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Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Neue Folge, Erster Jahrgang, Nr. 21. Leipzig (Sachsen), 27. Mai 1843.

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So verschieden die Bodenfläche ist, so verschieden ist
auch das Klima; in den nördlichen Thälern weht die
Luft fast immer rauh und kalt und der Winter hält,
namentlich im Pusterthale, sehr lange an, dagegen herrscht
in den südlich auslaufenden Thälern im Sommer oft
eine solche Hitze, daß die Bewohner ihre Häuser verlas-
sen und auf den Bergen einen kühlern Aufenthalt suchen.
Wenn der Sirocco, hier Föhn genannt, weht, so bringt
er bei Dem, welcher sich ihm ohne Schutz zu lange aus-
setzt, nicht selten ein gefährliches Erbrechen hervor. Der
Schnee auf den Fernern löst sich oft schon im Frühling
so schnell, daß Lavinen herabstürzen, die Bäche zu Strö-
men anschwellen und oft ganze Dörfer vernichtet werden.

Unter dem Wilde Tirols spielt die Gemse die Haupt-
colle, sonst gab es auch Steinböcke; unter dem zahmen
Vieh sind die Rinder am zahlreichsten. Mineralien sind
in Menge da. Sonst gab es große Ausbeute an Sil-
der in den Bergen von Schwätz, sodaß Maximilian
das Land mit einem groben Bauernkittel verglich, der
viele Falten habe, aber hübsch warm halte. Die kleinen
Seen und zahlreichen Flüsse geben eine Menge vortreff-
licher Fische.

So eigenthümlich das Land ist, so eigenthümlich
sind seine Bewohner. Sie müssen sich ihre Wohnplätze
gleichsam erst erobern und führen einen unablässigen
Kampf mit der Natur, daher sind sie ein kräftiger, mu-
thiger Menschenschlag, der sich durch Biederkeit und Treu-
herzigkeit, Ehrlichkeit und Redlichkeit, heitern Sinn und
lustiges Wesen auszeichnet, aber freilich auch nicht sel-
ten heftig, streitsüchtig, rauflustig und hartnäckig erscheint.

Der heftige Charakter des Tirolers äußert sich selbst
in seinen Vergnügungen; nicht leicht erblickt man eine
Anzahl junger Männer, unter denen nicht einer oder der
andere mit einer Auerhahnfeder auf dem Hute stolz da-
herschreitet, ein Zeichen, daß er sich mit Diesem oder
Jenem tüchtig gerauft und den Sieg davongetragen hat.

Die Tiroler sind leidenschaftliche Jäger, daher aus-
gezeichnete Schützen und große Freunde des Scheiben-
schießens. Sie hängen mit großer Vorliebe an ihren
heimischen Sitten, ihrem Vaterlande und ihrem Regen-
tenhause. Sie haben eine Nationaltracht, von der sie
nicht abgehen, die jedoch in den verschiedenen Thälern
verschieden ist.

Die italienischen Tiroler unterscheiden sich von den
deutschen durch einen dürftigern Körperbau, braune Ge-
sichtsfarbe und mindere Treuherzigkeit. Sie sind weni-
ger lustig als leidenschaftlich und während bei den Deutsch-
tirolern ein Faustkampf die ziemlich häufigen Streitig-
keiten entscheidet, führt den Wälschtiroler seine Rachsucht
nicht selten zum Mord. Jndeß ist der Welsche mäßiger,
nüchterner und ernster als der Deutschtiroler und nicht
minder arbeitsam als dieser.

Viehzucht, Jagd, Ackerbau und Bergbau, auch Woll-
und Baumwollenweberei, Bearbeitung der Metalle, Ger-
berei, Handschuhmacherei, Glasfabrikation, Holzschnitzerei
und Handel, in den südlichen Gegenden Seidenzucht und
Seidenweberei beschäftigen die Tiroler und verschaffen ih-
nen hinreichenden Unterhalt. Eine große Anzahl Tiro-
ler verläßt jährlich die Heimat, um als Hausirer, Hand-
werker, Tagelöhner im Auslande ihren Unterhalt zu su-
chen, doch kehren alle wieder zurück, sobald sie etwas
erworben haben.

Die wichtigste Handelsstraße ist die zwischen Mün-
chen und Verona. Sie führt über Jnnsbruck, den Bren-
ner, Botzen, Trient, Roveredo.

Der Brenner, welcher uns auf der nebenstehenden
Abbildung theilweise vor die Augen tritt, ist hier beson-
ders hervorzuheben. Er liegt zwischen Jnnsbruck und
[Spaltenumbruch] Sterzing, den Flüssen Jnn, Eisack und Etsch und er-
hebt sich bis zu einer Höhe von 6380 Fuß. Von
Jnnsbruck führt der Weg anfangs durch anmuthige Um-
gebungen, die sich aber bald rauher gestalten und endlich
in wilde Schluchten übergehen, durch die man auf den
Gipfel zu dem auf unserer Abbildung dargestellten Post-
hause Brenner und dem gleichnamigen, von etwa 100
Menschen bewohnten Örtchen gelangt, bei dem der süd-
liche Abhang des Passes beginnt. Eine schöne Aussicht
gewährt die Höhe des Passes nicht, da er eine tiefe
Schlucht bildet. Bei der Vertheidigung von Tirol war
der Brenner stets ein wichtiger Punkt und wurde 1809
gegen die Baiern und Franzosen bis in den November
von den Tirolern behauptet, welche dadurch jede Verbin-
dung mit Jtalien hinderten. Die Straße führt übrigens
in einer Höhe von 4376 Fuß darüber und war schon
bei den Römern gangbar.



Der heilbringende Säbel.
( Fortsetzung aus Nr. 20. )

Es gibt schwerlich etwas Wunderbareres auf der Welt
als die Wirkung der menschlichen Stimme; in ihr ist
der ganze Mensch concentrirt; sie ist bald der von Tau-
ben gezogene Wagen, in welchem die Liebe dahin schwebt,
liebliche Rosen um sich herstreuend, bald der Donnerwa-
gen, in welchem der Zorn dahinrollt, flammende Blitze
nach allen Richtungen hin schleudernd; sie trägt das
Flehen der Bitte in tausend Herzen und macht sie weich
und willfährig zu den größten Opfern, aber sie wagt
auch den Kampf mit dem brausenden Meere der Leiden-
schaft und es gelingt ihr, wenn sie die rechte Span-
nung hat, oft mit einem einzigen Tone das aufgeregteste
Meer zu beschwichtigen.

Dies Letztere war bei unserm Offizier der Fall. Er
war sich seiner Herrschaft bewußt; deshalb wagte er so
zu sprechen, wie er sprach und fürchtete nicht die phy-
sische Übermacht. Die Bauern waren wie versteinert.
Sie hätten keinen Widerstand zu machen gewagt, wenn
er ihre Köpfe verlangt hätte. Es schien ihnen, als
wenn er unsichtbar von einer ganzen Armee umringt
wäre und nur winken dürfte, um durch sie Alles zu
vernichten, was den geringsten Gedanken an Ungehor-
sam in sich aufkommen ließe. Deshalb waren sie auf
das Schrecklichste gefaßt und leisteten im Herzen Verzicht
auf die Beute, die zu ihren Füßen ausgebreitet lag.
Sie war den Starken durch einen Stärkern abgejagt
worden und gehörte nun ihm, nach dem uralten, keiner
Verjährung unterliegenden Gesetze des Faustrechts.

Aber unser Offizier dachte nicht an dieses Recht des
Stärkern und wollte noch weniger es behaupten. Er
rief vor allen Dingen den blondlockigen Handri herbei,
der durch Öffnung der Hofthür Veranlassung zu der
ganzen Scene gegeben hatte.

Wo sind die Deinigen, mein lieber Junge, fragte er
mit einer herzgewinnenden Stimme.

Dort, unter dem Hängedache, antwortete Handri,
und winkte Marthen mit den übrigen vier Kindern,
welche nichts Gutes erwarteten.

Laß sie hervortreten, damit ich sie sehe.

Demüthig erschien Martha und bat um Verzeihung
für den armen Jungen, denn sie meinte, er habe den
Offizier um einige ihrer Brote gebeten und dadurch
erzürnt.

Seid ruhig, der Junge hat mein Herz gewonnen.
Wo ist der Vater aller dieser Kinder?

[Ende Spaltensatz]
[Beginn Spaltensatz]

So verschieden die Bodenfläche ist, so verschieden ist
auch das Klima; in den nördlichen Thälern weht die
Luft fast immer rauh und kalt und der Winter hält,
namentlich im Pusterthale, sehr lange an, dagegen herrscht
in den südlich auslaufenden Thälern im Sommer oft
eine solche Hitze, daß die Bewohner ihre Häuser verlas-
sen und auf den Bergen einen kühlern Aufenthalt suchen.
Wenn der Sirocco, hier Föhn genannt, weht, so bringt
er bei Dem, welcher sich ihm ohne Schutz zu lange aus-
setzt, nicht selten ein gefährliches Erbrechen hervor. Der
Schnee auf den Fernern löst sich oft schon im Frühling
so schnell, daß Lavinen herabstürzen, die Bäche zu Strö-
men anschwellen und oft ganze Dörfer vernichtet werden.

Unter dem Wilde Tirols spielt die Gemse die Haupt-
colle, sonst gab es auch Steinböcke; unter dem zahmen
Vieh sind die Rinder am zahlreichsten. Mineralien sind
in Menge da. Sonst gab es große Ausbeute an Sil-
der in den Bergen von Schwätz, sodaß Maximilian
das Land mit einem groben Bauernkittel verglich, der
viele Falten habe, aber hübsch warm halte. Die kleinen
Seen und zahlreichen Flüsse geben eine Menge vortreff-
licher Fische.

So eigenthümlich das Land ist, so eigenthümlich
sind seine Bewohner. Sie müssen sich ihre Wohnplätze
gleichsam erst erobern und führen einen unablässigen
Kampf mit der Natur, daher sind sie ein kräftiger, mu-
thiger Menschenschlag, der sich durch Biederkeit und Treu-
herzigkeit, Ehrlichkeit und Redlichkeit, heitern Sinn und
lustiges Wesen auszeichnet, aber freilich auch nicht sel-
ten heftig, streitsüchtig, rauflustig und hartnäckig erscheint.

Der heftige Charakter des Tirolers äußert sich selbst
in seinen Vergnügungen; nicht leicht erblickt man eine
Anzahl junger Männer, unter denen nicht einer oder der
andere mit einer Auerhahnfeder auf dem Hute stolz da-
herschreitet, ein Zeichen, daß er sich mit Diesem oder
Jenem tüchtig gerauft und den Sieg davongetragen hat.

Die Tiroler sind leidenschaftliche Jäger, daher aus-
gezeichnete Schützen und große Freunde des Scheiben-
schießens. Sie hängen mit großer Vorliebe an ihren
heimischen Sitten, ihrem Vaterlande und ihrem Regen-
tenhause. Sie haben eine Nationaltracht, von der sie
nicht abgehen, die jedoch in den verschiedenen Thälern
verschieden ist.

Die italienischen Tiroler unterscheiden sich von den
deutschen durch einen dürftigern Körperbau, braune Ge-
sichtsfarbe und mindere Treuherzigkeit. Sie sind weni-
ger lustig als leidenschaftlich und während bei den Deutsch-
tirolern ein Faustkampf die ziemlich häufigen Streitig-
keiten entscheidet, führt den Wälschtiroler seine Rachsucht
nicht selten zum Mord. Jndeß ist der Welsche mäßiger,
nüchterner und ernster als der Deutschtiroler und nicht
minder arbeitsam als dieser.

Viehzucht, Jagd, Ackerbau und Bergbau, auch Woll-
und Baumwollenweberei, Bearbeitung der Metalle, Ger-
berei, Handschuhmacherei, Glasfabrikation, Holzschnitzerei
und Handel, in den südlichen Gegenden Seidenzucht und
Seidenweberei beschäftigen die Tiroler und verschaffen ih-
nen hinreichenden Unterhalt. Eine große Anzahl Tiro-
ler verläßt jährlich die Heimat, um als Hausirer, Hand-
werker, Tagelöhner im Auslande ihren Unterhalt zu su-
chen, doch kehren alle wieder zurück, sobald sie etwas
erworben haben.

Die wichtigste Handelsstraße ist die zwischen Mün-
chen und Verona. Sie führt über Jnnsbruck, den Bren-
ner, Botzen, Trient, Roveredo.

Der Brenner, welcher uns auf der nebenstehenden
Abbildung theilweise vor die Augen tritt, ist hier beson-
ders hervorzuheben. Er liegt zwischen Jnnsbruck und
[Spaltenumbruch] Sterzing, den Flüssen Jnn, Eisack und Etsch und er-
hebt sich bis zu einer Höhe von 6380 Fuß. Von
Jnnsbruck führt der Weg anfangs durch anmuthige Um-
gebungen, die sich aber bald rauher gestalten und endlich
in wilde Schluchten übergehen, durch die man auf den
Gipfel zu dem auf unserer Abbildung dargestellten Post-
hause Brenner und dem gleichnamigen, von etwa 100
Menschen bewohnten Örtchen gelangt, bei dem der süd-
liche Abhang des Passes beginnt. Eine schöne Aussicht
gewährt die Höhe des Passes nicht, da er eine tiefe
Schlucht bildet. Bei der Vertheidigung von Tirol war
der Brenner stets ein wichtiger Punkt und wurde 1809
gegen die Baiern und Franzosen bis in den November
von den Tirolern behauptet, welche dadurch jede Verbin-
dung mit Jtalien hinderten. Die Straße führt übrigens
in einer Höhe von 4376 Fuß darüber und war schon
bei den Römern gangbar.



Der heilbringende Säbel.
( Fortsetzung aus Nr. 20. )

Es gibt schwerlich etwas Wunderbareres auf der Welt
als die Wirkung der menschlichen Stimme; in ihr ist
der ganze Mensch concentrirt; sie ist bald der von Tau-
ben gezogene Wagen, in welchem die Liebe dahin schwebt,
liebliche Rosen um sich herstreuend, bald der Donnerwa-
gen, in welchem der Zorn dahinrollt, flammende Blitze
nach allen Richtungen hin schleudernd; sie trägt das
Flehen der Bitte in tausend Herzen und macht sie weich
und willfährig zu den größten Opfern, aber sie wagt
auch den Kampf mit dem brausenden Meere der Leiden-
schaft und es gelingt ihr, wenn sie die rechte Span-
nung hat, oft mit einem einzigen Tone das aufgeregteste
Meer zu beschwichtigen.

Dies Letztere war bei unserm Offizier der Fall. Er
war sich seiner Herrschaft bewußt; deshalb wagte er so
zu sprechen, wie er sprach und fürchtete nicht die phy-
sische Übermacht. Die Bauern waren wie versteinert.
Sie hätten keinen Widerstand zu machen gewagt, wenn
er ihre Köpfe verlangt hätte. Es schien ihnen, als
wenn er unsichtbar von einer ganzen Armee umringt
wäre und nur winken dürfte, um durch sie Alles zu
vernichten, was den geringsten Gedanken an Ungehor-
sam in sich aufkommen ließe. Deshalb waren sie auf
das Schrecklichste gefaßt und leisteten im Herzen Verzicht
auf die Beute, die zu ihren Füßen ausgebreitet lag.
Sie war den Starken durch einen Stärkern abgejagt
worden und gehörte nun ihm, nach dem uralten, keiner
Verjährung unterliegenden Gesetze des Faustrechts.

Aber unser Offizier dachte nicht an dieses Recht des
Stärkern und wollte noch weniger es behaupten. Er
rief vor allen Dingen den blondlockigen Handri herbei,
der durch Öffnung der Hofthür Veranlassung zu der
ganzen Scene gegeben hatte.

Wo sind die Deinigen, mein lieber Junge, fragte er
mit einer herzgewinnenden Stimme.

Dort, unter dem Hängedache, antwortete Handri,
und winkte Marthen mit den übrigen vier Kindern,
welche nichts Gutes erwarteten.

Laß sie hervortreten, damit ich sie sehe.

Demüthig erschien Martha und bat um Verzeihung
für den armen Jungen, denn sie meinte, er habe den
Offizier um einige ihrer Brote gebeten und dadurch
erzürnt.

Seid ruhig, der Junge hat mein Herz gewonnen.
Wo ist der Vater aller dieser Kinder?

[Ende Spaltensatz]
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[165/0005] 165 So verschieden die Bodenfläche ist, so verschieden ist auch das Klima; in den nördlichen Thälern weht die Luft fast immer rauh und kalt und der Winter hält, namentlich im Pusterthale, sehr lange an, dagegen herrscht in den südlich auslaufenden Thälern im Sommer oft eine solche Hitze, daß die Bewohner ihre Häuser verlas- sen und auf den Bergen einen kühlern Aufenthalt suchen. Wenn der Sirocco, hier Föhn genannt, weht, so bringt er bei Dem, welcher sich ihm ohne Schutz zu lange aus- setzt, nicht selten ein gefährliches Erbrechen hervor. Der Schnee auf den Fernern löst sich oft schon im Frühling so schnell, daß Lavinen herabstürzen, die Bäche zu Strö- men anschwellen und oft ganze Dörfer vernichtet werden. Unter dem Wilde Tirols spielt die Gemse die Haupt- colle, sonst gab es auch Steinböcke; unter dem zahmen Vieh sind die Rinder am zahlreichsten. Mineralien sind in Menge da. 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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und TEI Transkription
Peter Fankhauser: Transformation von TUSTEP nach TEI P5. Transformation von TEI P5 in das DTA TEI P5 Format.

Weitere Informationen:

Siehe Dokumentation




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Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Neue Folge, Erster Jahrgang, Nr. 21. Leipzig (Sachsen), 27. Mai 1843, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig021_1843/5>, abgerufen am 21.11.2024.