Reichspost. Nr. 7, Wien, 10.01.1905.Wien, Dienstag Reichspost 10. Jänner 1905 7 [Spaltenumbruch] ca. "Die blutschwitzende Inngfrau von Susa". Unter diesem Titel meldete die "Arbeiter- * Neujahr auf der Post. Man kennt die * Ein merkwürdiger Ball soll heuer in das * Ein weiblicher Rockdieb. Ein Novum auf * Das katholisch-politische Kasino "Land- straße" hält seine Generalversammlung am Mitt- * Schiffsunglück. Man depeschiert uns aus [Spaltenumbruch] * Schweres Eisenbahnunglück. Wir erhalten * Eine Schulfeier. Am Dreikönigstage wurde * Aus dem Polizeiberichte. In den Park- * Verein Säuglingsschutz. Gestern fand in * Der beraubte Postwagen. Man schreibt * Knabensängerschule Perosis. Man schreibt * Vandalismus in Berlin. Man depeschiert * Das Glück des Gärtners. Die in Schottland Niederösterreich. Schulvereinsversamm- lung. Aus Burgschleinitz wird uns ge- Plötzlicher Tod in der Kirche. Aus Oberösterreich. Selbstmord des Ischler Bürgermeisters. Der Bürgermeister von Ischl, Böhmen. Ein treuer Kurgast. Aus Hungertyphus. Aus Ronsperg wird dem Eine unsinnige Wette. In Josefi- Galizien. Vom Lemberger Rathaus. Man schreibt uns aus Lemberg: Hier geht man Gaunerfrechheit. Im Lemberger Ungarn. Die Verhaftung des Advo- katen Hegedüs. Samstag abends wurde in Wien, Dienstag Reichspoſt 10. Jänner 1905 7 [Spaltenumbruch] ca. „Die blutſchwitzende Inngfrau von Suſa“. Unter dieſem Titel meldete die „Arbeiter- * Neujahr auf der Poſt. Man kennt die * Ein merkwürdiger Ball ſoll heuer in das * Ein weiblicher Rockdieb. Ein Novum auf * Das katholiſch-politiſche Kaſino „Land- ſtraße“ hält ſeine Generalverſammlung am Mitt- * Schiffsunglück. Man depeſchiert uns aus [Spaltenumbruch] * Schweres Eiſenbahnunglück. Wir erhalten * Eine Schulfeier. Am Dreikönigstage wurde * Aus dem Polizeiberichte. In den Park- * Verein Säuglingsſchutz. Geſtern fand in * Der beraubte Poſtwagen. Man ſchreibt * Knabenſängerſchule Peroſis. Man ſchreibt * Vandalismus in Berlin. Man depeſchiert * Das Glück des Gärtners. Die in Schottland Niederöſterreich. Schulvereinsverſamm- lung. Aus Burgſchleinitz wird uns ge- Plötzlicher Tod in der Kirche. Aus Oberöſterreich. Selbſtmord des Iſchler Bürgermeiſters. Der Bürgermeiſter von Iſchl, Böhmen. Ein treuer Kurgaſt. Aus Hungertyphus. Aus Ronsperg wird dem Eine unſinnige Wette. In Joſefi- Galizien. Vom Lemberger Rathaus. Man ſchreibt uns aus Lemberg: Hier geht man Gaunerfrechheit. Im Lemberger Ungarn. Die Verhaftung des Advo- katen Hegedüs. Samstag abends wurde in <TEI> <text> <body> <div type="jVarious" n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <pb facs="#f0004" n="4"/> <fw place="top" type="header">Wien, Dienstag Reichspoſt 10. Jänner 1905 7</fw><lb/> <cb/> </div> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#aq">ca.</hi> <hi rendition="#b">„Die blutſchwitzende Inngfrau von<lb/> Suſa“.</hi> </head> <p>Unter dieſem Titel meldete die „Arbeiter-<lb/> Zeitung“ folgende freche Lüge: Eine Perſon,<lb/> namens Roſa Brol, in Suſa (Tirol) bekam an-<lb/> geblich jeden Freitag Blutſchwitzen, bis eines<lb/> Tages der Pfarrer Don Brudel, der feſt an ein<lb/> Wunder glaubte, die „ausnehmend ſchöne“ Roſa<lb/> in einem intimem <hi rendition="#aq">Tête à tête</hi> mit ſeinem Kaplan<lb/> antraf. Es kam nun zwiſchen den beiden Geiſt-<lb/> lichen zu einer regelrechten Rauferei, während der<lb/> die vor Angſt blutſchwitzende Jungfrau ſich aus<lb/> dem Staube machte. Der Fürſtbiſchof von Trient<lb/> verſetzte den Kaplan nach Montagne. Wenige Mo-<lb/> nate darauf fanden Gendarmen ein neugeborenes<lb/> Kind vor der Kirchentür zu Levico. Nach<lb/> ärztlicher Unterſuchung bekannte die fromme Roſa<lb/> vor Gericht, daß ſie „nicht nur dieſes Kind,<lb/> ſondern vorher ſchon zwei andere Kinder infolge<lb/> prieſterlichen Einfluſſes geboren und weggelegt<lb/> habe.“ Der hochw. Herr Fürſterzbiſchof von<lb/> Trient teilt nun folgendes mit: Unwahr iſt, daß<lb/> die Roſa Brol ein regelrechtes Blutſchwitzen hatte<lb/> und im Rufe der Heiligkeit ſtand; daß der<lb/> Pfarrer Don Brudel (ſoll heißen Prudel) bis vor<lb/> kurzem in Suſa war, wie die Blätter berichteten;<lb/> er war vor etwa 20 Jahren dort und iſt ſtets<lb/> ein muſterhafter Prieſter geweſen. Unwahr iſt,<lb/> daß er ſeinen Kaplan in intimem T<hi rendition="#aq">ê</hi>te <hi rendition="#aq">à</hi> t<hi rendition="#aq">ê</hi>te<lb/> mit der Brol antraf, daß es infolgedeſſen zu<lb/> einer Rauferei zwiſchen den beiden Geiſtlichen kam<lb/> und daß der Kaplan dann verſetzt wurde;<lb/> in Suſa iſt überhaupt <hi rendition="#g">niemals ein Kaplan<lb/> geweſen!</hi> Unwahr iſt, daß jemals der Pfarrer<lb/> an ein wunderbares Blutſchwitzen bei der Brol<lb/> geglaubt hat. Wahr iſt, daß vor der Kirchentüre<lb/> zu Levico einmal ein neugeborenes Kind gefunden<lb/> wurde, deſſen Mutter, die Roſa Brol, den<lb/> Pfarrer von Suſa als Vater bezeichnete. Es<lb/> wurde jedoch gerichtlich feſtgeſtellt, daß dies eine<lb/> Verleumdung und der Vater ein Laie war. An<lb/> der ganzen Geſchichte iſt alſo, ſoweit ſie eine Ver-<lb/> ächtlichung des katholiſchen Klerus bezweckt, kein<lb/> wahres Wort. Leider iſt eine gerichtliche Klage<lb/> gegen die Verleumder ausgeſchloſſen, denn von<lb/> den verleumdeten Prieſtern iſt der eine geſtorben,<lb/> der andere hat überhaupt nie exiſtiert.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Neujahr auf der Poſt.</hi> </head> <p>Man kennt die<lb/> enorme Arbeit der Poſt zu Weihnachten und Neu-<lb/> jahr. Immerhin mag es von Intereſſe ſein, Ziffern<lb/> zu erfahren, welche ein Bild von der Arbeitsleiſtung<lb/> der Poſt zu Neujahr bieten. Bei ſämtlichen Poſt-<lb/> ämtern Wiens und Umgebung wurden in der Zeit<lb/> vom 28. Dezember bis zum 2. Jänner 33,877.181<lb/> Stück Briefpoſtſendungen poſtämtlich behandelt, von<lb/> welcher Summe nicht weniger als über vierzehn<lb/> Millionen auf Korreſpondenzkarten entfielen. Von der<lb/> Geſamtzahl der Sendungen, unter denen die rekom-<lb/> mandierten Briefe bloß 281.427 Stück ſtellten, entfiel<lb/> die Hälfte auf den Lokalverkehr. Schließlich ſei noch<lb/> erwähnt, daß der Verkehr mit rund 18 Millionen<lb/> aufgegebenen und 15 Millionen abgegebenen Stücken<lb/> gegen das Vorjahr eine Steigerung um 127.714 Stück<lb/> aufzuweiſen hat. — Der Wiener Poſtverkehr allein<lb/> repräſentiert alſo zu Weihnachten eine Ausgabe von<lb/> ein paar Millionen Kronen für — Neujahrsglück-<lb/> wünſche. Das Neujahrwünſchen iſt eben ſchon in<lb/> ſeinem heutigen Umfange zu einer graſſierenden Un-<lb/> ſitte und zu einer wahren Plage für Unzählige<lb/> geworden.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Ein merkwürdiger Ball</hi> </head> <p>ſoll heuer in das<lb/> Faſchingsrepertoire eingefügt werden. Die <hi rendition="#g">weib-<lb/> lichen Maler-Modelle</hi> veranſtalten dieſes Feſt<lb/> und laden zu demſelben als zu einem Wohltätigkeits-<lb/> balle ein. Am Schluß enthält die Verlautbarung den<lb/> eigentümlichen Satz: „Der <hi rendition="#g">Gemütlichkeit</hi> halber<lb/> iſt es geſtattet, im <hi rendition="#g">Mal-</hi> oder <hi rendition="#g">Modellierkittel</hi><lb/> zu erſcheinen.“ Wenn es bei dieſem Tanzfeſte der<lb/> Maler-Modelle nur nicht gar zu „maleriſch“ wird!</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Ein weiblicher Rockdieb.</hi> </head> <p>Ein Novum auf<lb/> dem Gebiete der Kriminaliſtik iſt das Auftreten eines<lb/> weiblichen Rockdiebes in Kaffeehäuſern. Einen weib-<lb/> lichen Rockdieb an Kliniken hat es ſchon gegeben. In<lb/> Kaffeehäuſern wurde das Rockmardertum bisher nur<lb/> durch Männer repräſentiert. Geſtern abends iſt in<lb/> einem der vornehmſten Cafés im Stadtbezirke der<lb/> Schauſpielerin Eliſe Pirkhoff eine ſchwarze Aſtrachan-<lb/> jacke mit Goldſtickerei, lilafärbigem Kragen und<lb/> Seidenfutter im Werte von 120 Kronen geſtohlen<lb/> worden. Statt ihrer iſt eine abgetragene alte Jacke<lb/> zurückgeblieben.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Das katholiſch-politiſche Kaſino „Land-<lb/> ſtraße“</hi> </head> <p>hält ſeine Generalverſammlung am Mitt-<lb/> woch den 11. Jänner, 8 Uhr abends, in Nowaks<lb/> Reſtauration, Landſtraße Hauptſtraße 45, ab; nach<lb/> der Wahl des Ausſchuſſes werden die Herren Ge-<lb/> meinderäte Dr. Haas, Max R. v. Findenigg und<lb/> Landtags-Abgeordneter Hochwürden Joſef Schnabl<lb/> ſprechen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Schiffsunglück.</hi> </head> <p>Man depeſchiert uns aus<lb/><hi rendition="#g">London</hi> vom Heutigen: Ein Glasgower Dampfer<lb/> ſtieß bei Holyhead mit einem ſpaniſchen Dampfer<lb/> zuſammen. Beide Schiffe ſanken. Die Beſatzungen<lb/> wurden gerettet.</p><lb/> <cb/> </div> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Schweres Eiſenbahnunglück.</hi> </head> <p>Wir erhalten<lb/> folgenden telephoniſchen Bericht: Geſtern früh<lb/> wurde der Perſonenzug 2501 der ſteiriſchen Lokalbahn<lb/><hi rendition="#g">Kapfenberg-Auſeewieſen</hi> auf der Fahrt nach<lb/> Kapfenberg von <hi rendition="#g">einem Wirbelſturm</hi> erfaßt.<lb/> Die beiden Perſonenwagen und der Gepäckswagen<lb/> wurden aus dem Geleiſe geriſſen und in den Pörl-<lb/> bach geworfen. Hiebei wurden zwei Paſſagiere ſchwer<lb/> verletzt, vier Paſſagiere, ein Kondukteur und ein<lb/> Poſtwagenkondukteur leicht verletzt. Der Oberbau blieb<lb/> unbeſchädigt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Eine Schulfeier.</hi> </head> <p>Am Dreikönigstage wurde<lb/> in der ſtädtiſchen Volks- und Bürgerſchule Währing,<lb/> Anaſtaſius Grüngaſſe 10, ein gemütvolles Weih-<lb/> nachtsmärchen, „Verloren und Wiedergefunden“ von<lb/> Ottokar Kernſtock, durch Schülerinnen der Anſtalt<lb/> dargeſtellt. Die Aufführung ſtand unter der Leitung<lb/> des Kirchendirektors Katecheten <hi rendition="#g">Mauß,</hi> deſſen Be-<lb/> mühungen es gelang, einen vollen Erfolg zu erzielen.<lb/> Die Aufführung wurde ausgezeichnet durch den Beſuch<lb/> einer ganzen Reihe von Mitgliedern des Kaiſer-<lb/> hauſes. Es waren erſchienen: Frau Erzherzogin<lb/><hi rendition="#g">Maria Joſefa</hi> mit ihrem Sohne Erzherzog <hi rendition="#g">Max,</hi><lb/> Erzherzog <hi rendition="#g">Leopold Salvator</hi> und Erzherzogin<lb/><hi rendition="#g">Blanca</hi> mit ihren Kindern, den Erzherzogen<lb/><hi rendition="#g">Rainer</hi> und <hi rendition="#g">Leopold</hi> und der kleinen Erz-<lb/> herzogin <hi rendition="#g">Marie Antonie,</hi> ferner die Kammer-<lb/> vor eherin Gräfin Alberti, die Gräfinnen Chotek und<lb/> Wrbna, Baronin Schell-Bombelles, Prinz Eduard<lb/> Liechtenſtein, Gräfin Draskovic, Bürgermeiſter<lb/> Dr. Lueger, Abg. Profeſſor Sturm, Magiſtrats-<lb/> direktor Dr. Weiskirchner, Bezirksſchulinſpektor<lb/> kaiſerlicher Rat Fellner, Pfarrer Panholzer, Polizei-<lb/> rat Weinbrenner ꝛc.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Aus dem Polizeiberichte.</hi> </head> <p>In den Park-<lb/> anlagen am Franz Joſefskai, gegenüber der<lb/> Eßlinggaſſe, wurde Sonntag nach Mitternacht der<lb/> Laternenanzünder Johann <hi rendition="#g">Wichard,</hi> neben der<lb/> Leiter am Boden liegend, tief bewußtlos aufgefunden.<lb/> Johann, Wichard wurde nach geleiſteter Hilfe in das<lb/> Spital der Barmherzigen Brüdee gebracht, iſt aber<lb/> bald nach der erfolgten Aufnahme, ohne das Be-<lb/> wußtſein wieder erlangt zu haben, geſtorben. Aus<lb/> der Sachlage kann man folgern, daß Wichard,<lb/> welcher herzleidend geweſen ſein ſoll, infolge eines<lb/> Ohnmachtsanfalles beim Reinigen der Glastafeln<lb/> der Laterne von der Leiter abgeſtürzt ſei und ſich<lb/> die Verletzungen zugezogen habe.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Verein Säuglingsſchutz.</hi> </head> <p>Geſtern fand in<lb/> Anweſenheit der Frau Erherzogin Iſabella die<lb/> feierliche Eröffnung der auf den Gründen des St.<lb/> Anna Kinderſpitales auf dem Zimmermannsplatze<lb/> errichteten erſten Schutzſtelle des Vereines „Säuglings-<lb/> ſchutz“ ſtatt. Den kirchlichen Akt nahm Serviten-<lb/> provinzial <hi rendition="#aq">P.</hi> Johann H. Pix vor. Der Feier<lb/> wohnten die Vertreter der Behörden, Kommune und<lb/> zahlreiche Würdenträger an.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Der beraubte Poſtwagen.</hi> </head> <p>Man ſchreibt<lb/> uns aus Italien: Zwiſchen den Ortſchaften Santa<lb/> Caterina und Canicatti auf Sizilien wurde wieder<lb/> ein Poſtwagen ausgeraubt. Die Räuber waren —<lb/> wie immer — vermummt und bewaffnet und entflohen<lb/> mit den Wertbriefen und den verſicherten Paketen.<lb/> Das alte romantiſche Brigantentum hat man aller-<lb/> dings zerſtört in Sizilien, dafür aber ein gemeineres<lb/> erhalten, nämlich dasjenige des Raubes und des<lb/> Diebſtahls. Aus dem heroiſchen Briganten iſt ein<lb/> gemeiner Verbrecher geworden; alle ritterliche Groß-<lb/> mut iſt ihm verloren gegangen. Die heutigen Bri-<lb/> ganten werden durch das unglaubliche wirtſchaftliche<lb/> Elend zum Verbrechen getrieben und ſolange erſteres<lb/> nicht gemildert iſt, wird dieſes Brigantentum nicht<lb/> aufhören.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Knabenſängerſchule Peroſis.</hi> </head> <p>Man ſchreibt<lb/> uns aus <hi rendition="#g">Rom:</hi> Je mehr die Muſik in den römiſchen<lb/> Kirchen darniederliegt und die Reformen des Papſtes<lb/> in dieſer Beziehung unbe<supplied>a</supplied>chtet bleiben, deſto mehr<lb/> gibt Peroſi ſich Mühe, wenigſtens die ehemals ſo<lb/> berühmte „Sirtiniſche Kapelle“ zu heben und zu einem<lb/> Muſterchor auszubilden, Durch ſeine Energie wurde<lb/> der Kaſtratenwirtſchaft ein Ende gemacht: ſie<lb/> ſollen nunmehr durch wohlgeſchulte Knaben erſetzt<lb/> werden. Zu dieſem Zwecke hat Peroſi unter aus-<lb/> drücklicher Zuſtimmung Pius <hi rendition="#aq">X.</hi> eine eigene Schule,<lb/> eine ſogenannte <hi rendition="#aq">„Schola puerorum“</hi> nach dem<lb/> Muſter der Paleſtrinaſchen <hi rendition="#aq">„Scuola dei putti“</hi> ge-<lb/> gründet. Dieſe hat vor wenigen Tagen<lb/> zu funktionieren angefangen. Ihr Sitz be-<lb/> findet ſich in einem Hauſe neben der<lb/> Engelsburg und die Schüler wurden denjenigen<lb/> der Brüder der Barmherzigkeit entnommen. Es ſind<lb/> gegenwärtig ihrer 50, im Alter zwiſchen acht und elf<lb/> Jahren, welche eigens von Peroſi geprüft wurden<lb/> und nunmehr tagtäglich vom Prof. Rella unterrichtet<lb/> werden. In etwa ſechs Monaten hofft man dieſe<lb/> Knaben in die Sixtiniſche Kapelle einreihen zu können.<lb/> Der ihnen dann zukommende Gehalt wird ihnen auf<lb/> Sparkaſſenbücher eingezahlt. Selbſtverſtändlich mußten<lb/> dieſe jugendlichen Sänger ſich verpflichten, nur in der<lb/> Sixtiniſchen Kapelle zu ſingen, bis — ſie ihre Knaben-<lb/> ſtimmen verloren haben werden. Perofi verſpricht ſich<lb/> ſehr viel von den Erfolgen dieſer neuen Einrichtung.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Vandalismus in Berlin.</hi> </head> <p>Man depeſchiert<lb/> uns aus Berlin vom Heutigen: Eine große Anzahl<lb/> von Verunſtaltungen iſt in unmittelbarer Nähe des<lb/> Polizeipräſidiums ausgeführt worden. Es wurden<lb/> davon betroffen das heute zum größten Teil erſt ſeit<lb/> Neujahr benützte Direktionsgebäude des Amts- und<lb/><cb/> Landgerichtes <hi rendition="#aq">I,</hi> ſowie das an das Polizeipräſidium<lb/> unmittelbar anſtoßende Amtsgerichtsgebäude. Die<lb/> Täter haben mit Hämmern von den Granitſäulen<lb/> große Stücke abgeſchlagen. Obgleich ſchon am Sonn-<lb/> abend mehrere Perſonen die Beſchädigungen be-<lb/> merkten, kamen ſie doch erſt geſtern früh auf dem<lb/> Poltzeipräſidium zur Anzeige.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Das Glück des Gärtners.</hi> </head> <p>Die in Schottland<lb/> wegen ihrer Anmut und wegen ihrer Millionen<lb/> ſehr umſchwärmte Miß Marie Lawrence hat ſich<lb/> plötzlich mit einem ihrer zahlreichen Gärtner, einem<lb/> Witwer mit neun lebenden Kindern verlobt Im<lb/> Frühjahr ſoll die Vermählung ſtattfinden, und bis<lb/> dahin wird der glückliche Bräutigam in London von<lb/> mehreren ausgezeichneten Profeſſoren erſt erzogen.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Niederöſterreich.</hi> </head> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#g">Schulvereinsverſamm-<lb/> lung.</hi> </head> <p>Aus <hi rendition="#g">Burgſchleinitz</hi> wird uns ge-<lb/> ſchrieben: Am 6. Jänner hielt die hieſige Pfarr-<lb/> gruppe die Jahresverſammlung ab, bei der die bis-<lb/> herigen Vorſtandsmitglieder wiedergewählt wurden.<lb/> Herr Schönſteiner hielt einen feſſelnden Vortrag über<lb/> die Notwendigkeit des Katholiſchen Schulvereines,<lb/> der mit großem Beifalle aufgenommen wurde. Hier-<lb/> auf wies Obmann Dechant Brenner die unglaub-<lb/> lichen Forderungen der oberöſterreichiſchen Landes-<lb/> lehrerkonferenz zurück und legte im Namen der zahl-<lb/> reich beſuchten Verſammlung Proteſt ein gegen die<lb/> Beſchimpfungen des allerheiligſten Altarsſakramentes<lb/> durch die Preſſe. Nach Aufnahme neuer Mitglieder<lb/> wurde die Verſammlung geſchloſſen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#g">Plötzlicher Tod in der Kirche.</hi> </head> <p>Aus<lb/> Kloſterneuburg wird uns gemeldet: Geſtern Nach-<lb/> mittags wurde in der St. Markuskirche während<lb/> einer Einſegnung die Präſidentin des hieſigen<lb/> Frauenbundes Frau Anna <hi rendition="#g">Schilling</hi> vom Schlage<lb/> getroffen und ſtarb, ehe ärztliche Hilfe zur Stelle war.</p> </div> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Oberöſterreich.</hi> </head> <head> <hi rendition="#g">Selbſtmord des Iſchler<lb/> Bürgermeiſters.</hi> </head> <p>Der Bürgermeiſter von Iſchl,<lb/><hi rendition="#g">Wieſinger,</hi> hat ſich am Samstag in <hi rendition="#g">Goiſern</hi><lb/> erſchoſſen. In einem Anfalle hochgradiger Nerven-<lb/> zerrüttung, infolge Ueberarbeitung, hat er Hand an<lb/> ſich gelegt.</p> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Böhmen.</hi> </head> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#g">Ein treuer Kurgaſt.</hi> </head> <p>Aus<lb/><hi rendition="#g">Karlsbad</hi> wird berichtet: Der Traberpferdezüchter<lb/> aus Kalinarka in Rußland Ingenieur Louis Walk-<lb/> hof, der <hi rendition="#g">älteſte</hi> Kurgaſt Karlsbads, iſt nun wieder<lb/> hier zur Kur eingetroffen. Dieſer treue und älteſte<lb/> Kurgaſt trifft ſeit dem Jahre 1846 jedes Jahr im<lb/> Jänner zur Kur in der Sprudelſtadt ein, alſo heuer<lb/> zum fechzigſten Male. Im Vorjahre wurde er ſeitens<lb/> des Stadtrates durch Ueberreichung des Gauſe-<lb/> Prachtalbums geehrt. Ju den Vierzigerjahren legte<lb/> Ingenieur Walkhof die Reiſe mittels Wagen und<lb/> Schlitten zurück. Herr Walkhof iſt ein Achtziger und<lb/> noch ſehr rüſtig.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#g">Hungertyphus.</hi> </head> <p>Aus <hi rendition="#g">Ronsperg</hi> wird dem<lb/> „Prager Tagblatt“ berichtet: In den armen Böhmer-<lb/> walddör<supplied>f</supplied>chen Waier, Schwarzach, Schwanenbrückel,<lb/> Groß-Gorſchin und Franzbrunnhütte iſt der Fleck-<lb/> typhus, auch Hungertyphus genannt, aufgetreten. Die<lb/> Statthalterei hat daſelbſt Iſolierbaracken aufſtellen<lb/> laſſen und einen Epidemiearzt entſendet, da es im<lb/> ganzen politiſchen Bezirke Biſchofteinitz kein Kranken-<lb/> haus gibt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#g">Eine unſinnige Wette.</hi> </head> <p>In <hi rendition="#g">Joſefi-<lb/> hütte</hi> bei Plan in Böhmen gingen mehrere Fabriks-<lb/> arbeiter eine unſinnige Wette ein. Der Arbeiter<lb/> Joſef Gicklhorn wettete, 100 Gläschen Schnaps<lb/> hintereinander auszutrinken. Beim vierzigſten Glas,<lb/> das er zu ſich genommen hatte, ſtürzte er jedoch<lb/> plötzlich vom Stuhle und blieb bewußtlos liegen.<lb/> Zwei Tage darauf ſtarb er an ſtarker Alkoholver-<lb/> giftung. Der Leichtſinnige hinterläßt fünf unver-<lb/> ſorgte Kinder und eine Witwe.</p> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Galizien.</hi> </head> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#g">Vom Lemberger Rathaus.</hi> </head><lb/> <p>Man ſchreibt uns aus <hi rendition="#g">Lemberg:</hi> Hier geht man<lb/> jetzt ernſtlich daran, das altertümliche und recht<lb/> unpraktiſche Rathaus zu reſtaurieren. In der geſtrigen<lb/> Gemeinderatsſitzung wurde bereits der Koſtenvorſchlag<lb/> in Beratung gezogen und ungefähr auf 400.000 Kr.<lb/> geſchätzt. Ob nun ein neues Ratshaus erſtehen wird,<lb/> oder ob bloß die Erbauung des vierten Stockwerkes<lb/> und die Reſtaurierung des Rathausturmes vor ſich<lb/> gehen wird, werden die nächſten Sitzungen in den<lb/> Gemeindeſtuben entſcheiden.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#g">Gaunerfrechheit.</hi> </head> <p>Im <hi rendition="#g">Lemberger<lb/> Landesgerichte</hi> wurde vorgeſtern, wie man uns<lb/> von dort ſchreibt, während einer Verhandlung den<lb/> beiden Richtern von einem unbekannten Individuum<lb/> die Biretts (Czapki) geſtohlen. Die verdutzten<lb/> Geſichter der geſtrengen Herren am Schluß der<lb/> Verhandlung erregten, wie man uns ſchreibt, allge-<lb/> meine Heiterkeit.</p> </div> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Ungarn.</hi> </head> <head> <hi rendition="#g">Die Verhaftung des Advo-<lb/> katen Hegedüs.</hi> </head> <p>Samstag abends wurde in<lb/> Ofen-Peſt der geweſene ungariſche Reichstags-<lb/> abgeordnete und hauptſtädtiſche Advokat Dr. Bela<lb/> H<supplied>e</supplied>gedüs wegen Betruges und Wechſelfälſchung ver-<lb/> haftet. Hegedüs war Jahre hindurch Präſident der<lb/> Ungariſchen Theateraktiengeſellſchaft und hat infolge<lb/> verfehlter Spekulationen ſein Vermögen verloren.<lb/> Seither brachte er ſich durch Schwindeleien und<lb/> Schuldenmachen fort, verübte zahlreiche Wechſel-<lb/> fälſchungen auf den Namen hervorragender Perſön-<lb/> lichkeiten, ſo auch auf die Namen der geweſenen<lb/> Abgeordneten Alexander und Geza Lonyay, auf deren<lb/> Anzeige die Verhaftung erfolgte.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [4/0004]
Wien, Dienstag Reichspoſt 10. Jänner 1905 7
ca. „Die blutſchwitzende Inngfrau von
Suſa“. Unter dieſem Titel meldete die „Arbeiter-
Zeitung“ folgende freche Lüge: Eine Perſon,
namens Roſa Brol, in Suſa (Tirol) bekam an-
geblich jeden Freitag Blutſchwitzen, bis eines
Tages der Pfarrer Don Brudel, der feſt an ein
Wunder glaubte, die „ausnehmend ſchöne“ Roſa
in einem intimem Tête à tête mit ſeinem Kaplan
antraf. Es kam nun zwiſchen den beiden Geiſt-
lichen zu einer regelrechten Rauferei, während der
die vor Angſt blutſchwitzende Jungfrau ſich aus
dem Staube machte. Der Fürſtbiſchof von Trient
verſetzte den Kaplan nach Montagne. Wenige Mo-
nate darauf fanden Gendarmen ein neugeborenes
Kind vor der Kirchentür zu Levico. Nach
ärztlicher Unterſuchung bekannte die fromme Roſa
vor Gericht, daß ſie „nicht nur dieſes Kind,
ſondern vorher ſchon zwei andere Kinder infolge
prieſterlichen Einfluſſes geboren und weggelegt
habe.“ Der hochw. Herr Fürſterzbiſchof von
Trient teilt nun folgendes mit: Unwahr iſt, daß
die Roſa Brol ein regelrechtes Blutſchwitzen hatte
und im Rufe der Heiligkeit ſtand; daß der
Pfarrer Don Brudel (ſoll heißen Prudel) bis vor
kurzem in Suſa war, wie die Blätter berichteten;
er war vor etwa 20 Jahren dort und iſt ſtets
ein muſterhafter Prieſter geweſen. Unwahr iſt,
daß er ſeinen Kaplan in intimem Tête à tête
mit der Brol antraf, daß es infolgedeſſen zu
einer Rauferei zwiſchen den beiden Geiſtlichen kam
und daß der Kaplan dann verſetzt wurde;
in Suſa iſt überhaupt niemals ein Kaplan
geweſen! Unwahr iſt, daß jemals der Pfarrer
an ein wunderbares Blutſchwitzen bei der Brol
geglaubt hat. Wahr iſt, daß vor der Kirchentüre
zu Levico einmal ein neugeborenes Kind gefunden
wurde, deſſen Mutter, die Roſa Brol, den
Pfarrer von Suſa als Vater bezeichnete. Es
wurde jedoch gerichtlich feſtgeſtellt, daß dies eine
Verleumdung und der Vater ein Laie war. An
der ganzen Geſchichte iſt alſo, ſoweit ſie eine Ver-
ächtlichung des katholiſchen Klerus bezweckt, kein
wahres Wort. Leider iſt eine gerichtliche Klage
gegen die Verleumder ausgeſchloſſen, denn von
den verleumdeten Prieſtern iſt der eine geſtorben,
der andere hat überhaupt nie exiſtiert.
* Neujahr auf der Poſt. Man kennt die
enorme Arbeit der Poſt zu Weihnachten und Neu-
jahr. Immerhin mag es von Intereſſe ſein, Ziffern
zu erfahren, welche ein Bild von der Arbeitsleiſtung
der Poſt zu Neujahr bieten. Bei ſämtlichen Poſt-
ämtern Wiens und Umgebung wurden in der Zeit
vom 28. Dezember bis zum 2. Jänner 33,877.181
Stück Briefpoſtſendungen poſtämtlich behandelt, von
welcher Summe nicht weniger als über vierzehn
Millionen auf Korreſpondenzkarten entfielen. Von der
Geſamtzahl der Sendungen, unter denen die rekom-
mandierten Briefe bloß 281.427 Stück ſtellten, entfiel
die Hälfte auf den Lokalverkehr. Schließlich ſei noch
erwähnt, daß der Verkehr mit rund 18 Millionen
aufgegebenen und 15 Millionen abgegebenen Stücken
gegen das Vorjahr eine Steigerung um 127.714 Stück
aufzuweiſen hat. — Der Wiener Poſtverkehr allein
repräſentiert alſo zu Weihnachten eine Ausgabe von
ein paar Millionen Kronen für — Neujahrsglück-
wünſche. Das Neujahrwünſchen iſt eben ſchon in
ſeinem heutigen Umfange zu einer graſſierenden Un-
ſitte und zu einer wahren Plage für Unzählige
geworden.
* Ein merkwürdiger Ball ſoll heuer in das
Faſchingsrepertoire eingefügt werden. Die weib-
lichen Maler-Modelle veranſtalten dieſes Feſt
und laden zu demſelben als zu einem Wohltätigkeits-
balle ein. Am Schluß enthält die Verlautbarung den
eigentümlichen Satz: „Der Gemütlichkeit halber
iſt es geſtattet, im Mal- oder Modellierkittel
zu erſcheinen.“ Wenn es bei dieſem Tanzfeſte der
Maler-Modelle nur nicht gar zu „maleriſch“ wird!
* Ein weiblicher Rockdieb. Ein Novum auf
dem Gebiete der Kriminaliſtik iſt das Auftreten eines
weiblichen Rockdiebes in Kaffeehäuſern. Einen weib-
lichen Rockdieb an Kliniken hat es ſchon gegeben. In
Kaffeehäuſern wurde das Rockmardertum bisher nur
durch Männer repräſentiert. Geſtern abends iſt in
einem der vornehmſten Cafés im Stadtbezirke der
Schauſpielerin Eliſe Pirkhoff eine ſchwarze Aſtrachan-
jacke mit Goldſtickerei, lilafärbigem Kragen und
Seidenfutter im Werte von 120 Kronen geſtohlen
worden. Statt ihrer iſt eine abgetragene alte Jacke
zurückgeblieben.
* Das katholiſch-politiſche Kaſino „Land-
ſtraße“ hält ſeine Generalverſammlung am Mitt-
woch den 11. Jänner, 8 Uhr abends, in Nowaks
Reſtauration, Landſtraße Hauptſtraße 45, ab; nach
der Wahl des Ausſchuſſes werden die Herren Ge-
meinderäte Dr. Haas, Max R. v. Findenigg und
Landtags-Abgeordneter Hochwürden Joſef Schnabl
ſprechen.
* Schiffsunglück. Man depeſchiert uns aus
London vom Heutigen: Ein Glasgower Dampfer
ſtieß bei Holyhead mit einem ſpaniſchen Dampfer
zuſammen. Beide Schiffe ſanken. Die Beſatzungen
wurden gerettet.
* Schweres Eiſenbahnunglück. Wir erhalten
folgenden telephoniſchen Bericht: Geſtern früh
wurde der Perſonenzug 2501 der ſteiriſchen Lokalbahn
Kapfenberg-Auſeewieſen auf der Fahrt nach
Kapfenberg von einem Wirbelſturm erfaßt.
Die beiden Perſonenwagen und der Gepäckswagen
wurden aus dem Geleiſe geriſſen und in den Pörl-
bach geworfen. Hiebei wurden zwei Paſſagiere ſchwer
verletzt, vier Paſſagiere, ein Kondukteur und ein
Poſtwagenkondukteur leicht verletzt. Der Oberbau blieb
unbeſchädigt.
* Eine Schulfeier. Am Dreikönigstage wurde
in der ſtädtiſchen Volks- und Bürgerſchule Währing,
Anaſtaſius Grüngaſſe 10, ein gemütvolles Weih-
nachtsmärchen, „Verloren und Wiedergefunden“ von
Ottokar Kernſtock, durch Schülerinnen der Anſtalt
dargeſtellt. Die Aufführung ſtand unter der Leitung
des Kirchendirektors Katecheten Mauß, deſſen Be-
mühungen es gelang, einen vollen Erfolg zu erzielen.
Die Aufführung wurde ausgezeichnet durch den Beſuch
einer ganzen Reihe von Mitgliedern des Kaiſer-
hauſes. Es waren erſchienen: Frau Erzherzogin
Maria Joſefa mit ihrem Sohne Erzherzog Max,
Erzherzog Leopold Salvator und Erzherzogin
Blanca mit ihren Kindern, den Erzherzogen
Rainer und Leopold und der kleinen Erz-
herzogin Marie Antonie, ferner die Kammer-
vor eherin Gräfin Alberti, die Gräfinnen Chotek und
Wrbna, Baronin Schell-Bombelles, Prinz Eduard
Liechtenſtein, Gräfin Draskovic, Bürgermeiſter
Dr. Lueger, Abg. Profeſſor Sturm, Magiſtrats-
direktor Dr. Weiskirchner, Bezirksſchulinſpektor
kaiſerlicher Rat Fellner, Pfarrer Panholzer, Polizei-
rat Weinbrenner ꝛc.
* Aus dem Polizeiberichte. In den Park-
anlagen am Franz Joſefskai, gegenüber der
Eßlinggaſſe, wurde Sonntag nach Mitternacht der
Laternenanzünder Johann Wichard, neben der
Leiter am Boden liegend, tief bewußtlos aufgefunden.
Johann, Wichard wurde nach geleiſteter Hilfe in das
Spital der Barmherzigen Brüdee gebracht, iſt aber
bald nach der erfolgten Aufnahme, ohne das Be-
wußtſein wieder erlangt zu haben, geſtorben. Aus
der Sachlage kann man folgern, daß Wichard,
welcher herzleidend geweſen ſein ſoll, infolge eines
Ohnmachtsanfalles beim Reinigen der Glastafeln
der Laterne von der Leiter abgeſtürzt ſei und ſich
die Verletzungen zugezogen habe.
* Verein Säuglingsſchutz. Geſtern fand in
Anweſenheit der Frau Erherzogin Iſabella die
feierliche Eröffnung der auf den Gründen des St.
Anna Kinderſpitales auf dem Zimmermannsplatze
errichteten erſten Schutzſtelle des Vereines „Säuglings-
ſchutz“ ſtatt. Den kirchlichen Akt nahm Serviten-
provinzial P. Johann H. Pix vor. Der Feier
wohnten die Vertreter der Behörden, Kommune und
zahlreiche Würdenträger an.
* Der beraubte Poſtwagen. Man ſchreibt
uns aus Italien: Zwiſchen den Ortſchaften Santa
Caterina und Canicatti auf Sizilien wurde wieder
ein Poſtwagen ausgeraubt. Die Räuber waren —
wie immer — vermummt und bewaffnet und entflohen
mit den Wertbriefen und den verſicherten Paketen.
Das alte romantiſche Brigantentum hat man aller-
dings zerſtört in Sizilien, dafür aber ein gemeineres
erhalten, nämlich dasjenige des Raubes und des
Diebſtahls. Aus dem heroiſchen Briganten iſt ein
gemeiner Verbrecher geworden; alle ritterliche Groß-
mut iſt ihm verloren gegangen. Die heutigen Bri-
ganten werden durch das unglaubliche wirtſchaftliche
Elend zum Verbrechen getrieben und ſolange erſteres
nicht gemildert iſt, wird dieſes Brigantentum nicht
aufhören.
* Knabenſängerſchule Peroſis. Man ſchreibt
uns aus Rom: Je mehr die Muſik in den römiſchen
Kirchen darniederliegt und die Reformen des Papſtes
in dieſer Beziehung unbeachtet bleiben, deſto mehr
gibt Peroſi ſich Mühe, wenigſtens die ehemals ſo
berühmte „Sirtiniſche Kapelle“ zu heben und zu einem
Muſterchor auszubilden, Durch ſeine Energie wurde
der Kaſtratenwirtſchaft ein Ende gemacht: ſie
ſollen nunmehr durch wohlgeſchulte Knaben erſetzt
werden. Zu dieſem Zwecke hat Peroſi unter aus-
drücklicher Zuſtimmung Pius X. eine eigene Schule,
eine ſogenannte „Schola puerorum“ nach dem
Muſter der Paleſtrinaſchen „Scuola dei putti“ ge-
gründet. Dieſe hat vor wenigen Tagen
zu funktionieren angefangen. Ihr Sitz be-
findet ſich in einem Hauſe neben der
Engelsburg und die Schüler wurden denjenigen
der Brüder der Barmherzigkeit entnommen. Es ſind
gegenwärtig ihrer 50, im Alter zwiſchen acht und elf
Jahren, welche eigens von Peroſi geprüft wurden
und nunmehr tagtäglich vom Prof. Rella unterrichtet
werden. In etwa ſechs Monaten hofft man dieſe
Knaben in die Sixtiniſche Kapelle einreihen zu können.
Der ihnen dann zukommende Gehalt wird ihnen auf
Sparkaſſenbücher eingezahlt. Selbſtverſtändlich mußten
dieſe jugendlichen Sänger ſich verpflichten, nur in der
Sixtiniſchen Kapelle zu ſingen, bis — ſie ihre Knaben-
ſtimmen verloren haben werden. Perofi verſpricht ſich
ſehr viel von den Erfolgen dieſer neuen Einrichtung.
* Vandalismus in Berlin. Man depeſchiert
uns aus Berlin vom Heutigen: Eine große Anzahl
von Verunſtaltungen iſt in unmittelbarer Nähe des
Polizeipräſidiums ausgeführt worden. Es wurden
davon betroffen das heute zum größten Teil erſt ſeit
Neujahr benützte Direktionsgebäude des Amts- und
Landgerichtes I, ſowie das an das Polizeipräſidium
unmittelbar anſtoßende Amtsgerichtsgebäude. Die
Täter haben mit Hämmern von den Granitſäulen
große Stücke abgeſchlagen. Obgleich ſchon am Sonn-
abend mehrere Perſonen die Beſchädigungen be-
merkten, kamen ſie doch erſt geſtern früh auf dem
Poltzeipräſidium zur Anzeige.
* Das Glück des Gärtners. Die in Schottland
wegen ihrer Anmut und wegen ihrer Millionen
ſehr umſchwärmte Miß Marie Lawrence hat ſich
plötzlich mit einem ihrer zahlreichen Gärtner, einem
Witwer mit neun lebenden Kindern verlobt Im
Frühjahr ſoll die Vermählung ſtattfinden, und bis
dahin wird der glückliche Bräutigam in London von
mehreren ausgezeichneten Profeſſoren erſt erzogen.
Niederöſterreich. Schulvereinsverſamm-
lung. Aus Burgſchleinitz wird uns ge-
ſchrieben: Am 6. Jänner hielt die hieſige Pfarr-
gruppe die Jahresverſammlung ab, bei der die bis-
herigen Vorſtandsmitglieder wiedergewählt wurden.
Herr Schönſteiner hielt einen feſſelnden Vortrag über
die Notwendigkeit des Katholiſchen Schulvereines,
der mit großem Beifalle aufgenommen wurde. Hier-
auf wies Obmann Dechant Brenner die unglaub-
lichen Forderungen der oberöſterreichiſchen Landes-
lehrerkonferenz zurück und legte im Namen der zahl-
reich beſuchten Verſammlung Proteſt ein gegen die
Beſchimpfungen des allerheiligſten Altarsſakramentes
durch die Preſſe. Nach Aufnahme neuer Mitglieder
wurde die Verſammlung geſchloſſen.
Plötzlicher Tod in der Kirche. Aus
Kloſterneuburg wird uns gemeldet: Geſtern Nach-
mittags wurde in der St. Markuskirche während
einer Einſegnung die Präſidentin des hieſigen
Frauenbundes Frau Anna Schilling vom Schlage
getroffen und ſtarb, ehe ärztliche Hilfe zur Stelle war.
Oberöſterreich. Selbſtmord des Iſchler
Bürgermeiſters. Der Bürgermeiſter von Iſchl,
Wieſinger, hat ſich am Samstag in Goiſern
erſchoſſen. In einem Anfalle hochgradiger Nerven-
zerrüttung, infolge Ueberarbeitung, hat er Hand an
ſich gelegt.
Böhmen. Ein treuer Kurgaſt. Aus
Karlsbad wird berichtet: Der Traberpferdezüchter
aus Kalinarka in Rußland Ingenieur Louis Walk-
hof, der älteſte Kurgaſt Karlsbads, iſt nun wieder
hier zur Kur eingetroffen. Dieſer treue und älteſte
Kurgaſt trifft ſeit dem Jahre 1846 jedes Jahr im
Jänner zur Kur in der Sprudelſtadt ein, alſo heuer
zum fechzigſten Male. Im Vorjahre wurde er ſeitens
des Stadtrates durch Ueberreichung des Gauſe-
Prachtalbums geehrt. Ju den Vierzigerjahren legte
Ingenieur Walkhof die Reiſe mittels Wagen und
Schlitten zurück. Herr Walkhof iſt ein Achtziger und
noch ſehr rüſtig.
Hungertyphus. Aus Ronsperg wird dem
„Prager Tagblatt“ berichtet: In den armen Böhmer-
walddörfchen Waier, Schwarzach, Schwanenbrückel,
Groß-Gorſchin und Franzbrunnhütte iſt der Fleck-
typhus, auch Hungertyphus genannt, aufgetreten. Die
Statthalterei hat daſelbſt Iſolierbaracken aufſtellen
laſſen und einen Epidemiearzt entſendet, da es im
ganzen politiſchen Bezirke Biſchofteinitz kein Kranken-
haus gibt.
Eine unſinnige Wette. In Joſefi-
hütte bei Plan in Böhmen gingen mehrere Fabriks-
arbeiter eine unſinnige Wette ein. Der Arbeiter
Joſef Gicklhorn wettete, 100 Gläschen Schnaps
hintereinander auszutrinken. Beim vierzigſten Glas,
das er zu ſich genommen hatte, ſtürzte er jedoch
plötzlich vom Stuhle und blieb bewußtlos liegen.
Zwei Tage darauf ſtarb er an ſtarker Alkoholver-
giftung. Der Leichtſinnige hinterläßt fünf unver-
ſorgte Kinder und eine Witwe.
Galizien. Vom Lemberger Rathaus.
Man ſchreibt uns aus Lemberg: Hier geht man
jetzt ernſtlich daran, das altertümliche und recht
unpraktiſche Rathaus zu reſtaurieren. In der geſtrigen
Gemeinderatsſitzung wurde bereits der Koſtenvorſchlag
in Beratung gezogen und ungefähr auf 400.000 Kr.
geſchätzt. Ob nun ein neues Ratshaus erſtehen wird,
oder ob bloß die Erbauung des vierten Stockwerkes
und die Reſtaurierung des Rathausturmes vor ſich
gehen wird, werden die nächſten Sitzungen in den
Gemeindeſtuben entſcheiden.
Gaunerfrechheit. Im Lemberger
Landesgerichte wurde vorgeſtern, wie man uns
von dort ſchreibt, während einer Verhandlung den
beiden Richtern von einem unbekannten Individuum
die Biretts (Czapki) geſtohlen. Die verdutzten
Geſichter der geſtrengen Herren am Schluß der
Verhandlung erregten, wie man uns ſchreibt, allge-
meine Heiterkeit.
Ungarn. Die Verhaftung des Advo-
katen Hegedüs. Samstag abends wurde in
Ofen-Peſt der geweſene ungariſche Reichstags-
abgeordnete und hauptſtädtiſche Advokat Dr. Bela
Hegedüs wegen Betruges und Wechſelfälſchung ver-
haftet. Hegedüs war Jahre hindurch Präſident der
Ungariſchen Theateraktiengeſellſchaft und hat infolge
verfehlter Spekulationen ſein Vermögen verloren.
Seither brachte er ſich durch Schwindeleien und
Schuldenmachen fort, verübte zahlreiche Wechſel-
fälſchungen auf den Namen hervorragender Perſön-
lichkeiten, ſo auch auf die Namen der geweſenen
Abgeordneten Alexander und Geza Lonyay, auf deren
Anzeige die Verhaftung erfolgte.
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