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Reichspost. Nr. 7, Wien, 10.01.1905.

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7 Wien, Dienstag Reichspost 10. Jänner 1905

[Spaltenumbruch]

dem Appellationsgericht in Bordeaux, angeklagt,
ein ihm gehörendes Haus an Schwestern ver-
mietet zu haben, welche sich als säkularisiert be-
zeichnen und eine freie Schule in Segonzag unter-
hielten. Zu gleicher Zeit mit ihm waren ange-
klagt der Pfarrer von Segonzag, die Direktorin
der Schule und drei Lehrerinnen, ehemalige
Kongreganistinnen. Kardinal Lecot war zur Be-
grüßung des Bischofs am Bahnhof erschienen. Der
Bischof stellte sich dem Gerichtshofe im bischöf-
lichen Ornat vor, begleitet von zahl-
reichen Mitgliedern des Klerus und vielen Laien.
Er rechne es sich zur Ehre an, wegen einer
solchen Sache erscheinen zu müssen. Er habe eine
christliche Schule eröffnet. Er sei Bischof durch
Willen der Kirche und auch der Regierung. Die
Bulle seiner Ernennung sei ja doch vom Staats-
rate einregistriert worden im Namen der Republik.
Eine der daselbst enthaltenen Pflichten sei: er solle
christliche Moral ins Volk bringen und über die
Erziehung der Kinder wachen, an denen dem
Volke so viel gelegen sei. Das Urteil wird erst
am 16. d. gesprochen.

Rußland.
Zustände in Rußland.

In Süd- und
Mittelrußland herrscht seit einigen Tagen in
vielen Orten offener Aufruhr und Re-
volution.
Auf dem flachen Lande wagen die
Ortsbehörden aus Furcht vor Gewalttaten der
bis aufs äußerste erregten Bevölkerung kein Ein-
schreiten mehr. Vielfach sind bereits Gutshöfe
von den Bauern angezündet und geplündert
worden. Im ganzen Innern herrscht die furcht-
barste Unordnung. Das Gefängnis von Charkow
wurde in Brand gesteckt, wobei eine große Anzahl
der Inhaftierten durch Pöbelhaufen in Freiheit
gesetzt wurde.

Die Reformberatungen im Ministerium.

Am 6. Jänner fand eine Sitzung des Minister-
komitees statt, in der die Beratung der Fragen
wegen der Rechtssicherheit gemäß dem Erlaß des
Kaisers vom 25. v. M. zu Ende geführt wurde.
Darauf wurde über Maßregeln zum Schutze des
Loses der Arbeiter in Fabriken und Werkstätten
beraten. Morgen soll eine Sitzung stattfinden, in
der über die Frage der Beteiligung von Ver-
tretern der Semstwo an Regierungsangelegenheiten
und über die Abschaffung der für die Presse be-
stehenden Beschränkungen beraten werden wird.




Aber wir haben es heute bezüglich der Ein-
wanderungsfrage weniger mit dem fremden Kauf-
mannsstande als vielmehr mit dem Handwerker-
und Arbeiter-Elemente zu tun, die, nach der Be-
hauptung eines englischen Staatsmannes, die
einheimischen Industrien schädigen und die
Hauptursache der steigenden Arbeitslosigkeit
in den englischen Großstädten bilden.
Richtig betonte Lord Rosebery in seiner
geistvollen Rede, daß der Strom der fremden
Einwanderer überhaupt erst Industrien in England
schuf, daß es deutsche Bergleute vom Harz
waren, die von Heinrich III. nach England ge-
zogen wurden, um die reichen Zinn- und Kupfer-
gruben in Cornwall zu erschließen, daß es (Sir)
Johann Spielmann aus Lindan am Bodensee
war, der die erste Papiermühle in England er-
richtete, daß es vlämische Leinenweber waren, die
ihre Industrie nach London verpflanzten, und
daß italienische Seidenspinner aus Lucca und
französische Hugenotten die Seidenzucht in England
begründeten. Heinrich IV. führte Bergleute
aus Böhmen und Ungarn ein und
ließ sich Arbeiter aus Holland kommen,
um seine Untertanen in der Herstellung
von Salz zu unterrichten. Eduard IV. machte
vlämische Waffenschmiede in Yorkshire seßhaft und
Heinrich VIII. sicherte sich die Dienste von Brauern,
Messerschmieden und Schiffsbauern aus Deutsch-
land und den Niederlanden. Antwerpen und
Brügge sandte Tuchmacher, Paris Glasbläser,
Belgien Messerschmiede, die Sheffield zu ihrem
Sitz machten, Holland Uhrmacher, Töpfer und
Gärtner. Diese Zuzügler kamen durchaus nicht
als Bettler nach England, denn Macpherson
bemerkt z. B. in seinen "Annals of Commerce",
daß die 50.000 Hugenotten in Geld oder Geldes-
wert je 1200 Mark mit sich führten, den eng-
lischen Nationalreichtum (der damals noch sehr
im argen lag) also um 60 Millionen Mark ver-
mehrten, d h. eine Summe, die heute das Fünf-
fache darstellen würde.

Von alledem wollen die englischen Massen
heute nichts hören, und so mußte auch Lord
Rosebery die üble Erfahrung machen, daß er
tauben Ohren gepredigt hatte.


[Spaltenumbruch]
Gemeindezeitung.
Die Einververleibung und der Wiener
Gemeinderat.

Mit der Einverleibung des
21. Bezirkes wird sich auch die Zusammensetzung
des Wiener Gemeinderates verändern. Derselbe
wird fortan aus 165 (statt 158) Mitgliedern be-
stehen, u. zw. aus je 48 aus den drei ersten
Wahlkörpern und 21 aus dem vierten. Der
Stadtrat wird in Hinkunft 27 (statt 22) ge-
wählte Mitglieder zählen, von denen eines aus
den Gemeinderäten des neunten Bezirkes ent-
nommen werden muß. Die Wahl der steben
neuen Mitglieder des Gemeinderates dürfte
ehestens erfolgen; der erste, zweite und dritte
Wahlkörper des Bezirkes wählen je zwei, der
vierte ein Mitglied. Der Ausschuß für Verleihung
des Heimatsrechtes wird aufgelöst und sofort neu
gewählt. Gleichzeitig mit der Wahl der Ge-
meinderäte hat auch die Wahl der Be-
zirksvertretung Floridsdorf zu erfolgen. Mit
der Bestätigung des neugewählten Vorstehers
für den 21. Bezirk hört dann die Wirksamkeit
der Gemeindevertretungen auf. Der Tag, an
welchem das magistratische Bezirksamt Florids-
dorf seine Tätigkeit beginnt, wird vom Statt-
halter im Einvernehmen mit dem Landesaus-
schusse festgesetzt. -- Die Gemeindeumlagen werden
bis Ende 1905 noch nach dem Voranschlage der
betreffenden Gemeinden eingehoben, ab 1. Jänner
1906 aber in dem für Wien festgesetzten Aus-
maße. Die Bezirksstraßen werden als Gemeinde-
straßen von Wien übernommen, bis dahin bleiben
die Bezirksstraßenausschüsse in Wirksamkeit. Die
öffentliche Armenpflege geht mit der Konstituierung
des Armeninstituts für den 21. Bezirk an die
Gemeinde Wien über.

Sitzungen im Rathause.

Der Gemeinde-
rat hält in der kommenden Woche am Dienstag
den 10. d. um 5 Uhr nachmittags eine öffentliche
Sitzung ab. -- Der Stadtrat hält Dienstag,
Donnerstag und Freitag um 10 Uhr vormittags
Sitzungen ab.




Tagesbericht.


* Kalender für Dienstag den 10. Jänner.

Katholiken: Paul E. -- Griechen (28. Dez.):
2000 Märtyrer. -- Sonnenaufgang 7 Uhr 50 Minuten
morgens. -- Sonnenuntergang 4 Uhr 25 Minuten
abends. -- Mondesaufgang 10 Uhr 12 Minuten
vormittags. -- Mondesuntergang 9 Uhr 32 Minuten
abends.

* Hof- und Personalnachrichten.

Prinz
Leopold und Prinz Georg von Baiern
statteten Sonntag vormittags dem bairischen Ge-
sandten Freiherrn v. Tucher, in dessen Palais,
einen längeren Besuch ab. Die Prinzen fuhren dann
in das Künstlerhaus und besichtigten durch eine
Stunde die Aquarell-Ausstellung.

* Aus unserer Armee.

Der Kaiser hat an-
geordnet: Die Uebernahme des FML. Ferdinand
v. Schkrobanek in den Ruhestand, die Trans-
ferierung des Obersten Friedrich Novak (Infanterie-
Regiment Nr. 29) zum Infanterie-Regiment Nr. 53,
die Uebernahme des Oberstleutnants Karl Zeiterer
(Infanterie-Regiment Nr. 32), des Oberstleutnants
Paul Duralia (Infanterie-Regiment Nr. 52), des
Majors Josef Pfaffenbühler in den Ruhestand,
die Einrückung des Gardeleutnants Emil Tazoll
in die Leibgarde-Infanterie-Kompagnie, die Ueber-
nahme des Generalstabsarztes Dr. Josef Bernolak
von Haraßt in den Ruhestand. Ferner hat der Kaiser
ernannt: Zum Platzkommandanten in Graz den
Oberstleutnant Josef Walter, zu Oberärzten im
Aktivstande die Doktoren Josef Igavic, Roniuald
Kuchar, Aurel Ijac.

* Truppenverstärkungen an der italieni-
schen Grenze.

Wir haben bereits Mitteilung von
den bevorstehenden Truppenverschiebungen gemacht.
Sie bezwecken in allererster Linie die Verstärkung
der Truppen in Tirol, gegen die italienische Grenze.
Seinerzeit war die Linie von Bruneck über Lienz
nach Villach stark militärisch besetzt und das Puster-
tal hatte starke Garnisonen. In Sillian lag eine
Kompagnie, in Bruneck war bis vor drei
Jahren noch ein Landesschützenbataillon stationiert.
Bis zum heurigen Jahre lag dort eine Kompagnie,
in Niederndorf und Bruneck außerdem ein Halb-
bataillon Kaiserjäger. Die Besatzung von Franzens-
feste hatte früher die doppelte Stärke, zwei
Kompagnien, in Cortina d' Ampezzo, in Toblach
waren je ein Bataillon Landesschützen disloziert,
schließlich sind die Orte Pergine, Borgo, Mezzo-
lombardo, Torbole, Tione und Creto ihrer früher
dort stationierten Halbbataillone entblößt. Noch vor
einem Vierteljahrhundert waren volle 38 Bataillone
in Tirol sofort zur Verfügung. Nun erfolgt neuer-
dings die militärische Belegung mehrerer in der
Nähe der italienischen Grenze gelegener Ortschaften
und die Erhöhung des Garnisonsstandes in einzelnen
[Spaltenumbruch] Orten, vorwiegend in Tirol. Neue Garnisonen werden
im Bereiche des dritten Korps errichtet in Tolmein
und Monfalcone. Erhöht wird die Truppenstärke in
Triest und Görz, während zur Verteidigung der Be-
festigungen in der Flitscherklause, am Predil und im
Seebachtal je eine Kompagnie Festungsartillerie
dorthin verlegt wird, die dem Wiener Festungs-
artillerie-Regimente Nr. 1 entnommen wird.

* Empfänge bei Erzherzog Franz Ferdi-
nand.

Erzherzog Franz Ferdinand wird am
14., 21. und 28. d. M. und am 4. und 11. Februar,
jedesmal von 11 bis 12 Uhr die in Wien stationierten
Generale, (Admirale), Truppenkommandanten und
Gleichgestellte (Abteilungsvorstände des Reichskriegs-
ministeriums, Marinesektion und des Ministeriums
für Landesverteidigung) im Palais im Oberen Bel-
vedere empfangen.

* Aus dem Altkatholizismus.

Wäre es
nicht ein offizielles Organ des deutschen Altkatholizis-
mus, das "altkatholische Volksblatt", das uns die
Nachricht übermittelt, wir könnten sie kaum ernst
nehmen! Die Altkatholiken haben einen Bischof, der
-- fälschlich konsekriert worden ist. Bischof Theodor
Weber erklärt in dem genannten Blatte wörtlich:
"Ein Herr Miraglia, zu dem die katholischen Bischöfe
der Altkatholiken in keiner Beziehung stehen, hat
einen Herrn Houssay, der den letzteren gänzlich un-
bekannt ist, in der den Altkatholiken zu Thiengen in
Baden durch die Großherzogliche Staatsregierung
zur Mitbenutzung überwiesenen Kirche Sonntag, den
4. d. M., zum Bischof konsekriert. Das ist
ohne mein Wissen geschehen, ich würde sonst
die Vornahme der Handlung selbstverständlich ver-
boten haben. Die Untersuchung ist eingeleitet. Im
eigenen Namen und namens der mit mir in Kirchen-
gemeinschaft stehenden Bischöfe Hollands und der
Schweiz mache ich hierdurch bekannt, daß wir nach
wie vor weder Herrn Miraglia noch Herrn Houssay
als altkatholische Bischöfe anerkennen und jede kirch-
liche Gemeinschaft mit ihnen zurückweisen. Bonn,
21. Dezember 1904." Und das ist eine "romfreie"
Kirche, für die in Osterreich die Werbetrommel ge-
rührt und deutsches Geld gespendet wird.

* Auf Menschenfang.

Mit allen Mitteln und
Mittelchen wird gegen das katholische Bekenntnis
und die katholische Kirche in den Kampf gezogen.
In Wien ist jetzt auf einmal ein "Bund der Deutsch-
österreicher" entstanden, von dem bisher niemand
etwas wußte. Dieser Bund macht sich unter anderem
"die Errichtung oder Unterstützung von in vater-
ländischnationalem Geiste
geleiteten Schulen
zur satzungsgemäßen Aufgabe." Was er aber unter
dem "vaterländischnationalen Geist" versteht, das geht
aus einem gedruckten Rundschreiben hervor, welches
für die eine in Währing zu gründende evangelische
Schule
Propaganda macht. "Um bei gemischten
Ehen", heißt es in diesem Rundschreiben, bei
welchen ein Teil der Kinder evangelischen, der
andere katholischen Bekenntnisses ist, auch den
letzteren (also dem katholischen!) den Besuch dieser
Erziehungsanstalt zu ermöglichen, wurde beschlossen,
grundsätzlich auch Kinder katholischen Glaubens,
sofern sie von deutschen Eltern sind, aufzunehmen.
Diese Schule soll überhaupt den Unterricht nicht
blos in deutscher Zunge, sondern -- was das
wichtigste ist -- auch in deutschem Geiste pflegen
und in nationalem, vaterländischem Sinne geleitet
werden, wie es bei den Schulen anderer Völker
unseres Reiches schon längst eingeführt ist." Der
"Bund der Deutschösterreichischer" identifiziert also
die Begriffe Vaterländisch und "evangelisch", eine der
gröbsten politischen Lügen, die je in die Welt gesetzt
wurden. Und mit Hilfe dieser kühnen Erfindung soll
in Währing der Kinderfang betrieben werden! Das
ist also "deutschösterreichisch" im Sinne dieser Ver-
einsmacher. Wir hätten nichts gegen Bestrebungen
für eine protestantisch-konfessionelle Schule einzu-
wenden, wenn ihre Vorkämpfer die Konsequenz be-
säßen, auch für die katholisch-konfessionelle Schule
einzutreten. Doch das ist natürlich etwas anderes.

* Erzherzog Josef.

Wir erhalten aus Fiume
folgende heutige Meldung des Ungarischen Tele-
graphen-Korrespondenz-Bureaus: Ueber das Befinden
des Herrn Erzherzogs Josef wurde heute um 9 Uhr
vormittags folgendes Bulletin ausgegeben: Im Be-
finden Sr. k. und k. Hoheit ist seit gestern eine
Besserung bemerkbar. Herztätigkeit zufrieden-
stellend, Puls und Temperatur normal. Gez: Doktor
Kisseljak, Dr. Grossic.

* Leopold Wölfling.

Wie die "Basler Nach-
richten" erfahren, hat der schweizerische Bundesrat
das Naturalisationsgesuch des gegenwärtig heimats-
losen ehemaligen Erzherzogs Leopold an die Re-
gierung des Kantons Zug überwiesen, um von dort
die Befürwortung einzuholen.

* Sterbefall.

Samstag abends starb hier die
vormalige Kammerfrau der Kronprinzessin-Witwe
Stefanie (Gräfin Lonyay) Frau Ida Haas. Die
Leiche wird morgen um 2 Uhr nachmittags in der
Peterskirche eingesegnet und im Familiengrabe auf
dem Zentralfriedhof beerdigt.

* Astronomisches.

Vor nicht langer Zeit
wurde die aufsehenerregende Entdeckung gemacht,
daß der Jupiter noch von einem fünften Monde
umkreist werde. Bei der Beobachtung dieses neuen
Satelliten wurde nun am Lick Observatorium auf
dem Mount Hamilton noch ein sechster Jupitermond
mit Hilfe des riesigen Refraktors entdeckt.


7 Wien, Dienstag Reichspoſt 10. Jänner 1905

[Spaltenumbruch]

dem Appellationsgericht in Bordeaux, angeklagt,
ein ihm gehörendes Haus an Schweſtern ver-
mietet zu haben, welche ſich als ſäkulariſiert be-
zeichnen und eine freie Schule in Segonzag unter-
hielten. Zu gleicher Zeit mit ihm waren ange-
klagt der Pfarrer von Segonzag, die Direktorin
der Schule und drei Lehrerinnen, ehemalige
Kongreganiſtinnen. Kardinal Lecot war zur Be-
grüßung des Biſchofs am Bahnhof erſchienen. Der
Biſchof ſtellte ſich dem Gerichtshofe im biſchöf-
lichen Ornat vor, begleitet von zahl-
reichen Mitgliedern des Klerus und vielen Laien.
Er rechne es ſich zur Ehre an, wegen einer
ſolchen Sache erſcheinen zu müſſen. Er habe eine
chriſtliche Schule eröffnet. Er ſei Biſchof durch
Willen der Kirche und auch der Regierung. Die
Bulle ſeiner Ernennung ſei ja doch vom Staats-
rate einregiſtriert worden im Namen der Republik.
Eine der daſelbſt enthaltenen Pflichten ſei: er ſolle
chriſtliche Moral ins Volk bringen und über die
Erziehung der Kinder wachen, an denen dem
Volke ſo viel gelegen ſei. Das Urteil wird erſt
am 16. d. geſprochen.

Rußland.
Zuſtände in Rußland.

In Süd- und
Mittelrußland herrſcht ſeit einigen Tagen in
vielen Orten offener Aufruhr und Re-
volution.
Auf dem flachen Lande wagen die
Ortsbehörden aus Furcht vor Gewalttaten der
bis aufs äußerſte erregten Bevölkerung kein Ein-
ſchreiten mehr. Vielfach ſind bereits Gutshöfe
von den Bauern angezündet und geplündert
worden. Im ganzen Innern herrſcht die furcht-
barſte Unordnung. Das Gefängnis von Charkow
wurde in Brand geſteckt, wobei eine große Anzahl
der Inhaftierten durch Pöbelhaufen in Freiheit
geſetzt wurde.

Die Reformberatungen im Miniſterium.

Am 6. Jänner fand eine Sitzung des Miniſter-
komitees ſtatt, in der die Beratung der Fragen
wegen der Rechtsſicherheit gemäß dem Erlaß des
Kaiſers vom 25. v. M. zu Ende geführt wurde.
Darauf wurde über Maßregeln zum Schutze des
Loſes der Arbeiter in Fabriken und Werkſtätten
beraten. Morgen ſoll eine Sitzung ſtattfinden, in
der über die Frage der Beteiligung von Ver-
tretern der Semſtwo an Regierungsangelegenheiten
und über die Abſchaffung der für die Preſſe be-
ſtehenden Beſchränkungen beraten werden wird.




Aber wir haben es heute bezüglich der Ein-
wanderungsfrage weniger mit dem fremden Kauf-
mannsſtande als vielmehr mit dem Handwerker-
und Arbeiter-Elemente zu tun, die, nach der Be-
hauptung eines engliſchen Staatsmannes, die
einheimiſchen Induſtrien ſchädigen und die
Haupturſache der ſteigenden Arbeitsloſigkeit
in den engliſchen Großſtädten bilden.
Richtig betonte Lord Roſebery in ſeiner
geiſtvollen Rede, daß der Strom der fremden
Einwanderer überhaupt erſt Induſtrien in England
ſchuf, daß es deutſche Bergleute vom Harz
waren, die von Heinrich III. nach England ge-
zogen wurden, um die reichen Zinn- und Kupfer-
gruben in Cornwall zu erſchließen, daß es (Sir)
Johann Spielmann aus Lindan am Bodenſee
war, der die erſte Papiermühle in England er-
richtete, daß es vlämiſche Leinenweber waren, die
ihre Induſtrie nach London verpflanzten, und
daß italieniſche Seidenſpinner aus Lucca und
franzöſiſche Hugenotten die Seidenzucht in England
begründeten. Heinrich IV. führte Bergleute
aus Böhmen und Ungarn ein und
ließ ſich Arbeiter aus Holland kommen,
um ſeine Untertanen in der Herſtellung
von Salz zu unterrichten. Eduard IV. machte
vlämiſche Waffenſchmiede in Yorkſhire ſeßhaft und
Heinrich VIII. ſicherte ſich die Dienſte von Brauern,
Meſſerſchmieden und Schiffsbauern aus Deutſch-
land und den Niederlanden. Antwerpen und
Brügge ſandte Tuchmacher, Paris Glasbläſer,
Belgien Meſſerſchmiede, die Sheffield zu ihrem
Sitz machten, Holland Uhrmacher, Töpfer und
Gärtner. Dieſe Zuzügler kamen durchaus nicht
als Bettler nach England, denn Macpherſon
bemerkt z. B. in ſeinen «Annals of Commerce»,
daß die 50.000 Hugenotten in Geld oder Geldes-
wert je 1200 Mark mit ſich führten, den eng-
liſchen Nationalreichtum (der damals noch ſehr
im argen lag) alſo um 60 Millionen Mark ver-
mehrten, d h. eine Summe, die heute das Fünf-
fache darſtellen würde.

Von alledem wollen die engliſchen Maſſen
heute nichts hören, und ſo mußte auch Lord
Roſebery die üble Erfahrung machen, daß er
tauben Ohren gepredigt hatte.


[Spaltenumbruch]
Gemeindezeitung.
Die Einververleibung und der Wiener
Gemeinderat.

Mit der Einverleibung des
21. Bezirkes wird ſich auch die Zuſammenſetzung
des Wiener Gemeinderates verändern. Derſelbe
wird fortan aus 165 (ſtatt 158) Mitgliedern be-
ſtehen, u. zw. aus je 48 aus den drei erſten
Wahlkörpern und 21 aus dem vierten. Der
Stadtrat wird in Hinkunft 27 (ſtatt 22) ge-
wählte Mitglieder zählen, von denen eines aus
den Gemeinderäten des neunten Bezirkes ent-
nommen werden muß. Die Wahl der ſteben
neuen Mitglieder des Gemeinderates dürfte
eheſtens erfolgen; der erſte, zweite und dritte
Wahlkörper des Bezirkes wählen je zwei, der
vierte ein Mitglied. Der Ausſchuß für Verleihung
des Heimatsrechtes wird aufgelöſt und ſofort neu
gewählt. Gleichzeitig mit der Wahl der Ge-
meinderäte hat auch die Wahl der Be-
zirksvertretung Floridsdorf zu erfolgen. Mit
der Beſtätigung des neugewählten Vorſtehers
für den 21. Bezirk hört dann die Wirkſamkeit
der Gemeindevertretungen auf. Der Tag, an
welchem das magiſtratiſche Bezirksamt Florids-
dorf ſeine Tätigkeit beginnt, wird vom Statt-
halter im Einvernehmen mit dem Landesaus-
ſchuſſe feſtgeſetzt. — Die Gemeindeumlagen werden
bis Ende 1905 noch nach dem Voranſchlage der
betreffenden Gemeinden eingehoben, ab 1. Jänner
1906 aber in dem für Wien feſtgeſetzten Aus-
maße. Die Bezirksſtraßen werden als Gemeinde-
ſtraßen von Wien übernommen, bis dahin bleiben
die Bezirksſtraßenausſchüſſe in Wirkſamkeit. Die
öffentliche Armenpflege geht mit der Konſtituierung
des Armeninſtituts für den 21. Bezirk an die
Gemeinde Wien über.

Sitzungen im Rathauſe.

Der Gemeinde-
rat hält in der kommenden Woche am Dienstag
den 10. d. um 5 Uhr nachmittags eine öffentliche
Sitzung ab. — Der Stadtrat hält Dienstag,
Donnerstag und Freitag um 10 Uhr vormittags
Sitzungen ab.




Tagesbericht.


* Kalender für Dienstag den 10. Jänner.

Katholiken: Paul E. — Griechen (28. Dez.):
2000 Märtyrer. — Sonnenaufgang 7 Uhr 50 Minuten
morgens. — Sonnenuntergang 4 Uhr 25 Minuten
abends. — Mondesaufgang 10 Uhr 12 Minuten
vormittags. — Mondesuntergang 9 Uhr 32 Minuten
abends.

* Hof- und Perſonalnachrichten.

Prinz
Leopold und Prinz Georg von Baiern
ſtatteten Sonntag vormittags dem bairiſchen Ge-
ſandten Freiherrn v. Tucher, in deſſen Palais,
einen längeren Beſuch ab. Die Prinzen fuhren dann
in das Künſtlerhaus und beſichtigten durch eine
Stunde die Aquarell-Ausſtellung.

* Aus unſerer Armee.

Der Kaiſer hat an-
geordnet: Die Uebernahme des FML. Ferdinand
v. Schkrobanek in den Ruheſtand, die Trans-
ferierung des Oberſten Friedrich Novak (Infanterie-
Regiment Nr. 29) zum Infanterie-Regiment Nr. 53,
die Uebernahme des Oberſtleutnants Karl Zeiterer
(Infanterie-Regiment Nr. 32), des Oberſtleutnants
Paul Duralia (Infanterie-Regiment Nr. 52), des
Majors Joſef Pfaffenbühler in den Ruheſtand,
die Einrückung des Gardeleutnants Emil Tazoll
in die Leibgarde-Infanterie-Kompagnie, die Ueber-
nahme des Generalſtabsarztes Dr. Joſef Bernolak
von Haraßt in den Ruheſtand. Ferner hat der Kaiſer
ernannt: Zum Platzkommandanten in Graz den
Oberſtleutnant Joſef Walter, zu Oberärzten im
Aktivſtande die Doktoren Joſef Igavič, Roniuald
Kuchar, Aurel Ijac.

* Truppenverſtärkungen an der italieni-
ſchen Grenze.

Wir haben bereits Mitteilung von
den bevorſtehenden Truppenverſchiebungen gemacht.
Sie bezwecken in allererſter Linie die Verſtärkung
der Truppen in Tirol, gegen die italieniſche Grenze.
Seinerzeit war die Linie von Bruneck über Lienz
nach Villach ſtark militäriſch beſetzt und das Puſter-
tal hatte ſtarke Garniſonen. In Sillian lag eine
Kompagnie, in Bruneck war bis vor drei
Jahren noch ein Landesſchützenbataillon ſtationiert.
Bis zum heurigen Jahre lag dort eine Kompagnie,
in Niederndorf und Bruneck außerdem ein Halb-
bataillon Kaiſerjäger. Die Beſatzung von Franzens-
feſte hatte früher die doppelte Stärke, zwei
Kompagnien, in Cortina d’ Ampezzo, in Toblach
waren je ein Bataillon Landesſchützen disloziert,
ſchließlich ſind die Orte Pergine, Borgo, Mezzo-
lombardo, Torbole, Tione und Creto ihrer früher
dort ſtationierten Halbbataillone entblößt. Noch vor
einem Vierteljahrhundert waren volle 38 Bataillone
in Tirol ſofort zur Verfügung. Nun erfolgt neuer-
dings die militäriſche Belegung mehrerer in der
Nähe der italieniſchen Grenze gelegener Ortſchaften
und die Erhöhung des Garniſonsſtandes in einzelnen
[Spaltenumbruch] Orten, vorwiegend in Tirol. Neue Garniſonen werden
im Bereiche des dritten Korps errichtet in Tolmein
und Monfalcone. Erhöht wird die Truppenſtärke in
Trieſt und Görz, während zur Verteidigung der Be-
feſtigungen in der Flitſcherklauſe, am Predil und im
Seebachtal je eine Kompagnie Feſtungsartillerie
dorthin verlegt wird, die dem Wiener Feſtungs-
artillerie-Regimente Nr. 1 entnommen wird.

* Empfänge bei Erzherzog Franz Ferdi-
nand.

Erzherzog Franz Ferdinand wird am
14., 21. und 28. d. M. und am 4. und 11. Februar,
jedesmal von 11 bis 12 Uhr die in Wien ſtationierten
Generale, (Admirale), Truppenkommandanten und
Gleichgeſtellte (Abteilungsvorſtände des Reichskriegs-
miniſteriums, Marineſektion und des Miniſteriums
für Landesverteidigung) im Palais im Oberen Bel-
vedere empfangen.

* Aus dem Altkatholizismus.

Wäre es
nicht ein offizielles Organ des deutſchen Altkatholizis-
mus, das „altkatholiſche Volksblatt“, das uns die
Nachricht übermittelt, wir könnten ſie kaum ernſt
nehmen! Die Altkatholiken haben einen Biſchof, der
— fälſchlich konſekriert worden iſt. Biſchof Theodor
Weber erklärt in dem genannten Blatte wörtlich:
„Ein Herr Miraglia, zu dem die katholiſchen Biſchöfe
der Altkatholiken in keiner Beziehung ſtehen, hat
einen Herrn Houſſay, der den letzteren gänzlich un-
bekannt iſt, in der den Altkatholiken zu Thiengen in
Baden durch die Großherzogliche Staatsregierung
zur Mitbenutzung überwieſenen Kirche Sonntag, den
4. d. M., zum Biſchof konſekriert. Das iſt
ohne mein Wiſſen geſchehen, ich würde ſonſt
die Vornahme der Handlung ſelbſtverſtändlich ver-
boten haben. Die Unterſuchung iſt eingeleitet. Im
eigenen Namen und namens der mit mir in Kirchen-
gemeinſchaft ſtehenden Biſchöfe Hollands und der
Schweiz mache ich hierdurch bekannt, daß wir nach
wie vor weder Herrn Miraglia noch Herrn Houſſay
als altkatholiſche Biſchöfe anerkennen und jede kirch-
liche Gemeinſchaft mit ihnen zurückweiſen. Bonn,
21. Dezember 1904.“ Und das iſt eine „romfreie“
Kirche, für die in Oſterreich die Werbetrommel ge-
rührt und deutſches Geld geſpendet wird.

* Auf Menſchenfang.

Mit allen Mitteln und
Mittelchen wird gegen das katholiſche Bekenntnis
und die katholiſche Kirche in den Kampf gezogen.
In Wien iſt jetzt auf einmal ein „Bund der Deutſch-
öſterreicher“ entſtanden, von dem bisher niemand
etwas wußte. Dieſer Bund macht ſich unter anderem
„die Errichtung oder Unterſtützung von in vater-
ländiſchnationalem Geiſte
geleiteten Schulen
zur ſatzungsgemäßen Aufgabe.“ Was er aber unter
dem „vaterländiſchnationalen Geiſt“ verſteht, das geht
aus einem gedruckten Rundſchreiben hervor, welches
für die eine in Währing zu gründende evangeliſche
Schule
Propaganda macht. „Um bei gemiſchten
Ehen“, heißt es in dieſem Rundſchreiben, bei
welchen ein Teil der Kinder evangeliſchen, der
andere katholiſchen Bekenntniſſes iſt, auch den
letzteren (alſo dem katholiſchen!) den Beſuch dieſer
Erziehungsanſtalt zu ermöglichen, wurde beſchloſſen,
grundſätzlich auch Kinder katholiſchen Glaubens,
ſofern ſie von deutſchen Eltern ſind, aufzunehmen.
Dieſe Schule ſoll überhaupt den Unterricht nicht
blos in deutſcher Zunge, ſondern — was das
wichtigſte iſt — auch in deutſchem Geiſte pflegen
und in nationalem, vaterländiſchem Sinne geleitet
werden, wie es bei den Schulen anderer Völker
unſeres Reiches ſchon längſt eingeführt iſt.“ Der
„Bund der Deutſchöſterreichiſcher“ identifiziert alſo
die Begriffe Vaterländiſch und „evangeliſch“, eine der
gröbſten politiſchen Lügen, die je in die Welt geſetzt
wurden. Und mit Hilfe dieſer kühnen Erfindung ſoll
in Währing der Kinderfang betrieben werden! Das
iſt alſo „deutſchöſterreichiſch“ im Sinne dieſer Ver-
einsmacher. Wir hätten nichts gegen Beſtrebungen
für eine proteſtantiſch-konfeſſionelle Schule einzu-
wenden, wenn ihre Vorkämpfer die Konſequenz be-
ſäßen, auch für die katholiſch-konfeſſionelle Schule
einzutreten. Doch das iſt natürlich etwas anderes.

* Erzherzog Joſef.

Wir erhalten aus Fiume
folgende heutige Meldung des Ungariſchen Tele-
graphen-Korreſpondenz-Bureaus: Ueber das Befinden
des Herrn Erzherzogs Joſef wurde heute um 9 Uhr
vormittags folgendes Bulletin ausgegeben: Im Be-
finden Sr. k. und k. Hoheit iſt ſeit geſtern eine
Beſſerung bemerkbar. Herztätigkeit zufrieden-
ſtellend, Puls und Temperatur normal. Gez: Doktor
Kiſſeljak, Dr. Groſſic.

* Leopold Wölfling.

Wie die „Basler Nach-
richten“ erfahren, hat der ſchweizeriſche Bundesrat
das Naturaliſationsgeſuch des gegenwärtig heimats-
loſen ehemaligen Erzherzogs Leopold an die Re-
gierung des Kantons Zug überwieſen, um von dort
die Befürwortung einzuholen.

* Sterbefall.

Samstag abends ſtarb hier die
vormalige Kammerfrau der Kronprinzeſſin-Witwe
Stefanie (Gräfin Lonyay) Frau Ida Haas. Die
Leiche wird morgen um 2 Uhr nachmittags in der
Peterskirche eingeſegnet und im Familiengrabe auf
dem Zentralfriedhof beerdigt.

* Aſtronomiſches.

Vor nicht langer Zeit
wurde die aufſehenerregende Entdeckung gemacht,
daß der Jupiter noch von einem fünften Monde
umkreiſt werde. Bei der Beobachtung dieſes neuen
Satelliten wurde nun am Lick Obſervatorium auf
dem Mount Hamilton noch ein ſechſter Jupitermond
mit Hilfe des rieſigen Refraktors entdeckt.


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[3/0003] 7 Wien, Dienstag Reichspoſt 10. Jänner 1905 dem Appellationsgericht in Bordeaux, angeklagt, ein ihm gehörendes Haus an Schweſtern ver- mietet zu haben, welche ſich als ſäkulariſiert be- zeichnen und eine freie Schule in Segonzag unter- hielten. Zu gleicher Zeit mit ihm waren ange- klagt der Pfarrer von Segonzag, die Direktorin der Schule und drei Lehrerinnen, ehemalige Kongreganiſtinnen. Kardinal Lecot war zur Be- grüßung des Biſchofs am Bahnhof erſchienen. Der Biſchof ſtellte ſich dem Gerichtshofe im biſchöf- lichen Ornat vor, begleitet von zahl- reichen Mitgliedern des Klerus und vielen Laien. Er rechne es ſich zur Ehre an, wegen einer ſolchen Sache erſcheinen zu müſſen. Er habe eine chriſtliche Schule eröffnet. Er ſei Biſchof durch Willen der Kirche und auch der Regierung. Die Bulle ſeiner Ernennung ſei ja doch vom Staats- rate einregiſtriert worden im Namen der Republik. Eine der daſelbſt enthaltenen Pflichten ſei: er ſolle chriſtliche Moral ins Volk bringen und über die Erziehung der Kinder wachen, an denen dem Volke ſo viel gelegen ſei. Das Urteil wird erſt am 16. d. geſprochen. Rußland. Zuſtände in Rußland. In Süd- und Mittelrußland herrſcht ſeit einigen Tagen in vielen Orten offener Aufruhr und Re- volution. Auf dem flachen Lande wagen die Ortsbehörden aus Furcht vor Gewalttaten der bis aufs äußerſte erregten Bevölkerung kein Ein- ſchreiten mehr. Vielfach ſind bereits Gutshöfe von den Bauern angezündet und geplündert worden. Im ganzen Innern herrſcht die furcht- barſte Unordnung. Das Gefängnis von Charkow wurde in Brand geſteckt, wobei eine große Anzahl der Inhaftierten durch Pöbelhaufen in Freiheit geſetzt wurde. Die Reformberatungen im Miniſterium. Am 6. Jänner fand eine Sitzung des Miniſter- komitees ſtatt, in der die Beratung der Fragen wegen der Rechtsſicherheit gemäß dem Erlaß des Kaiſers vom 25. v. M. zu Ende geführt wurde. Darauf wurde über Maßregeln zum Schutze des Loſes der Arbeiter in Fabriken und Werkſtätten beraten. Morgen ſoll eine Sitzung ſtattfinden, in der über die Frage der Beteiligung von Ver- tretern der Semſtwo an Regierungsangelegenheiten und über die Abſchaffung der für die Preſſe be- ſtehenden Beſchränkungen beraten werden wird. Aber wir haben es heute bezüglich der Ein- wanderungsfrage weniger mit dem fremden Kauf- mannsſtande als vielmehr mit dem Handwerker- und Arbeiter-Elemente zu tun, die, nach der Be- hauptung eines engliſchen Staatsmannes, die einheimiſchen Induſtrien ſchädigen und die Haupturſache der ſteigenden Arbeitsloſigkeit in den engliſchen Großſtädten bilden. Richtig betonte Lord Roſebery in ſeiner geiſtvollen Rede, daß der Strom der fremden Einwanderer überhaupt erſt Induſtrien in England ſchuf, daß es deutſche Bergleute vom Harz waren, die von Heinrich III. nach England ge- zogen wurden, um die reichen Zinn- und Kupfer- gruben in Cornwall zu erſchließen, daß es (Sir) Johann Spielmann aus Lindan am Bodenſee war, der die erſte Papiermühle in England er- richtete, daß es vlämiſche Leinenweber waren, die ihre Induſtrie nach London verpflanzten, und daß italieniſche Seidenſpinner aus Lucca und franzöſiſche Hugenotten die Seidenzucht in England begründeten. Heinrich IV. führte Bergleute aus Böhmen und Ungarn ein und ließ ſich Arbeiter aus Holland kommen, um ſeine Untertanen in der Herſtellung von Salz zu unterrichten. Eduard IV. machte vlämiſche Waffenſchmiede in Yorkſhire ſeßhaft und Heinrich VIII. ſicherte ſich die Dienſte von Brauern, Meſſerſchmieden und Schiffsbauern aus Deutſch- land und den Niederlanden. Antwerpen und Brügge ſandte Tuchmacher, Paris Glasbläſer, Belgien Meſſerſchmiede, die Sheffield zu ihrem Sitz machten, Holland Uhrmacher, Töpfer und Gärtner. Dieſe Zuzügler kamen durchaus nicht als Bettler nach England, denn Macpherſon bemerkt z. B. in ſeinen «Annals of Commerce», daß die 50.000 Hugenotten in Geld oder Geldes- wert je 1200 Mark mit ſich führten, den eng- liſchen Nationalreichtum (der damals noch ſehr im argen lag) alſo um 60 Millionen Mark ver- mehrten, d h. eine Summe, die heute das Fünf- fache darſtellen würde. Von alledem wollen die engliſchen Maſſen heute nichts hören, und ſo mußte auch Lord Roſebery die üble Erfahrung machen, daß er tauben Ohren gepredigt hatte. Gemeindezeitung. Die Einververleibung und der Wiener Gemeinderat. Mit der Einverleibung des 21. Bezirkes wird ſich auch die Zuſammenſetzung des Wiener Gemeinderates verändern. Derſelbe wird fortan aus 165 (ſtatt 158) Mitgliedern be- ſtehen, u. zw. aus je 48 aus den drei erſten Wahlkörpern und 21 aus dem vierten. Der Stadtrat wird in Hinkunft 27 (ſtatt 22) ge- wählte Mitglieder zählen, von denen eines aus den Gemeinderäten des neunten Bezirkes ent- nommen werden muß. Die Wahl der ſteben neuen Mitglieder des Gemeinderates dürfte eheſtens erfolgen; der erſte, zweite und dritte Wahlkörper des Bezirkes wählen je zwei, der vierte ein Mitglied. Der Ausſchuß für Verleihung des Heimatsrechtes wird aufgelöſt und ſofort neu gewählt. Gleichzeitig mit der Wahl der Ge- meinderäte hat auch die Wahl der Be- zirksvertretung Floridsdorf zu erfolgen. Mit der Beſtätigung des neugewählten Vorſtehers für den 21. Bezirk hört dann die Wirkſamkeit der Gemeindevertretungen auf. Der Tag, an welchem das magiſtratiſche Bezirksamt Florids- dorf ſeine Tätigkeit beginnt, wird vom Statt- halter im Einvernehmen mit dem Landesaus- ſchuſſe feſtgeſetzt. — Die Gemeindeumlagen werden bis Ende 1905 noch nach dem Voranſchlage der betreffenden Gemeinden eingehoben, ab 1. Jänner 1906 aber in dem für Wien feſtgeſetzten Aus- maße. Die Bezirksſtraßen werden als Gemeinde- ſtraßen von Wien übernommen, bis dahin bleiben die Bezirksſtraßenausſchüſſe in Wirkſamkeit. Die öffentliche Armenpflege geht mit der Konſtituierung des Armeninſtituts für den 21. Bezirk an die Gemeinde Wien über. Sitzungen im Rathauſe. Der Gemeinde- rat hält in der kommenden Woche am Dienstag den 10. d. um 5 Uhr nachmittags eine öffentliche Sitzung ab. — Der Stadtrat hält Dienstag, Donnerstag und Freitag um 10 Uhr vormittags Sitzungen ab. Tagesbericht. Wien den 9. Jänner. * Kalender für Dienstag den 10. Jänner. Katholiken: Paul E. — Griechen (28. Dez.): 2000 Märtyrer. — Sonnenaufgang 7 Uhr 50 Minuten morgens. — Sonnenuntergang 4 Uhr 25 Minuten abends. — Mondesaufgang 10 Uhr 12 Minuten vormittags. — Mondesuntergang 9 Uhr 32 Minuten abends. * Hof- und Perſonalnachrichten. Prinz Leopold und Prinz Georg von Baiern ſtatteten Sonntag vormittags dem bairiſchen Ge- ſandten Freiherrn v. Tucher, in deſſen Palais, einen längeren Beſuch ab. Die Prinzen fuhren dann in das Künſtlerhaus und beſichtigten durch eine Stunde die Aquarell-Ausſtellung. * Aus unſerer Armee. Der Kaiſer hat an- geordnet: Die Uebernahme des FML. Ferdinand v. Schkrobanek in den Ruheſtand, die Trans- ferierung des Oberſten Friedrich Novak (Infanterie- Regiment Nr. 29) zum Infanterie-Regiment Nr. 53, die Uebernahme des Oberſtleutnants Karl Zeiterer (Infanterie-Regiment Nr. 32), des Oberſtleutnants Paul Duralia (Infanterie-Regiment Nr. 52), des Majors Joſef Pfaffenbühler in den Ruheſtand, die Einrückung des Gardeleutnants Emil Tazoll in die Leibgarde-Infanterie-Kompagnie, die Ueber- nahme des Generalſtabsarztes Dr. Joſef Bernolak von Haraßt in den Ruheſtand. Ferner hat der Kaiſer ernannt: Zum Platzkommandanten in Graz den Oberſtleutnant Joſef Walter, zu Oberärzten im Aktivſtande die Doktoren Joſef Igavič, Roniuald Kuchar, Aurel Ijac. * Truppenverſtärkungen an der italieni- ſchen Grenze. Wir haben bereits Mitteilung von den bevorſtehenden Truppenverſchiebungen gemacht. Sie bezwecken in allererſter Linie die Verſtärkung der Truppen in Tirol, gegen die italieniſche Grenze. Seinerzeit war die Linie von Bruneck über Lienz nach Villach ſtark militäriſch beſetzt und das Puſter- tal hatte ſtarke Garniſonen. In Sillian lag eine Kompagnie, in Bruneck war bis vor drei Jahren noch ein Landesſchützenbataillon ſtationiert. Bis zum heurigen Jahre lag dort eine Kompagnie, in Niederndorf und Bruneck außerdem ein Halb- bataillon Kaiſerjäger. Die Beſatzung von Franzens- feſte hatte früher die doppelte Stärke, zwei Kompagnien, in Cortina d’ Ampezzo, in Toblach waren je ein Bataillon Landesſchützen disloziert, ſchließlich ſind die Orte Pergine, Borgo, Mezzo- lombardo, Torbole, Tione und Creto ihrer früher dort ſtationierten Halbbataillone entblößt. Noch vor einem Vierteljahrhundert waren volle 38 Bataillone in Tirol ſofort zur Verfügung. Nun erfolgt neuer- dings die militäriſche Belegung mehrerer in der Nähe der italieniſchen Grenze gelegener Ortſchaften und die Erhöhung des Garniſonsſtandes in einzelnen Orten, vorwiegend in Tirol. Neue Garniſonen werden im Bereiche des dritten Korps errichtet in Tolmein und Monfalcone. Erhöht wird die Truppenſtärke in Trieſt und Görz, während zur Verteidigung der Be- feſtigungen in der Flitſcherklauſe, am Predil und im Seebachtal je eine Kompagnie Feſtungsartillerie dorthin verlegt wird, die dem Wiener Feſtungs- artillerie-Regimente Nr. 1 entnommen wird. * Empfänge bei Erzherzog Franz Ferdi- nand. Erzherzog Franz Ferdinand wird am 14., 21. und 28. d. M. und am 4. und 11. Februar, jedesmal von 11 bis 12 Uhr die in Wien ſtationierten Generale, (Admirale), Truppenkommandanten und Gleichgeſtellte (Abteilungsvorſtände des Reichskriegs- miniſteriums, Marineſektion und des Miniſteriums für Landesverteidigung) im Palais im Oberen Bel- vedere empfangen. * Aus dem Altkatholizismus. Wäre es nicht ein offizielles Organ des deutſchen Altkatholizis- mus, das „altkatholiſche Volksblatt“, das uns die Nachricht übermittelt, wir könnten ſie kaum ernſt nehmen! Die Altkatholiken haben einen Biſchof, der — fälſchlich konſekriert worden iſt. Biſchof Theodor Weber erklärt in dem genannten Blatte wörtlich: „Ein Herr Miraglia, zu dem die katholiſchen Biſchöfe der Altkatholiken in keiner Beziehung ſtehen, hat einen Herrn Houſſay, der den letzteren gänzlich un- bekannt iſt, in der den Altkatholiken zu Thiengen in Baden durch die Großherzogliche Staatsregierung zur Mitbenutzung überwieſenen Kirche Sonntag, den 4. d. M., zum Biſchof konſekriert. Das iſt ohne mein Wiſſen geſchehen, ich würde ſonſt die Vornahme der Handlung ſelbſtverſtändlich ver- boten haben. Die Unterſuchung iſt eingeleitet. Im eigenen Namen und namens der mit mir in Kirchen- gemeinſchaft ſtehenden Biſchöfe Hollands und der Schweiz mache ich hierdurch bekannt, daß wir nach wie vor weder Herrn Miraglia noch Herrn Houſſay als altkatholiſche Biſchöfe anerkennen und jede kirch- liche Gemeinſchaft mit ihnen zurückweiſen. Bonn, 21. Dezember 1904.“ Und das iſt eine „romfreie“ Kirche, für die in Oſterreich die Werbetrommel ge- rührt und deutſches Geld geſpendet wird. * Auf Menſchenfang. Mit allen Mitteln und Mittelchen wird gegen das katholiſche Bekenntnis und die katholiſche Kirche in den Kampf gezogen. In Wien iſt jetzt auf einmal ein „Bund der Deutſch- öſterreicher“ entſtanden, von dem bisher niemand etwas wußte. Dieſer Bund macht ſich unter anderem „die Errichtung oder Unterſtützung von in vater- ländiſchnationalem Geiſte geleiteten Schulen zur ſatzungsgemäßen Aufgabe.“ Was er aber unter dem „vaterländiſchnationalen Geiſt“ verſteht, das geht aus einem gedruckten Rundſchreiben hervor, welches für die eine in Währing zu gründende evangeliſche Schule Propaganda macht. „Um bei gemiſchten Ehen“, heißt es in dieſem Rundſchreiben, bei welchen ein Teil der Kinder evangeliſchen, der andere katholiſchen Bekenntniſſes iſt, auch den letzteren (alſo dem katholiſchen!) den Beſuch dieſer Erziehungsanſtalt zu ermöglichen, wurde beſchloſſen, grundſätzlich auch Kinder katholiſchen Glaubens, ſofern ſie von deutſchen Eltern ſind, aufzunehmen. Dieſe Schule ſoll überhaupt den Unterricht nicht blos in deutſcher Zunge, ſondern — was das wichtigſte iſt — auch in deutſchem Geiſte pflegen und in nationalem, vaterländiſchem Sinne geleitet werden, wie es bei den Schulen anderer Völker unſeres Reiches ſchon längſt eingeführt iſt.“ Der „Bund der Deutſchöſterreichiſcher“ identifiziert alſo die Begriffe Vaterländiſch und „evangeliſch“, eine der gröbſten politiſchen Lügen, die je in die Welt geſetzt wurden. Und mit Hilfe dieſer kühnen Erfindung ſoll in Währing der Kinderfang betrieben werden! Das iſt alſo „deutſchöſterreichiſch“ im Sinne dieſer Ver- einsmacher. Wir hätten nichts gegen Beſtrebungen für eine proteſtantiſch-konfeſſionelle Schule einzu- wenden, wenn ihre Vorkämpfer die Konſequenz be- ſäßen, auch für die katholiſch-konfeſſionelle Schule einzutreten. Doch das iſt natürlich etwas anderes. * Erzherzog Joſef. Wir erhalten aus Fiume folgende heutige Meldung des Ungariſchen Tele- graphen-Korreſpondenz-Bureaus: Ueber das Befinden des Herrn Erzherzogs Joſef wurde heute um 9 Uhr vormittags folgendes Bulletin ausgegeben: Im Be- finden Sr. k. und k. Hoheit iſt ſeit geſtern eine Beſſerung bemerkbar. Herztätigkeit zufrieden- ſtellend, Puls und Temperatur normal. Gez: Doktor Kiſſeljak, Dr. Groſſic. * Leopold Wölfling. Wie die „Basler Nach- richten“ erfahren, hat der ſchweizeriſche Bundesrat das Naturaliſationsgeſuch des gegenwärtig heimats- loſen ehemaligen Erzherzogs Leopold an die Re- gierung des Kantons Zug überwieſen, um von dort die Befürwortung einzuholen. * Sterbefall. Samstag abends ſtarb hier die vormalige Kammerfrau der Kronprinzeſſin-Witwe Stefanie (Gräfin Lonyay) Frau Ida Haas. Die Leiche wird morgen um 2 Uhr nachmittags in der Peterskirche eingeſegnet und im Familiengrabe auf dem Zentralfriedhof beerdigt. * Aſtronomiſches. Vor nicht langer Zeit wurde die aufſehenerregende Entdeckung gemacht, daß der Jupiter noch von einem fünften Monde umkreiſt werde. Bei der Beobachtung dieſes neuen Satelliten wurde nun am Lick Obſervatorium auf dem Mount Hamilton noch ein ſechſter Jupitermond mit Hilfe des rieſigen Refraktors entdeckt.

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Zitationshilfe: Reichspost. Nr. 7, Wien, 10.01.1905, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_reichspost007_1905/3>, abgerufen am 21.11.2024.