Das Pfennig=Magazin der Gesellschaft zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse. Nr. 153. Leipzig (Sachsen), 5. März 1836.Das Pfennig=Magazin. [Beginn Spaltensatz]
ihm daran liegen mußte, die Engländer mit seiner Herr-schaft zu versöhnen, sie mit den normannischen Ein- wanderern zu verschmelzen und sie mit seinen neuen Einrichtungen zu befreunden. Die normannischen Lehns- besitzer, die eine neue Heimat in England gefunden hat- ten, erhielten bald gleiches Jnteresse mit den alten Be- wohnern des Landes, und sie wurden eifersüchtig auf jede Ausdehnung der Gewalt der Krone, welche ihr Ei- genthumsrecht und ihren Einfluß auf die öffentlichen Angelegenheiten beschränken mußte. Wilhelm's Sohn, Heinrich I., der seinem Bruder Wilhelm II. 1100 in der Regierung folgte, mußte bei seiner Thronbesteigung den mächtigen Lehnsleuten mehre Bewilligungen gewäh- ren, um den Vorzug vor seinem ältern Bruder zu er- langen. Seine Nachfolger sahen sich um so mehr ge- nöthigt, ähnliche Rechte zu verleihen, wenn sie zweifel- hafte Ansprüche auf den Thron durch Gewinnung von Anhängern unterstützen mußten, wie es bei den Köni- gen Stephan und Heinrich II. der Fall war. Hein- rich II. jüngerer Sohn, Johann ohne Land, der 1199 seinem Bruder Richard Löwenherz auf dem Throne folgte, bei aller Schwäche seines Charakters eigenmäch- tig und willkürlich, machte das Volk abwendig, da er nicht nur den Verdacht gegen sich erregte, den Sohn eines ältern Bruders, den nächsten Thronerben, aus dem Wege geräumt zu haben, sondern auch die alten Stammländer in Frankreich verlor und selbst die Unab- hängigkeit Englands aufopferte, indem er es dem römi- schen Stuhle als Lehn übertrug. Es bildete sich eine mächtige Partei gegen ihn, welche 1215 die Waffen ergriff, und Johann sah sich genöthigt, im Junius auf der großen Ebene Runnymede an der Themse Unter- handlungen anzuknüpfen, die am 19. desselben Monats zu dem Abschlusse eines Vergleichs mit den Unzufriedenen führten. Die Urkunde, welche die Vertragsbedingungen enthielt und die Anerkennung der bereits in frühern Ver- willigungen gegründeten Rechte aussprach, wurde Magna charta, der große Freiheitsbrief, genannt. Eine Urschrift wird in dem britischen Museum zu London aufbewahrt, und nach dieser ist die vorstehend gegebene Abbildung des Sie- gels gemacht. Später milderte Johann auch die strengen Jagdgesetze, noch wichtiger aber war die Bewilligung, die sein Sohn Heinrich III. dem Adel, der Geistlichkeit und dem Bürgerstande in dem 1224 ausgestellten Frei- heitsbriefe [unleserliches Material - 8 Zeichen fehlen]gewährte, welcher die lehnsherrlichen Rechte des Königs genau bestimmte und mehren früher statt- gefundenen Bedrückungen abhalf. Unter die durch jene Freiheitsbriefe begründeten gesetzlichen Einrichtungen ge- hört vorzüglich, daß Geldhülfen der Lehnsleute nur in drei anerkannten Fällen gefodert, daß Niemand ohne gerichtliche Entscheidung mit Geldstrafen belegt werden solle; vorzüglich wichtig aber war die Bestimmung, kein freier Mann solle verhaftet, eingekerkert, seines Lehn- guts, seiner erworbenen Rechte beraubt, geächtet, aus dem Lande verwiesen oder auf irgend eine Art in das Verderben gebracht werden, noch wolle der König seine Macht gegen ihn gebrauchen oder gebrauchen lassen, an- ders als nach gesetzmäßigem Ausspruche von Männern seines Gleichen oder nach den Gesetzen des Landes, und er wolle Niemand sein Recht verkaufen, Niemand es versagen oder verzögern. Auf diese alten Freiheitsbriefe gründen sich die wichtigsten der noch bestehenden Ein- richtungen der englischen Verfassung. Frucht der Anstrengung. Edmund Stone, ein 1768 verstorbener berühmter Ma- Hogarth's Werke. 10. Die Parlamentswahl. 1. Der Wahlschmaus. Die vier folgenden Blätter unsers Meisters, welche wir Das Pfennig=Magazin. [Beginn Spaltensatz]
ihm daran liegen mußte, die Engländer mit seiner Herr-schaft zu versöhnen, sie mit den normannischen Ein- wanderern zu verschmelzen und sie mit seinen neuen Einrichtungen zu befreunden. Die normannischen Lehns- besitzer, die eine neue Heimat in England gefunden hat- ten, erhielten bald gleiches Jnteresse mit den alten Be- wohnern des Landes, und sie wurden eifersüchtig auf jede Ausdehnung der Gewalt der Krone, welche ihr Ei- genthumsrecht und ihren Einfluß auf die öffentlichen Angelegenheiten beschränken mußte. Wilhelm's Sohn, Heinrich I., der seinem Bruder Wilhelm II. 1100 in der Regierung folgte, mußte bei seiner Thronbesteigung den mächtigen Lehnsleuten mehre Bewilligungen gewäh- ren, um den Vorzug vor seinem ältern Bruder zu er- langen. Seine Nachfolger sahen sich um so mehr ge- nöthigt, ähnliche Rechte zu verleihen, wenn sie zweifel- hafte Ansprüche auf den Thron durch Gewinnung von Anhängern unterstützen mußten, wie es bei den Köni- gen Stephan und Heinrich II. der Fall war. Hein- rich II. jüngerer Sohn, Johann ohne Land, der 1199 seinem Bruder Richard Löwenherz auf dem Throne folgte, bei aller Schwäche seines Charakters eigenmäch- tig und willkürlich, machte das Volk abwendig, da er nicht nur den Verdacht gegen sich erregte, den Sohn eines ältern Bruders, den nächsten Thronerben, aus dem Wege geräumt zu haben, sondern auch die alten Stammländer in Frankreich verlor und selbst die Unab- hängigkeit Englands aufopferte, indem er es dem römi- schen Stuhle als Lehn übertrug. Es bildete sich eine mächtige Partei gegen ihn, welche 1215 die Waffen ergriff, und Johann sah sich genöthigt, im Junius auf der großen Ebene Runnymede an der Themse Unter- handlungen anzuknüpfen, die am 19. desselben Monats zu dem Abschlusse eines Vergleichs mit den Unzufriedenen führten. Die Urkunde, welche die Vertragsbedingungen enthielt und die Anerkennung der bereits in frühern Ver- willigungen gegründeten Rechte aussprach, wurde Magna charta, der große Freiheitsbrief, genannt. Eine Urschrift wird in dem britischen Museum zu London aufbewahrt, und nach dieser ist die vorstehend gegebene Abbildung des Sie- gels gemacht. Später milderte Johann auch die strengen Jagdgesetze, noch wichtiger aber war die Bewilligung, die sein Sohn Heinrich III. dem Adel, der Geistlichkeit und dem Bürgerstande in dem 1224 ausgestellten Frei- heitsbriefe [unleserliches Material – 8 Zeichen fehlen]gewährte, welcher die lehnsherrlichen Rechte des Königs genau bestimmte und mehren früher statt- gefundenen Bedrückungen abhalf. Unter die durch jene Freiheitsbriefe begründeten gesetzlichen Einrichtungen ge- hört vorzüglich, daß Geldhülfen der Lehnsleute nur in drei anerkannten Fällen gefodert, daß Niemand ohne gerichtliche Entscheidung mit Geldstrafen belegt werden solle; vorzüglich wichtig aber war die Bestimmung, kein freier Mann solle verhaftet, eingekerkert, seines Lehn- guts, seiner erworbenen Rechte beraubt, geächtet, aus dem Lande verwiesen oder auf irgend eine Art in das Verderben gebracht werden, noch wolle der König seine Macht gegen ihn gebrauchen oder gebrauchen lassen, an- ders als nach gesetzmäßigem Ausspruche von Männern seines Gleichen oder nach den Gesetzen des Landes, und er wolle Niemand sein Recht verkaufen, Niemand es versagen oder verzögern. Auf diese alten Freiheitsbriefe gründen sich die wichtigsten der noch bestehenden Ein- richtungen der englischen Verfassung. Frucht der Anstrengung. Edmund Stone, ein 1768 verstorbener berühmter Ma- Hogarth's Werke. 10. Die Parlamentswahl. 1. 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Der Herzog von<lb/> Argyle, der mit seinen kriegerischen Talenten wissenschaft-<lb/> liche Bildung verband, sah einst in seinem Garten eine<lb/> lateinische Ausgabe von Newton's berühmtem Werke über<lb/> die Naturwissenschaft im Grase liegen. Er befahl sei-<lb/> nem Diener, das Buch aufzunehmen und in seine Biblio-<lb/> thek zu bringen, wohin es, wie er glaubte, gehörte. Der<lb/> junge Gärtner sagte ihm, das Buch wäre sein Eigen-<lb/> thum. „Dein Eigenthum?“ fragte der Herzog. „ Ver-<lb/> stehst du Geometrie, Latein, Newton?“ „Jch verstehe<lb/> ein bischen davon“, antwortete der Jüngling mit einem<lb/> schlichten Wesen, das aus seiner Unbekanntschaft mit<lb/> seinen Talenten und Kenntnissen hervorging. Der über-<lb/> raschte Herzog ließ sich in ein Gespräch mit dem jungen<lb/> Manne ein, richtete verschiedene Fragen an ihn und war<lb/> erstaunt über die Kraft, Genauigkeit und Offenheit der<lb/> Antworten, die er erhielt. „Aber wie bist du zu der<lb/> Kenntniß von diesen Dingen gekommen?“ fragte er.<lb/> „Einer von Jhren Leuten, gnädiger Herr, hat mich vor<lb/> zehn Jahren lesen gelernt“, erwiderte Stone. „Was<lb/> braucht man mehr zu kennen als die Buchstaben, um<lb/> Alles zu lernen, was man wünscht?“ Des Herzogs Neu-<lb/> gier wurde noch lebhafter erregt, und er bat den jungen<lb/> Mann, ihm zu erzählen, wie er es angefangen habe, so<lb/> viel zu lernen. „Jch lernte zuerst lesen“, erwiderte<lb/> Stone. „Die Maurer waren zu jener Zeit in Jhrem Hause<lb/> beschäftigt. Jch trat eines Tags zu ihnen und sah, daß<lb/> der Baumeister Lineal und Cirkel brauchte und Berech-<lb/> nungen machte. Jch fragte, was diese Dinge bedeuten<lb/> und nützen sollten, und ich erfuhr, es gebe eine Wissen-<lb/> schaft, genannt Arithmetik. Jch kaufte ein Buch über<lb/> Arithmetik und lernte sie. Dann hörte ich, es gebe eine<lb/> andere Wissenschaft, genannt Geometrie. Jch kaufte mir<lb/> Lehrbücher und lernte Geometrie. Beim Lesen fand ich,<lb/> daß es viele gute Bücher über diese Wissenschaft in<lb/> lateinischer Sprache gebe. Jch kaufte ein Wörterbuch<lb/> und lernte Latein. Dann erfuhr ich, es gebe gute Bü-<lb/> cher über diese Dinge in französischer Sprache. Jch<lb/> kaufte ein Wörterbuch und lernte Französisch. Dies ist<lb/> Alles, was ich gethan habe, gnädiger Herr. Jch denke,<lb/> man kann Alles lernen, wenn man einmal die Buch-<lb/> staben kennt.“ Der Herzog war hocherfreut über diese<lb/> Mittheilung und er gab dem Jünglinge eine Beschäfti-<lb/> gung, die ihm hinlängliche Muße ließ, seinen Lieblings-<lb/> neigungen nachzugehen, denn er entdeckte in ihm dieselbe<lb/> Anlange zur Musik, Malerei, Baukunst und zu allen<lb/> Wissenschaften, die von Berechnungen und Verhältnissen<lb/> abhangen.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div xml:id="Hogarth1" type="jArticle" n="1"> <head><hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Hogarth's Werke.<lb/> 10. 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Das Pfennig=Magazin.
ihm daran liegen mußte, die Engländer mit seiner Herr-
schaft zu versöhnen, sie mit den normannischen Ein-
wanderern zu verschmelzen und sie mit seinen neuen
Einrichtungen zu befreunden. Die normannischen Lehns-
besitzer, die eine neue Heimat in England gefunden hat-
ten, erhielten bald gleiches Jnteresse mit den alten Be-
wohnern des Landes, und sie wurden eifersüchtig auf
jede Ausdehnung der Gewalt der Krone, welche ihr Ei-
genthumsrecht und ihren Einfluß auf die öffentlichen
Angelegenheiten beschränken mußte. Wilhelm's Sohn,
Heinrich I., der seinem Bruder Wilhelm II. 1100 in
der Regierung folgte, mußte bei seiner Thronbesteigung
den mächtigen Lehnsleuten mehre Bewilligungen gewäh-
ren, um den Vorzug vor seinem ältern Bruder zu er-
langen. Seine Nachfolger sahen sich um so mehr ge-
nöthigt, ähnliche Rechte zu verleihen, wenn sie zweifel-
hafte Ansprüche auf den Thron durch Gewinnung von
Anhängern unterstützen mußten, wie es bei den Köni-
gen Stephan und Heinrich II. der Fall war. Hein-
rich II. jüngerer Sohn, Johann ohne Land, der 1199
seinem Bruder Richard Löwenherz auf dem Throne
folgte, bei aller Schwäche seines Charakters eigenmäch-
tig und willkürlich, machte das Volk abwendig, da er
nicht nur den Verdacht gegen sich erregte, den Sohn
eines ältern Bruders, den nächsten Thronerben, aus
dem Wege geräumt zu haben, sondern auch die alten
Stammländer in Frankreich verlor und selbst die Unab-
hängigkeit Englands aufopferte, indem er es dem römi-
schen Stuhle als Lehn übertrug. Es bildete sich eine
mächtige Partei gegen ihn, welche 1215 die Waffen
ergriff, und Johann sah sich genöthigt, im Junius auf
der großen Ebene Runnymede an der Themse Unter-
handlungen anzuknüpfen, die am 19. desselben Monats
zu dem Abschlusse eines Vergleichs mit den Unzufriedenen
führten. Die Urkunde, welche die Vertragsbedingungen
enthielt und die Anerkennung der bereits in frühern Ver-
willigungen gegründeten Rechte aussprach, wurde Magna
charta, der große Freiheitsbrief, genannt. Eine Urschrift
wird in dem britischen Museum zu London aufbewahrt, und
nach dieser ist die vorstehend gegebene Abbildung des Sie-
gels gemacht. Später milderte Johann auch die strengen
Jagdgesetze, noch wichtiger aber war die Bewilligung,
die sein Sohn Heinrich III. dem Adel, der Geistlichkeit
und dem Bürgerstande in dem 1224 ausgestellten Frei-
heitsbriefe ________gewährte, welcher die lehnsherrlichen Rechte
des Königs genau bestimmte und mehren früher statt-
gefundenen Bedrückungen abhalf. Unter die durch jene
Freiheitsbriefe begründeten gesetzlichen Einrichtungen ge-
hört vorzüglich, daß Geldhülfen der Lehnsleute nur in
drei anerkannten Fällen gefodert, daß Niemand ohne
gerichtliche Entscheidung mit Geldstrafen belegt werden
solle; vorzüglich wichtig aber war die Bestimmung, kein
freier Mann solle verhaftet, eingekerkert, seines Lehn-
guts, seiner erworbenen Rechte beraubt, geächtet, aus
dem Lande verwiesen oder auf irgend eine Art in das
Verderben gebracht werden, noch wolle der König seine
Macht gegen ihn gebrauchen oder gebrauchen lassen, an-
ders als nach gesetzmäßigem Ausspruche von Männern
seines Gleichen oder nach den Gesetzen des Landes, und
er wolle Niemand sein Recht verkaufen, Niemand es
versagen oder verzögern. Auf diese alten Freiheitsbriefe
gründen sich die wichtigsten der noch bestehenden Ein-
richtungen der englischen Verfassung.
Frucht der Anstrengung.
Edmund Stone, ein 1768 verstorbener berühmter Ma-
thematiker, ist ein merkwürdiges Beispiel, wie durch Aus-
dauer und Fleiß gründliche Kenntnisse erlangt werden
können. Sein Vater war Gärtner des Herzogs von Argyle
in Schottland. Der junge Stone war acht Jahre alt,
ehe er lesen lernte. Ein Diener des Herzogs machte
ihn mit den Buchstaben des Alphabets bekannt, und der
Geist des Knaben brauchte nicht mehr als dies, sich zu
entfalten. Er legte sich auf das Studium, und als er
18 Jahre alt war, hatte er ohne Lehrer eine vollkom-
mene Kenntniß der Geometrie erlangt. Der Herzog von
Argyle, der mit seinen kriegerischen Talenten wissenschaft-
liche Bildung verband, sah einst in seinem Garten eine
lateinische Ausgabe von Newton's berühmtem Werke über
die Naturwissenschaft im Grase liegen. Er befahl sei-
nem Diener, das Buch aufzunehmen und in seine Biblio-
thek zu bringen, wohin es, wie er glaubte, gehörte. Der
junge Gärtner sagte ihm, das Buch wäre sein Eigen-
thum. „Dein Eigenthum?“ fragte der Herzog. „ Ver-
stehst du Geometrie, Latein, Newton?“ „Jch verstehe
ein bischen davon“, antwortete der Jüngling mit einem
schlichten Wesen, das aus seiner Unbekanntschaft mit
seinen Talenten und Kenntnissen hervorging. Der über-
raschte Herzog ließ sich in ein Gespräch mit dem jungen
Manne ein, richtete verschiedene Fragen an ihn und war
erstaunt über die Kraft, Genauigkeit und Offenheit der
Antworten, die er erhielt. „Aber wie bist du zu der
Kenntniß von diesen Dingen gekommen?“ fragte er.
„Einer von Jhren Leuten, gnädiger Herr, hat mich vor
zehn Jahren lesen gelernt“, erwiderte Stone. „Was
braucht man mehr zu kennen als die Buchstaben, um
Alles zu lernen, was man wünscht?“ Des Herzogs Neu-
gier wurde noch lebhafter erregt, und er bat den jungen
Mann, ihm zu erzählen, wie er es angefangen habe, so
viel zu lernen. „Jch lernte zuerst lesen“, erwiderte
Stone. „Die Maurer waren zu jener Zeit in Jhrem Hause
beschäftigt. Jch trat eines Tags zu ihnen und sah, daß
der Baumeister Lineal und Cirkel brauchte und Berech-
nungen machte. Jch fragte, was diese Dinge bedeuten
und nützen sollten, und ich erfuhr, es gebe eine Wissen-
schaft, genannt Arithmetik. Jch kaufte ein Buch über
Arithmetik und lernte sie. Dann hörte ich, es gebe eine
andere Wissenschaft, genannt Geometrie. Jch kaufte mir
Lehrbücher und lernte Geometrie. Beim Lesen fand ich,
daß es viele gute Bücher über diese Wissenschaft in
lateinischer Sprache gebe. Jch kaufte ein Wörterbuch
und lernte Latein. Dann erfuhr ich, es gebe gute Bü-
cher über diese Dinge in französischer Sprache. Jch
kaufte ein Wörterbuch und lernte Französisch. Dies ist
Alles, was ich gethan habe, gnädiger Herr. Jch denke,
man kann Alles lernen, wenn man einmal die Buch-
staben kennt.“ Der Herzog war hocherfreut über diese
Mittheilung und er gab dem Jünglinge eine Beschäfti-
gung, die ihm hinlängliche Muße ließ, seinen Lieblings-
neigungen nachzugehen, denn er entdeckte in ihm dieselbe
Anlange zur Musik, Malerei, Baukunst und zu allen
Wissenschaften, die von Berechnungen und Verhältnissen
abhangen.
Hogarth's Werke.
10. Die Parlamentswahl.
1. Der Wahlschmaus.
Die vier folgenden Blätter unsers Meisters, welche wir
unsern Lesern mittheilen wollen, gehören zusammen und bil-
den in ihrer Reihenfolge eine Satire auf die englischen
Wahlen im Allgemeinen und auf die besondern Eigenthüm-
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Transkription
Peter Fankhauser:
Transformation von TUSTEP nach TEI P5.
Transformation von TEI P5 in das DTA TEI P5 Format.
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