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Das wohlfeilste Panorama des Universums. Nr. 45. Prag, 1835.

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Panorama des Universums.
[Beginn Spaltensatz] umgeben und später, besonders unter Wenzeslaus,
Herzog von Brabant, erweitert wurde.

Das Kastell war lange Zeit hindurch die ge-
wöhnliche Residenz der Herzoge von Brabant.
Heinrich der erste wurde hier im Jahre 1038
ermordet und Thierry Graf von Holland saß im
Jahre 1200 hier als Gefangener verwahrt. Auch
wurde daselbst Kaiser Karl der Fünfte mit seinen
Schwestern zu Anfang des 16ten Jahrhunderts
erzogen.

Löwen liegt etwa 4 Meilen von Brüssel
und ungefähr eben so weit von Mecheln entfernt,
an der Heerstraße von Brüssel nach Lüttich. Es
ist kreisförmig gebaut und hat nahe an zwei Mei-
len im Umfange; jedoch wird ein bedeutender Theil
dieses Raumes innerhalb der Stadtwälle, die nun
verfallen sind von Gärten eingenommen.

Der vorzüglichste Handelsartikel dieses Ortes
besteht in Bier, welches so berühmt ist, daß jährlich
über 150,000 Faß abgesetzt werden. Es gibt dreier-
lei Gattungen desselben; das stärkste heißt Peter-
mann und seine Ausfuhr war früher verboten; der
Kaniak, welches das gewöhnliche Tischbier der höhe-
ren Klassen der Stadt ist; endlich jenes, das ge-
wöhnlich Löwen = Bier heißt, welches nach allen
Theilen der Niederlande versandt wird. Endlich
gibt es hier auch Etablissements, wo Weinessig be-
reitet wird, ferner Zuckerraffinerien und bedeutende
Färbereien.

Löwen war einst die größte uud reichste Han-
delsstadt der Niederlande. Jhr Handel der haupt-
sächlich in Tüchern bestand, war so blühend, daß
zu Anfang des 14ten Jahrhunderts unter Jo-
hann
III. Herzog von Brabant hier mehr als 4000
Tuchmacher und über 150,000 Arbeiter beschäftigt
waren. Die Weber waren daselbst so zahlreich,
daß einer Sage nach, wenn sie aus der Arbeit gin-
gen, mit einer großen Glocke ein Zeichen gegeben
wurde, damit die Kinder zu Hause gehalten würden, nm
von der Menge nicht niedergetreten zu werden. Jm
J. 1382 erregten die Handwerker einen Aufstand gegen
Wenzeslaus, Herzog von Brabant und warfen
den Magistrat zu den Fenstern des Stadthauses
heraus, hernach ergriffen sie die Waffen gegen den
Herzog, wurden jedoch besiegt und flehten um Gnade.
Die Rädelsführer wurden bestraft, die Anstifter des
Aufruhrs aber aus der Stadt verwiesen. Die mei-
sten von ihnen flohen nach England, wo sie die Tuch-
manufaktur einführten. Es war dieß ein Schlag, von
dem Löwen sich nicht mehr erholt hat; denn seine
Bevölkerung wird gegenwärtig nicht viel über
25,000 betragen.

Unter den öffentlichen Gebäuden, welche er-
wähnt zu werden verdienen, ist das vorzüglichste
das Stadthaus, welches die eine Seite des Markt-
platzes einnimmt. Man kann es mit Recht eines
der schönsten gothischen Gebäude der Niederlande
nennen. Der Grundstein hiezu wurde im Jahre
1440 gelegt, und der Bau in zehn Jahren vollendet.
Während des letzten Jahrhunderts wurden viele
Verschönerungen im Jnnern desselben angebracht,
und gegenwärtig wird viele Sorgfalt auf die Her-
stellung des Aeußeren verwendet.

An der entgegengesetzten Seite des Markt-
platzes steht die Kollegiatkirche zu St. Peter, deren
äußeres Ansehen jedoch sehr viel durch die vielen
kleinen Gebäude verloren hat, die längs ihrer
[Spaltenumbruch] Mauern hin erbaut wurden. Sie wurde im Jahre
1040 von Lambert, Herzog von Brabant erbaut,
ist jedoch im 14. Jahrhundert zweimal ein Raub der
Flammen geworden. Hierauf wurde sie wieder
hergestellt und mit einem prächtigen Thurme verse-
hen, der 533 Fuß hoch war, sammt zwei Seiten-
thürmen von je 430 Fuß Höhe. Jm Jahre 1604
hat jedoch ein Sturm sämmtliche Thürme herab-
geworfen.

Jn der Mitte des Chores dieser Kirche befin-
det sich das Grabmal Heinrichs IV., Herzogs
von Brabant, welcher im Jahr 1235 starb; hinter
demselben in einer Kapelle ist jenes der Marga-
retha
von Löwen, die im Jahre 1225 ermordet
wurde.

Die Universität von Löwen, sonst eine der
berühmtesten in Europa, wurde im Jahre 1426 von
Johann IV., Herzog von Brabant, mit Genehmi-
gung des Pabstes Martin V. errichtet. Jhre
ersten Professoren kamen aus Paris und Köln,
und die Universität erhielt im Verlaufe der Zeit
von den Päbsten und den Beherrschern des Landes
mannichfaltige Privilegien. Sie hatte 37 Kollegien
und blühte, bis die Niederlande in die Hände der
Franzosen geriethen, die sie aufhoben und das Ge-
bäude zu einem Jnvalidenhause verwendeten. Sie
wurde jedoch durch eine Verordnug Wilhelm I.
vom 19. Februar 1817 wieder hergestellt und im
Oktober desselben Jahres eröffnet. Es sind gegen-
wärtig an derselben 17 Professoren und etwa 400
Studenten; die Universitätsbibliothek enthält an
40,000 Bände, auch gehört dahin ein Naturalien-
kabinet und ein botanischer Garten.

Das Gebäude, in welchem sich gegenwärtig die
Universität befindet, ist sehr geräumig, im neueren
Style gebaut und etwa zu Ende des letzten Jahr-
hunderts aufgeführt.

Unter den ausgezeichneten Professoren der Uni-
versität Löwen befand sich auch der berühmte Phi-
lolog Lipsius; er war Rath Kaiser Karl V. und
zu Overisk unweit Brüssel geboren. Man
erzählt, daß der Erzherzog Albert und die Jn-
fantin Jsabella seine Vorlesungen besucht haben.
Noch wird in Löwen das Haus gezeigt, wo er
gewohnt hat; es liegt in einer der Hauptstraßen
und besteht nur aus einem Stockwerke.

Löwen rühmte sich eine lange Zeit hindurch,
nie vom Feinde genommen worden zu seyn. Jm
Jahre 1542 wurde es fruchtlos von Martin
Rossen,
einem holländischen General belagert, und
1572 war Wilhelm von Oranien durch die
tapfere Vertheidigung der Bürger und Studenten
genöthigt, die Belagerung aufzuheben. Jm Jahre
1635 belagerten die Holländer und Franzosen die
Stadt; sie wurden jedoch durch eine Hungersnoth,
die ihre Heere aufrieb, genöthigt, die Mauern zu
verlassen. Jm Jahre 1710 wurde die Stadt zwar
von den Franzosen unter General Dumoulin durch
einen Ueberfall genommen, dieselben jedoch gleich
darauf von den Bürgern wieder vertrieben, weßhalb
ihnen Karl VI. zum Lohn ihrer Tapferkeit einen
goldenen Schlüssel zum Geschenke machte.

Endlich wurde die Stadt von den Franzosen
unter Dumouriez im Jahre 1792 genommen,
worauf sie zwar im Jahre 1793 von den Oester-
reichern entsetzt, jedoch 1794 neuerlich von den
Franzosen erobert wurde. S.



[Ende Spaltensatz]

Panorama des Universums.
[Beginn Spaltensatz] umgeben und später, besonders unter Wenzeslaus,
Herzog von Brabant, erweitert wurde.

Das Kastell war lange Zeit hindurch die ge-
wöhnliche Residenz der Herzoge von Brabant.
Heinrich der erste wurde hier im Jahre 1038
ermordet und Thierry Graf von Holland saß im
Jahre 1200 hier als Gefangener verwahrt. Auch
wurde daselbst Kaiser Karl der Fünfte mit seinen
Schwestern zu Anfang des 16ten Jahrhunderts
erzogen.

Löwen liegt etwa 4 Meilen von Brüssel
und ungefähr eben so weit von Mecheln entfernt,
an der Heerstraße von Brüssel nach Lüttich. Es
ist kreisförmig gebaut und hat nahe an zwei Mei-
len im Umfange; jedoch wird ein bedeutender Theil
dieses Raumes innerhalb der Stadtwälle, die nun
verfallen sind von Gärten eingenommen.

Der vorzüglichste Handelsartikel dieses Ortes
besteht in Bier, welches so berühmt ist, daß jährlich
über 150,000 Faß abgesetzt werden. Es gibt dreier-
lei Gattungen desselben; das stärkste heißt Peter-
mann und seine Ausfuhr war früher verboten; der
Kaniak, welches das gewöhnliche Tischbier der höhe-
ren Klassen der Stadt ist; endlich jenes, das ge-
wöhnlich Löwen = Bier heißt, welches nach allen
Theilen der Niederlande versandt wird. Endlich
gibt es hier auch Etablissements, wo Weinessig be-
reitet wird, ferner Zuckerraffinerien und bedeutende
Färbereien.

Löwen war einst die größte uud reichste Han-
delsstadt der Niederlande. Jhr Handel der haupt-
sächlich in Tüchern bestand, war so blühend, daß
zu Anfang des 14ten Jahrhunderts unter Jo-
hann
III. Herzog von Brabant hier mehr als 4000
Tuchmacher und über 150,000 Arbeiter beschäftigt
waren. Die Weber waren daselbst so zahlreich,
daß einer Sage nach, wenn sie aus der Arbeit gin-
gen, mit einer großen Glocke ein Zeichen gegeben
wurde, damit die Kinder zu Hause gehalten würden, nm
von der Menge nicht niedergetreten zu werden. Jm
J. 1382 erregten die Handwerker einen Aufstand gegen
Wenzeslaus, Herzog von Brabant und warfen
den Magistrat zu den Fenstern des Stadthauses
heraus, hernach ergriffen sie die Waffen gegen den
Herzog, wurden jedoch besiegt und flehten um Gnade.
Die Rädelsführer wurden bestraft, die Anstifter des
Aufruhrs aber aus der Stadt verwiesen. Die mei-
sten von ihnen flohen nach England, wo sie die Tuch-
manufaktur einführten. Es war dieß ein Schlag, von
dem Löwen sich nicht mehr erholt hat; denn seine
Bevölkerung wird gegenwärtig nicht viel über
25,000 betragen.

Unter den öffentlichen Gebäuden, welche er-
wähnt zu werden verdienen, ist das vorzüglichste
das Stadthaus, welches die eine Seite des Markt-
platzes einnimmt. Man kann es mit Recht eines
der schönsten gothischen Gebäude der Niederlande
nennen. Der Grundstein hiezu wurde im Jahre
1440 gelegt, und der Bau in zehn Jahren vollendet.
Während des letzten Jahrhunderts wurden viele
Verschönerungen im Jnnern desselben angebracht,
und gegenwärtig wird viele Sorgfalt auf die Her-
stellung des Aeußeren verwendet.

An der entgegengesetzten Seite des Markt-
platzes steht die Kollegiatkirche zu St. Peter, deren
äußeres Ansehen jedoch sehr viel durch die vielen
kleinen Gebäude verloren hat, die längs ihrer
[Spaltenumbruch] Mauern hin erbaut wurden. Sie wurde im Jahre
1040 von Lambert, Herzog von Brabant erbaut,
ist jedoch im 14. Jahrhundert zweimal ein Raub der
Flammen geworden. Hierauf wurde sie wieder
hergestellt und mit einem prächtigen Thurme verse-
hen, der 533 Fuß hoch war, sammt zwei Seiten-
thürmen von je 430 Fuß Höhe. Jm Jahre 1604
hat jedoch ein Sturm sämmtliche Thürme herab-
geworfen.

Jn der Mitte des Chores dieser Kirche befin-
det sich das Grabmal Heinrichs IV., Herzogs
von Brabant, welcher im Jahr 1235 starb; hinter
demselben in einer Kapelle ist jenes der Marga-
retha
von Löwen, die im Jahre 1225 ermordet
wurde.

Die Universität von Löwen, sonst eine der
berühmtesten in Europa, wurde im Jahre 1426 von
Johann IV., Herzog von Brabant, mit Genehmi-
gung des Pabstes Martin V. errichtet. Jhre
ersten Professoren kamen aus Paris und Köln,
und die Universität erhielt im Verlaufe der Zeit
von den Päbsten und den Beherrschern des Landes
mannichfaltige Privilegien. Sie hatte 37 Kollegien
und blühte, bis die Niederlande in die Hände der
Franzosen geriethen, die sie aufhoben und das Ge-
bäude zu einem Jnvalidenhause verwendeten. Sie
wurde jedoch durch eine Verordnug Wilhelm I.
vom 19. Februar 1817 wieder hergestellt und im
Oktober desselben Jahres eröffnet. Es sind gegen-
wärtig an derselben 17 Professoren und etwa 400
Studenten; die Universitätsbibliothek enthält an
40,000 Bände, auch gehört dahin ein Naturalien-
kabinet und ein botanischer Garten.

Das Gebäude, in welchem sich gegenwärtig die
Universität befindet, ist sehr geräumig, im neueren
Style gebaut und etwa zu Ende des letzten Jahr-
hunderts aufgeführt.

Unter den ausgezeichneten Professoren der Uni-
versität Löwen befand sich auch der berühmte Phi-
lolog Lipsius; er war Rath Kaiser Karl V. und
zu Overisk unweit Brüssel geboren. Man
erzählt, daß der Erzherzog Albert und die Jn-
fantin Jsabella seine Vorlesungen besucht haben.
Noch wird in Löwen das Haus gezeigt, wo er
gewohnt hat; es liegt in einer der Hauptstraßen
und besteht nur aus einem Stockwerke.

Löwen rühmte sich eine lange Zeit hindurch,
nie vom Feinde genommen worden zu seyn. Jm
Jahre 1542 wurde es fruchtlos von Martin
Rossen,
einem holländischen General belagert, und
1572 war Wilhelm von Oranien durch die
tapfere Vertheidigung der Bürger und Studenten
genöthigt, die Belagerung aufzuheben. Jm Jahre
1635 belagerten die Holländer und Franzosen die
Stadt; sie wurden jedoch durch eine Hungersnoth,
die ihre Heere aufrieb, genöthigt, die Mauern zu
verlassen. Jm Jahre 1710 wurde die Stadt zwar
von den Franzosen unter General Dumoulin durch
einen Ueberfall genommen, dieselben jedoch gleich
darauf von den Bürgern wieder vertrieben, weßhalb
ihnen Karl VI. zum Lohn ihrer Tapferkeit einen
goldenen Schlüssel zum Geschenke machte.

Endlich wurde die Stadt von den Franzosen
unter Dumouriez im Jahre 1792 genommen,
worauf sie zwar im Jahre 1793 von den Oester-
reichern entsetzt, jedoch 1794 neuerlich von den
Franzosen erobert wurde. S.



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Die Universität von Löwen, sonst eine der berühmtesten in Europa, wurde im Jahre 1426 von Johann IV., Herzog von Brabant, mit Genehmi- gung des Pabstes Martin V. errichtet. Jhre ersten Professoren kamen aus Paris und Köln, und die Universität erhielt im Verlaufe der Zeit von den Päbsten und den Beherrschern des Landes mannichfaltige Privilegien. Sie hatte 37 Kollegien und blühte, bis die Niederlande in die Hände der Franzosen geriethen, die sie aufhoben und das Ge- bäude zu einem Jnvalidenhause verwendeten. Sie wurde jedoch durch eine Verordnug Wilhelm I. vom 19. Februar 1817 wieder hergestellt und im Oktober desselben Jahres eröffnet. Es sind gegen- wärtig an derselben 17 Professoren und etwa 400 Studenten; die Universitätsbibliothek enthält an 40,000 Bände, auch gehört dahin ein Naturalien- kabinet und ein botanischer Garten. 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Jm Jahre 1635 belagerten die Holländer und Franzosen die Stadt; sie wurden jedoch durch eine Hungersnoth, die ihre Heere aufrieb, genöthigt, die Mauern zu verlassen. Jm Jahre 1710 wurde die Stadt zwar von den Franzosen unter General Dumoulin durch einen Ueberfall genommen, dieselben jedoch gleich darauf von den Bürgern wieder vertrieben, weßhalb ihnen Karl VI. zum Lohn ihrer Tapferkeit einen goldenen Schlüssel zum Geschenke machte. Endlich wurde die Stadt von den Franzosen unter Dumouriez im Jahre 1792 genommen, worauf sie zwar im Jahre 1793 von den Oester- reichern entsetzt, jedoch 1794 neuerlich von den Franzosen erobert wurde. S.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

Weitere Informationen:

Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.




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Zitationshilfe: Das wohlfeilste Panorama des Universums. Nr. 45. Prag, 1835, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_panorama45_1835/6>, abgerufen am 21.11.2024.