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Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Neue Folge, Erster Jahrgang, Nr. 25. Leipzig (Sachsen), 24. Juni 1843.

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[Beginn Spaltensatz] Katharinen II. Gelegenheit, sich in die Angelegenheiten
Persiens zu mischen, indem von der besiegten Partei
ihre Hülfe in Anspruch genommen wurde. Valerian
Suboff verwüstete die Provinzen am kaspischen Meere,
mordete eine Menge wehrloser Menschen hin und ver-
breitete solchen Schrecken, daß Derbent capitulirte, ehe es
belagert wurde. Benningsen war hier Oberbefehlshaber
der Reiterei und trug am meisten zu dem Erfolge des
Feldzugs bei. Der Tod Katharina's ( am 14. Nov.
1796 ) änderte abermals den Schauplatz der Thaten Ben-
ningsen 's. Paul hatte das Scepter mit dem Vorsatze er-
griffen, von Allem, was seine Mutter gethan und ge-
liebt hatte, das Gegentheil zu thun. Das Erste, was
er that, war, das Heer aus Persien zurückzurufen und
alle Personen, die sich bei ihr einer ganz besondern
Gunst erfreut hatten, vom Hofe zu verbannen. Darun-
ter waren auch die Gebrüder Suboff, mit denen Ben-
ningsen durch den persischen Krieg in nähere Berührung
gekommen war. Diese beiden verwegenen Männer brach-
ten, voll Rachedurst gegen Paul, im J. 1799 eine
Verschwörung gegen ihn zu Stande, zu welcher sich
auch Benningsen ziehen ließ, obgleich er erst kürzlich von
Paul zum Generallieutenant ernannt worden war. Nach
dem Tode des Kaisers am 23. März 1801 wurde er
Generalgouverneur von Lithauen, Obergeneral der Reite-
rei und im J. 1805 Oberbefehlshaber der russischen
Nordarmee. Jm J. 1806 zeichnete er sich bei Pul-
tusk gegen die Franzosen aus, lieferte am 7. und 8.
Febr. 1807 als Oberbefehlshaber die blutige Schlacht bei
Eylau, wo sich beide Theile des Sieges rühmten, ver-
lor aber am 15. Juli die Schlacht bei Friedland.
Unzufrieden mit dem darauf zu Stande gekommenen
tilsiter Frieden, begab er sich auf seine Güter in Li-
thauen und wurde erst 1812 wieder zum Heere berufen.
Hierauf befehligte er in der Schlacht bei Mosaisk das
russische Centrum, besiegte am 18. Oct. die Franzosen
bei Woronowa, entzweite sich aber wegen der Verfol-
gung des Rußland räumenden Feindes mit dem Feld-
marschall Kutusow und legte deshalb sein Commando
nieder. Nach Kutusow's Tode, im April 1813, wurde
er jedoch wieder activ und übernahm den Oberbefehl
über die Armee von Polen. Er focht bei Leipzig auf
dem rechten Flügel, half die Stadt erstürmen und er-
hielt dann den Auftrag, die an der Elbe noch von den
Franzosen besetzten Plätze zu beobachten. Nach dem
Sturze Napoleon's erhielt er das Commando der an
der türkischen Grenze versammelten russischen Südarmee,
das er aber im J. 1818 aufgab, nachdem er in Folge
eines Falls vom Pferde blind geworden war. Seitdem
lebte er auf seinem Gute Banteln in Hanover, wo er
am 3. Oct. 1826 starb.



Deutsche Reisende in Abyssinien.

Jm Süden Abyssiniens, im Königreiche Schoa, arbei-
tet eine englische Mission, bei der sich gegenwärtig zwei
Baiern befinden, ein Arzt und ein Maler. Krapf der
Arzt machte von hier aus einen Ausflug durch die Galla-
länder auf einem Wege, der ihn in Gegenden führte,
welche bis jetzt noch von keinem Europäer betreten wur-
den. Er wurde hier bis aufs Hemd ausgeraubt und
war oft in Gefahr, sein Leben zu verlieren. Nur heim-
liche Flucht, halbnackt und barfuß unternommen, konnte
ihn retten. Man sieht mit großer Spannung der öf-
fentlichen Erscheinung seines Reiseberichts entgegen, zu-
mal da er die Sprache jener Länder genau kennt, eine
[Spaltenumbruch] klare und vorurtheilsfreie Auffassung besitzt und sich durch
eine seltene Charakterstärke auszeichnet. Unter den euro-
päischen Reisenden Abyssiniens zeichnet sich ferner der
Deutsche Wilhelm Schimper gleich sehr als Mensch, Arzt
und Sammler aus. Er hat die bedeutendsten und voll-
ständigsten botanischen Sammlungen, welche je in Afrika
gemacht wurden, mit völliger Aufopferung seiner selbst,
mit Hunger, Hitze und Kälte kämpfend und dabei Mo-
nate lang seine kranken Mitbrüder pflegend, in einem
Lande zusammengebracht, wo Krieg und Verheerung an
der Tagesordnung sind und wo der einsame Wanderer
nicht blos die Angriffe wilder Thiere, sondern auch, und
zwar in weit höherm Grade, die Habgier und Grausam-
keit räuberischer Barbaren zu fürchten hat.



Naturgeschichtliches.

Wenn man den Kümmelkäfer berührt, so zieht er au-
genblicklich Kopf, Füße und Fühlhörner zusammen und
gibt, so lange man ihn hält, nicht das geringste Lebens-
zeichen von sich. Man kann ihm die Beine, ja die em-
pfindlichen Fühlhörner ausrupfen, man kann ihn in einem
Löffel übers Feuer halten und lebendig braten, man kann
ihn zerschneiden -- es ist Alles eins. Wie ein vollen-
deter Stoiker spottet er des Schmerzes und regt, selbst
ans Feuer gehalten, keinen Fuß. Läßt man ihn los, so
hilft er sich fort, so gut er kann. Jst das Trotz? ists
Jnstinct? Trieb, nichts zu empfinden? oder empfindet er
wirklich nichts? Die Berührung zeigt, daß er fein em-
pfindet. Jn der ganzen Thierwelt kommt nichts Ähnli-
ches vor; unter den Menschen zeigen nur die amerikani-
schen. Wilden, versteht sich in anderer Form, eine solche
Stumpfheit gegen den Schmerz.

Mit welcher berechnenden Vorsicht die Spinne bei
ihrem Webegeschäfte zu Werke geht, davon erzählt ein
namhafter Naturforscher folgendes Beispiel: Jn der Ecke
eines Zimmers, ungefähr vier Fuß vom Boden entfernt,
hatte sich eine Spinne ein Gespinnst gewebt und es an
beiden Seiten der Wände mit einzelnen Fäden befestigt.
Nach unten schwebte es noch zur Zeit frei in der Luft.
Gerade unter dem Netze lag auf dem Boden des Zim-
mers ein Blättchen Papier, ungefähr 4 -- 5 Zoll im
Quadrat. Eines Morgens hatte die Spinne dieses Blätt-
chen angeseilt und einige Fuß emporgezogen. Es schwebte
frei in der Luft und diente als Gewicht, um das Netz
nach unten in Spannung zu erhalten. Aber dabei blieb
es nicht. Bekanntlich sind Spinnfäden sehr hygroskopisch.
Je nachdem die Luft feuchter oder trockner wurde, wurde
auch der Faden, welcher das Papierchen trug, lockerer
oder straffer. Aber auch da wußte die Spinne zu hel-
fen; als wenn sie das Gesetz der Schwere erkannt hätte,
ließ sie das Blättchen bald tiefer herunter, bald zog sie
es wieder höher herauf, und so blieb ihr Netz stets in
gleicher Spannung.

Der Staar zeigt, außer seinem Sprachtalent, auch
sonst noch viel Überlegung. Ein Naturforscher machte
an einem Staar folgende interessante Erfahrung. Er
legte eines Tages einen Mehlwurm in ein Buch und
schlug es zu. Der Staar fing sogleich an, die Blätter
des Buchs mit dem Schnabel umzuschlagen und bemäch-
tigte sich so mit großer Leichtigkeit des verborgenen
Wurms. Ein anderes Mal that er einen solchen Wurm
in ein Bierglas und setzte das Glas auf den Boden.
Da der Staar seiner beschnittenen Flügel wegen nicht
auf den Rand des Glases fliegen konnte, lief er so lange
gegen das Glas, bis es ihm gelang, es mit seinem
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] Katharinen II. Gelegenheit, sich in die Angelegenheiten
Persiens zu mischen, indem von der besiegten Partei
ihre Hülfe in Anspruch genommen wurde. Valerian
Suboff verwüstete die Provinzen am kaspischen Meere,
mordete eine Menge wehrloser Menschen hin und ver-
breitete solchen Schrecken, daß Derbent capitulirte, ehe es
belagert wurde. Benningsen war hier Oberbefehlshaber
der Reiterei und trug am meisten zu dem Erfolge des
Feldzugs bei. Der Tod Katharina's ( am 14. Nov.
1796 ) änderte abermals den Schauplatz der Thaten Ben-
ningsen 's. Paul hatte das Scepter mit dem Vorsatze er-
griffen, von Allem, was seine Mutter gethan und ge-
liebt hatte, das Gegentheil zu thun. Das Erste, was
er that, war, das Heer aus Persien zurückzurufen und
alle Personen, die sich bei ihr einer ganz besondern
Gunst erfreut hatten, vom Hofe zu verbannen. Darun-
ter waren auch die Gebrüder Suboff, mit denen Ben-
ningsen durch den persischen Krieg in nähere Berührung
gekommen war. Diese beiden verwegenen Männer brach-
ten, voll Rachedurst gegen Paul, im J. 1799 eine
Verschwörung gegen ihn zu Stande, zu welcher sich
auch Benningsen ziehen ließ, obgleich er erst kürzlich von
Paul zum Generallieutenant ernannt worden war. Nach
dem Tode des Kaisers am 23. März 1801 wurde er
Generalgouverneur von Lithauen, Obergeneral der Reite-
rei und im J. 1805 Oberbefehlshaber der russischen
Nordarmee. Jm J. 1806 zeichnete er sich bei Pul-
tusk gegen die Franzosen aus, lieferte am 7. und 8.
Febr. 1807 als Oberbefehlshaber die blutige Schlacht bei
Eylau, wo sich beide Theile des Sieges rühmten, ver-
lor aber am 15. Juli die Schlacht bei Friedland.
Unzufrieden mit dem darauf zu Stande gekommenen
tilsiter Frieden, begab er sich auf seine Güter in Li-
thauen und wurde erst 1812 wieder zum Heere berufen.
Hierauf befehligte er in der Schlacht bei Mosaisk das
russische Centrum, besiegte am 18. Oct. die Franzosen
bei Woronowa, entzweite sich aber wegen der Verfol-
gung des Rußland räumenden Feindes mit dem Feld-
marschall Kutusow und legte deshalb sein Commando
nieder. Nach Kutusow's Tode, im April 1813, wurde
er jedoch wieder activ und übernahm den Oberbefehl
über die Armee von Polen. Er focht bei Leipzig auf
dem rechten Flügel, half die Stadt erstürmen und er-
hielt dann den Auftrag, die an der Elbe noch von den
Franzosen besetzten Plätze zu beobachten. Nach dem
Sturze Napoleon's erhielt er das Commando der an
der türkischen Grenze versammelten russischen Südarmee,
das er aber im J. 1818 aufgab, nachdem er in Folge
eines Falls vom Pferde blind geworden war. Seitdem
lebte er auf seinem Gute Banteln in Hanover, wo er
am 3. Oct. 1826 starb.



Deutsche Reisende in Abyssinien.

Jm Süden Abyssiniens, im Königreiche Schoa, arbei-
tet eine englische Mission, bei der sich gegenwärtig zwei
Baiern befinden, ein Arzt und ein Maler. Krapf der
Arzt machte von hier aus einen Ausflug durch die Galla-
länder auf einem Wege, der ihn in Gegenden führte,
welche bis jetzt noch von keinem Europäer betreten wur-
den. Er wurde hier bis aufs Hemd ausgeraubt und
war oft in Gefahr, sein Leben zu verlieren. Nur heim-
liche Flucht, halbnackt und barfuß unternommen, konnte
ihn retten. Man sieht mit großer Spannung der öf-
fentlichen Erscheinung seines Reiseberichts entgegen, zu-
mal da er die Sprache jener Länder genau kennt, eine
[Spaltenumbruch] klare und vorurtheilsfreie Auffassung besitzt und sich durch
eine seltene Charakterstärke auszeichnet. Unter den euro-
päischen Reisenden Abyssiniens zeichnet sich ferner der
Deutsche Wilhelm Schimper gleich sehr als Mensch, Arzt
und Sammler aus. Er hat die bedeutendsten und voll-
ständigsten botanischen Sammlungen, welche je in Afrika
gemacht wurden, mit völliger Aufopferung seiner selbst,
mit Hunger, Hitze und Kälte kämpfend und dabei Mo-
nate lang seine kranken Mitbrüder pflegend, in einem
Lande zusammengebracht, wo Krieg und Verheerung an
der Tagesordnung sind und wo der einsame Wanderer
nicht blos die Angriffe wilder Thiere, sondern auch, und
zwar in weit höherm Grade, die Habgier und Grausam-
keit räuberischer Barbaren zu fürchten hat.



Naturgeschichtliches.

Wenn man den Kümmelkäfer berührt, so zieht er au-
genblicklich Kopf, Füße und Fühlhörner zusammen und
gibt, so lange man ihn hält, nicht das geringste Lebens-
zeichen von sich. Man kann ihm die Beine, ja die em-
pfindlichen Fühlhörner ausrupfen, man kann ihn in einem
Löffel übers Feuer halten und lebendig braten, man kann
ihn zerschneiden — es ist Alles eins. Wie ein vollen-
deter Stoiker spottet er des Schmerzes und regt, selbst
ans Feuer gehalten, keinen Fuß. Läßt man ihn los, so
hilft er sich fort, so gut er kann. Jst das Trotz? ists
Jnstinct? Trieb, nichts zu empfinden? oder empfindet er
wirklich nichts? Die Berührung zeigt, daß er fein em-
pfindet. Jn der ganzen Thierwelt kommt nichts Ähnli-
ches vor; unter den Menschen zeigen nur die amerikani-
schen. Wilden, versteht sich in anderer Form, eine solche
Stumpfheit gegen den Schmerz.

Mit welcher berechnenden Vorsicht die Spinne bei
ihrem Webegeschäfte zu Werke geht, davon erzählt ein
namhafter Naturforscher folgendes Beispiel: Jn der Ecke
eines Zimmers, ungefähr vier Fuß vom Boden entfernt,
hatte sich eine Spinne ein Gespinnst gewebt und es an
beiden Seiten der Wände mit einzelnen Fäden befestigt.
Nach unten schwebte es noch zur Zeit frei in der Luft.
Gerade unter dem Netze lag auf dem Boden des Zim-
mers ein Blättchen Papier, ungefähr 4 — 5 Zoll im
Quadrat. Eines Morgens hatte die Spinne dieses Blätt-
chen angeseilt und einige Fuß emporgezogen. Es schwebte
frei in der Luft und diente als Gewicht, um das Netz
nach unten in Spannung zu erhalten. Aber dabei blieb
es nicht. Bekanntlich sind Spinnfäden sehr hygroskopisch.
Je nachdem die Luft feuchter oder trockner wurde, wurde
auch der Faden, welcher das Papierchen trug, lockerer
oder straffer. Aber auch da wußte die Spinne zu hel-
fen; als wenn sie das Gesetz der Schwere erkannt hätte,
ließ sie das Blättchen bald tiefer herunter, bald zog sie
es wieder höher herauf, und so blieb ihr Netz stets in
gleicher Spannung.

Der Staar zeigt, außer seinem Sprachtalent, auch
sonst noch viel Überlegung. Ein Naturforscher machte
an einem Staar folgende interessante Erfahrung. Er
legte eines Tages einen Mehlwurm in ein Buch und
schlug es zu. Der Staar fing sogleich an, die Blätter
des Buchs mit dem Schnabel umzuschlagen und bemäch-
tigte sich so mit großer Leichtigkeit des verborgenen
Wurms. Ein anderes Mal that er einen solchen Wurm
in ein Bierglas und setzte das Glas auf den Boden.
Da der Staar seiner beschnittenen Flügel wegen nicht
auf den Rand des Glases fliegen konnte, lief er so lange
gegen das Glas, bis es ihm gelang, es mit seinem
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Er hat die bedeutendsten und voll- ständigsten botanischen Sammlungen, welche je in Afrika gemacht wurden, mit völliger Aufopferung seiner selbst, mit Hunger, Hitze und Kälte kämpfend und dabei Mo- nate lang seine kranken Mitbrüder pflegend, in einem Lande zusammengebracht, wo Krieg und Verheerung an der Tagesordnung sind und wo der einsame Wanderer nicht blos die Angriffe wilder Thiere, sondern auch, und zwar in weit höherm Grade, die Habgier und Grausam- keit räuberischer Barbaren zu fürchten hat. Naturgeschichtliches. Wenn man den Kümmelkäfer berührt, so zieht er au- genblicklich Kopf, Füße und Fühlhörner zusammen und gibt, so lange man ihn hält, nicht das geringste Lebens- zeichen von sich. Man kann ihm die Beine, ja die em- pfindlichen Fühlhörner ausrupfen, man kann ihn in einem Löffel übers Feuer halten und lebendig braten, man kann ihn zerschneiden — es ist Alles eins. Wie ein vollen- deter Stoiker spottet er des Schmerzes und regt, selbst ans Feuer gehalten, keinen Fuß. Läßt man ihn los, so hilft er sich fort, so gut er kann. Jst das Trotz? ists Jnstinct? Trieb, nichts zu empfinden? oder empfindet er wirklich nichts? Die Berührung zeigt, daß er fein em- pfindet. Jn der ganzen Thierwelt kommt nichts Ähnli- ches vor; unter den Menschen zeigen nur die amerikani- schen. Wilden, versteht sich in anderer Form, eine solche Stumpfheit gegen den Schmerz. Mit welcher berechnenden Vorsicht die Spinne bei ihrem Webegeschäfte zu Werke geht, davon erzählt ein namhafter Naturforscher folgendes Beispiel: Jn der Ecke eines Zimmers, ungefähr vier Fuß vom Boden entfernt, hatte sich eine Spinne ein Gespinnst gewebt und es an beiden Seiten der Wände mit einzelnen Fäden befestigt. Nach unten schwebte es noch zur Zeit frei in der Luft. Gerade unter dem Netze lag auf dem Boden des Zim- mers ein Blättchen Papier, ungefähr 4 — 5 Zoll im Quadrat. Eines Morgens hatte die Spinne dieses Blätt- chen angeseilt und einige Fuß emporgezogen. Es schwebte frei in der Luft und diente als Gewicht, um das Netz nach unten in Spannung zu erhalten. Aber dabei blieb es nicht. Bekanntlich sind Spinnfäden sehr hygroskopisch. Je nachdem die Luft feuchter oder trockner wurde, wurde auch der Faden, welcher das Papierchen trug, lockerer oder straffer. Aber auch da wußte die Spinne zu hel- fen; als wenn sie das Gesetz der Schwere erkannt hätte, ließ sie das Blättchen bald tiefer herunter, bald zog sie es wieder höher herauf, und so blieb ihr Netz stets in gleicher Spannung. Der Staar zeigt, außer seinem Sprachtalent, auch sonst noch viel Überlegung. Ein Naturforscher machte an einem Staar folgende interessante Erfahrung. Er legte eines Tages einen Mehlwurm in ein Buch und schlug es zu. Der Staar fing sogleich an, die Blätter des Buchs mit dem Schnabel umzuschlagen und bemäch- tigte sich so mit großer Leichtigkeit des verborgenen Wurms. Ein anderes Mal that er einen solchen Wurm in ein Bierglas und setzte das Glas auf den Boden. Da der Staar seiner beschnittenen Flügel wegen nicht auf den Rand des Glases fliegen konnte, lief er so lange gegen das Glas, bis es ihm gelang, es mit seinem

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Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Neue Folge, Erster Jahrgang, Nr. 25. Leipzig (Sachsen), 24. Juni 1843, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig025_1843/2>, abgerufen am 11.06.2024.