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Das Pfennig=Magazin der Gesellschaft zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse. Nr. 168. Leipzig (Sachsen), 18. Juni 1836.

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Das Pfennig=Magazin.
[Beginn Spaltensatz] werden, Alles rechtfertigt die Erwartung, daß mechani-
sche Entdeckungen bevorstehen, die noch größer sind als
alle, welche der Menschengeist bis jetzt gemacht hat."



Die Holzhauer in Canada.

Die zu einer Wanderung der Holzhauer in Canada
und Neuschottland nöthigen Erfodernisse bestehen in Äx-
ten, einer Säge, Kochtöpfen, einem Fasse Rum, Pfei-
fen, Taback, Zwieback, Schweine= und Rindfleisch, ein-
gesalzenen Fischen, Erbsen, Gerste und einem Fäßchen
Melasse, womit sie ihren Thee versüßen, den sie aus
einer Mischung von mancherlei Kräutern bereiten. Drei
Joch Ochsen, nebst dem zu ihrer Nahrung nöthigen
Heu, sind ebenfalls ein Haupterfoderniß, denn mit die-
sen müssen die gefällten Stämme aus den Wäldern
geschafft werden. So ausgerüstet, gehen diese Männer,
nachdem sie mit den Holzhändlern Verträge abgeschlossen
haben, die Flüsse aufwärts, um ihre Winterarbeit zu be-
ginnen. An dem Orte, welcher ausgebeutet werden soll,
angelangt, fällen sie zuerst einige junge Bäume, schlagen
davon eine Hütte auf, die mit Birkenrinde gedeckt wird,
und zünden in der Mitte ein großes Feuer an. Um dieses
Feuer werden Lagerstätten von Zweigen, Blättern oder
Stroh bereitet, auf denen sie während der Nacht, mit
den Füßen gegen den Herd gekehrt, schlafen. Zu Be-
sorgung der Küche haben sie einen eignen Mann bei
sich, der das Frühstück vor Tagesanbruch bereiten muß.
Um diese Zeit stehen sie auf, essen und trinken dann
ein Glas Rum. Das Frühstück wie das Mittags= und
Abendessen besteht aus Brot, Rind= und Schweine-
fleisch oder Fisch= und Erbsensuppe, und ihr Getränk ist
Thee. Nach dem Frühstück bilden sie die Abtheilungen, von
welchen die eine die Bäume fällt, die andere sie abzweigt
und die dritte sie mit den Ochsen bis zu dem näch-
sten Flusse schafft. Der ganze Winter, während dessen
der Schnee oft bis auf drei Fuß hoch liegt, wird mit
dieser beschwerlichen Arbeit hingebracht, und wenn die
Aprilsonne die Flüsse durch den schmelzenden Schnee
anschwellt, werden aus den gefällten Bäumen Flöße ge-
bildet, welche die den verschiedenen Bestellungen der
Holzhändler entsprechende Anzahl von Stämmen enthal-
ten. Um diese Jahreszeit ist das Wasser außerordent-
lich kalt, und dennoch arbeiten diese Leute, in demselben
bis an die Schultern stehend, oft einen ganzen Monat
lang. Diese mühselige Lebensweise hat für Die, welche
sich derselben widmen, dennoch einen ganz eignen Reiz,
und sie ziehen sie, ungeachtet der Gefahren, welchen ihre
Gesundheit ausgesetzt ist, doch jeder andern vor. Jst
das Holz abgeliefert und verkauft, so bringen diese Holz-
hauer oft mehre Monate hintereinander mit Rauchen,
Trinken und Nichtsthun hin. Dann sieht man sie in
der anständigsten Kleidung, und was das Merkwürdigste
ist, mit einem Regenschirm unter dem Arm in den
Städten umherstreichen. Mit Beginn des Winters legen
sie jedoch diese Kleidung wieder bei Seite, schließen ihre
Verträge ab und gehen mit frohem Herzen an ihre be-
schwerliche Arbeit.



Der Firnißbaum.

Der schöne schwarze japanische Firniß kommt von dem
Firnißbaume, der in China und Japan wächst. Er wird
hier sorgsam angepflanzt und dadurch so sehr veredelt, daß
er dreimal mehr Firniß liefert als der wild wachsende.
[Spaltenumbruch] Er hat im Äußern Ähnlichkeit mit der Esche. Die Fort-
pflanzungsart dieses Baumes ist aber ganz eigenthüm-
lich. Es wird im Frühjahr ein1 1 / 2 -- 2 Fuß langer
Zweig ausgesucht und ein Ring von der Rinde, etwa
einen Zoll breit, ausgeschnitten. Die Wunde wird dann
mit weichem Thon belegt, den man mit Matten und
dgl. umwickelt, um das Auseinanderfallen zu verhindern.
Ein Gefäß mit Wasser, das eine sehr kleine Öffnung
in dem Boden hat, wird darüber gehängt, um durch
das herabtröpfelnde Wasser den Thon stets feucht zu
erhalten. Nach sechs Monaten hat die abgeschälte Stelle
der Rinde Wurzelfasern in den Thon getrieben. Hat
der Zweig hinlängliche Wurzeln geschlagen, so wird er
etwas unterhalb des Thonballs vom Mutterstamme ge-
trennt, in die Erde gesetzt und gedeiht bald. Sind
die Bäume sieben bis acht Jahre alt, so geben sie den
schönen Firniß. Jn der Mitte des Sommers werden
mehre Einschnitte in die Rinde gemacht und darunter steckt
man eine Muschelschale, die leicht in die Rinde eindringt.
Dies geschieht Abends, da der Firniß nur während der
Nacht ausfließt. Am nächsten Morgen wird der in jeder
Muschel befindliche Firniß sorgfältig herausgenommen
und in einem größern Gefäße gesammelt. Dies dauert
fort, bis der Firniß aufhört zu fließen. Funfzig Bäume
geben in einer Nacht ein Pfund Firniß. Jst die Ein-
sammlung vorüber, so wird der Firniß durch ein dün-
nes Tuch gepreßt. Er hat eine stark ätzende Ei-
genschaft, die höchst nachtheilig wirkt, wenn die Ar-
beiter sorglos sind, und um sich dagegen zu schützen,
reiben sie den ganzen Leib mit Öl ein, ehe sie an ihre
Arbeit gehen. Beim Einsammeln umwickeln sie den
Kopf mit leinenen Tüchern, tragen einen engen Leder-
anzug und lange, bis an die Elbogen reichende Hand-
schuhe.



Die Feldmäuse in Kamtschatka.

Die auf der Halbinsel Kamtschatka besonders häu-
figen Feldmäuse, kleiner noch als ihre europäischen
Brüder, setzen uns sowol durch ihre Wohnungen, ihre
Sorge für ihren Unterhalt und ihre Wanderungen gleich
sehr in Erstaunen. Auf Wiesen unter Torf oder Ra-
sen, in Gehölzen legen sie ihre Wohnungen an, die
aus einer plattgewölbten Höhle von einem Fuße im
Durchmesser bestehen, welche, wenn sie die Erde festge-
treten haben, mit weichem, zernagtem Grase ausgefüt-
tert wird, wozu wol 30 Zugänge in allen Richtungen
von einem Zoll Weite führen. Stets nur ein Paar
erbaut und bewohnt dieses Haus; der Bau fängt im
Frühlinge an und ist im Herbste vollendet, worauf nun
so viele nahrhafte Wurzeln aller Art eingesammelt wer-
den, als sie im Winter verzehren. Die Kamtschadalen
suchen dann solche Höhlen auf, nehmen die eßbaren
Wurzeln heraus, legen aber zu den schlechtern als Er-
satz des Raubes etwas Fischrogen.

Bisweilen verlassen diese Thierchen zu Tausenden
ihre Heimat, sammeln sich im Frühjahre und wandern
über Berge, Flüsse, Seen, bis an den penschinskischen
Meerbusen, umgehen diesen und richten sich nun nach
Süden, sodaß sie im Juli am Juduma= und Ochota-
flusse ankommen. Nur vom Meerbusen an gerechnet,
ist dies ein Weg von 150 deutschen Meilen, und diesen
machen sie im October noch einmal zurück, wo sie von
den Kamtschadalen mit Frohlocken wieder empfangen wer-
den, da ihnen meist Füchse, Zobel, Wiesel und dergl.
in großer Menge folgen und eine gute Jagd gewähren.
[Ende Spaltensatz]

Das Pfennig=Magazin.
[Beginn Spaltensatz] werden, Alles rechtfertigt die Erwartung, daß mechani-
sche Entdeckungen bevorstehen, die noch größer sind als
alle, welche der Menschengeist bis jetzt gemacht hat.“



Die Holzhauer in Canada.

Die zu einer Wanderung der Holzhauer in Canada
und Neuschottland nöthigen Erfodernisse bestehen in Äx-
ten, einer Säge, Kochtöpfen, einem Fasse Rum, Pfei-
fen, Taback, Zwieback, Schweine= und Rindfleisch, ein-
gesalzenen Fischen, Erbsen, Gerste und einem Fäßchen
Melasse, womit sie ihren Thee versüßen, den sie aus
einer Mischung von mancherlei Kräutern bereiten. Drei
Joch Ochsen, nebst dem zu ihrer Nahrung nöthigen
Heu, sind ebenfalls ein Haupterfoderniß, denn mit die-
sen müssen die gefällten Stämme aus den Wäldern
geschafft werden. So ausgerüstet, gehen diese Männer,
nachdem sie mit den Holzhändlern Verträge abgeschlossen
haben, die Flüsse aufwärts, um ihre Winterarbeit zu be-
ginnen. An dem Orte, welcher ausgebeutet werden soll,
angelangt, fällen sie zuerst einige junge Bäume, schlagen
davon eine Hütte auf, die mit Birkenrinde gedeckt wird,
und zünden in der Mitte ein großes Feuer an. Um dieses
Feuer werden Lagerstätten von Zweigen, Blättern oder
Stroh bereitet, auf denen sie während der Nacht, mit
den Füßen gegen den Herd gekehrt, schlafen. Zu Be-
sorgung der Küche haben sie einen eignen Mann bei
sich, der das Frühstück vor Tagesanbruch bereiten muß.
Um diese Zeit stehen sie auf, essen und trinken dann
ein Glas Rum. Das Frühstück wie das Mittags= und
Abendessen besteht aus Brot, Rind= und Schweine-
fleisch oder Fisch= und Erbsensuppe, und ihr Getränk ist
Thee. Nach dem Frühstück bilden sie die Abtheilungen, von
welchen die eine die Bäume fällt, die andere sie abzweigt
und die dritte sie mit den Ochsen bis zu dem näch-
sten Flusse schafft. Der ganze Winter, während dessen
der Schnee oft bis auf drei Fuß hoch liegt, wird mit
dieser beschwerlichen Arbeit hingebracht, und wenn die
Aprilsonne die Flüsse durch den schmelzenden Schnee
anschwellt, werden aus den gefällten Bäumen Flöße ge-
bildet, welche die den verschiedenen Bestellungen der
Holzhändler entsprechende Anzahl von Stämmen enthal-
ten. Um diese Jahreszeit ist das Wasser außerordent-
lich kalt, und dennoch arbeiten diese Leute, in demselben
bis an die Schultern stehend, oft einen ganzen Monat
lang. Diese mühselige Lebensweise hat für Die, welche
sich derselben widmen, dennoch einen ganz eignen Reiz,
und sie ziehen sie, ungeachtet der Gefahren, welchen ihre
Gesundheit ausgesetzt ist, doch jeder andern vor. Jst
das Holz abgeliefert und verkauft, so bringen diese Holz-
hauer oft mehre Monate hintereinander mit Rauchen,
Trinken und Nichtsthun hin. Dann sieht man sie in
der anständigsten Kleidung, und was das Merkwürdigste
ist, mit einem Regenschirm unter dem Arm in den
Städten umherstreichen. Mit Beginn des Winters legen
sie jedoch diese Kleidung wieder bei Seite, schließen ihre
Verträge ab und gehen mit frohem Herzen an ihre be-
schwerliche Arbeit.



Der Firnißbaum.

Der schöne schwarze japanische Firniß kommt von dem
Firnißbaume, der in China und Japan wächst. Er wird
hier sorgsam angepflanzt und dadurch so sehr veredelt, daß
er dreimal mehr Firniß liefert als der wild wachsende.
[Spaltenumbruch] Er hat im Äußern Ähnlichkeit mit der Esche. Die Fort-
pflanzungsart dieses Baumes ist aber ganz eigenthüm-
lich. Es wird im Frühjahr ein1 1 / 2 — 2 Fuß langer
Zweig ausgesucht und ein Ring von der Rinde, etwa
einen Zoll breit, ausgeschnitten. Die Wunde wird dann
mit weichem Thon belegt, den man mit Matten und
dgl. umwickelt, um das Auseinanderfallen zu verhindern.
Ein Gefäß mit Wasser, das eine sehr kleine Öffnung
in dem Boden hat, wird darüber gehängt, um durch
das herabtröpfelnde Wasser den Thon stets feucht zu
erhalten. Nach sechs Monaten hat die abgeschälte Stelle
der Rinde Wurzelfasern in den Thon getrieben. Hat
der Zweig hinlängliche Wurzeln geschlagen, so wird er
etwas unterhalb des Thonballs vom Mutterstamme ge-
trennt, in die Erde gesetzt und gedeiht bald. Sind
die Bäume sieben bis acht Jahre alt, so geben sie den
schönen Firniß. Jn der Mitte des Sommers werden
mehre Einschnitte in die Rinde gemacht und darunter steckt
man eine Muschelschale, die leicht in die Rinde eindringt.
Dies geschieht Abends, da der Firniß nur während der
Nacht ausfließt. Am nächsten Morgen wird der in jeder
Muschel befindliche Firniß sorgfältig herausgenommen
und in einem größern Gefäße gesammelt. Dies dauert
fort, bis der Firniß aufhört zu fließen. Funfzig Bäume
geben in einer Nacht ein Pfund Firniß. Jst die Ein-
sammlung vorüber, so wird der Firniß durch ein dün-
nes Tuch gepreßt. Er hat eine stark ätzende Ei-
genschaft, die höchst nachtheilig wirkt, wenn die Ar-
beiter sorglos sind, und um sich dagegen zu schützen,
reiben sie den ganzen Leib mit Öl ein, ehe sie an ihre
Arbeit gehen. Beim Einsammeln umwickeln sie den
Kopf mit leinenen Tüchern, tragen einen engen Leder-
anzug und lange, bis an die Elbogen reichende Hand-
schuhe.



Die Feldmäuse in Kamtschatka.

Die auf der Halbinsel Kamtschatka besonders häu-
figen Feldmäuse, kleiner noch als ihre europäischen
Brüder, setzen uns sowol durch ihre Wohnungen, ihre
Sorge für ihren Unterhalt und ihre Wanderungen gleich
sehr in Erstaunen. Auf Wiesen unter Torf oder Ra-
sen, in Gehölzen legen sie ihre Wohnungen an, die
aus einer plattgewölbten Höhle von einem Fuße im
Durchmesser bestehen, welche, wenn sie die Erde festge-
treten haben, mit weichem, zernagtem Grase ausgefüt-
tert wird, wozu wol 30 Zugänge in allen Richtungen
von einem Zoll Weite führen. Stets nur ein Paar
erbaut und bewohnt dieses Haus; der Bau fängt im
Frühlinge an und ist im Herbste vollendet, worauf nun
so viele nahrhafte Wurzeln aller Art eingesammelt wer-
den, als sie im Winter verzehren. Die Kamtschadalen
suchen dann solche Höhlen auf, nehmen die eßbaren
Wurzeln heraus, legen aber zu den schlechtern als Er-
satz des Raubes etwas Fischrogen.

Bisweilen verlassen diese Thierchen zu Tausenden
ihre Heimat, sammeln sich im Frühjahre und wandern
über Berge, Flüsse, Seen, bis an den penschinskischen
Meerbusen, umgehen diesen und richten sich nun nach
Süden, sodaß sie im Juli am Juduma= und Ochota-
flusse ankommen. Nur vom Meerbusen an gerechnet,
ist dies ein Weg von 150 deutschen Meilen, und diesen
machen sie im October noch einmal zurück, wo sie von
den Kamtschadalen mit Frohlocken wieder empfangen wer-
den, da ihnen meist Füchse, Zobel, Wiesel und dergl.
in großer Menge folgen und eine gute Jagd gewähren.
[Ende Spaltensatz]

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[199/0007] Das Pfennig=Magazin. werden, Alles rechtfertigt die Erwartung, daß mechani- sche Entdeckungen bevorstehen, die noch größer sind als alle, welche der Menschengeist bis jetzt gemacht hat.“ Die Holzhauer in Canada. Die zu einer Wanderung der Holzhauer in Canada und Neuschottland nöthigen Erfodernisse bestehen in Äx- ten, einer Säge, Kochtöpfen, einem Fasse Rum, Pfei- fen, Taback, Zwieback, Schweine= und Rindfleisch, ein- gesalzenen Fischen, Erbsen, Gerste und einem Fäßchen Melasse, womit sie ihren Thee versüßen, den sie aus einer Mischung von mancherlei Kräutern bereiten. Drei Joch Ochsen, nebst dem zu ihrer Nahrung nöthigen Heu, sind ebenfalls ein Haupterfoderniß, denn mit die- sen müssen die gefällten Stämme aus den Wäldern geschafft werden. So ausgerüstet, gehen diese Männer, nachdem sie mit den Holzhändlern Verträge abgeschlossen haben, die Flüsse aufwärts, um ihre Winterarbeit zu be- ginnen. 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Der ganze Winter, während dessen der Schnee oft bis auf drei Fuß hoch liegt, wird mit dieser beschwerlichen Arbeit hingebracht, und wenn die Aprilsonne die Flüsse durch den schmelzenden Schnee anschwellt, werden aus den gefällten Bäumen Flöße ge- bildet, welche die den verschiedenen Bestellungen der Holzhändler entsprechende Anzahl von Stämmen enthal- ten. Um diese Jahreszeit ist das Wasser außerordent- lich kalt, und dennoch arbeiten diese Leute, in demselben bis an die Schultern stehend, oft einen ganzen Monat lang. Diese mühselige Lebensweise hat für Die, welche sich derselben widmen, dennoch einen ganz eignen Reiz, und sie ziehen sie, ungeachtet der Gefahren, welchen ihre Gesundheit ausgesetzt ist, doch jeder andern vor. Jst das Holz abgeliefert und verkauft, so bringen diese Holz- hauer oft mehre Monate hintereinander mit Rauchen, Trinken und Nichtsthun hin. 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Jst die Ein- sammlung vorüber, so wird der Firniß durch ein dün- nes Tuch gepreßt. Er hat eine stark ätzende Ei- genschaft, die höchst nachtheilig wirkt, wenn die Ar- beiter sorglos sind, und um sich dagegen zu schützen, reiben sie den ganzen Leib mit Öl ein, ehe sie an ihre Arbeit gehen. Beim Einsammeln umwickeln sie den Kopf mit leinenen Tüchern, tragen einen engen Leder- anzug und lange, bis an die Elbogen reichende Hand- schuhe. Die Feldmäuse in Kamtschatka. Die auf der Halbinsel Kamtschatka besonders häu- figen Feldmäuse, kleiner noch als ihre europäischen Brüder, setzen uns sowol durch ihre Wohnungen, ihre Sorge für ihren Unterhalt und ihre Wanderungen gleich sehr in Erstaunen. Auf Wiesen unter Torf oder Ra- sen, in Gehölzen legen sie ihre Wohnungen an, die aus einer plattgewölbten Höhle von einem Fuße im Durchmesser bestehen, welche, wenn sie die Erde festge- treten haben, mit weichem, zernagtem Grase ausgefüt- tert wird, wozu wol 30 Zugänge in allen Richtungen von einem Zoll Weite führen. Stets nur ein Paar erbaut und bewohnt dieses Haus; der Bau fängt im Frühlinge an und ist im Herbste vollendet, worauf nun so viele nahrhafte Wurzeln aller Art eingesammelt wer- den, als sie im Winter verzehren. Die Kamtschadalen suchen dann solche Höhlen auf, nehmen die eßbaren Wurzeln heraus, legen aber zu den schlechtern als Er- satz des Raubes etwas Fischrogen. Bisweilen verlassen diese Thierchen zu Tausenden ihre Heimat, sammeln sich im Frühjahre und wandern über Berge, Flüsse, Seen, bis an den penschinskischen Meerbusen, umgehen diesen und richten sich nun nach Süden, sodaß sie im Juli am Juduma= und Ochota- flusse ankommen. Nur vom Meerbusen an gerechnet, ist dies ein Weg von 150 deutschen Meilen, und diesen machen sie im October noch einmal zurück, wo sie von den Kamtschadalen mit Frohlocken wieder empfangen wer- den, da ihnen meist Füchse, Zobel, Wiesel und dergl. in großer Menge folgen und eine gute Jagd gewähren.

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Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin der Gesellschaft zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse. Nr. 168. Leipzig (Sachsen), 18. Juni 1836, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig168_1836/7>, abgerufen am 23.11.2024.