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Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Zweiter Jahrgang, Nr. 71. Leipzig (Sachsen), 4. Mai 1854.

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[Beginn Spaltensatz] Wälder; von der Stadt an auf= und abwärts trifft
der Blick neben dem fortlaufenden Damme, der den
Überschwemmungen des Stroms Einhalt thun soll,
Gärten und weiterhin Mais= und Zuckerfelder. Wie
aber sieht es aus, wenn man vom Strome hinweg
landeinwärts geht oder wenn man diejenigen Straßen
der Stadt, die mit ihrem einen Ende dem Flusse zu-
laufen, dahinwandelt, um zum andern Ende hinaus-
zukommen? Da ist von einer hinauslaufenden Land-
straße und, mit Ausnahme einer einzigen Strecke, von
Feldern oder Gärten keine Spur zu finden; vielmehr
beginnt meist schon hinter den letztern Häusern ein sum-
pfiger Wald, in dem man an manchen Stellen knie-
tief waten kann, während man an andern einen zum
Theil durch Gräben entwässerten Verhau erblickt.
Warum aber gibt man einer Stadt, welche die dritte,
mindestens die vierte der Vereinigten Staaten, die
Hauptstadt des Südens und, namentlich durch die un-
geheure Baumwollenausfuhr, eine der wichtigsten Han-
delsstädte der Erde ist, nicht eine bessere Umgegend?
Warum fällt man nicht die Wälder, sammelt das
Wasser in zahlreichen Gräben und verwandelt das da-
zwischenliegende und durch die ausgeworfene Erde er-
höhte Land in fruchtbare Gärten und Felder? Das
würde in Europa geschehen, wo die Bevölkerung nicht
allein in einzelnen großen Städten, sondern im Gan-
zen stärker ist; so haben es namentlich die Holländer
und Friesen mit ausdauerndem Fleiße gemacht. Anders
der Amerikaner, dem so viel Land offen steht und der
bei seinem fortwährenden Weiterziehen sich auf einem
besondern Stück Grund und Boden so wenig einhei-
misch fühlt, daß ein unfruchtbarer oder, wie hier, ein
sehr schwer zu bearbeitender Landstrich in seinen Augen
unmöglich einer Mühe werth sein kann, die wenige
Tagereisen davon zehnfach lohnen würde. Dazu kommt,
daß ein beträchtlicher Theil der Bevölkerung, abgesehen
von den Sklaven und den zwar freien, aber zu Grund-
besitz nicht berechtigten Farbigen, erst aus dem Nor-
den oder Osten oder aus Europa eingewandert ist und
sich oft nur vorübergehend aufhält, dabei sich eine Exi-
stenz mühsam zu gründen oder eine gegründete rasch
auszubeuten sucht, Stadt und Gegend aber nicht als
seine Heimat betrachtet und für bessere Benutzung des
Landes keinen Sinn hat.

Eine Trockenlegung der Sümpfe wäre aber hier
auch deshalb außerordentlich schwer, weil der Andrang
von Wasser, durch den sie entstanden sind, von zwei
verschiedenen Seiten her geschieht. Eine deutsche Meile
von dem linken Ufer des Stroms entfernt, der hier
von West nach Ost fließt, somit nördlich davon, dehnt
sich der Pontchartrainsee aus, ein eirundes, von West
nach Ost etwa 20 deutsche Meilen langes und etwa
halb so breites Wasserbecken, welches von Süden her
durch die erwähnten aus dem Wasser des Mississippi
entstandenen Sümpfe, von Westen her seit einigen
Jahren durch einen Arm, den der Strom bei einer
gewaltigen Überschwemmung durch das weiche Land ge-
brochen, von Norden her durch einige Bäche und kleine
Flüsse gespeist wird, im Osten aber, zugleich mit der
Mündung des Pearl= ( Perl= ) Flusses in den Borgne-
see, einen Winkel des mexicanischen Golfs, seinen Ab-
fluß hat. Der Fluß und der See zusammen nun
üben auf das dazwischenliegende flache und aus wei-
chem, angeschwemmtem Boden bestehende Land einen
solchen Druck aus, daß dasselbe dadurch nothwendig
zum Sumpfe wird, der, wenn er einmal nicht wohl
[unleserliches Material - 13 Zeichen fehlen]auszutrocknen ist, durch die Wurzeln der darin stehen-
den Bäume wenigstens Festigkeit erhält und vor Hin-
[Spaltenumbruch] wegreißung seines Bodens geschützt ist. Welche Wild-
heit aber auch der Wald durch den ihn erfüllenden
Sumpf und das hier und da dazwischen wachsende
Schilf erhält und wie leicht er Dem, der ihn durch-
wandert oder vielmehr durchwatet, als ein ferner, ein-
samer Urwald gelten könnte, wenn nicht das Geräusch
der nahen Stadt ihm oft vernehmbar wäre oder an-
dere Spuren der Cultur ihm begegneten, so ist doch
der Baumwuchs darin eben nicht mannichfaltig. Die
Sumpfcypresse ( Cupressus disticha ) mit ihrem hohen
Stamme und ihren hellgrünen, platten Nadeln, die
paarweise einander gegenüberstehen, kann als die Kö-
nigin darin gelten. Freilich ist sie hier auch nicht das
zarte Bäumchen, welches seit einigen Jahren unsere
Parkanlagen ziert, sondern ein über 100 Fuß hoher
Waldriese, dessen röthliches Holz wegen seiner Festig-
keit und Zähigkeit besonders zu Bretern gesucht wird
und dessen im Verhältniß zur Höhe nicht sehr dicker
Stamm doch nach unten zu sich plötzlich erweitert und
durch seine gleich Strebepfeilern vorspringenden hohen,
aber nicht sehr dicken Wurzeln im Querdurchschnitt ein
sternförmiges Aussehen bekommt. Besonders auffällig
aber für Den, der den Baum noch nicht kennt, sind
die etwa zwei Ellen hohen, unten einen Fuß dicken
und oben abgerundeten pyramidenförmigen Auswüchse,
die aus jeder Wurzel 7--8 Ellen vom Stamme her-
vorspringen und so den Baum in einem weiten Kreise,
der an Druidensteine erinnert, umgeben. Da in einer
solchen holzigen Pyramide, welche nur ein großer
Wurzelknollen ist, der Wuchs auf der einen Seite
aufwärts, auf der andern abwärts geht, so erhält das
oberste Ende, in welchem alle Fasern sich zusammen-
drängen und krümmen, eine solche Härte, daß es noch
wohl erhalten ist, wenn das Übrige in Folge der Fäl-
lung des Baums schon morsch geworden ist. Über-
haupt aber hat der Baum, wie man schon aus dem
jährlichen Wechsel seiner Nadeln sieht, eine Lebenskraft,
wie sie bei uns keinem Nadelbaume und selbst unter
den Laubhölzern höchstens den weichholzigen Pappeln
und Weiden innewohnt. Wir selbst haben Scheite da-
von, die am Damme des Mississippi eingerammelt wa-
ren, zu unserm Erstaunen Zweiglein treiben sehen, die
durch ihre zarten Nadeln den Ursprung des Holzes
verriethen.

Ein anderer in jenen Wäldern vorkommender
Baum ist die an ihren dunkelgrünen, lederartigen, sehr
verschieden gestalteten Blättern kenntliche immergrüne
Eiche, die man, da sie selbst im Winter einen schön
dunkelgrünen Wipfel darbietet, selbst vor Pflanzungen
in Baumgängen anbaut. Neben ihr gibt es hier noch
eine schon mehre Breitengrade weiter nördlich vorkom-
mende Eichenart mit kleinen weidenartigen Blättern,
die aber im Winter, hier freilich nur auf kurze Zeit,
abfallen. Von den auf dem nordamerikanischen Con-
tinente so mannichfaltigen Ahornarten, unter denen im
Norden besonders der Zuckerahorn so bekannt und ge-
schätzt ist, trifft man hier nur eine mit kleinen, ecki-
gen, dem Epheu ähnlichen Blättern. Als ein immer-
grüner Baum steht noch hier und da der schlanke Lor-
berbaum, dessen Blätter wie die des südeuropäischen
als Würze an Speisen gebraucht werden. Sonst wach-
sen, wo der Sumpf am tiefsten ist, nur dichtbuschige
Weiden. Neben Bäumen bietet der Morast Schilf,
gelbe Schwertlilien und verschiedene hochstenglige Kräuter.

Auch die Thierwelt ist hier nicht sehr mannichfaltig
und gehört meist der Classe der Amphibien an. Unter
den meist giftigen Schlangen trifft man eine etwa zwei
Ellen lange graue, hellbraun gefleckte, die sich oft auf
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] Wälder; von der Stadt an auf= und abwärts trifft
der Blick neben dem fortlaufenden Damme, der den
Überschwemmungen des Stroms Einhalt thun soll,
Gärten und weiterhin Mais= und Zuckerfelder. Wie
aber sieht es aus, wenn man vom Strome hinweg
landeinwärts geht oder wenn man diejenigen Straßen
der Stadt, die mit ihrem einen Ende dem Flusse zu-
laufen, dahinwandelt, um zum andern Ende hinaus-
zukommen? Da ist von einer hinauslaufenden Land-
straße und, mit Ausnahme einer einzigen Strecke, von
Feldern oder Gärten keine Spur zu finden; vielmehr
beginnt meist schon hinter den letztern Häusern ein sum-
pfiger Wald, in dem man an manchen Stellen knie-
tief waten kann, während man an andern einen zum
Theil durch Gräben entwässerten Verhau erblickt.
Warum aber gibt man einer Stadt, welche die dritte,
mindestens die vierte der Vereinigten Staaten, die
Hauptstadt des Südens und, namentlich durch die un-
geheure Baumwollenausfuhr, eine der wichtigsten Han-
delsstädte der Erde ist, nicht eine bessere Umgegend?
Warum fällt man nicht die Wälder, sammelt das
Wasser in zahlreichen Gräben und verwandelt das da-
zwischenliegende und durch die ausgeworfene Erde er-
höhte Land in fruchtbare Gärten und Felder? Das
würde in Europa geschehen, wo die Bevölkerung nicht
allein in einzelnen großen Städten, sondern im Gan-
zen stärker ist; so haben es namentlich die Holländer
und Friesen mit ausdauerndem Fleiße gemacht. Anders
der Amerikaner, dem so viel Land offen steht und der
bei seinem fortwährenden Weiterziehen sich auf einem
besondern Stück Grund und Boden so wenig einhei-
misch fühlt, daß ein unfruchtbarer oder, wie hier, ein
sehr schwer zu bearbeitender Landstrich in seinen Augen
unmöglich einer Mühe werth sein kann, die wenige
Tagereisen davon zehnfach lohnen würde. Dazu kommt,
daß ein beträchtlicher Theil der Bevölkerung, abgesehen
von den Sklaven und den zwar freien, aber zu Grund-
besitz nicht berechtigten Farbigen, erst aus dem Nor-
den oder Osten oder aus Europa eingewandert ist und
sich oft nur vorübergehend aufhält, dabei sich eine Exi-
stenz mühsam zu gründen oder eine gegründete rasch
auszubeuten sucht, Stadt und Gegend aber nicht als
seine Heimat betrachtet und für bessere Benutzung des
Landes keinen Sinn hat.

Eine Trockenlegung der Sümpfe wäre aber hier
auch deshalb außerordentlich schwer, weil der Andrang
von Wasser, durch den sie entstanden sind, von zwei
verschiedenen Seiten her geschieht. Eine deutsche Meile
von dem linken Ufer des Stroms entfernt, der hier
von West nach Ost fließt, somit nördlich davon, dehnt
sich der Pontchartrainsee aus, ein eirundes, von West
nach Ost etwa 20 deutsche Meilen langes und etwa
halb so breites Wasserbecken, welches von Süden her
durch die erwähnten aus dem Wasser des Mississippi
entstandenen Sümpfe, von Westen her seit einigen
Jahren durch einen Arm, den der Strom bei einer
gewaltigen Überschwemmung durch das weiche Land ge-
brochen, von Norden her durch einige Bäche und kleine
Flüsse gespeist wird, im Osten aber, zugleich mit der
Mündung des Pearl= ( Perl= ) Flusses in den Borgne-
see, einen Winkel des mexicanischen Golfs, seinen Ab-
fluß hat. Der Fluß und der See zusammen nun
üben auf das dazwischenliegende flache und aus wei-
chem, angeschwemmtem Boden bestehende Land einen
solchen Druck aus, daß dasselbe dadurch nothwendig
zum Sumpfe wird, der, wenn er einmal nicht wohl
[unleserliches Material – 13 Zeichen fehlen]auszutrocknen ist, durch die Wurzeln der darin stehen-
den Bäume wenigstens Festigkeit erhält und vor Hin-
[Spaltenumbruch] wegreißung seines Bodens geschützt ist. Welche Wild-
heit aber auch der Wald durch den ihn erfüllenden
Sumpf und das hier und da dazwischen wachsende
Schilf erhält und wie leicht er Dem, der ihn durch-
wandert oder vielmehr durchwatet, als ein ferner, ein-
samer Urwald gelten könnte, wenn nicht das Geräusch
der nahen Stadt ihm oft vernehmbar wäre oder an-
dere Spuren der Cultur ihm begegneten, so ist doch
der Baumwuchs darin eben nicht mannichfaltig. Die
Sumpfcypresse ( Cupressus disticha ) mit ihrem hohen
Stamme und ihren hellgrünen, platten Nadeln, die
paarweise einander gegenüberstehen, kann als die Kö-
nigin darin gelten. Freilich ist sie hier auch nicht das
zarte Bäumchen, welches seit einigen Jahren unsere
Parkanlagen ziert, sondern ein über 100 Fuß hoher
Waldriese, dessen röthliches Holz wegen seiner Festig-
keit und Zähigkeit besonders zu Bretern gesucht wird
und dessen im Verhältniß zur Höhe nicht sehr dicker
Stamm doch nach unten zu sich plötzlich erweitert und
durch seine gleich Strebepfeilern vorspringenden hohen,
aber nicht sehr dicken Wurzeln im Querdurchschnitt ein
sternförmiges Aussehen bekommt. Besonders auffällig
aber für Den, der den Baum noch nicht kennt, sind
die etwa zwei Ellen hohen, unten einen Fuß dicken
und oben abgerundeten pyramidenförmigen Auswüchse,
die aus jeder Wurzel 7—8 Ellen vom Stamme her-
vorspringen und so den Baum in einem weiten Kreise,
der an Druidensteine erinnert, umgeben. Da in einer
solchen holzigen Pyramide, welche nur ein großer
Wurzelknollen ist, der Wuchs auf der einen Seite
aufwärts, auf der andern abwärts geht, so erhält das
oberste Ende, in welchem alle Fasern sich zusammen-
drängen und krümmen, eine solche Härte, daß es noch
wohl erhalten ist, wenn das Übrige in Folge der Fäl-
lung des Baums schon morsch geworden ist. Über-
haupt aber hat der Baum, wie man schon aus dem
jährlichen Wechsel seiner Nadeln sieht, eine Lebenskraft,
wie sie bei uns keinem Nadelbaume und selbst unter
den Laubhölzern höchstens den weichholzigen Pappeln
und Weiden innewohnt. Wir selbst haben Scheite da-
von, die am Damme des Mississippi eingerammelt wa-
ren, zu unserm Erstaunen Zweiglein treiben sehen, die
durch ihre zarten Nadeln den Ursprung des Holzes
verriethen.

Ein anderer in jenen Wäldern vorkommender
Baum ist die an ihren dunkelgrünen, lederartigen, sehr
verschieden gestalteten Blättern kenntliche immergrüne
Eiche, die man, da sie selbst im Winter einen schön
dunkelgrünen Wipfel darbietet, selbst vor Pflanzungen
in Baumgängen anbaut. Neben ihr gibt es hier noch
eine schon mehre Breitengrade weiter nördlich vorkom-
mende Eichenart mit kleinen weidenartigen Blättern,
die aber im Winter, hier freilich nur auf kurze Zeit,
abfallen. Von den auf dem nordamerikanischen Con-
tinente so mannichfaltigen Ahornarten, unter denen im
Norden besonders der Zuckerahorn so bekannt und ge-
schätzt ist, trifft man hier nur eine mit kleinen, ecki-
gen, dem Epheu ähnlichen Blättern. Als ein immer-
grüner Baum steht noch hier und da der schlanke Lor-
berbaum, dessen Blätter wie die des südeuropäischen
als Würze an Speisen gebraucht werden. Sonst wach-
sen, wo der Sumpf am tiefsten ist, nur dichtbuschige
Weiden. Neben Bäumen bietet der Morast Schilf,
gelbe Schwertlilien und verschiedene hochstenglige Kräuter.

Auch die Thierwelt ist hier nicht sehr mannichfaltig
und gehört meist der Classe der Amphibien an. Unter
den meist giftigen Schlangen trifft man eine etwa zwei
Ellen lange graue, hellbraun gefleckte, die sich oft auf
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Anders der Amerikaner, dem so viel Land offen steht und der bei seinem fortwährenden Weiterziehen sich auf einem besondern Stück Grund und Boden so wenig einhei- misch fühlt, daß ein unfruchtbarer oder, wie hier, ein sehr schwer zu bearbeitender Landstrich in seinen Augen unmöglich einer Mühe werth sein kann, die wenige Tagereisen davon zehnfach lohnen würde. Dazu kommt, daß ein beträchtlicher Theil der Bevölkerung, abgesehen von den Sklaven und den zwar freien, aber zu Grund- besitz nicht berechtigten Farbigen, erst aus dem Nor- den oder Osten oder aus Europa eingewandert ist und sich oft nur vorübergehend aufhält, dabei sich eine Exi- stenz mühsam zu gründen oder eine gegründete rasch auszubeuten sucht, Stadt und Gegend aber nicht als seine Heimat betrachtet und für bessere Benutzung des Landes keinen Sinn hat. Eine Trockenlegung der Sümpfe wäre aber hier auch deshalb außerordentlich schwer, weil der Andrang von Wasser, durch den sie entstanden sind, von zwei verschiedenen Seiten her geschieht. Eine deutsche Meile von dem linken Ufer des Stroms entfernt, der hier von West nach Ost fließt, somit nördlich davon, dehnt sich der Pontchartrainsee aus, ein eirundes, von West nach Ost etwa 20 deutsche Meilen langes und etwa halb so breites Wasserbecken, welches von Süden her durch die erwähnten aus dem Wasser des Mississippi entstandenen Sümpfe, von Westen her seit einigen Jahren durch einen Arm, den der Strom bei einer gewaltigen Überschwemmung durch das weiche Land ge- brochen, von Norden her durch einige Bäche und kleine Flüsse gespeist wird, im Osten aber, zugleich mit der Mündung des Pearl= ( Perl= ) Flusses in den Borgne- see, einen Winkel des mexicanischen Golfs, seinen Ab- fluß hat. Der Fluß und der See zusammen nun üben auf das dazwischenliegende flache und aus wei- chem, angeschwemmtem Boden bestehende Land einen solchen Druck aus, daß dasselbe dadurch nothwendig zum Sumpfe wird, der, wenn er einmal nicht wohl _____________auszutrocknen ist, durch die Wurzeln der darin stehen- den Bäume wenigstens Festigkeit erhält und vor Hin- wegreißung seines Bodens geschützt ist. Welche Wild- heit aber auch der Wald durch den ihn erfüllenden Sumpf und das hier und da dazwischen wachsende Schilf erhält und wie leicht er Dem, der ihn durch- wandert oder vielmehr durchwatet, als ein ferner, ein- samer Urwald gelten könnte, wenn nicht das Geräusch der nahen Stadt ihm oft vernehmbar wäre oder an- dere Spuren der Cultur ihm begegneten, so ist doch der Baumwuchs darin eben nicht mannichfaltig. Die Sumpfcypresse ( Cupressus disticha ) mit ihrem hohen Stamme und ihren hellgrünen, platten Nadeln, die paarweise einander gegenüberstehen, kann als die Kö- nigin darin gelten. Freilich ist sie hier auch nicht das zarte Bäumchen, welches seit einigen Jahren unsere Parkanlagen ziert, sondern ein über 100 Fuß hoher Waldriese, dessen röthliches Holz wegen seiner Festig- keit und Zähigkeit besonders zu Bretern gesucht wird und dessen im Verhältniß zur Höhe nicht sehr dicker Stamm doch nach unten zu sich plötzlich erweitert und durch seine gleich Strebepfeilern vorspringenden hohen, aber nicht sehr dicken Wurzeln im Querdurchschnitt ein sternförmiges Aussehen bekommt. Besonders auffällig aber für Den, der den Baum noch nicht kennt, sind die etwa zwei Ellen hohen, unten einen Fuß dicken und oben abgerundeten pyramidenförmigen Auswüchse, die aus jeder Wurzel 7—8 Ellen vom Stamme her- vorspringen und so den Baum in einem weiten Kreise, der an Druidensteine erinnert, umgeben. Da in einer solchen holzigen Pyramide, welche nur ein großer Wurzelknollen ist, der Wuchs auf der einen Seite aufwärts, auf der andern abwärts geht, so erhält das oberste Ende, in welchem alle Fasern sich zusammen- drängen und krümmen, eine solche Härte, daß es noch wohl erhalten ist, wenn das Übrige in Folge der Fäl- lung des Baums schon morsch geworden ist. Über- haupt aber hat der Baum, wie man schon aus dem jährlichen Wechsel seiner Nadeln sieht, eine Lebenskraft, wie sie bei uns keinem Nadelbaume und selbst unter den Laubhölzern höchstens den weichholzigen Pappeln und Weiden innewohnt. Wir selbst haben Scheite da- von, die am Damme des Mississippi eingerammelt wa- ren, zu unserm Erstaunen Zweiglein treiben sehen, die durch ihre zarten Nadeln den Ursprung des Holzes verriethen. Ein anderer in jenen Wäldern vorkommender Baum ist die an ihren dunkelgrünen, lederartigen, sehr verschieden gestalteten Blättern kenntliche immergrüne Eiche, die man, da sie selbst im Winter einen schön dunkelgrünen Wipfel darbietet, selbst vor Pflanzungen in Baumgängen anbaut. Neben ihr gibt es hier noch eine schon mehre Breitengrade weiter nördlich vorkom- mende Eichenart mit kleinen weidenartigen Blättern, die aber im Winter, hier freilich nur auf kurze Zeit, abfallen. Von den auf dem nordamerikanischen Con- tinente so mannichfaltigen Ahornarten, unter denen im Norden besonders der Zuckerahorn so bekannt und ge- schätzt ist, trifft man hier nur eine mit kleinen, ecki- gen, dem Epheu ähnlichen Blättern. Als ein immer- grüner Baum steht noch hier und da der schlanke Lor- berbaum, dessen Blätter wie die des südeuropäischen als Würze an Speisen gebraucht werden. Sonst wach- sen, wo der Sumpf am tiefsten ist, nur dichtbuschige Weiden. Neben Bäumen bietet der Morast Schilf, gelbe Schwertlilien und verschiedene hochstenglige Kräuter. Auch die Thierwelt ist hier nicht sehr mannichfaltig und gehört meist der Classe der Amphibien an. Unter den meist giftigen Schlangen trifft man eine etwa zwei Ellen lange graue, hellbraun gefleckte, die sich oft auf

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und TEI Transkription
Peter Fankhauser: Transformation von TUSTEP nach TEI P5. Transformation von TEI P5 in das DTA TEI P5 Format.

Weitere Informationen:

Siehe Dokumentation




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Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Zweiter Jahrgang, Nr. 71. Leipzig (Sachsen), 4. Mai 1854, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig071_1854/6>, abgerufen am 21.11.2024.