben so soll der Neumarkt verbarrikadirt sein, und namentlich erhebt sich am Ausgang der Wilsdrufer Gasse, nach dem Postplatze zu, eine Barrikade, welche bis in das erste Stock der anliegenden Häuser reicht. Das Straßenpflaster wird aufgerissen, und die Straßenschleußen werden aufgedeckt, um der Kavallerie das Manövriren zu erschweren.
6 bis 7 Uhr. Die Turnerschaar besetzt das dem Zeughause gegenüber befindliche Gebäude des klinischen Instituts, und ihre Schusse bestreichen auf diese Weise einen Theil des Zeughaushofes. Mit einem Wagen stößt man das eine Thor des Zeughauses ein, aber in dem Augenblicke, wo das Thor zusammenbricht, kracht ein Kanonenschuß aus dem innern Raume, und es gibt abermals Todte und Verwundete. Das Stadtverordnetenkollegium und ein Theil des Stadtraths haben sich permanent erklärt und halten auf dem Altstädter Rathhause ihre Sitzungen. Die Menge schreit nach Munition und Waffen. Dr. Minckwitz, Oberstlieutenant Heinze (früher in griechischen Diensten), der frühere Landtags-Abgeordnete, und Dr. Tzschirner erscheinen auf dem Rathhausbalkon, mahnen zur Geduld und versprechen, Waffen und Patronen herbeizuschaffen. Es wird aus der Mitte des Stadtverordnetenkollegiums und des Stadtraths an den König gesendet, der abermals unter tiefer Bewegung eine abschlägige Antwort ertheilt. Jetzt scheint man eine Art provisorischer Regierung eingesetzt und Tzschirner mit der weiteren Leitung des Aufstandes beauftragt zu haben.
Indem er dies vom Balkon aus der Menge bekannt macht, fällt ein Schuß, man glaubt auf ihn, aber ohne ihn zu treffen. Der Kommandant der Kommunalgarde, Kaufmann Lenz, soll gemißhandelt und in Gewahrsam gebracht worden sein. Die ganze Altstadt und einige Vorstädte sind noch in den Händen der Massen, denn die Bewegung hat nun einen ganz anderen Charakter angenommen, die deutsche Frage scheint in den Hintergrund getreten zu sein, und nach Allem zu urtheilen treten republikanische Tendenzen immer mehr voran.
7 bis 9 Uhr Abends. Wir sind hier in der Neustadt von dem, was in diesem Augenblicke drüben vorgeht, nur dürftig unterrichtet, indem seit 9 Uhr die Brückenpassage ganz gehemmt oder doch wenigstens sehr erschwert ist. Es scheint aber in den innern Stadttheilen eine Art Schreckensherrschaft ausgeübt zu werden und die republikanisch-demokratische Partei allein den Kampf fortführen zu wollen, dessen endlicher Ausgang kaum zweifelhaft sein dürfte, da man vielleicht noch im Laufe dieser Nacht die Mittel in die Hand bekomme, den Aufstand zu dämpfen. Das Kleingewehr schweigt, und man schließt daraus, daß man auf beiden Seiten eine Waffenruhe eingegangen habe.
Um 10 Uhr hört man wieder feuern und Generalmarsch schlagen. Die Waffenruhe mag also zu Ende gegangen sein. Zwei Geschütze der reitenden Artillerie rasseln herbei, um die Brücke nach der neustädter Seite hin am Blockhause zu decken. Beim Auffahren wäre es beinahe zu Konflikten gekommen, indem die Kavallerie eine Charge machen mußte, und die Kanonen zu laden gezwungen waren.
11 Uhr. Es ist Alles ruhig. Der beginnende Morgen wird die Erneuerung des hoffentlich nur noch kurzen Kampfes bringen. Zuzug wird von allen Seiten zwar erwartet. aber wie die Sachen in diesem Augenblicke stehen, ist an einen Sieg der Massen nicht zu glauben. Die Neustadt ist vollkommen ruhig. Das Militär, so weit es uns zur Kenntniß gelangt ist, hat eine feste Haltung bewährt.
4. Mai früh 5 1/2 Uhr. Um 3 Uhr hat der Kampf auf der Schloßgasse wieder begonnen; Sturmgeläute und Kleingewehrfeuer. Von dem Militär sind auf der Schloßgasse zwei Barrikaden genommen; fremdes Militär ist noch nicht eingerückt.
Ueber die (bereits erwähnte) Ministerkrisis wird folgendes amtlich bekannt gemacht: „Der König hat die Staats-Minister Dr. Held, von Ehrenstein und Dr. Weinlig auf ihren Wunsch ihrer Funktion als Staats-Minister enthoben und dem Geheimrath Dr. Ferdinand Zschinsky, unter Ernennung zum Staats-Minister, das Departement der Justiz neben dem Vorsitz im Gesammt-Ministerium übertragen, auch auf denselben Auftrag in den evangelischen Angelegenheiten erstreckt. Wegen der Wiederbesetzung des Ministeriums der Finanzen, des Kultus und öffentlichen Unterrichts und des Innern hat sich der König die Entschließung noch vorbehalten und angeordnet, daß die früher mit deren Leitung beziehentlich provisorisch beauftragten Staats-Minister die Geschäfte noch fortführen, bis deren Nachfolger eingetreten sein werden.“
(D. A. Z.) Dresden, 4. Mai, 4 Uhr Nachmittags. Eine provisorische Regierung hat sich constituirt, die soeben folgende Proklamationen erlassen hat:
Mitbürger!
Der König und die Minister sind entflohen, das Land ist ohne Regierung, sich selbst überlassen worden, die Reichsverfassung ist verleugnet.
Mitbürger! Das Vaterland ist in Gefahr! Es ist nothwendig geworden, eine provisorische Regierung zu bilden, der Sicherheitsausschuß zu Dresden und die Abgeordneten des Volkes haben nun unterzeichnete Mitburger zur provisorischen Regierung ernannt.
Die Stadt Dresden ist dem Vaterlande mit dem rühmlichste Beispiele vorangegangen und hat geschworen, mit der Reichsverfassung zu leben und zu sterben.
Wir stellen Sachsen unter den Schutz der Regierungen Deutschlands, welche die Reichsverfassung anerkannt haben.
Zuzug von allen Ortschaften des Vaterlandes ist angeordnet und wird hiermit angeordnet.
Wir fordern den strengsten Gehosam für die Befehle der provisorischen Regierung und des Oberkommandanten Oberstlieutenant Heinze.
Wir werden Parlamentare an die Truppen senden und sie auffordern, den Befehlen der provisorischen Regierung gleichfalls Gehorsam zu leisten. Auch sie bindet keine andere Pflicht, als die, für die bestehende Regierung, für die Einheit und Freiheit des deutschen Vaterlandes.
Mitbürger! Die große Stunde der Entscheidung ist gekommen. Jetzt oder nie. Freiheit oder Sclaverei! Wählt!
Wir stehen zu Euch, steht Ihr zu uns!
Die provisorische Regierung.
Tzschirner. Heubner. Todt.
Soldaten! Brüder!
Die provisorische Regierung, welche nach der Flucht des Königs und der Minister in der Stadt Dresden niedergesetzt worden ist, ruft Euch zu, das Land gemeinschaftlich mit ihr zu schützen, dem Volke die Bruderhand zu reichen, und Euch zur Verfügung der Landes- und Reichsverfassung zu stellen. Folgt dem Beispiele anderer braver Soldaten, vergeßt nicht, daß Ihr vereidete Staatsbürger seid, und daß Ihr für Aufrechthaltung der Rechte und Freiheiten des Volkes zu wachen habt. Ihr seid erwählt, dem Volke zu zeigen, daß Ihr mit ihm geht, nicht gegen dasselbe seid. ‒ Soldaten! Auf denn, haltet zu uns, die provisorische Regierung hat die Pflicht, in der jetzigen Zeit die Gefahr des Vaterlandes abzuwenden, und braucht Eure Kräfte.
Die provisorische Regierung
Tzschirner. Heubner. Todt.
Leipzig, 4. Mai. Die hier herrsch nde Aufregung über die deutsche Verfassungsfrage erhielt gestern Nachmittag einen neuen Anstoß durch die Nachricht, daß das hier liegende Schützenbataillon Befehl erhalten habe, noch am Abend auf der Eisenbahn nach Dresden abzugehen. Bedeutende Massen hatten sich, um den Abmarsch zu hindern, beim Eingang, wie beim Ausgang des Leipzig-Dresdener Bahnhofes aufgestellt und hinter demselben bis ziemlich weit hinaus die Bahn stellenweise aufgerissen, so daß der Abgang der Schützen auf der Eisenbahn und unmöglich wurde. Die Truppen gingen daher zurück und verließen die Stadt durch das Gerberthor, wo sie über Schönefeld die Bahn erreicht und einen Postzug zu der Fahrt nach Dresden benutzt haben. Die Reisenden, die mit dem Zuge von Dresden kamen, darunter auch die von hier an den König gesendeten Deputationen, mußten da, wo die Schienen aufgenommen, die Wagen verlassen und zu Fuß zur Stadt kommen. Von einzelnen Hindernissen, welche den Schützen bei ihrem Ausmarsche durch Sperrung der Straßen bereitet, wird erzählt, jedoch ist es nirgends zum Exzeß gekommen. Durch das Gerücht, preuß. Truppen würden einrücken, wurde bei einem Theile des Publikums die Aufregung erhalten. Man ging sogar so weit, Waffen vom Stadtrath zu fordern, und als diese nicht geliefert werden konnten, wurde von Einzelnen der Versuch gemacht, Sturm zu läuten, bei welcher Gelegenheit Verhaftungen vorgenommen wurden. Nun wurde um 11 Uhr Generalmarsch geschlagen, worauf sich, nachdem die Kommunalgarde zahlreich zusammengetreten, die Menge zerstreute. Vor dem Frankfurter Thore wurde ein Versuch gemacht, Barrikaden zu erbauen, um den von dort erwarteten Einmarsch preußischer Truppen zu erschweren. Die herbeigekommene Kommunalgarde fand die Barrikaden verlassen. Heute Vormittag sind die Eisenbahnzüge nach Dresden wieder abgegangen.
(D. A. Z.) Leipzig, 4, Mai (Nachmittags 5 Uhr). Es fanden sich Abgeordnete, man sagt aller hiesigen politischen Vereine, auf dem Lokale des Communalgardeausschusses ein, und beantragten, der Commandant solle Befehl ertheilen, daß mehre Bataillone nach Dresden als Zuzug gesendet würden. Dies wurde nicht gewährt. Bald sammelten sich nun wieder Massen vor dem Rathhaus, und verlangten auch hier Waffen, die eine Gewehrhandlung, nachdem noch die Führer der politischen Vereine solche geprüft, gegen Sicherstellung des Stadtraths zu liefern zugesagt. Dies lehnte derselbe aber ebenfalls ab, wie die Beförderung von Zuzug nach Dresden. Während der Verhandlung darüber scheint es zwischen der zum Schutz des Rathhauses aufgestellten Communalgardenabtheilung und den Andrängenden zu Reibungen gekommen zu sein, in deren Folge nach 1 Uhr Generalmarsch geschlagen wurde. Die Massen zogen sich nach Aufforderung nun auf den Fleischerplatz, um dort, als mehr Raum gewährend, weiter über den Zug nach Dresden zu berathen. Sowohl der Leipzig-Dresdener Bahnhof als der Fleischerplatz wurden alsbald durch Communalgarde besetzt.
Ein geschriebenes Placat, an die fremden Kaufleute gerichtet, lautet:
An die fremden Kaufleute. Unterzeichnete politische Vereine Leipzigs halten es für ihre Pflicht, die fremden Kaufleute zu versichern, daß durch die außerordentlichen politischen Maßregeln, welche ihrerseits ergriffen wurden, weder die Sicherheit des Eigenthums noch der Personen, wie auch die Sicherheit des Verkehrs durchaus nicht gefährdet sein würde. Leipzig, 4. Mai 1849. Die sämmtlichen politischen Vereine Leipzigs. Dr. Reclam. Hassenstein. Dr. Göschen. Oelckers.
Indeß wird ohnehin die Messe schon jetzt als beendet angesehen.
Görlitz, 3. Mai. Wie man der N. Od.-Z. mittheilt, soll in der allernächsten Zeit in der Umgegend unserer Stadt ein Armeekorps von 40,000 Mann zusammengezogen werden. Hauptquartier wird Görlitz werden.
* Schleswig-Holstein, 3. Mai. _ Braunschweig, 4. Mai. Heute erwartete man die vorbehaltene Erklärung der Regierung, oder doch in deren Ermangelung fernere Interpellationen an dieselbe, wegen der ehegestern und gestern nicht ausgetheilten Gewehre. Es ist bis jetzt, Mittags 1 Uhr, zum allgemeinen Befremden so wenig eine Waffenvertheilung, als eine Anfrage, was derselben entgegenstehen könne, nicht erfolgt. Weshalb? Darüber sind die Meinungen sehr getheilt, weniger aber in der Beziehung, daß etwas vorliege, oder vorgekommen sei, was nicht Jedermann wisse, wodurch aber andere Ansichten gewonnen seien.
(M. Z.) * Nürnberg, 3. Mai. Die gestern hier abgehaltene Volksversammlung, von circa 20,000 Menschen besucht, unter denen viele Soldaten, sprach sich energisch für die Reichsverfassung, und gegen die baierische, preußische etc. Regierungen aus. Unter donnerndem Beifall wurde erklärt, daß sich Franken nöthigenfalls von Baiern losreißen werde. Der Geist, der sich im Militär offenbarte, ist ein der Regierung entschieden feindlicher.
320 Frankfurt, 5. Mai. Die Ereignisse drängen sich. Gestern wurde der Nationalversammlung das Cirkular des preußischen Ministerpräsidenten Brandenburg mitgetheilt, worin nach vorheriger Anrühmung der Bundestreue, uneigennützigen Gesinnung und erhabenem Sinne, des k. russischen Unterknäs zu Potsdam die deutsche Reichsverfassung als unmöglich bezeichnet wird. Die Aufregung ist allgemein. In der baierischen Rheinpfalz hat sie bereits zum Ausbruch geführt. Es ist dort ein Landesvertheidigungs-Ausschuß ernannt worden, bestehend aus den Bürgern: Reichardt aus Speyer, Schmidt, Schüler aus Zweibrücken, Calmann, (sämmtlich Mitglieder der äußersten Linken zu Frankfurt) sodann den Mitgledern der baierischen Kammer, Dr. Hepp aus Neustadt, Dr. Greiner und Dr. Hanitz aus Zweibrücken, sowie ferner aus den Bürgern Fries aus Frankenthal, Schmidt aus Kirchheim ‒ Bolanden und Didier aus Landstuhl. Dieser Ausschuß hat bereits dekretirt:
1) Steuerverweigerung (der Staatssteuern).
2) Rückberufung der pfälzischen Soldaten.
3) Organisation der Volksbewaffnung von 18 bis 50 Jahren; die von 30 bis 50 Jahren kommen unter die Landwehr.
4) Aufforderung an die Regierung und an die Beamten zur Anerkennung der Reichsverfassung.
5) Aufforderung an die Gemeinden, um ihre Zustimmung zu erklären.
6) Beschlagnahme der pfälzischen Staatskassen.
7) Verbindung mit den angränzenden deutschen Vollsstämmen.
Die Staatskassen sollen schon mit Beschlag belegt sein und die Organisation der Truppen ist ausgeschrieben. Die Erklärung der Regierung und Beamten muß in 3 mal 24 Stunden erfolgen, widrigenfalls weitere entscheidende Maßregeln getroffen werden.
Die Frankfurter äußerste Linke hat folgenden Aufruf erlassen:
Deutsche Männer!
Die Gewaltherrschaft der Könige hat ihre Maske abgeworfen!
Sie hat es gewagt ‒ Angesichts der Völker Europas ‒ mit Vernichtung zu bedrohen Alles, was civilisirten Nationen hoch und heilig ist!
Sie hat die russische Barbarei auf Deutschlands Boden gerufen!
Wortbrüchig verläugnet sie den letzten Schimmer von unseres Volkes Selbstständigkeit und Freiheit, die sie vor wenigen Monden bebend anerkannte!
Fürstenwillkür vernichtet, was die Vertreter des souveränen Volkes beschlossen!
Deutsche! Jetzt gilt es abermals, zum letzten Male, Eure Freiheit gegen die Angriffe der Fürsten zu schützen. Blicket auf das Beispiel der thatentschlossenen Pfälzer. Säumet nicht, bewaffnet Euch, organisirt Euch, benutzet Euere Vereine, wählet leitende Wehrausschüsse, seid mannhaft gerüstet für den Augenblick, wo Ihr Euch den Gewaltschritten der Willkürherren entgegen zu stellen habt!
Und Ihr, Männer der Pfalz! ‒ die Ihr für Freiheit, Ehre und Recht bereits in die Schranken getreten seid gegen den Verrath der Könige, haltet muthig Stand! Pfälzer! Deutschlands Männer können und werden nicht thatlos und feig Eurer Erhebung zusehen; sie werden es nicht geschehen lassen, daß der Despotismus über Eure Leichen hinweg auch zur Vernichtung ihrer und des ganz n Volkes Freiheit schreite!
Frankfurt a. M., am 5. Mai 1849.
Die äußerste Linke der Nationalversammlung.
(Klubb Donnersberg.)
Brentano. Culmann. Damm. Dietsch Erbe. Hönniger. Hoffbauer. Junghanns. Martiny. Mohr. Peter. Reichardt. Reinhardt. Richter. Rühl. Schlöffel. Schlutter. Schmidt. Schmitt. Schüler. Schütz. Titus. Trützschler. Werner. Wiesner. Würth.
* Frankfurt, 4. Mai. Nachmittagssitzung der Nationalversammlung. (Schluß.)
Nach Verwerfung der Minoritätsanträge kömmt der Majoritätsantrag des Dreißiger-Ausschusses zur Abstimmung durch Namensaufruf Derselbe wird mit einer Majorität von 2 Stimmen (190 gegen 188) angenommen; die äußerste Linke und fast die ganze Rechte stimmen dagegen.
Der Antrag lautet:
1) Die Nationalversammlung fordert die Regierungen, die gesetzgebenden Körper, die Gemeinden der Einzelstaaten, das gesammte deutsche Volk auf, die Verfassung des deutschen Reichs vom 28. März d. J. zur Anerkennung und Geltung zu bringen.
2) Sie bestimmt den 15. August d. J als den Tag, an welchem der erste Reichstag auf den Grund der Verfassung in Frankfurt a. M. zusammen zu treten hat.
3) Sie bestimmt als den Tag, an welchem im deutschen Reiche die Wahlen für das Volkshaus vorzunehmen sind, den 15. Juli d. J.
4) Sollte, ‒ abgesehen von Deutschösterreich, dessen zur Zeit etwa nicht erfolgter Eintritt bereits durch § 87 der Verfassung berücksichtigt ist, ‒ ein oder der andere Staat im Reichstage nicht vertreten sein und deshalb eine oder die andere Bestimmung der für ganz Deutschland gegebenen Verfassung nicht ausführbar erscheinen, so erfolgt die Abänderung derselben auf dem in der Verfassung selbst vorgeschriebenen Wege provisorisch bis zu dem Zeitpunkte, wo die Verfassung überall in Wirksamkeit getreten sein wird. Die § 196 Nr. 1 der Verfassung gedachten zwei Drittheil der Mitglieder sind dann mit Zugrundlegung derjenigen Staaten, welche zum Volks- und Staatenhause wirklich gewählt haben, zu ermitteln.
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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