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Reichspost. Nr. 6, Wien, 08.01.1895.

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Wien, Sonntag Reichspost. 8 Jänner 1895

[Spaltenumbruch]

fertigung verursachten Manipulationskosten bilden soll, wird
dieselbe für sämmtliche Fahrbegünstigungs-Legitimationen
aller Classen ohne Unterschied, ob es sich um Frei- oder
ermäßigte Karten, um Jahreskarten, temporäre oder Karten
für einzelne Fahrten handelt, mit einem einzigen Satze,
und zwar mit 50 kr. bestimmt. Von der Entrichtung dieser
Gebühr sind ausgenommen die eigenen Bediensteten und
die Bediensteten fremder Bahnverwaltungen, die activen
Staats- und Hofbediensteten, die Militärpersonen des Ruhe-
standes und gänzlich mittellose Personen. Die Entrichtung
der Gebühr erfolgt durch Erlag des Betrages von 50 kr.
für die hiezu bestimmte Werthmarke, welche auf den
Legitimationen aufgeklebt wird. Die Einhebung der Ge-
bühr erfolgt durch jene Stelle, welcher die meritorische Ent-
scheidung über das betreffende Fahrbegünstigungs-Ansuchen
obliegt. Sollte diesem Ansuchen die Gebühr nicht schon
beigeschlossen worden sein,
so wird der Erlag
derselben, soferne das Ansuchen eine aufrechte
Erledigung zu gewärtigen haben sollte,

mittelst einer zu diesem Zwecke eigens vorgedruckten Cor-
respondenzkarte
urgirt.

Localbahnwesen.

Für die das Localbahnwesen be-
treffenden Agenden wird bei der k. k. Generaldirection der
österreichischen Staatsbahnen demnächst eine eigene Ab-
theilung errichtet werden. Zur Leitung derselben ist der
Hofrath, Verkehrsdirector-Stellvertreter Dr. Max Ritter
von Pichler ausersehen,

Fünfte internationale Zucht- und Nutzviehschau
für Rinder und Schweine.

Die k. k. Landwirthschafts-
gesellschaft in Wien veranstaltet zwischen 5. und 8. Sep-
tember in Wien im Prater die fünfte internationale Zucht
und Nutzviehschau, verbunden mit einem Zugochsenmarkt
und Zugkraftproben, ferners Special-Ausstellungen von
Sämereien, Kraftfuttermitteln und Kunstdünger. Auskunft
ertheilt das Secretariat der k. k. Landwirthschaftsgesellschaft
in Wien, [1]. Bez, Herrengasse 13.

Waruung.

"Die Wiener Fleischerztg." warnt vor
der Firma C. H. Boor in Budapest, welche an
Wiener Fleischselcherfirmen die Aufforderung richtet, Of-
serte in Schinken, Selchwaaren und Würsten zu stellen,
da sie angeblich großen Bedarf in diesen Waaren habe.
Wird der Firma thatsächlich ein Offert gemacht, dann wird
dasselbe acceptirt und um Einsendung bestellter Waare
mittelst Nachnahme ersucht. Wenn die Waare angelangt
ist, dann versteht es die Firma C. H. Boor unter Vor-
spiegelung plausibler Gründe, die Auflassung der Nach-
nahme zu erwirken und dann -- hat der Fleischselcher das
Nachsehen, denn er bekommt keinen Kreuzer Geld mehr für
die herausgelockte Waare. Da diese ehrenwerthe Firma
gegenwärtig abermals Anfragen herumsendet, und eine
solche uns eben vorliegt, so seien die Geschäftlseute noch
mals dringend gewarnt, sich mit C. H. Boor in ein Ge-
schäft einzulassen. Es steht zu erwarten, daß diese Firma
die Erweiterung ihrer Geschäftsbeziehungen auch in anderen
als Wiener Kreisen sucht.

Insolvenz-Nachrichten.

Der Creditorenverein meldet
folgende Zahlungseinstellungen: Franz Brunner jun., Kauf-
mann in Gran: Philipp Klein, Kaufmann in Kalocsa;
Witwe Auguste Klein, Handelsfrau in Szolnok; Josef Löbl,
Kaufmann in Neunkirchen; Aron Briger, Kaufmann in
Kimpolung; Teller Miksane, Handelsfrau in Budapest;
Josef Kubana, Baumwollwaarenhändler in Wien, 1. Bez.,
Renngasse Nr. 6; Johann Höbardtner (Verl), nichtproto-
kollirter Lederhändler in Sitzendorf; E. Kurtsag u. Comp,
Handelsfirma in Csorvas.

Insolvenz.

Die Firma Max Singer jun. in Wien,
die einen größeren Victualienhandel betreibt, ist insolvent.
Die Passiven betragen über 100.000 fl.; es sind zumeist
Mühlen und Hülsenfrüchtenhändler betheiligt.




Thenter, Musik und Kunst.

-- Im Deutschen Volkstheater wird am 12. d.
das Lustspiel "Der Jourfix" zum ersten Male aufgeführt.
Das Repertoire der kommenden Woche bringt mehrere in-
teressante Besetzungsneuheiten. In "Der Talisman" wer-
den Fräulein Retty die Rita, Herr Retty den Habakuk und
Herr Wallner den Omar darstellen. Dr. Tyrolt wird zu-
nächst in "Lola's Vater" auftreten. -- Die nächste Novität
des Deutschen Volkstheaters ist das Lustspiel "Die Kame-
raden"; die Hauptrollen des Stückes wurden mit den Damen
Sandrock, Odilon, Zampa und Trenk und den Herren Nhil
und Giampietro besetzt. -- Im nächsten Monate gelangt
"Käthchen von Heilbronn" im Deutschen Volkstheater zur
ersten Aufführung, inscenirt von dem neuen Regisseur
Herrn Retty.

-- Im Burgtheater wird am 19. d. das Lustspiel
"Der Kriegsplan" zum ersten Male aufgeführt. Die nächste
Novität ist dann "Die erste Lüge" von Castelnuovo, deren
Premiere Ende Jänner stattfinden dürfte. Director Burck-
hard hat nunmehr das neueste Stück Ibsen's "Klein Eyolf"
desinitiv für das Burgtheater angenommen. -- Montag,
den 14. d. wird der Gedenktag Bauernfeld's mit einer
Aufführung von "Bürgerlich und Romantisch" gefeiert, da
die Repertoireverhältnisse dies an dem eigentlichen Er-
innerungstage am 13. d. nicht zulassen. -- Dienstag. den
15. d. (Grillparzer-Gedenktag) geht "König Ottokar's
Glück und Ende" in Scene. -- Am 19. d. kommt
Werther's Lustspiel "Der Kriegsplan" zur Aufführung.

-- Im Hofoperntheater wird das Ballet "Amor
auf Reisen" Anfangs Februar zur ersten Aufführung ge-
langen. Die nächste Opernnovität ist Smetana's "Das
Geheimniß", deren Erstaufführung im Monat Februar
stattfindet. Demnächst wird wieder die Oper "Der Vampyr"
aufgeführt, die seit Reichmann's Abgang im Jahre 1889
im Hofoperntheater nicht gegeben worden ist. -- Am 9. und
24. Februar werden die beiden Opernredouten stattfinden.

-- Zur Feier des 25jährigen Bestehens des Musik-
vereinsgebäudes bringt die Gesellschaft der Musik-
freunde
in ihrem ersten außerordentlichen Concerte am
9. d. Haydn's "Jahreszeiten" zur Aufführung. Die Solo-
partien haben Frau Lillian Hentschel aus London, Herr
Gustav Walter, k. u. k. Kammersänger, und Herr Anton
Sistermans aus Frankfurt a. M. übernommen. Das Con-
cert wird durch Beethoven's Ouverture zu "Prometheus"
und einen von Alfred Freiherrn v. Berger verfaßten und
vom Hofschauspieler Herrn Lewinsky gesprochenen Prolog
eingeleitet. Das Concert beginnt ausnahmsweise um 7 Uhr
Abends.


[Spaltenumbruch]

-- Hofballmusikdirector Eduard Strauß gab gestern
im dicht gefüllten großen Musikvereinssaale sein glänzendes
Benefice-Concert. Als derselbe am Dirigentenvulte
erschien, begrüßte ihn das Publikum mit rauschenden Ova-
tionen. Unter den Nummern des reichhaltigen Programmes
verdienen besonders hervorgehoben zu werden: "Ouvertüre
zu Simplicius", das Vorspiel zur neuen Oper "Hä[n]sel und
Gretel", die reizende Bluette "Im bypnotischen Schlummer",
sowie eine neue melodiöse und äußerst beifällig aufgenom-
mene Polka "Innig und sinnig" von Eduard Strauß, eine
bravouröse Violinpiece, vorgetragen vom Concertmeister
Swedowski und das grandiose Arioso von Händel für
Streichquartett, Harfen und Orgel. -- Wie alle Jahre,
verherrlichte auch diesmal Johann Strauß das Bene-
fice seines gefeierten Bruders durch seine persönliche Mit-
wirkung. Er brachte einen neuen Walzer. "Garten-
laube-Walzer"
zur ersten Aufführung, welcher als
ein echter unverfälschter "Strauß" durch melodiöse Themen
und frische Rhythmen sich auszeichnet und glänzend orche-
strirt ist. Daß beide Brüder Gegenstand der lebhaftesten
Auszeichnung waren, braucht bein der allgemeinen Beliebt-
heit der Strauß-Concerte nicht erst bemerkt zu werden.

-- "Romeo und Inlie" von Hektor Berlioz,
dramatische Symphonie mit Chören, Solos und einem
Prolog als Chor-Recitativ, wurde gestern zu Gunsten des
Pensions-Institutes der k. k. Hofoper unter Leitung des
Herrn Hofcapellmeisters Hans Richter vom Hofopernorchester
und dem Singoerein der Gesellschaft der Mufilfreunde im
großen Musikvereinssaale vollständig zur Aufführung ge-
bracht. Wir nennen die Aufführung des unendlich schweren
Werkes einen wirklichen Triumph des Orchesters und seines
Leiters. Nur die allerersten Kräfte können sich an dies
Werk wagen, und nur ein Dirigent wie Richter kann es
zum Erfolg führen. Aber es bedarf auch eines musikalisch
geschulten und gebildeten Auditoriums, wenn es ver-
standen und mitgefühlt werden soll. Das Ganze ist eine
Symphonie, sich anlehnend an die Ha[u]ptzüge des Shake-
speare'schen Dramas. Wie sehen den Kampf der Capulet's
und Montague's, das Fest bei Capulet, die Gartenscene
bei Capulet, Julie's Tod und Leichenbegängniß, Romeo in
der Gruft der Capulet's, das Erwachen Julie's, Beider Tod,
die Versöhnung der streitenden Parteten angesichts der
Leichen auf d[i]e Mahnung P. Lorenzo's hin. Wir sehen es
-- denn Berlioz's Musik wendet sich an die Einbildungs-
kraft, weniger an das Empfinden. Sie ist Tonmalerei --
Stimmungsmalerei. Sie ist aber auch dramatisch, mehr
Sprechweise als Singweise, nach Wagner Art. Wir möchten
sagen, das Werk sei ein glänzender Versuch des
Componisten, Musik zu schreiben [m]it möglichster Ver-
minderung von Melodie, außer dann, wenn
der Text oder der Inhalt des Stoffes selbst die Lied form
gebietet. Dabei sind alle Effecte der raffinirtesten Instru-
mentation und der seltsamsten Accord- und Tonverbindungen,
die gewagtesten und freiesten Rhythmen aufgeboten. Dem
Chore ist eine untergeordnete Stellung angewiesen, er tritt
oft nur recitirend, psallirend auf; e[i]nzelne Solo's sind
effectvoll und or[i]ginell, so das Liebeslied (Frau Hofopern-
sängerin Kaulich) im Prolog, das Tenor-Scherzetto,
(Kammersänger van Dyk): "Mab, Botin der Träume" eben-
daselbst und die großen Baß-Recitative des P. Lorenzo (Hof-
opernsänger Grengg). Der Einzelschönheiten des Werkes sind
viele. Das Meisterstück bot die Capelle mit der glänzenden
Ausführung der Gruft-Scene, die selbst Berlioz so schwer
erklärt, daß er sagt, sie werde unter hundert Fällen neunzig-
mal fortbleiben müssen. Die Capelle überwand die
Schwierigkeit unter Hans Richter fast spielend. Einen
glänzenden Abschluß fand das Werk in dem mächtigen
Schlußchore der wie Meeresbrausen den Saal erfüllte und
gewaltig wirkte.

-- Aus Vnkarest wird geschrieben: Am 31. December
fand in dem dicht gefüllten Saale des Athenäums das
Concert der Claviervirtuosin Madame Cobalcescu
statt, dem auch die Königin in der Hofloge beiwohnte. Die
Pianistin erntete für ihre virtuosen von Geist und Em-
pfindung erfüllten Vorträge reichlichen und wohlverdienten
Beifall. Das Hauptinteresse des Abends richtete sich auf die
Recitation des "Jehova" von Carmen Syloa durch den
Wiener Schriftsteller Rudolf Eigl. Mit edlem Schwunge
sprach Eigl die wohllautenden Verse des prächtigen, tief-
sinnigen Poems, und als die Schlußworte erklangen, erscholl
brausender Beifall, der in gleicher Weise die königliche
Dichtorin, wie ihren verständnißvollen Interpreten ehrte.




Gerichtssaal.


Freigesprochener Lehrer.

Oscar Staudinger,
städtischer Volksschullehrer in Margarethen, sollte den acht
Jahre alten Schüler der zweiten Classe Reumann angeb-
lich so zu Boden gestoßen haben, daß der Knabe am Kopfe
eine nußgroße Beule bekam. Der Lehrer stellte jede körper-
liche Berührung des Knaben bestimmt in Abrede, der
Schüler sei, als er vom Waschtische den Schwamm zur
Tafel bringen sollte, gestolpert und habe sich dabei die
Beule zugezogen. Das Schulkind wurde dem Lehrer gegen-
übergestellt und blieb bei seiner ursprünglichen Beschuldigung,
der Lehrer hätte ihn gestoßen. Trotzdem schenkte der Richter
Dr. Czech dem Lehrer mehr Glauben als dem Kinde und
sprach ihn frei.

Die erhitzte Phantasic.

Vor einiger Zeit brachte
spät Nachts der Wagnermeister Ferd. Wondratschek
auf dem Commissariat Leopoldstadt zur Anzeige, datz ihm
in der Brigittenau auf offener Straße zwei Männer über-
fallen, ihn zu Boden geworfen, gestochen und seiner Baar-
schaft beraubt hätten. Da man derlei Attentatsanzeigen mit
Vorsicht aufnimmt, unterzog man ihn selbst einer Unter-
suchung und fand seine Geldbörse mit einigen Gulden In-
halt, sowie seine Uhr sammt Kette in den Stiefelröhren
versteckt. Nach Aufnahme eines Protokolles wurde er ent-
lassen. Nach einigen Stunden erschien er wieder und er-
klärte, er sei bei Erstattung seiner Anzeige betrunken ge-
wesen, er sei nun zur Ueberzeugung gelangt, er dürfte das
Geld vertrunken oder in seinem Rausche verloren haben,
die "erhitzte Phantasie" habe ihm ein Raubattentat
vorgespiegelt. Samstag hatte er sich vor dem Bezirksgerichte
Leopoldstadt unter der Anklage der Irreführung der Be-
hörden zu verantworten. Der Richter, Rathssecretär Dr.
[Spaltenumbruch] Sedlaczek, nahm an, daß der Angeklagte die Anzeige im
Zustand der Unzurechnungsfähigkeit erstattet habe und sprach
ihn frei.

Socialisten vor Gericht.

Nach einer am 13. Nov.
v. J stattgefundenen Arbeiterversammlung beim Schwender
gab es auf der Straße, wie gewöhnlich nach derartigen
Versammlungen, arge Krawalle. Die Leute schrieen: "Heraus
mit dem Wahlrecht!", marschirten in langen Reihen und
waren weder durch gütliche noch energische Mahnungen der
Wache zur Ruhe und zum Auseinandergehen zu bewegen.
Einer der ärgsten Schreier, der Webergehilfe Josef Espanner,
wurde nun von einem Wachmann arretirt. Er nahm dies
jedoch nicht gutwillig hin, beschimpfte das behördliche Organ
und vergriff sich schließlich an demselben. Der Veschäftigungs-
lose Johann Klimesch nahm sich des Arretirten an, haran-
guirte den Wachmann, so daß dieser ihn gleichfalls ver-
haftete. Das rief nun einige Aufregung in den Massen
hervor, es entstanden bedrohliche Keilereien, und im Ver-
laufe derselben wurden noch wegen Renitenz Franz Giebl,
Leop Wundsam, Johann Keisa, Carl Mildner und Franz
Ruzirschka arretirt. Sie standen vorgestern wegen Aufla[uf]
und Wachebeleidigung vor einem Erkenntnißsenat, dem
Landesgerichtsrath Granichstädten präsidirte. Nachdem zwei
Zeugen nicht erschienen, wurde die Verhandlung gegen
Espanner vertagt. Von den übrigen Angeklagten wurde
Johann Krisa freigesprochen, dagegen Wundsam, Mildner,
Giebl, Wolf und Ruzitschka zu je einer Woche und Klimes[c]h
zu 14 Tagen Arrests veurtheilt.




[Tagesbericht].


* Kalender für Dienstag, den [8]. Jänner.

Katholiken: Severinus. Griechen (27. December):
Stephan M. Sonnenaufgana 7 Uhr 51 Minuten Morgen[s].
Sonnenuntergang 4 Uhr 22 Minuten Abends. Mondes-
aufgang 1 Uhr 3 Minuten Abends. Mondesuntergang
5 Uhr 6 Minuten Morgens. Tageslänge 8 Stunden
31 Minuten. Nachtlänge 15 Stunden 29 Minuten. 8--358.

* Hof- und Personalnachrichten.

Kronprinzessin-
Witwe Erzherzogin Stefanie ist Samstag mit der Erz-
herzogin Elisabeth in Abbazia eingetroffen. Die Kron-
prinzessin richtete zuerst ihr Töchterchen in der Villa Amalia
ein und begab sich dann in die Villa Angiolina. -- Erz-
herzog Carl Ludwig und Erzherzogin Marie
Therese
sind am 3 d. Abends zum Besuche ihres Sohnes
Erzherzog Franz Ferdinand von Oesterreich-
Este
in Meran eingetroffen und werden einige Tage v[e]r-
weilen, um sodann nach Wien zurückzukehren. -- Der
Landespräsident von Krain Victor Freiherr v. Hein ist
Freitag Abends aus Laibach hier eingetroffen.

* Auszeichnungen und Erneunungen.

Der Finanz-
minister hat den Finanz-Obercommissär Richard Tacconi
zum Finanz-Secretär und den Finanz-Obercommissär Franz
v. Ivanisevic zum Finanz-Obercommissär für den
Dienstbereich der Finanz-Landesdirection in Zara ernannt.

* Eine Nordpolexpedition Payer's.

Der berühmte
österreichische Nordpolfahrer Julius Payer beabsichtigt, im
Juni des Jahres 1896 eine neue Expedition in die Polar-
gegenden ausschließlich zu künstlerischen Zwecken zu un[t]er-
nehmen. Das für diesen Zweck zu bauende österreichische
Schiff wird von Bremerhafen abgehen. Es soll unter dem
Commando Payer's stehen, an dessen Seite drei tüchtige
Seeofficiere berufen werden. Payer beabsichtigt, seinen
Stab aus Technikern, Maschenisten, Präparatoren, Jägern,
einigen Landschaftern, Thiermalern und Photografen zu
bilden, denn der Zweck dieser Expedition wäre in erster
Linie die künstlerische Aufnahme der landschaftlichen
Phisignomie der Polargegenden. Die Dauer der Expedition
ist auf 2 Jahre veranschlagt. Payer hat seit 20 Jahren
keine Nordpolfahrt mehr unternommen.

* Cigarren-Freude.

In der Nacht zum 21. v. M.
wurde wie wir gemeldet die Tabak-Trasik in der W[ein]-
hauserstraße Nr. 37 erbrochen, und daraus Cigarren im
Werthe von 70 fl. gestohlen. Die Polizei eruirte, daß diesen
Einbruchsdiebstahl der Hatmachergehilfe Franz Eisner,
ein wiederholt abgestraftes Individuum, und der Fleisch-
hauergehilfe Ludwig Fraisl ausgeführt haben. Am 3. d.
M. wurde Eisner in einer Cafeschenke in Neulerchenfeld
verhaftet. Man fand bei ihm 20 fl. Baargeld und einen
Pfandschein über sechs Paar Stiefletten. Da in der Nacht
vom 2. auf den 3. d. M. beim Trödler Schönfeld, März-
straße ein Einbruch verübt worden war, bei dem 30 Paar
Schuhe gestohlen worden sind, erschien es zweifellos, daß
Eisner auch diesen Einbruch verübt habe. Trotz seines
Läugnens wurde er der Thäterschaft überwiesen. Samstag
ist auch Fraisl verhaftet worden. Die weiteren Erhebungen
haben ergeben, daß die Beiden mit zwei anderen Einbrechern,
den Brüdern Johann und Heinrich Fellner, die am 27 v.
M. verhaftet wurden, in Verbindung standen und mit
diesen mehrere Diebstähle ausgeführt haben.

* Vergiftung durch Kohlenoxydgas.

In der
Donaustraße Nr. 39 in Donaufeld bewohnte der Taglöhner
Georg Gleichtheil mit seiner Frau und seinem zwölfjährigen
Sohn ein kleines Zimmer. Gleichtheil brachte sich kümmerlich
als Taglöhner durch und war zuletzt bei den Eiswerken be-
schäftigt. Die Frau war schon seit längerer Zeit kränklich
und konnte keinem Erwerbe nachgehen: der zwölfjährige
Julius besuchte die Schule. Gleichtheil war ein ruhiger,
und bescheidener Mensch, der mit dem Wenigen auszukommen
verstand und den kargen Verdienst mit seiner Familie
redlich theilte. Vorgestern Abends kam Gleichtheil, von der
Arbeit wie gewöhnlich nach Hause und nahm mit den
Seinen das Nachtmahl ein. Dann legten sie sich zur Ruhe,
in voller Kleidung, da es ihnen an dem nöthigen Bettge-
wande fehlte. In dem Ofen, der in einer Ecke des Zimmers
stand, brannte noch das Feuer weiter. Da er nun Samstag
um sechs Uhr Morgens im Hause noch nicht gesehen wurde
öffnete die Hausfrau die Zimmerthür, um die Schlafenden
zu wecken. Beim Eintritte ins Zimmer verspürte sie einen
intensiven Kohlengeruch, der sie umkehren zwang. Nach
einigen Minuten kam sie jedoch zurück und trat in das
Zimmer ein. Auf dem Fußboden neben dem Bette lag die
Frau ausgestreckt, während Vater und Sohn todt auf ihren
Schlafstellen lagen. Es erschien bald eine Polizeicommission,
jedoch blieb jeder Wiederbelebungsversuch ersolglos. Die
ganze Familie war durch Einathmung des aus dem Herde
entströmten Kohlenoxydgases erstickt. Ein Selbstmord ist
ausgeschlossen, denn das Ehepaar war trotz seiner Armuth
immer zufrieden und lebensfroh.


Wien, Sonntag Reichspoſt. 8 Jänner 1895

[Spaltenumbruch]

fertigung verurſachten Manipulationskoſten bilden ſoll, wird
dieſelbe für ſämmtliche Fahrbegünſtigungs-Legitimationen
aller Claſſen ohne Unterſchied, ob es ſich um Frei- oder
ermäßigte Karten, um Jahreskarten, temporäre oder Karten
für einzelne Fahrten handelt, mit einem einzigen Satze,
und zwar mit 50 kr. beſtimmt. Von der Entrichtung dieſer
Gebühr ſind ausgenommen die eigenen Bedienſteten und
die Bedienſteten fremder Bahnverwaltungen, die activen
Staats- und Hofbedienſteten, die Militärperſonen des Ruhe-
ſtandes und gänzlich mittelloſe Perſonen. Die Entrichtung
der Gebühr erfolgt durch Erlag des Betrages von 50 kr.
für die hiezu beſtimmte Werthmarke, welche auf den
Legitimationen aufgeklebt wird. Die Einhebung der Ge-
bühr erfolgt durch jene Stelle, welcher die meritoriſche Ent-
ſcheidung über das betreffende Fahrbegünſtigungs-Anſuchen
obliegt. Sollte dieſem Anſuchen die Gebühr nicht ſchon
beigeſchloſſen worden ſein,
ſo wird der Erlag
derſelben, ſoferne das Anſuchen eine aufrechte
Erledigung zu gewärtigen haben ſollte,

mittelſt einer zu dieſem Zwecke eigens vorgedruckten Cor-
reſpondenzkarte
urgirt.

Localbahnweſen.

Für die das Localbahnweſen be-
treffenden Agenden wird bei der k. k. Generaldirection der
öſterreichiſchen Staatsbahnen demnächſt eine eigene Ab-
theilung errichtet werden. Zur Leitung derſelben iſt der
Hofrath, Verkehrsdirector-Stellvertreter Dr. Max Ritter
von Pichler auserſehen,

Fünfte internationale Zucht- und Nutzviehſchau
für Rinder und Schweine.

Die k. k. Landwirthſchafts-
geſellſchaft in Wien veranſtaltet zwiſchen 5. und 8. Sep-
tember in Wien im Prater die fünfte internationale Zucht
und Nutzviehſchau, verbunden mit einem Zugochſenmarkt
und Zugkraftproben, ferners Special-Ausſtellungen von
Sämereien, Kraftfuttermitteln und Kunſtdünger. Auskunft
ertheilt das Secretariat der k. k. Landwirthſchaftsgeſellſchaft
in Wien, [1]. Bez, Herrengaſſe 13.

Waruung.

„Die Wiener Fleiſcherztg.“ warnt vor
der Firma C. H. Boor in Budapeſt, welche an
Wiener Fleiſchſelcherfirmen die Aufforderung richtet, Of-
ſerte in Schinken, Selchwaaren und Würſten zu ſtellen,
da ſie angeblich großen Bedarf in dieſen Waaren habe.
Wird der Firma thatſächlich ein Offert gemacht, dann wird
dasſelbe acceptirt und um Einſendung beſtellter Waare
mittelſt Nachnahme erſucht. Wenn die Waare angelangt
iſt, dann verſteht es die Firma C. H. Boor unter Vor-
ſpiegelung plauſibler Gründe, die Auflaſſung der Nach-
nahme zu erwirken und dann — hat der Fleiſchſelcher das
Nachſehen, denn er bekommt keinen Kreuzer Geld mehr für
die herausgelockte Waare. Da dieſe ehrenwerthe Firma
gegenwärtig abermals Anfragen herumſendet, und eine
ſolche uns eben vorliegt, ſo ſeien die Geſchäftlseute noch
mals dringend gewarnt, ſich mit C. H. Boor in ein Ge-
ſchäft einzulaſſen. Es ſteht zu erwarten, daß dieſe Firma
die Erweiterung ihrer Geſchäftsbeziehungen auch in anderen
als Wiener Kreiſen ſucht.

Inſolvenz-Nachrichten.

Der Creditorenverein meldet
folgende Zahlungseinſtellungen: Franz Brunner jun., Kauf-
mann in Gran: Philipp Klein, Kaufmann in Kalocsa;
Witwe Auguſte Klein, Handelsfrau in Szolnok; Joſef Löbl,
Kaufmann in Neunkirchen; Aron Briger, Kaufmann in
Kimpolung; Teller Mikſane, Handelsfrau in Budapeſt;
Joſef Kubana, Baumwollwaarenhändler in Wien, 1. Bez.,
Renngaſſe Nr. 6; Johann Höbardtner (Verl), nichtproto-
kollirter Lederhändler in Sitzendorf; E. Kurtſag u. Comp,
Handelsfirma in Cſorvas.

Inſolvenz.

Die Firma Max Singer jun. in Wien,
die einen größeren Victualienhandel betreibt, iſt inſolvent.
Die Paſſiven betragen über 100.000 fl.; es ſind zumeiſt
Mühlen und Hülſenfrüchtenhändler betheiligt.




Thenter, Muſik und Kunſt.

— Im Deutſchen Volkstheater wird am 12. d.
das Luſtſpiel „Der Jourfix“ zum erſten Male aufgeführt.
Das Repertoire der kommenden Woche bringt mehrere in-
tereſſante Beſetzungsneuheiten. In „Der Talisman“ wer-
den Fräulein Retty die Rita, Herr Retty den Habakuk und
Herr Wallner den Omar darſtellen. Dr. Tyrolt wird zu-
nächſt in „Lola’s Vater“ auftreten. — Die nächſte Novität
des Deutſchen Volkstheaters iſt das Luſtſpiel „Die Kame-
raden“; die Hauptrollen des Stückes wurden mit den Damen
Sandrock, Odilon, Zampa und Trenk und den Herren Nhil
und Giampietro beſetzt. — Im nächſten Monate gelangt
„Käthchen von Heilbronn“ im Deutſchen Volkstheater zur
erſten Aufführung, inſcenirt von dem neuen Regiſſeur
Herrn Retty.

— Im Burgtheater wird am 19. d. das Luſtſpiel
„Der Kriegsplan“ zum erſten Male aufgeführt. Die nächſte
Novität iſt dann „Die erſte Lüge“ von Caſtelnuovo, deren
Premiere Ende Jänner ſtattfinden dürfte. Director Burck-
hard hat nunmehr das neueſte Stück Ibſen’s „Klein Eyolf“
deſinitiv für das Burgtheater angenommen. — Montag,
den 14. d. wird der Gedenktag Bauernfeld’s mit einer
Aufführung von „Bürgerlich und Romantiſch“ gefeiert, da
die Repertoireverhältniſſe dies an dem eigentlichen Er-
innerungstage am 13. d. nicht zulaſſen. — Dienſtag. den
15. d. (Grillparzer-Gedenktag) geht „König Ottokar’s
Glück und Ende“ in Scene. — Am 19. d. kommt
Werther’s Luſtſpiel „Der Kriegsplan“ zur Aufführung.

— Im Hofoperntheater wird das Ballet „Amor
auf Reiſen“ Anfangs Februar zur erſten Aufführung ge-
langen. Die nächſte Opernnovität iſt Smetana’s „Das
Geheimniß“, deren Erſtaufführung im Monat Februar
ſtattfindet. Demnächſt wird wieder die Oper „Der Vampyr“
aufgeführt, die ſeit Reichmann’s Abgang im Jahre 1889
im Hofoperntheater nicht gegeben worden iſt. — Am 9. und
24. Februar werden die beiden Opernredouten ſtattfinden.

— Zur Feier des 25jährigen Beſtehens des Muſik-
vereinsgebäudes bringt die Geſellſchaft der Muſik-
freunde
in ihrem erſten außerordentlichen Concerte am
9. d. Haydn’s „Jahreszeiten“ zur Aufführung. Die Solo-
partien haben Frau Lillian Hentſchel aus London, Herr
Guſtav Walter, k. u. k. Kammerſänger, und Herr Anton
Siſtermans aus Frankfurt a. M. übernommen. Das Con-
cert wird durch Beethoven’s Ouverture zu „Prometheus“
und einen von Alfred Freiherrn v. Berger verfaßten und
vom Hofſchauſpieler Herrn Lewinsky geſprochenen Prolog
eingeleitet. Das Concert beginnt ausnahmsweiſe um 7 Uhr
Abends.


[Spaltenumbruch]

— Hofballmuſikdirector Eduard Strauß gab geſtern
im dicht gefüllten großen Muſikvereinsſaale ſein glänzendes
Benefice-Concert. Als derſelbe am Dirigentenvulte
erſchien, begrüßte ihn das Publikum mit rauſchenden Ova-
tionen. Unter den Nummern des reichhaltigen Programmes
verdienen beſonders hervorgehoben zu werden: „Ouvertüre
zu Simplicius“, das Vorſpiel zur neuen Oper „Hä[n]ſel und
Gretel“, die reizende Bluette „Im bypnotiſchen Schlummer“,
ſowie eine neue melodiöſe und äußerſt beifällig aufgenom-
mene Polka „Innig und ſinnig“ von Eduard Strauß, eine
bravouröſe Violinpiece, vorgetragen vom Concertmeiſter
Swedowski und das grandioſe Arioſo von Händel für
Streichquartett, Harfen und Orgel. — Wie alle Jahre,
verherrlichte auch diesmal Johann Strauß das Bene-
fice ſeines gefeierten Bruders durch ſeine perſönliche Mit-
wirkung. Er brachte einen neuen Walzer. „Garten-
laube-Walzer“
zur erſten Aufführung, welcher als
ein echter unverfälſchter „Strauß“ durch melodiöſe Themen
und friſche Rhythmen ſich auszeichnet und glänzend orche-
ſtrirt iſt. Daß beide Brüder Gegenſtand der lebhafteſten
Auszeichnung waren, braucht bein der allgemeinen Beliebt-
heit der Strauß-Concerte nicht erſt bemerkt zu werden.

„Romeo und Inlie“ von Hektor Berlioz,
dramatiſche Symphonie mit Chören, Solos und einem
Prolog als Chor-Recitativ, wurde geſtern zu Gunſten des
Penſions-Inſtitutes der k. k. Hofoper unter Leitung des
Herrn Hofcapellmeiſters Hans Richter vom Hofopernorcheſter
und dem Singoerein der Geſellſchaft der Mufilfreunde im
großen Muſikvereinsſaale vollſtändig zur Aufführung ge-
bracht. Wir nennen die Aufführung des unendlich ſchweren
Werkes einen wirklichen Triumph des Orcheſters und ſeines
Leiters. Nur die allererſten Kräfte können ſich an dies
Werk wagen, und nur ein Dirigent wie Richter kann es
zum Erfolg führen. Aber es bedarf auch eines muſikaliſch
geſchulten und gebildeten Auditoriums, wenn es ver-
ſtanden und mitgefühlt werden ſoll. Das Ganze iſt eine
Symphonie, ſich anlehnend an die Ha[u]ptzüge des Shake-
ſpeare’ſchen Dramas. Wie ſehen den Kampf der Capulet’s
und Montague’s, das Feſt bei Capulet, die Gartenſcene
bei Capulet, Julie’s Tod und Leichenbegängniß, Romeo in
der Gruft der Capulet’s, das Erwachen Julie’s, Beider Tod,
die Verſöhnung der ſtreitenden Parteten angeſichts der
Leichen auf d[i]e Mahnung P. Lorenzo’s hin. Wir ſehen es
— denn Berlioz’s Muſik wendet ſich an die Einbildungs-
kraft, weniger an das Empfinden. Sie iſt Tonmalerei —
Stimmungsmalerei. Sie iſt aber auch dramatiſch, mehr
Sprechweiſe als Singweiſe, nach Wagner Art. Wir möchten
ſagen, das Werk ſei ein glänzender Verſuch des
Componiſten, Muſik zu ſchreiben [m]it möglichſter Ver-
minderung von Melodie, außer dann, wenn
der Text oder der Inhalt des Stoffes ſelbſt die Lied form
gebietet. Dabei ſind alle Effecte der raffinirteſten Inſtru-
mentation und der ſeltſamſten Accord- und Tonverbindungen,
die gewagteſten und freieſten Rhythmen aufgeboten. Dem
Chore iſt eine untergeordnete Stellung angewieſen, er tritt
oft nur recitirend, pſallirend auf; e[i]nzelne Solo’s ſind
effectvoll und or[i]ginell, ſo das Liebeslied (Frau Hofopern-
ſängerin Kaulich) im Prolog, das Tenor-Scherzetto,
(Kammerſänger van Dyk): „Mab, Botin der Träume“ eben-
daſelbſt und die großen Baß-Recitative des P. Lorenzo (Hof-
opernſänger Grengg). Der Einzelſchönheiten des Werkes ſind
viele. Das Meiſterſtück bot die Capelle mit der glänzenden
Ausführung der Gruft-Scene, die ſelbſt Berlioz ſo ſchwer
erklärt, daß er ſagt, ſie werde unter hundert Fällen neunzig-
mal fortbleiben müſſen. Die Capelle überwand die
Schwierigkeit unter Hans Richter faſt ſpielend. Einen
glänzenden Abſchluß fand das Werk in dem mächtigen
Schlußchore der wie Meeresbrauſen den Saal erfüllte und
gewaltig wirkte.

— Aus Vnkareſt wird geſchrieben: Am 31. December
fand in dem dicht gefüllten Saale des Athenäums das
Concert der Claviervirtuoſin Madame Cobalcescu
ſtatt, dem auch die Königin in der Hofloge beiwohnte. Die
Pianiſtin erntete für ihre virtuoſen von Geiſt und Em-
pfindung erfüllten Vorträge reichlichen und wohlverdienten
Beifall. Das Hauptintereſſe des Abends richtete ſich auf die
Recitation des „Jehova“ von Carmen Syloa durch den
Wiener Schriftſteller Rudolf Eigl. Mit edlem Schwunge
ſprach Eigl die wohllautenden Verſe des prächtigen, tief-
ſinnigen Poems, und als die Schlußworte erklangen, erſcholl
brauſender Beifall, der in gleicher Weiſe die königliche
Dichtorin, wie ihren verſtändnißvollen Interpreten ehrte.




Gerichtsſaal.


Freigeſprochener Lehrer.

Oscar Staudinger,
ſtädtiſcher Volksſchullehrer in Margarethen, ſollte den acht
Jahre alten Schüler der zweiten Claſſe Reumann angeb-
lich ſo zu Boden geſtoßen haben, daß der Knabe am Kopfe
eine nußgroße Beule bekam. Der Lehrer ſtellte jede körper-
liche Berührung des Knaben beſtimmt in Abrede, der
Schüler ſei, als er vom Waſchtiſche den Schwamm zur
Tafel bringen ſollte, geſtolpert und habe ſich dabei die
Beule zugezogen. Das Schulkind wurde dem Lehrer gegen-
übergeſtellt und blieb bei ſeiner urſprünglichen Beſchuldigung,
der Lehrer hätte ihn geſtoßen. Trotzdem ſchenkte der Richter
Dr. Czech dem Lehrer mehr Glauben als dem Kinde und
ſprach ihn frei.

Die erhitzte Phantaſic.

Vor einiger Zeit brachte
ſpät Nachts der Wagnermeiſter Ferd. Wondratſchek
auf dem Commiſſariat Leopoldſtadt zur Anzeige, datz ihm
in der Brigittenau auf offener Straße zwei Männer über-
fallen, ihn zu Boden geworfen, geſtochen und ſeiner Baar-
ſchaft beraubt hätten. Da man derlei Attentatsanzeigen mit
Vorſicht aufnimmt, unterzog man ihn ſelbſt einer Unter-
ſuchung und fand ſeine Geldbörſe mit einigen Gulden In-
halt, ſowie ſeine Uhr ſammt Kette in den Stiefelröhren
verſteckt. Nach Aufnahme eines Protokolles wurde er ent-
laſſen. Nach einigen Stunden erſchien er wieder und er-
klärte, er ſei bei Erſtattung ſeiner Anzeige betrunken ge-
weſen, er ſei nun zur Ueberzeugung gelangt, er dürfte das
Geld vertrunken oder in ſeinem Rauſche verloren haben,
die „erhitzte Phantaſie“ habe ihm ein Raubattentat
vorgeſpiegelt. Samſtag hatte er ſich vor dem Bezirksgerichte
Leopoldſtadt unter der Anklage der Irreführung der Be-
hörden zu verantworten. Der Richter, Rathsſecretär Dr.
[Spaltenumbruch] Sedlaczek, nahm an, daß der Angeklagte die Anzeige im
Zuſtand der Unzurechnungsfähigkeit erſtattet habe und ſprach
ihn frei.

Socialiſten vor Gericht.

Nach einer am 13. Nov.
v. J ſtattgefundenen Arbeiterverſammlung beim Schwender
gab es auf der Straße, wie gewöhnlich nach derartigen
Verſammlungen, arge Krawalle. Die Leute ſchrieen: „Heraus
mit dem Wahlrecht!“, marſchirten in langen Reihen und
waren weder durch gütliche noch energiſche Mahnungen der
Wache zur Ruhe und zum Auseinandergehen zu bewegen.
Einer der ärgſten Schreier, der Webergehilfe Joſef Espanner,
wurde nun von einem Wachmann arretirt. Er nahm dies
jedoch nicht gutwillig hin, beſchimpfte das behördliche Organ
und vergriff ſich ſchließlich an demſelben. Der Veſchäftigungs-
loſe Johann Klimeſch nahm ſich des Arretirten an, haran-
guirte den Wachmann, ſo daß dieſer ihn gleichfalls ver-
haftete. Das rief nun einige Aufregung in den Maſſen
hervor, es entſtanden bedrohliche Keilereien, und im Ver-
laufe derſelben wurden noch wegen Renitenz Franz Giebl,
Leop Wundſam, Johann Keiſa, Carl Mildner und Franz
Ruzirſchka arretirt. Sie ſtanden vorgeſtern wegen Aufla[uf]
und Wachebeleidigung vor einem Erkenntnißſenat, dem
Landesgerichtsrath Granichſtädten präſidirte. Nachdem zwei
Zeugen nicht erſchienen, wurde die Verhandlung gegen
Espanner vertagt. Von den übrigen Angeklagten wurde
Johann Kriſa freigeſprochen, dagegen Wundſam, Mildner,
Giebl, Wolf und Ruzitſchka zu je einer Woche und Klimeſ[c]h
zu 14 Tagen Arreſts veurtheilt.




[Tagesbericht].


* Kalender für Dienſtag, den [8]. Jänner.

Katholiken: Severinus. Griechen (27. December):
Stephan M. Sonnenaufgana 7 Uhr 51 Minuten Morgen[ſ].
Sonnenuntergang 4 Uhr 22 Minuten Abends. Mondes-
aufgang 1 Uhr 3 Minuten Abends. Mondesuntergang
5 Uhr 6 Minuten Morgens. Tageslänge 8 Stunden
31 Minuten. Nachtlänge 15 Stunden 29 Minuten. 8—358.

* Hof- und Perſonalnachrichten.

Kronprinzeſſin-
Witwe Erzherzogin Stefanie iſt Samſtag mit der Erz-
herzogin Eliſabeth in Abbazia eingetroffen. Die Kron-
prinzeſſin richtete zuerſt ihr Töchterchen in der Villa Amalia
ein und begab ſich dann in die Villa Angiolina. — Erz-
herzog Carl Ludwig und Erzherzogin Marie
Thereſe
ſind am 3 d. Abends zum Beſuche ihres Sohnes
Erzherzog Franz Ferdinand von Oeſterreich-
Eſte
in Meran eingetroffen und werden einige Tage v[e]r-
weilen, um ſodann nach Wien zurückzukehren. — Der
Landespräſident von Krain Victor Freiherr v. Hein iſt
Freitag Abends aus Laibach hier eingetroffen.

* Auszeichnungen und Erneunungen.

Der Finanz-
miniſter hat den Finanz-Obercommiſſär Richard Tacconi
zum Finanz-Secretär und den Finanz-Obercommiſſär Franz
v. Ivanisevic zum Finanz-Obercommiſſär für den
Dienſtbereich der Finanz-Landesdirection in Zara ernannt.

* Eine Nordpolexpedition Payer’s.

Der berühmte
öſterreichiſche Nordpolfahrer Julius Payer beabſichtigt, im
Juni des Jahres 1896 eine neue Expedition in die Polar-
gegenden ausſchließlich zu künſtleriſchen Zwecken zu un[t]er-
nehmen. Das für dieſen Zweck zu bauende öſterreichiſche
Schiff wird von Bremerhafen abgehen. Es ſoll unter dem
Commando Payer’s ſtehen, an deſſen Seite drei tüchtige
Seeofficiere berufen werden. Payer beabſichtigt, ſeinen
Stab aus Technikern, Maſcheniſten, Präparatoren, Jägern,
einigen Landſchaftern, Thiermalern und Photografen zu
bilden, denn der Zweck dieſer Expedition wäre in erſter
Linie die künſtleriſche Aufnahme der landſchaftlichen
Phiſignomie der Polargegenden. Die Dauer der Expedition
iſt auf 2 Jahre veranſchlagt. Payer hat ſeit 20 Jahren
keine Nordpolfahrt mehr unternommen.

* Cigarren-Freude.

In der Nacht zum 21. v. M.
wurde wie wir gemeldet die Tabak-Traſik in der W[ein]-
hauſerſtraße Nr. 37 erbrochen, und daraus Cigarren im
Werthe von 70 fl. geſtohlen. Die Polizei eruirte, daß dieſen
Einbruchsdiebſtahl der Hatmachergehilfe Franz Eisner,
ein wiederholt abgeſtraftes Individuum, und der Fleiſch-
hauergehilfe Ludwig Fraisl ausgeführt haben. Am 3. d.
M. wurde Eisner in einer Cafeſchenke in Neulerchenfeld
verhaftet. Man fand bei ihm 20 fl. Baargeld und einen
Pfandſchein über ſechs Paar Stiefletten. Da in der Nacht
vom 2. auf den 3. d. M. beim Trödler Schönfeld, März-
ſtraße ein Einbruch verübt worden war, bei dem 30 Paar
Schuhe geſtohlen worden ſind, erſchien es zweifellos, daß
Eisner auch dieſen Einbruch verübt habe. Trotz ſeines
Läugnens wurde er der Thäterſchaft überwieſen. Samſtag
iſt auch Fraisl verhaftet worden. Die weiteren Erhebungen
haben ergeben, daß die Beiden mit zwei anderen Einbrechern,
den Brüdern Johann und Heinrich Fellner, die am 27 v.
M. verhaftet wurden, in Verbindung ſtanden und mit
dieſen mehrere Diebſtähle ausgeführt haben.

* Vergiftung durch Kohlenoxydgas.

In der
Donauſtraße Nr. 39 in Donaufeld bewohnte der Taglöhner
Georg Gleichtheil mit ſeiner Frau und ſeinem zwölfjährigen
Sohn ein kleines Zimmer. Gleichtheil brachte ſich kümmerlich
als Taglöhner durch und war zuletzt bei den Eiswerken be-
ſchäftigt. Die Frau war ſchon ſeit längerer Zeit kränklich
und konnte keinem Erwerbe nachgehen: der zwölfjährige
Julius beſuchte die Schule. Gleichtheil war ein ruhiger,
und beſcheidener Menſch, der mit dem Wenigen auszukommen
verſtand und den kargen Verdienſt mit ſeiner Familie
redlich theilte. Vorgeſtern Abends kam Gleichtheil, von der
Arbeit wie gewöhnlich nach Hauſe und nahm mit den
Seinen das Nachtmahl ein. Dann legten ſie ſich zur Ruhe,
in voller Kleidung, da es ihnen an dem nöthigen Bettge-
wande fehlte. In dem Ofen, der in einer Ecke des Zimmers
ſtand, brannte noch das Feuer weiter. Da er nun Samſtag
um ſechs Uhr Morgens im Hauſe noch nicht geſehen wurde
öffnete die Hausfrau die Zimmerthür, um die Schlafenden
zu wecken. Beim Eintritte ins Zimmer verſpürte ſie einen
intenſiven Kohlengeruch, der ſie umkehren zwang. Nach
einigen Minuten kam ſie jedoch zurück und trat in das
Zimmer ein. Auf dem Fußboden neben dem Bette lag die
Frau ausgeſtreckt, während Vater und Sohn todt auf ihren
Schlafſtellen lagen. Es erſchien bald eine Polizeicommiſſion,
jedoch blieb jeder Wiederbelebungsverſuch erſolglos. Die
ganze Familie war durch Einathmung des aus dem Herde
entſtrömten Kohlenoxydgaſes erſtickt. Ein Selbſtmord iſt
ausgeſchloſſen, denn das Ehepaar war trotz ſeiner Armuth
immer zufrieden und lebensfroh.


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[5/0005] Wien, Sonntag Reichspoſt. 8 Jänner 1895 fertigung verurſachten Manipulationskoſten bilden ſoll, wird dieſelbe für ſämmtliche Fahrbegünſtigungs-Legitimationen aller Claſſen ohne Unterſchied, ob es ſich um Frei- oder ermäßigte Karten, um Jahreskarten, temporäre oder Karten für einzelne Fahrten handelt, mit einem einzigen Satze, und zwar mit 50 kr. beſtimmt. Von der Entrichtung dieſer Gebühr ſind ausgenommen die eigenen Bedienſteten und die Bedienſteten fremder Bahnverwaltungen, die activen Staats- und Hofbedienſteten, die Militärperſonen des Ruhe- ſtandes und gänzlich mittelloſe Perſonen. Die Entrichtung der Gebühr erfolgt durch Erlag des Betrages von 50 kr. für die hiezu beſtimmte Werthmarke, welche auf den Legitimationen aufgeklebt wird. Die Einhebung der Ge- bühr erfolgt durch jene Stelle, welcher die meritoriſche Ent- ſcheidung über das betreffende Fahrbegünſtigungs-Anſuchen obliegt. Sollte dieſem Anſuchen die Gebühr nicht ſchon beigeſchloſſen worden ſein, ſo wird der Erlag derſelben, ſoferne das Anſuchen eine aufrechte Erledigung zu gewärtigen haben ſollte, mittelſt einer zu dieſem Zwecke eigens vorgedruckten Cor- reſpondenzkarte urgirt. Localbahnweſen. Für die das Localbahnweſen be- treffenden Agenden wird bei der k. k. Generaldirection der öſterreichiſchen Staatsbahnen demnächſt eine eigene Ab- theilung errichtet werden. Zur Leitung derſelben iſt der Hofrath, Verkehrsdirector-Stellvertreter Dr. Max Ritter von Pichler auserſehen, Fünfte internationale Zucht- und Nutzviehſchau für Rinder und Schweine. Die k. k. Landwirthſchafts- geſellſchaft in Wien veranſtaltet zwiſchen 5. und 8. Sep- tember in Wien im Prater die fünfte internationale Zucht und Nutzviehſchau, verbunden mit einem Zugochſenmarkt und Zugkraftproben, ferners Special-Ausſtellungen von Sämereien, Kraftfuttermitteln und Kunſtdünger. Auskunft ertheilt das Secretariat der k. k. Landwirthſchaftsgeſellſchaft in Wien, 1. Bez, Herrengaſſe 13. Waruung. „Die Wiener Fleiſcherztg.“ warnt vor der Firma C. H. Boor in Budapeſt, welche an Wiener Fleiſchſelcherfirmen die Aufforderung richtet, Of- ſerte in Schinken, Selchwaaren und Würſten zu ſtellen, da ſie angeblich großen Bedarf in dieſen Waaren habe. Wird der Firma thatſächlich ein Offert gemacht, dann wird dasſelbe acceptirt und um Einſendung beſtellter Waare mittelſt Nachnahme erſucht. Wenn die Waare angelangt iſt, dann verſteht es die Firma C. H. Boor unter Vor- ſpiegelung plauſibler Gründe, die Auflaſſung der Nach- nahme zu erwirken und dann — hat der Fleiſchſelcher das Nachſehen, denn er bekommt keinen Kreuzer Geld mehr für die herausgelockte Waare. Da dieſe ehrenwerthe Firma gegenwärtig abermals Anfragen herumſendet, und eine ſolche uns eben vorliegt, ſo ſeien die Geſchäftlseute noch mals dringend gewarnt, ſich mit C. H. Boor in ein Ge- ſchäft einzulaſſen. Es ſteht zu erwarten, daß dieſe Firma die Erweiterung ihrer Geſchäftsbeziehungen auch in anderen als Wiener Kreiſen ſucht. Inſolvenz-Nachrichten. Der Creditorenverein meldet folgende Zahlungseinſtellungen: Franz Brunner jun., Kauf- mann in Gran: Philipp Klein, Kaufmann in Kalocsa; Witwe Auguſte Klein, Handelsfrau in Szolnok; Joſef Löbl, Kaufmann in Neunkirchen; Aron Briger, Kaufmann in Kimpolung; Teller Mikſane, Handelsfrau in Budapeſt; Joſef Kubana, Baumwollwaarenhändler in Wien, 1. Bez., Renngaſſe Nr. 6; Johann Höbardtner (Verl), nichtproto- kollirter Lederhändler in Sitzendorf; E. Kurtſag u. Comp, Handelsfirma in Cſorvas. Inſolvenz. Die Firma Max Singer jun. in Wien, die einen größeren Victualienhandel betreibt, iſt inſolvent. Die Paſſiven betragen über 100.000 fl.; es ſind zumeiſt Mühlen und Hülſenfrüchtenhändler betheiligt. Thenter, Muſik und Kunſt. — Im Deutſchen Volkstheater wird am 12. d. das Luſtſpiel „Der Jourfix“ zum erſten Male aufgeführt. Das Repertoire der kommenden Woche bringt mehrere in- tereſſante Beſetzungsneuheiten. In „Der Talisman“ wer- den Fräulein Retty die Rita, Herr Retty den Habakuk und Herr Wallner den Omar darſtellen. Dr. Tyrolt wird zu- nächſt in „Lola’s Vater“ auftreten. — Die nächſte Novität des Deutſchen Volkstheaters iſt das Luſtſpiel „Die Kame- raden“; die Hauptrollen des Stückes wurden mit den Damen Sandrock, Odilon, Zampa und Trenk und den Herren Nhil und Giampietro beſetzt. — Im nächſten Monate gelangt „Käthchen von Heilbronn“ im Deutſchen Volkstheater zur erſten Aufführung, inſcenirt von dem neuen Regiſſeur Herrn Retty. — Im Burgtheater wird am 19. d. das Luſtſpiel „Der Kriegsplan“ zum erſten Male aufgeführt. Die nächſte Novität iſt dann „Die erſte Lüge“ von Caſtelnuovo, deren Premiere Ende Jänner ſtattfinden dürfte. Director Burck- hard hat nunmehr das neueſte Stück Ibſen’s „Klein Eyolf“ deſinitiv für das Burgtheater angenommen. — Montag, den 14. d. wird der Gedenktag Bauernfeld’s mit einer Aufführung von „Bürgerlich und Romantiſch“ gefeiert, da die Repertoireverhältniſſe dies an dem eigentlichen Er- innerungstage am 13. d. nicht zulaſſen. — Dienſtag. den 15. d. (Grillparzer-Gedenktag) geht „König Ottokar’s Glück und Ende“ in Scene. — Am 19. d. kommt Werther’s Luſtſpiel „Der Kriegsplan“ zur Aufführung. — Im Hofoperntheater wird das Ballet „Amor auf Reiſen“ Anfangs Februar zur erſten Aufführung ge- langen. Die nächſte Opernnovität iſt Smetana’s „Das Geheimniß“, deren Erſtaufführung im Monat Februar ſtattfindet. Demnächſt wird wieder die Oper „Der Vampyr“ aufgeführt, die ſeit Reichmann’s Abgang im Jahre 1889 im Hofoperntheater nicht gegeben worden iſt. — Am 9. und 24. Februar werden die beiden Opernredouten ſtattfinden. — Zur Feier des 25jährigen Beſtehens des Muſik- vereinsgebäudes bringt die Geſellſchaft der Muſik- freunde in ihrem erſten außerordentlichen Concerte am 9. d. Haydn’s „Jahreszeiten“ zur Aufführung. Die Solo- partien haben Frau Lillian Hentſchel aus London, Herr Guſtav Walter, k. u. k. Kammerſänger, und Herr Anton Siſtermans aus Frankfurt a. M. übernommen. Das Con- cert wird durch Beethoven’s Ouverture zu „Prometheus“ und einen von Alfred Freiherrn v. Berger verfaßten und vom Hofſchauſpieler Herrn Lewinsky geſprochenen Prolog eingeleitet. Das Concert beginnt ausnahmsweiſe um 7 Uhr Abends. — Hofballmuſikdirector Eduard Strauß gab geſtern im dicht gefüllten großen Muſikvereinsſaale ſein glänzendes Benefice-Concert. Als derſelbe am Dirigentenvulte erſchien, begrüßte ihn das Publikum mit rauſchenden Ova- tionen. Unter den Nummern des reichhaltigen Programmes verdienen beſonders hervorgehoben zu werden: „Ouvertüre zu Simplicius“, das Vorſpiel zur neuen Oper „Hänſel und Gretel“, die reizende Bluette „Im bypnotiſchen Schlummer“, ſowie eine neue melodiöſe und äußerſt beifällig aufgenom- mene Polka „Innig und ſinnig“ von Eduard Strauß, eine bravouröſe Violinpiece, vorgetragen vom Concertmeiſter Swedowski und das grandioſe Arioſo von Händel für Streichquartett, Harfen und Orgel. — Wie alle Jahre, verherrlichte auch diesmal Johann Strauß das Bene- fice ſeines gefeierten Bruders durch ſeine perſönliche Mit- wirkung. Er brachte einen neuen Walzer. „Garten- laube-Walzer“ zur erſten Aufführung, welcher als ein echter unverfälſchter „Strauß“ durch melodiöſe Themen und friſche Rhythmen ſich auszeichnet und glänzend orche- ſtrirt iſt. Daß beide Brüder Gegenſtand der lebhafteſten Auszeichnung waren, braucht bein der allgemeinen Beliebt- heit der Strauß-Concerte nicht erſt bemerkt zu werden. G. v. B. — „Romeo und Inlie“ von Hektor Berlioz, dramatiſche Symphonie mit Chören, Solos und einem Prolog als Chor-Recitativ, wurde geſtern zu Gunſten des Penſions-Inſtitutes der k. k. Hofoper unter Leitung des Herrn Hofcapellmeiſters Hans Richter vom Hofopernorcheſter und dem Singoerein der Geſellſchaft der Mufilfreunde im großen Muſikvereinsſaale vollſtändig zur Aufführung ge- bracht. Wir nennen die Aufführung des unendlich ſchweren Werkes einen wirklichen Triumph des Orcheſters und ſeines Leiters. Nur die allererſten Kräfte können ſich an dies Werk wagen, und nur ein Dirigent wie Richter kann es zum Erfolg führen. Aber es bedarf auch eines muſikaliſch geſchulten und gebildeten Auditoriums, wenn es ver- ſtanden und mitgefühlt werden ſoll. Das Ganze iſt eine Symphonie, ſich anlehnend an die Hauptzüge des Shake- ſpeare’ſchen Dramas. Wie ſehen den Kampf der Capulet’s und Montague’s, das Feſt bei Capulet, die Gartenſcene bei Capulet, Julie’s Tod und Leichenbegängniß, Romeo in der Gruft der Capulet’s, das Erwachen Julie’s, Beider Tod, die Verſöhnung der ſtreitenden Parteten angeſichts der Leichen auf die Mahnung P. Lorenzo’s hin. Wir ſehen es — denn Berlioz’s Muſik wendet ſich an die Einbildungs- kraft, weniger an das Empfinden. Sie iſt Tonmalerei — Stimmungsmalerei. Sie iſt aber auch dramatiſch, mehr Sprechweiſe als Singweiſe, nach Wagner Art. Wir möchten ſagen, das Werk ſei ein glänzender Verſuch des Componiſten, Muſik zu ſchreiben mit möglichſter Ver- minderung von Melodie, außer dann, wenn der Text oder der Inhalt des Stoffes ſelbſt die Lied form gebietet. Dabei ſind alle Effecte der raffinirteſten Inſtru- mentation und der ſeltſamſten Accord- und Tonverbindungen, die gewagteſten und freieſten Rhythmen aufgeboten. Dem Chore iſt eine untergeordnete Stellung angewieſen, er tritt oft nur recitirend, pſallirend auf; einzelne Solo’s ſind effectvoll und originell, ſo das Liebeslied (Frau Hofopern- ſängerin Kaulich) im Prolog, das Tenor-Scherzetto, (Kammerſänger van Dyk): „Mab, Botin der Träume“ eben- daſelbſt und die großen Baß-Recitative des P. Lorenzo (Hof- opernſänger Grengg). Der Einzelſchönheiten des Werkes ſind viele. Das Meiſterſtück bot die Capelle mit der glänzenden Ausführung der Gruft-Scene, die ſelbſt Berlioz ſo ſchwer erklärt, daß er ſagt, ſie werde unter hundert Fällen neunzig- mal fortbleiben müſſen. Die Capelle überwand die Schwierigkeit unter Hans Richter faſt ſpielend. Einen glänzenden Abſchluß fand das Werk in dem mächtigen Schlußchore der wie Meeresbrauſen den Saal erfüllte und gewaltig wirkte. — Aus Vnkareſt wird geſchrieben: Am 31. December fand in dem dicht gefüllten Saale des Athenäums das Concert der Claviervirtuoſin Madame Cobalcescu ſtatt, dem auch die Königin in der Hofloge beiwohnte. Die Pianiſtin erntete für ihre virtuoſen von Geiſt und Em- pfindung erfüllten Vorträge reichlichen und wohlverdienten Beifall. Das Hauptintereſſe des Abends richtete ſich auf die Recitation des „Jehova“ von Carmen Syloa durch den Wiener Schriftſteller Rudolf Eigl. Mit edlem Schwunge ſprach Eigl die wohllautenden Verſe des prächtigen, tief- ſinnigen Poems, und als die Schlußworte erklangen, erſcholl brauſender Beifall, der in gleicher Weiſe die königliche Dichtorin, wie ihren verſtändnißvollen Interpreten ehrte. Gerichtsſaal. Wien, 7. Jänner. Freigeſprochener Lehrer. Oscar Staudinger, ſtädtiſcher Volksſchullehrer in Margarethen, ſollte den acht Jahre alten Schüler der zweiten Claſſe Reumann angeb- lich ſo zu Boden geſtoßen haben, daß der Knabe am Kopfe eine nußgroße Beule bekam. Der Lehrer ſtellte jede körper- liche Berührung des Knaben beſtimmt in Abrede, der Schüler ſei, als er vom Waſchtiſche den Schwamm zur Tafel bringen ſollte, geſtolpert und habe ſich dabei die Beule zugezogen. Das Schulkind wurde dem Lehrer gegen- übergeſtellt und blieb bei ſeiner urſprünglichen Beſchuldigung, der Lehrer hätte ihn geſtoßen. Trotzdem ſchenkte der Richter Dr. Czech dem Lehrer mehr Glauben als dem Kinde und ſprach ihn frei. Die erhitzte Phantaſic. Vor einiger Zeit brachte ſpät Nachts der Wagnermeiſter Ferd. Wondratſchek auf dem Commiſſariat Leopoldſtadt zur Anzeige, datz ihm in der Brigittenau auf offener Straße zwei Männer über- fallen, ihn zu Boden geworfen, geſtochen und ſeiner Baar- ſchaft beraubt hätten. Da man derlei Attentatsanzeigen mit Vorſicht aufnimmt, unterzog man ihn ſelbſt einer Unter- ſuchung und fand ſeine Geldbörſe mit einigen Gulden In- halt, ſowie ſeine Uhr ſammt Kette in den Stiefelröhren verſteckt. Nach Aufnahme eines Protokolles wurde er ent- laſſen. Nach einigen Stunden erſchien er wieder und er- klärte, er ſei bei Erſtattung ſeiner Anzeige betrunken ge- weſen, er ſei nun zur Ueberzeugung gelangt, er dürfte das Geld vertrunken oder in ſeinem Rauſche verloren haben, die „erhitzte Phantaſie“ habe ihm ein Raubattentat vorgeſpiegelt. Samſtag hatte er ſich vor dem Bezirksgerichte Leopoldſtadt unter der Anklage der Irreführung der Be- hörden zu verantworten. Der Richter, Rathsſecretär Dr. Sedlaczek, nahm an, daß der Angeklagte die Anzeige im Zuſtand der Unzurechnungsfähigkeit erſtattet habe und ſprach ihn frei. Socialiſten vor Gericht. Nach einer am 13. Nov. v. J ſtattgefundenen Arbeiterverſammlung beim Schwender gab es auf der Straße, wie gewöhnlich nach derartigen Verſammlungen, arge Krawalle. Die Leute ſchrieen: „Heraus mit dem Wahlrecht!“, marſchirten in langen Reihen und waren weder durch gütliche noch energiſche Mahnungen der Wache zur Ruhe und zum Auseinandergehen zu bewegen. Einer der ärgſten Schreier, der Webergehilfe Joſef Espanner, wurde nun von einem Wachmann arretirt. Er nahm dies jedoch nicht gutwillig hin, beſchimpfte das behördliche Organ und vergriff ſich ſchließlich an demſelben. Der Veſchäftigungs- loſe Johann Klimeſch nahm ſich des Arretirten an, haran- guirte den Wachmann, ſo daß dieſer ihn gleichfalls ver- haftete. Das rief nun einige Aufregung in den Maſſen hervor, es entſtanden bedrohliche Keilereien, und im Ver- laufe derſelben wurden noch wegen Renitenz Franz Giebl, Leop Wundſam, Johann Keiſa, Carl Mildner und Franz Ruzirſchka arretirt. Sie ſtanden vorgeſtern wegen Auflauf und Wachebeleidigung vor einem Erkenntnißſenat, dem Landesgerichtsrath Granichſtädten präſidirte. Nachdem zwei Zeugen nicht erſchienen, wurde die Verhandlung gegen Espanner vertagt. Von den übrigen Angeklagten wurde Johann Kriſa freigeſprochen, dagegen Wundſam, Mildner, Giebl, Wolf und Ruzitſchka zu je einer Woche und Klimeſch zu 14 Tagen Arreſts veurtheilt. Tagesbericht. Wien, den 7 Jänner. * Kalender für Dienſtag, den 8. Jänner. Katholiken: Severinus. Griechen (27. December): Stephan M. Sonnenaufgana 7 Uhr 51 Minuten Morgenſ. Sonnenuntergang 4 Uhr 22 Minuten Abends. Mondes- aufgang 1 Uhr 3 Minuten Abends. Mondesuntergang 5 Uhr 6 Minuten Morgens. Tageslänge 8 Stunden 31 Minuten. Nachtlänge 15 Stunden 29 Minuten. 8—358. * Hof- und Perſonalnachrichten. Kronprinzeſſin- Witwe Erzherzogin Stefanie iſt Samſtag mit der Erz- herzogin Eliſabeth in Abbazia eingetroffen. Die Kron- prinzeſſin richtete zuerſt ihr Töchterchen in der Villa Amalia ein und begab ſich dann in die Villa Angiolina. — Erz- herzog Carl Ludwig und Erzherzogin Marie Thereſe ſind am 3 d. Abends zum Beſuche ihres Sohnes Erzherzog Franz Ferdinand von Oeſterreich- Eſte in Meran eingetroffen und werden einige Tage ver- weilen, um ſodann nach Wien zurückzukehren. — Der Landespräſident von Krain Victor Freiherr v. Hein iſt Freitag Abends aus Laibach hier eingetroffen. * Auszeichnungen und Erneunungen. Der Finanz- miniſter hat den Finanz-Obercommiſſär Richard Tacconi zum Finanz-Secretär und den Finanz-Obercommiſſär Franz v. Ivanisevic zum Finanz-Obercommiſſär für den Dienſtbereich der Finanz-Landesdirection in Zara ernannt. * Eine Nordpolexpedition Payer’s. Der berühmte öſterreichiſche Nordpolfahrer Julius Payer beabſichtigt, im Juni des Jahres 1896 eine neue Expedition in die Polar- gegenden ausſchließlich zu künſtleriſchen Zwecken zu unter- nehmen. Das für dieſen Zweck zu bauende öſterreichiſche Schiff wird von Bremerhafen abgehen. Es ſoll unter dem Commando Payer’s ſtehen, an deſſen Seite drei tüchtige Seeofficiere berufen werden. Payer beabſichtigt, ſeinen Stab aus Technikern, Maſcheniſten, Präparatoren, Jägern, einigen Landſchaftern, Thiermalern und Photografen zu bilden, denn der Zweck dieſer Expedition wäre in erſter Linie die künſtleriſche Aufnahme der landſchaftlichen Phiſignomie der Polargegenden. Die Dauer der Expedition iſt auf 2 Jahre veranſchlagt. Payer hat ſeit 20 Jahren keine Nordpolfahrt mehr unternommen. * Cigarren-Freude. In der Nacht zum 21. v. M. wurde wie wir gemeldet die Tabak-Traſik in der Wein- hauſerſtraße Nr. 37 erbrochen, und daraus Cigarren im Werthe von 70 fl. geſtohlen. Die Polizei eruirte, daß dieſen Einbruchsdiebſtahl der Hatmachergehilfe Franz Eisner, ein wiederholt abgeſtraftes Individuum, und der Fleiſch- hauergehilfe Ludwig Fraisl ausgeführt haben. Am 3. d. M. wurde Eisner in einer Cafeſchenke in Neulerchenfeld verhaftet. Man fand bei ihm 20 fl. Baargeld und einen Pfandſchein über ſechs Paar Stiefletten. Da in der Nacht vom 2. auf den 3. d. M. beim Trödler Schönfeld, März- ſtraße ein Einbruch verübt worden war, bei dem 30 Paar Schuhe geſtohlen worden ſind, erſchien es zweifellos, daß Eisner auch dieſen Einbruch verübt habe. Trotz ſeines Läugnens wurde er der Thäterſchaft überwieſen. Samſtag iſt auch Fraisl verhaftet worden. Die weiteren Erhebungen haben ergeben, daß die Beiden mit zwei anderen Einbrechern, den Brüdern Johann und Heinrich Fellner, die am 27 v. M. verhaftet wurden, in Verbindung ſtanden und mit dieſen mehrere Diebſtähle ausgeführt haben. * Vergiftung durch Kohlenoxydgas. In der Donauſtraße Nr. 39 in Donaufeld bewohnte der Taglöhner Georg Gleichtheil mit ſeiner Frau und ſeinem zwölfjährigen Sohn ein kleines Zimmer. Gleichtheil brachte ſich kümmerlich als Taglöhner durch und war zuletzt bei den Eiswerken be- ſchäftigt. Die Frau war ſchon ſeit längerer Zeit kränklich und konnte keinem Erwerbe nachgehen: der zwölfjährige Julius beſuchte die Schule. Gleichtheil war ein ruhiger, und beſcheidener Menſch, der mit dem Wenigen auszukommen verſtand und den kargen Verdienſt mit ſeiner Familie redlich theilte. Vorgeſtern Abends kam Gleichtheil, von der Arbeit wie gewöhnlich nach Hauſe und nahm mit den Seinen das Nachtmahl ein. Dann legten ſie ſich zur Ruhe, in voller Kleidung, da es ihnen an dem nöthigen Bettge- wande fehlte. In dem Ofen, der in einer Ecke des Zimmers ſtand, brannte noch das Feuer weiter. Da er nun Samſtag um ſechs Uhr Morgens im Hauſe noch nicht geſehen wurde öffnete die Hausfrau die Zimmerthür, um die Schlafenden zu wecken. Beim Eintritte ins Zimmer verſpürte ſie einen intenſiven Kohlengeruch, der ſie umkehren zwang. Nach einigen Minuten kam ſie jedoch zurück und trat in das Zimmer ein. Auf dem Fußboden neben dem Bette lag die Frau ausgeſtreckt, während Vater und Sohn todt auf ihren Schlafſtellen lagen. Es erſchien bald eine Polizeicommiſſion, jedoch blieb jeder Wiederbelebungsverſuch erſolglos. Die ganze Familie war durch Einathmung des aus dem Herde entſtrömten Kohlenoxydgaſes erſtickt. Ein Selbſtmord iſt ausgeſchloſſen, denn das Ehepaar war trotz ſeiner Armuth immer zufrieden und lebensfroh.

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grepect GmbH: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T13:38:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Reichspost. Nr. 6, Wien, 08.01.1895, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_reichspost006_1895/5>, abgerufen am 23.11.2024.