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Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Neue Folge, Erster Jahrgang, Nr. 10. Leipzig (Sachsen), 11. März 1843.

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[Beginn Spaltensatz] den Spanierinnen bald ins Auge, aber kaum waren die
ersten Kleider aus diesem bunten wohlfeilen Stoffe ver-
fertigt, so wurde durch ein königliches Edict über Jeder-
mann, welcher englische Stoffe tragen würde, die strengste
Strafe verhängt. Doch was vermögen Verordnungen
gegen den Willen der Frauen, sobald es sich um Putz-
angelegenheiten handelt? Kaum war das königliche Edict
erschienen, so wurden die englischen Stoffe erst recht
eifrig gesucht, und keine Spanierinn, welche einige Ellen
davon erhalten konnte, wollte einen andern Stoff tragen
-- und zwar eben weil die Kattune so streng verboten
waren und von den Schmugglern zu so niedrigen Prei-
sen verkauft wurden, daß es unmöglich war, der Ver-
suchung zu widerstehen. Die Folge davon war, daß die
schöne malerische Tracht der spanischen Frauen großen-
theils verdrängt wurde.

Wer je in Spanien gereist ist, muß häufig, na-
mentlich in Gebirgsgegenden, stattlich aufgeputzten und
keck aussehenden Reitern begegnet sein. Die Cigarre
fehlt ihnen so wenig im Munde, wie Pistolen und Ca-
rabiner am Sattel; und während sie die Gebirgspässe
durchziehen, trällern sie lustig ihre Nationalballaden,
worin gewöhnlich seltsame Liebeshändel oder die Aben-
teuer eines Contrabandista besungen werden. Aus solchen
kecken Abenteurern, welche, je nachdem sich die Gelegen-
heit darbietet, entweder Schmuggler oder Räuber sind,
besteht die Hälfte der Bevölkerung in den Küstendistricten.

Von Gibraltar fahren zur Nachtzeit oft ganze Flot-
ten von kleinen Schaluppen, mit Contrebande beladen,
ab, und zerstreuen sich längs der spanischen Küste hin.
Die Ladungen werden von ganzen Scharen bewaffneter
Schmuggler in Empfang genommen, welche an gewissen
Landungsplätzen in solcher Anzahl versammelt sind, daß
sie den Küstenwächtern Trotz bieten können. Den klar-
sten Beweis von der Unwirksamkeit aller gegen die Ein-
führung ausländischer Waaren in Spanien getroffener
Maßregeln liefern jedoch die Vorfälle fast jeder Nacht
auf der Landseite von Gibraltar, wo zahlreiche, wohl-
berittene und bis an die Zähne bewaffnete Banden von
Schmugglern bei Sonnenuntergang halten und, jeder
mit drei Centner Kattun und Taback beladen, durch die
spanische Mauthlinie sprengen, welche auf der sandigen
Landenge zwischen Gibraltar und dem Festlande aufge-
stellt ist.

Auf dieser schmalen Landenge, welche nur 500 Ellen
breit und im Osten und Westen vom mittelländischen
Meere begrenzt ist, standen 25 spanische Schildwachen,
als wir unlängst den Jsthmus passirten; und obwol man
zur Nachtzeit häufige Schüsse hörte, so erinnere ich mich
doch nicht, von der Gefangennahme oder dem Tode
eines Contrabandista gehört zu haben. Wenn wir einen
der Letztern darüber befragten, so war die Antwort stets
ein vielsagendes Achselzucken, dem gewöhnlich ein lautes
Gelächter und die Pantomime des Geldzählens folgte.
-- Jn Spanien wünscht Jedermann die ausländischen
Waaren zu besitzen, welche um so wohlfeilen Preis zu
haben sind und im Handel einen so hübschen Nutzen
abwerfen, daß die Gefahr der Entdeckung mit dem Ge-
winne in gar keinem Verhältnisse steht, zumal unter
einer Bevölkerung, deren Liebe zum Abenteuerlichen und
zu einem unstäten Wanderleben eine starke Mischung
mit arabischem Blut beurkundet. Dem Schmuggelhan-
del kann dort nur durch Beförderung der Jndustrie ein
haltbarer Damm entgegengesetzt werden.



[Spaltenumbruch]
Dschellalabad in Afghanistan.
( Beschluß aus Nr. 9. )

Dost Mohammed hatte seinen Sohn Mohammed
Akhbar mit seinen den Khiberpaß hütenden Truppen,
welche sich auf 13,000 Mann beliefen, von Dschellal-
abad herbeigerufen, aber diese Truppen weigerten sich,
aufzubrechen, und Dost Mohammed mußte darum in
Begleitung einiger weniger Reiter eiligst die Flucht er-
greifen. Schah Schudscha hielt nun als Sieger seinen
Einzug in Kabul und die Truppen Dost Mohammed's
gingen zu ihm über.

Da die Stämme des Bolanpasses auf Anstiftung
ihres Hauptes, des Khans von Khelat, an dem Gefolge
der Jndusarmee Raub und Mord verübt hatten, wurde
ihre Hauptstadt Khelat am 13. Nov. 1839 genommen
und alle Zwecke des Feldzugs schienen erreicht. Die
feindlichen Häupter von Kabul und Kandahar waren
durch einen befreundeten Monarchen ersetzt, die von
Sind und Herat bewarben sich um die englische Bun-
desgenossenschaft. Alles Das war in wenigen Monaten,
aber mit vielen Kosten ( man spricht von mehr als drei
Millionen Pf. St. ) bewirkt worden.

Zwei Jahre darauf änderte sich die Scene. Am 1.
Nov. 1841 empörte sich die Stadt Kabul gegen die
Briten und Schah Schudscha; verschiedene Offiziere,
darunter Sir Alexander Burnes und sein Bruder, wur-
den ermordet. Die englischen Truppen, welche sich auf
5--6000 Mann beliefen, wurden nicht mehr mit Le-
bensmitteln versehen und waren am Ende nicht mehr
im Stande, den Aufstand zu dämpfen, den der Sohn
Dost Mohammed's, Akhbar Khan, leitete. Eine Unter-
handlung wurde für nöthig erachtet und der englische
Gesandte Macnaghten begab sich am 23. Dec. 1841
mit vier Offizieren und einem kleinen Gefolge zu Akh-
bar Khan, welcher mitten in der Unterredung ein Pistol
herauszog und den Gesandten erschoß. Die Noth der
Besatzung führte am 5. Jan. zu einem Vertrag, dem
zufolge die Truppen ohne Beunruhigung nach Dschel-
lalabad ziehen sollten; aber sie hatten ihr Lager kaum
verlassen, als sie von dem treulosen Feinde angegriffen
wurden. Der Marsch wurde bald eine fortgesetzte Flucht.
Der Schnee lag hoch, die Jahreszeit war rauh und der
Weg ging durch feindliche Stämme. Vor den Fliehen-
den lagen die furchtbarsten Pässe, in denen jeder Wi-
derstand unmöglich war. Jn diesen Pässen wurden
auch die sämmtlichen britisch=indischen Truppen, gegen
13,000 Mann, niedergemacht, und kaum sechs er-
reichten lebendig Dschellalabad. Mehre Frauen und
Offiziere wurden als Geiseln wieder nach Kabul zurück-
gebracht. Jm März wurde die Besatzung von Ghizni,
welche ebenfalls unter der Sicherstellung eines Vertrags
ihre Standquartiere verlassen hatte, in denselben Pässen
zusammengehauen. Der Schah Schudscha verlor ebenfalls
das Leben und am 8. und 10. Aug. räumten die Eng-
länder auch Kandahar. Der General Nott schlug den
Weg nach Ghizni oder Gasni ein, begleitet von 7000
Mann Soldaten, 9000 Troßknechten, 8000 Kameelen
und einer Menge andrer Lastthiere; der General England
marschirte mit 4000 Mann und 10,000 Lastthieren nach
der entgegengesetzten Seite. Der General Pollock führte
zu gleicher Zeit von Dschellalabad aus seine Truppen
in die Nähe von Kabul nach Gandamak, welches nur
16 englische Meilen von Kabul am Eingange der nach
dieser Stadt führenden Pässe liegt, um mit Nott Kabul
zu nehmen und die Gefangenen zu befreien. Der Gene-
ral Nott erreichte nach einem siegreichen Marsche von
200 englischen Meilen glücklich Ghizni, zerstörte es und
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] den Spanierinnen bald ins Auge, aber kaum waren die
ersten Kleider aus diesem bunten wohlfeilen Stoffe ver-
fertigt, so wurde durch ein königliches Edict über Jeder-
mann, welcher englische Stoffe tragen würde, die strengste
Strafe verhängt. Doch was vermögen Verordnungen
gegen den Willen der Frauen, sobald es sich um Putz-
angelegenheiten handelt? Kaum war das königliche Edict
erschienen, so wurden die englischen Stoffe erst recht
eifrig gesucht, und keine Spanierinn, welche einige Ellen
davon erhalten konnte, wollte einen andern Stoff tragen
— und zwar eben weil die Kattune so streng verboten
waren und von den Schmugglern zu so niedrigen Prei-
sen verkauft wurden, daß es unmöglich war, der Ver-
suchung zu widerstehen. Die Folge davon war, daß die
schöne malerische Tracht der spanischen Frauen großen-
theils verdrängt wurde.

Wer je in Spanien gereist ist, muß häufig, na-
mentlich in Gebirgsgegenden, stattlich aufgeputzten und
keck aussehenden Reitern begegnet sein. Die Cigarre
fehlt ihnen so wenig im Munde, wie Pistolen und Ca-
rabiner am Sattel; und während sie die Gebirgspässe
durchziehen, trällern sie lustig ihre Nationalballaden,
worin gewöhnlich seltsame Liebeshändel oder die Aben-
teuer eines Contrabandista besungen werden. Aus solchen
kecken Abenteurern, welche, je nachdem sich die Gelegen-
heit darbietet, entweder Schmuggler oder Räuber sind,
besteht die Hälfte der Bevölkerung in den Küstendistricten.

Von Gibraltar fahren zur Nachtzeit oft ganze Flot-
ten von kleinen Schaluppen, mit Contrebande beladen,
ab, und zerstreuen sich längs der spanischen Küste hin.
Die Ladungen werden von ganzen Scharen bewaffneter
Schmuggler in Empfang genommen, welche an gewissen
Landungsplätzen in solcher Anzahl versammelt sind, daß
sie den Küstenwächtern Trotz bieten können. Den klar-
sten Beweis von der Unwirksamkeit aller gegen die Ein-
führung ausländischer Waaren in Spanien getroffener
Maßregeln liefern jedoch die Vorfälle fast jeder Nacht
auf der Landseite von Gibraltar, wo zahlreiche, wohl-
berittene und bis an die Zähne bewaffnete Banden von
Schmugglern bei Sonnenuntergang halten und, jeder
mit drei Centner Kattun und Taback beladen, durch die
spanische Mauthlinie sprengen, welche auf der sandigen
Landenge zwischen Gibraltar und dem Festlande aufge-
stellt ist.

Auf dieser schmalen Landenge, welche nur 500 Ellen
breit und im Osten und Westen vom mittelländischen
Meere begrenzt ist, standen 25 spanische Schildwachen,
als wir unlängst den Jsthmus passirten; und obwol man
zur Nachtzeit häufige Schüsse hörte, so erinnere ich mich
doch nicht, von der Gefangennahme oder dem Tode
eines Contrabandista gehört zu haben. Wenn wir einen
der Letztern darüber befragten, so war die Antwort stets
ein vielsagendes Achselzucken, dem gewöhnlich ein lautes
Gelächter und die Pantomime des Geldzählens folgte.
— Jn Spanien wünscht Jedermann die ausländischen
Waaren zu besitzen, welche um so wohlfeilen Preis zu
haben sind und im Handel einen so hübschen Nutzen
abwerfen, daß die Gefahr der Entdeckung mit dem Ge-
winne in gar keinem Verhältnisse steht, zumal unter
einer Bevölkerung, deren Liebe zum Abenteuerlichen und
zu einem unstäten Wanderleben eine starke Mischung
mit arabischem Blut beurkundet. Dem Schmuggelhan-
del kann dort nur durch Beförderung der Jndustrie ein
haltbarer Damm entgegengesetzt werden.



[Spaltenumbruch]
Dschellalabad in Afghanistan.
( Beschluß aus Nr. 9. )

Dost Mohammed hatte seinen Sohn Mohammed
Akhbar mit seinen den Khiberpaß hütenden Truppen,
welche sich auf 13,000 Mann beliefen, von Dschellal-
abad herbeigerufen, aber diese Truppen weigerten sich,
aufzubrechen, und Dost Mohammed mußte darum in
Begleitung einiger weniger Reiter eiligst die Flucht er-
greifen. Schah Schudscha hielt nun als Sieger seinen
Einzug in Kabul und die Truppen Dost Mohammed's
gingen zu ihm über.

Da die Stämme des Bolanpasses auf Anstiftung
ihres Hauptes, des Khans von Khelat, an dem Gefolge
der Jndusarmee Raub und Mord verübt hatten, wurde
ihre Hauptstadt Khelat am 13. Nov. 1839 genommen
und alle Zwecke des Feldzugs schienen erreicht. Die
feindlichen Häupter von Kabul und Kandahar waren
durch einen befreundeten Monarchen ersetzt, die von
Sind und Herat bewarben sich um die englische Bun-
desgenossenschaft. Alles Das war in wenigen Monaten,
aber mit vielen Kosten ( man spricht von mehr als drei
Millionen Pf. St. ) bewirkt worden.

Zwei Jahre darauf änderte sich die Scene. Am 1.
Nov. 1841 empörte sich die Stadt Kabul gegen die
Briten und Schah Schudscha; verschiedene Offiziere,
darunter Sir Alexander Burnes und sein Bruder, wur-
den ermordet. Die englischen Truppen, welche sich auf
5—6000 Mann beliefen, wurden nicht mehr mit Le-
bensmitteln versehen und waren am Ende nicht mehr
im Stande, den Aufstand zu dämpfen, den der Sohn
Dost Mohammed's, Akhbar Khan, leitete. Eine Unter-
handlung wurde für nöthig erachtet und der englische
Gesandte Macnaghten begab sich am 23. Dec. 1841
mit vier Offizieren und einem kleinen Gefolge zu Akh-
bar Khan, welcher mitten in der Unterredung ein Pistol
herauszog und den Gesandten erschoß. Die Noth der
Besatzung führte am 5. Jan. zu einem Vertrag, dem
zufolge die Truppen ohne Beunruhigung nach Dschel-
lalabad ziehen sollten; aber sie hatten ihr Lager kaum
verlassen, als sie von dem treulosen Feinde angegriffen
wurden. Der Marsch wurde bald eine fortgesetzte Flucht.
Der Schnee lag hoch, die Jahreszeit war rauh und der
Weg ging durch feindliche Stämme. Vor den Fliehen-
den lagen die furchtbarsten Pässe, in denen jeder Wi-
derstand unmöglich war. Jn diesen Pässen wurden
auch die sämmtlichen britisch=indischen Truppen, gegen
13,000 Mann, niedergemacht, und kaum sechs er-
reichten lebendig Dschellalabad. Mehre Frauen und
Offiziere wurden als Geiseln wieder nach Kabul zurück-
gebracht. Jm März wurde die Besatzung von Ghizni,
welche ebenfalls unter der Sicherstellung eines Vertrags
ihre Standquartiere verlassen hatte, in denselben Pässen
zusammengehauen. Der Schah Schudscha verlor ebenfalls
das Leben und am 8. und 10. Aug. räumten die Eng-
länder auch Kandahar. Der General Nott schlug den
Weg nach Ghizni oder Gasni ein, begleitet von 7000
Mann Soldaten, 9000 Troßknechten, 8000 Kameelen
und einer Menge andrer Lastthiere; der General England
marschirte mit 4000 Mann und 10,000 Lastthieren nach
der entgegengesetzten Seite. Der General Pollock führte
zu gleicher Zeit von Dschellalabad aus seine Truppen
in die Nähe von Kabul nach Gandamak, welches nur
16 englische Meilen von Kabul am Eingange der nach
dieser Stadt führenden Pässe liegt, um mit Nott Kabul
zu nehmen und die Gefangenen zu befreien. Der Gene-
ral Nott erreichte nach einem siegreichen Marsche von
200 englischen Meilen glücklich Ghizni, zerstörte es und
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Den klar- sten Beweis von der Unwirksamkeit aller gegen die Ein- führung ausländischer Waaren in Spanien getroffener Maßregeln liefern jedoch die Vorfälle fast jeder Nacht auf der Landseite von Gibraltar, wo zahlreiche, wohl- berittene und bis an die Zähne bewaffnete Banden von Schmugglern bei Sonnenuntergang halten und, jeder mit drei Centner Kattun und Taback beladen, durch die spanische Mauthlinie sprengen, welche auf der sandigen Landenge zwischen Gibraltar und dem Festlande aufge- stellt ist. Auf dieser schmalen Landenge, welche nur 500 Ellen breit und im Osten und Westen vom mittelländischen Meere begrenzt ist, standen 25 spanische Schildwachen, als wir unlängst den Jsthmus passirten; und obwol man zur Nachtzeit häufige Schüsse hörte, so erinnere ich mich doch nicht, von der Gefangennahme oder dem Tode eines Contrabandista gehört zu haben. 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Zwei Jahre darauf änderte sich die Scene. Am 1. Nov. 1841 empörte sich die Stadt Kabul gegen die Briten und Schah Schudscha; verschiedene Offiziere, darunter Sir Alexander Burnes und sein Bruder, wur- den ermordet. Die englischen Truppen, welche sich auf 5—6000 Mann beliefen, wurden nicht mehr mit Le- bensmitteln versehen und waren am Ende nicht mehr im Stande, den Aufstand zu dämpfen, den der Sohn Dost Mohammed's, Akhbar Khan, leitete. Eine Unter- handlung wurde für nöthig erachtet und der englische Gesandte Macnaghten begab sich am 23. Dec. 1841 mit vier Offizieren und einem kleinen Gefolge zu Akh- bar Khan, welcher mitten in der Unterredung ein Pistol herauszog und den Gesandten erschoß. Die Noth der Besatzung führte am 5. Jan. zu einem Vertrag, dem zufolge die Truppen ohne Beunruhigung nach Dschel- lalabad ziehen sollten; aber sie hatten ihr Lager kaum verlassen, als sie von dem treulosen Feinde angegriffen wurden. Der Marsch wurde bald eine fortgesetzte Flucht. Der Schnee lag hoch, die Jahreszeit war rauh und der Weg ging durch feindliche Stämme. Vor den Fliehen- den lagen die furchtbarsten Pässe, in denen jeder Wi- derstand unmöglich war. Jn diesen Pässen wurden auch die sämmtlichen britisch=indischen Truppen, gegen 13,000 Mann, niedergemacht, und kaum sechs er- reichten lebendig Dschellalabad. Mehre Frauen und Offiziere wurden als Geiseln wieder nach Kabul zurück- gebracht. Jm März wurde die Besatzung von Ghizni, welche ebenfalls unter der Sicherstellung eines Vertrags ihre Standquartiere verlassen hatte, in denselben Pässen zusammengehauen. Der Schah Schudscha verlor ebenfalls das Leben und am 8. und 10. Aug. räumten die Eng- länder auch Kandahar. Der General Nott schlug den Weg nach Ghizni oder Gasni ein, begleitet von 7000 Mann Soldaten, 9000 Troßknechten, 8000 Kameelen und einer Menge andrer Lastthiere; der General England marschirte mit 4000 Mann und 10,000 Lastthieren nach der entgegengesetzten Seite. Der General Pollock führte zu gleicher Zeit von Dschellalabad aus seine Truppen in die Nähe von Kabul nach Gandamak, welches nur 16 englische Meilen von Kabul am Eingange der nach dieser Stadt führenden Pässe liegt, um mit Nott Kabul zu nehmen und die Gefangenen zu befreien. Der Gene- ral Nott erreichte nach einem siegreichen Marsche von 200 englischen Meilen glücklich Ghizni, zerstörte es und

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Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Neue Folge, Erster Jahrgang, Nr. 10. Leipzig (Sachsen), 11. März 1843, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig010_1843/6>, abgerufen am 01.06.2024.