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Reichspost. Nr. 18, Wien, 22.01.1901.

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18 Wien, Dienstag Reichspost 22. Jänner 1901

[Spaltenumbruch][k]lageschriften gegen jugendliche Verbrecher wieder-
[ke]hrenden Phrase sich gedacht hat, wissen wir natür-
[l]ich nicht. Wahrscheinlich wollte sie damit auf die
allerdings zweifellos richtige und allgemein aner-
kannte Thatsache hinweisen, daß bei der Entwicklung
besonders der jugendlichen Verbrecher stets die socialen
Verhältnisse, in denen sie leben uud aufwachsen, oder
-- wie die Criminalisten sagen -- das sogenannte
"sociale Milieu" die erste und entscheidende Rolle spielt
Damit allein ist uns jedoch nicht gedient, wir möchten doch
auch näher wissen, wie denn eigentlich der junge
Verbrecher seinerzeit in diese "schlechte Gesellschaft
gerathen" ist, und wie es kommt, daß heute gar so
oft selbst auch gut geartete und wohlerzogene Kinder
aus in guten und geordneten Verhältnissen lebenden
Familien so plötzlich "in schlechte Gesellschaft ge-
rathen". Darüber wollen wir hier einige Worte
sagen, wenn es auch aus verschiedenen Gründen nicht
immer möglich ist, die ganze Wahrheit zu enthüllen,
und wenn wir auch gerne anerkennen, daß es auch
andere Wege gibt, auf denen das Kind in schlechte
Gesellschaft geräth, wie der, den wir als den typischen
hinzustellen beabsichtigen.

Bis zu seinem dreizehnten, beziehungsweise vier-
[z]ehnten Lebensjahre, dem Alter der vollen gesetz-
lichen Strafmündigkeit, hat sich der genannte
junge Raubmörder, wie wir aus den Verhandlungs-
berichten entnehmen, durchaus normal verhalten und
war ein folgsames, braves, fleißiges und sittsames
Kind; selbst die Anklageschrift stellt ihm für diese seine
Lebensperiode ein gutes Zeugniß aus. Nun kam er
in das gefährliche Alter der Entwicklung; er begieng
irgend einen jugendlichen Streich, ließ sich vielleicht
sogar zu einem kleinen Diebstahl verleiten oder machte
sonst einen polizeiwidrigen Unfug und fiel so, wie es
mit Tausenden seiner Altersgenossen täglich geschieht,
in eine der zahllosen Schlingen der modernen Straf-
gesetze und Polizeivorschriften.

Selbstverständlich legte die Strafjustiz sofort ihre
ahndende Hand an ihn: er wird angezeigt, ver-
urtheilt und wandert zum ersten Male auf einige
Tage oder Wochen in den Arrest. -- Damit ist also
der Anfang gemacht, die moderne "Besserung"
im Gefängnisse hat begonnen an ihm ihr Werk zu
zu thun, ehestens werden auch ihre Resultate zu Tage
treten. Das Kind büßt seine kurze Gefängnißstrafe ab
und kehrt ins Elternhaus zurück. Aber bald bemerkt
man nun eine eigenthümliche, sehr unangenehme Ver-
änderung an dem bestraften Knaben, die sich selbst in
seinem Gesichtsausdrucke offenbart. Die frühere ruhige
Klarheit und Unschuld seiner Augen ist verschwunden,
seine Blicke sind unruhig und verschlossen, ein
Schimmer von beginnender Verkommenheit und ver-
stockter Bosheit läßt sich in seinen Gesichtszügen be-
obachten. -- Er folgt nicht mehr, wird immer störri-
scher, ist grob und brutal gegen Eltern und Geschwister,
führt gemeine und unreine Reden, hält nichts mehr
auf seine Kleidung und scheint lasterhafte geheime
Gewohnheiten zu haben; -- er lernt nichts mehr
und wird immer arbeitsscheuer, bleibt gegen
seine frühere Gewohnheit oft stundenlang
ja schließlich vielleicht auch Tage lang vom Elteru-
hause weg, ohne daß man etwas Anderes über seinen
Aufenthalt erfahren kann, als daß er hie und da in
intimer Gesellschaft mit verdächtigen Individuen ge-
sehen wurde, deren Bekanntschaft er wahrscheinlich im
Arreste gemacht hat.

Nicht lange dauert es, so begeht er ein neuer-
liches Delict; aber dieses zeigt bereits einen ganz
anderen Charakter, als sein erstes früheres Vergehen;
es ist nicht mehr ein harmloser oder unbesonnener
Jugendstreich, sondern es offenbart sich in der ganzen
That bereits eine routinirte Ueberlegung und energische
Bosheit; er muß irgendwo "Schule" gemacht haben;
vielleicht wissen der Herr Staatsanwalt und der
Kerkermeister, wo dies geschehen ist?

Selbstredend wird er nun, und zwar diesmal
wirklich von Rechtswegen, wieder bestraft und von
da an folgen Strafe auf Strafe; alle Bemühungen
seiner Angehörigen, ihn wieder auf einen ordentlichen
Lebensweg zurückzubringen, sind vergebens, er kommt
aus den diversen Arresten und Kerkern, Zwangs-
arbeits- und Besserungshäusern fast gar nicht mehr
heraus. Im Alter von 19 Jahren wird er endlich
über Bitten der Mutter der Freiheit wiedergegeben.
Da er natürlich in den verschiedenen Gefängissen und
"Besserungshäusern" kein Handwerk oder Gewerbe
gelernt hat, sondern, wie der Bericht lautet, nur "zu
verschiedenen Arbeiten" verwendet, meistens aber
wohl überhaupt nicht beschäftigt wurde, wird er nun-
mehr in die Lehre gegeben Nun soll sich zeigen, wie
weit er es unter der "bessernden" Fürsorge der
Strafjustiz gebracht hat. Näheres darüber wissen wir
nicht; Thatsache ist, daß er knrze Zeit nach seiner
Freilassung einen Raubmord begeht.

Aus dem Gesagten wollen wir nun kurz das
Schlußergeqniß ziehen. Wie in zahllosen anderen
Fällen -- der Schreiber dieser Zeilen könnte aus
seiner eigenen Praxis hunderte von solchen aufzählen
-- war offenbar auch bei dem in Rede stehenden
jungen Verbrecher die erlittene kurzzeitige Gefängniß-
strafe der entscheidende Wendepunkt seines Lebens-
laufes. Dies ist sowohl aus dem zeitlichen Zu-
sammentreffen wie aus allen anderen begleitenden
Umständen zu entnehmen; ja man könnte gewisser-
maßen sagen, diese erste Einsperrung in die Arreste
[Spaltenumbruch] -- wie man diese moralischen Zuchtmittel nennt --
war auch die erste Ursache des jetzt von ihm began-
genen todeswürdigen Verbrechens, denn sie war es
in erster Reihe, welche ihn auf jene schiefe Laufbahn
brachte, die nunmehr vorläufig mit einem Morde ge-
endet hat.

Gewiß soll ja auch im kindlichen bezw. jugend-
lichen Alter jeder wirkliche Fehltritt bestraft werden,
diese Bestrafung muß jedoch eine dem Fehltritt und
dem jugendlichen Alter angemessene sein. Daß
aber die modernen Staaten, mit wenigen Ausnahmen,
über gar keine anderen Strafmittel gegen jugendliche
Personen verfügen, als nur das Gefängniß und
immer wieder nur das Gefängniß, und zwar, wie es
unter den obwaltenden Umständen nicht anders mög-
lich ist, gerade die moralisch allergefährlichste Gemein-
schaftshaft in den von den Criminalisten aller Länder
übereinstimmend als wahre Hochschulen aller Laster
bezeichneten Gefängnissen, -- das ist wirklich traurig.
Umso mehr aber ist dies zu bedauern, wenn noch da-
zu, wie es heute tagtäglich in zahllosen Fällen überall
geschieht, dieses mehr als gefährliche Strafmittel ohne
Unterscheidung selbst bei ganz geringfügigen kindlichen
Fehltritten mechanisch in Anwendung gebracht wird,
wo oft eine ernste Rüge oder einige Hiebe vollkommen
genügen würden. Das ist die traurigste Frucht des
blinden Doctrinarismus, der auf keinem Gebiete so
unumschränkt herrscht, wie eben in der modernen
Strafgesetzgebung und Strafrechtspflege.

Aehnlich dem über die sprossenden Saaten sich
legenden scharfen Froste zerstören erfahrungsgemäß
die an Kindern und jugendlichen Personen vollzogenen,
wenn auch nur kurzzeitigen Gefängnißstrafen jede
Unschuld und alle Willenskraft zum Guten, machen
alle bisherige Erziehung zu Nichte und pflanzen dafür
die Pestkeime der schädlichen Laster in das zarte, für
alle äußeren Eindrücke besonders ewpfängliche jugend-
liche Wesen. -- In Wien allein werden jährlich
Tausende von unreifen Kindern und jugendlichen
Personen in die fast stets überfüllten Gefängnisse
des Landesgerichtes, der Bezirksgerichte und der
Polizei zur Vollstreckung von Freiheitsstrafen oder
zur vorläufigen Detention eingeschlossen; man findet
ja kaum mehr eine Zelle, in der nicht wenigstens ein
jugendlicher Häftling zwischen den erwachsenen Sträf-
lingen sich befände. Auch von diesen nicht selten aus guter
und höhergestellten Familien stammenden unglück-
lichen Kindern wird einst wohl oft die Anklage
sagen: "Er gerieth in schlechte Gesellschaft." Wo
und wie dies vor Allem geschieht, weiß man wohl;
vielleicht wissen es auch der Herr Justizminister und
der Staatsanwalt, wenn sie auch nicht gerne davon
sprechen oder sprechen hören.

Wir unsererseits wollen darüber nichts Weiteres
mehr bemerken, denn sonst könnten wir vielleicht auch
noch nach irgeudwelchem Paragraphen belangt
werden und so auch "iu schlechte Gesellschaft ge-
rathen." -- Sapienti sat! Dr. Z.




Vereinsnachrichten.
§ Gesellschaft vom Blauen Kreuz.

In Mark-
graf-Neusiedl
entwickelt sich rege Thätigkeit auf
dem Bauplatze der Gesellschaft vom Blauen Kreuze,
da nunmehr die wackeren Landwirthe daselbst die für das
Dienstboten-Greisinen heim gehörigen Ziegel
vom Bahnhof zum Bauplatz unentgeltlich befördern.
Die benöthigten 250.000 Ziegel kommen von Frattings-
dorf aus der Ziegelei des Herrn Steingaßner, welcher
für den Bau dieses Kaisermonumentes die Ziegel zum
Selbstkostenpreis liefert. Der Schlußstein wird am
4. October d. J. gelegt werden. Es muß aber dem Bau
auch Leben eingehaucht werden; dies geschieht dadurch,
daß in diesem Monumentalbau mehrere würdige greise
Dienstboten bis an ihr Lebensende unentgeltlich gepflegt
werden, welche täglich desjenigen dankerfüllten Herzen
gedenken, zu dessen Ehren ihnen die Wohlthat einer
Altersversorgung zu Theil wurde. Es ist noch viel
Geld nöthig, um diese Institution unseres großen
Kaisers würdig zu gestalten. Die Präsidentin Josefine
v. Szivos, 9. Bez., Berggasse 20, bittet daher, zum
Monumentalbau in Markgrafneusiedl je nach dem
Dictate ihrer edel veranlagten Herzen beizusteuern.
Größere Spenden werden auf der Marmortafel im
Vestibule des Kaisermonumentes in goldenen Lettern
der Nachwelt zur Kenntniß gebracht.

§ Katholisches Handels-Casino.

Das katholische
Handels-Casino in Wien veranstaltet seine diesjährige
Faschings-Unterhaltung am Faschingmontag den
18. Februar 1901 im Saale des Hotels "Bayrischer
Hof", 2. Bez., Taborstraße Nr. 39, und ladet alle
Freunde des Casinos zum Besuche herzlich ein. Für
ein eminentes Programm hat die Vereinsleitung bestens
vorgesorgt. Nach Schluß der Vorträge Tanzkränzchen.
Karten a 1 K sind im Secretariate des katholischen
Handelscasinos, 1. Bez., Singerstraße 18, erhältlich.

§ Politischer Fortschrittsverein "Eintracht"
3. Bezirk.

Am Montag, den 11. Februar veran-
staltet der politische Fortschrittsverein "Eintracht" im
3. Bezirk zu Ehren seines Ehrenmitgliedes Bürger-
meister Dr. Carl Lueger abermals das in allen
Gesellschaftskreisen beliebte "Lueger-Kränzchen
wie immer so auch diesmal in Drehers Sälen, 3. Bez.
Hauptstraße 97. Nachdem das diesmalige Kränzchen
in der Reihe der veranstalteten Kränzchen
das 25. ist, so wird dasselbe zugleich als das 25jährige
Jubiläums-Lueger-Kränzchen gefeiert und be-
reitet das Kränzchen-Comite alles vor, um dasselbe
zu einem recht glänzenden zu gestalten.


[Spaltenumbruch]
§ St. Severinus-Verein.

Die Mitglieder werden
hiermit höflichst aufmerksam gemacht, die Jahres-
beiträge nicht in der Kanzlei, 1. Bezirk, Annagasse 9,
sondern an den Cassier Franz Pololanik jun. 1. Be-
zirk, Johannesgasse 17, erlegen zu wollen, wo auch
Beitritts-Erklärungen entgegengenommen werden.

§ Pfarrgruppe "Maria Treu" in der Josefstadt

des Katholischen Schulvereins. Sonntag den 27. d.
Abends 1/27 Uhr findet in Buchingers Restauration,
Alserstraße 63 die Jahresversammlung statt. Sprechen
werden: Hochw. Josef C. Heidenreich und Abg. Dr.
R. Weiskirchner. Gesangs und Musikvorträge.

§ St. Petrus Claver-Sodalität.

Samstag den
2. Februar um 3/43 Uhr Nachmittags, Vortrag über
Afrika-Mission, gehalten von P. Giese aus dem
Missionshause St. Gabriel, im Concertsaale des Anna-
hofes, 1. Bez., Annagasse 3. Eintritt frei ohne Karten




Die Königin von England
liegt hoffnungslos zwischen Leben und Sterben.
Gestern (Sonntag) 10 Uhr Morgens war folgendes
Bulletin ausgegehen:

"Ihre Majestät verbrachte eine ziemlich ruhe-
lose Nacht. Sonst ist keinerlei Veränderung seit
dem letzten Bulletin eingetreten."

Um 3 Uhr Nachmittags hieß es in London, eine
Depesche der Tochter der Königin, Prinzessin Beatrix,
sei iu London eingetroffen, daß der Zustand der
Königin ernst jedoch nicht hoffnungslos sei. Allein
um 5 Uhr traf aus Osborne ein Bulletin ein. In
demselben erklärten die Leibärzte Powell und Reid:
"Der Kräftezustand der Königin ist tagsüber
im Gleichen verblieben und es ist keinerlei
Fortschritt im Auflösungsproceß

eingetreten; aber die Symptome sind fortgesetzt
besorgnißerregend."

Um 1/212 Uhr Nachts lautete das Bulletin:
"Der Zustand Ihrer Majestät ist im Laufe der letzten
Abendstunden ernster geworden, da der Kräfte-
verfall zunimmt
und die Fähigkeit, Nahrung
zu sich zu nehmen, sich vermindert."

Um 1/21 Uhr lautete es: "Das um Mitternacht
in Osborne ausgegebene Bulletin constatirt fort-
schreitenden Kräfteverfall.
"

Bei der Wiener großbritanischen Bot-
schaft
sind heute aus Osborne Depeschen des In-
haltes eingetroffen, daß der Zustand der Königin un-
verändert ist, daß sich sehr bedrohliche Symptome
gezeigt haben. Alle Mitglieder des Allerhöchsten
Kaiserhauses, die Hof- und Staatswürdenträger
zogen Erkundigungen auf der Botschaft ein.

Das Reuter'sche Bureau
veröffentlicht folgende Depesche aus Osborne von
8 Uhr Abends: Die Königin liegt in Agonie.
Der Eintritt der Katastrophe ist stündlich
zu erwarten.

Der Prinz von Wales
begab sich von Cowes nach London, um den Kaiser
Wilhelm zu empfangen, dessen Ankunft im Charing-
croß-Bahnhofe für 6 Uhr Abends erwartet wird.

Kaiser Wilhelm ist um
5 Uhr Nachmittags in Port Victoria eingetroffen.
Der Prinz von Wales ist in London angekommen.

Kaiser Wilhelm und
Herzog von Connaught sind um 6 Uhr 20 Minuten
Abends im Charingcroß-Bahnhofe eingetroffen und
wurden vom Prinzen von Wales, Herzog von York
uud dem Prinzen Christian von Schleswig-Holstein
empfangen. Kaiser Wilhelm begab sich nach dem
Buckingham-Palaste.

Das Mitternachts über
das Befinden der Königin ausgegebene Bulletin be-
sagt: Der Zustand der Königin hat sich im Laufe
des Abends verschlimmert. Die Schwäche
nimmt zu;
die Nahrungsaufnahme ist erschwert.

Die ge-
sammte königliche Familie ist im Sterbezimmer ver-
sammelt. Der Eintritt des Todes wird jeden
Augenblick erwartet.

Kaiser Wilhelm, der
Prinz von Wales, sowie die Herzoge von Connaught
und York sind um 8 Uhr Früh vom Victoria-Bahn-
hofe nach Osborne abgereist.




Königin Victoria, I. Alexandra, wurde am
24. Mai 1819 als einzige Tochter des Herzogs von
Kent und dessen Gattin, der Prinzessin Louise Victoria
von Sachsen-Saalfeld-Coburg, verwitweten Fürstin
Leinigen geboren. Der am 23. Jänner 1820 ver-
storbene Herzog von Kent war der Bruder des Königs
Wilhelm IV. Als dieser am 20. Juni 1837 kinder-
los starb, wurde seine Nichte Victoria zur Thronfolg[e]
in Großbritanien berufen und am 28. Jänner 1838
zur Königin gekrönt. Am 10. Februar 1840 ver[-]
mählte sich die Königin, dem Zuge des Herzens fo[l]
gend, mit dem Prinzen Albrecht von Sachse[n]
Coburg-Gotha. Am 14. December 1841 starb Pri[nz]
Albert. Der Ehe des Königspaares, die ei[ne]
mustergiltige war, entstammen neun Kinder, dere[n]
ältestes, Prinzessin Victoria, mit Kaiser Fried[-]
rich III. vermählt war und die Mutter de[-]
derzeit regierenden dentschen Kaisers Wilhelm II

18 Wien, Dienſtag Reichspoſt 22. Jänner 1901

[Spaltenumbruch][k]lageſchriften gegen jugendliche Verbrecher wieder-
[ke]hrenden Phraſe ſich gedacht hat, wiſſen wir natür-
[l]ich nicht. Wahrſcheinlich wollte ſie damit auf die
allerdings zweifellos richtige und allgemein aner-
kannte Thatſache hinweiſen, daß bei der Entwicklung
beſonders der jugendlichen Verbrecher ſtets die ſocialen
Verhältniſſe, in denen ſie leben uud aufwachſen, oder
— wie die Criminaliſten ſagen — das ſogenannte
„ſociale Milieu“ die erſte und entſcheidende Rolle ſpielt
Damit allein iſt uns jedoch nicht gedient, wir möchten doch
auch näher wiſſen, wie denn eigentlich der junge
Verbrecher ſeinerzeit in dieſe „ſchlechte Geſellſchaft
gerathen“ iſt, und wie es kommt, daß heute gar ſo
oft ſelbſt auch gut geartete und wohlerzogene Kinder
aus in guten und geordneten Verhältniſſen lebenden
Familien ſo plötzlich „in ſchlechte Geſellſchaft ge-
rathen“. Darüber wollen wir hier einige Worte
ſagen, wenn es auch aus verſchiedenen Gründen nicht
immer möglich iſt, die ganze Wahrheit zu enthüllen,
und wenn wir auch gerne anerkennen, daß es auch
andere Wege gibt, auf denen das Kind in ſchlechte
Geſellſchaft geräth, wie der, den wir als den typiſchen
hinzuſtellen beabſichtigen.

Bis zu ſeinem dreizehnten, beziehungsweiſe vier-
[z]ehnten Lebensjahre, dem Alter der vollen geſetz-
lichen Strafmündigkeit, hat ſich der genannte
junge Raubmörder, wie wir aus den Verhandlungs-
berichten entnehmen, durchaus normal verhalten und
war ein folgſames, braves, fleißiges und ſittſames
Kind; ſelbſt die Anklageſchrift ſtellt ihm für dieſe ſeine
Lebensperiode ein gutes Zeugniß aus. Nun kam er
in das gefährliche Alter der Entwicklung; er begieng
irgend einen jugendlichen Streich, ließ ſich vielleicht
ſogar zu einem kleinen Diebſtahl verleiten oder machte
ſonſt einen polizeiwidrigen Unfug und fiel ſo, wie es
mit Tauſenden ſeiner Altersgenoſſen täglich geſchieht,
in eine der zahlloſen Schlingen der modernen Straf-
geſetze und Polizeivorſchriften.

Selbſtverſtändlich legte die Strafjuſtiz ſofort ihre
ahndende Hand an ihn: er wird angezeigt, ver-
urtheilt und wandert zum erſten Male auf einige
Tage oder Wochen in den Arreſt. — Damit iſt alſo
der Anfang gemacht, die moderne „Beſſerung“
im Gefängniſſe hat begonnen an ihm ihr Werk zu
zu thun, eheſtens werden auch ihre Reſultate zu Tage
treten. Das Kind büßt ſeine kurze Gefängnißſtrafe ab
und kehrt ins Elternhaus zurück. Aber bald bemerkt
man nun eine eigenthümliche, ſehr unangenehme Ver-
änderung an dem beſtraften Knaben, die ſich ſelbſt in
ſeinem Geſichtsausdrucke offenbart. Die frühere ruhige
Klarheit und Unſchuld ſeiner Augen iſt verſchwunden,
ſeine Blicke ſind unruhig und verſchloſſen, ein
Schimmer von beginnender Verkommenheit und ver-
ſtockter Bosheit läßt ſich in ſeinen Geſichtszügen be-
obachten. — Er folgt nicht mehr, wird immer ſtörri-
ſcher, iſt grob und brutal gegen Eltern und Geſchwiſter,
führt gemeine und unreine Reden, hält nichts mehr
auf ſeine Kleidung und ſcheint laſterhafte geheime
Gewohnheiten zu haben; — er lernt nichts mehr
und wird immer arbeitsſcheuer, bleibt gegen
ſeine frühere Gewohnheit oft ſtundenlang
ja ſchließlich vielleicht auch Tage lang vom Elteru-
hauſe weg, ohne daß man etwas Anderes über ſeinen
Aufenthalt erfahren kann, als daß er hie und da in
intimer Geſellſchaft mit verdächtigen Individuen ge-
ſehen wurde, deren Bekanntſchaft er wahrſcheinlich im
Arreſte gemacht hat.

Nicht lange dauert es, ſo begeht er ein neuer-
liches Delict; aber dieſes zeigt bereits einen ganz
anderen Charakter, als ſein erſtes früheres Vergehen;
es iſt nicht mehr ein harmloſer oder unbeſonnener
Jugendſtreich, ſondern es offenbart ſich in der ganzen
That bereits eine routinirte Ueberlegung und energiſche
Bosheit; er muß irgendwo „Schule“ gemacht haben;
vielleicht wiſſen der Herr Staatsanwalt und der
Kerkermeiſter, wo dies geſchehen iſt?

Selbſtredend wird er nun, und zwar diesmal
wirklich von Rechtswegen, wieder beſtraft und von
da an folgen Strafe auf Strafe; alle Bemühungen
ſeiner Angehörigen, ihn wieder auf einen ordentlichen
Lebensweg zurückzubringen, ſind vergebens, er kommt
aus den diverſen Arreſten und Kerkern, Zwangs-
arbeits- und Beſſerungshäuſern faſt gar nicht mehr
heraus. Im Alter von 19 Jahren wird er endlich
über Bitten der Mutter der Freiheit wiedergegeben.
Da er natürlich in den verſchiedenen Gefängiſſen und
„Beſſerungshäuſern“ kein Handwerk oder Gewerbe
gelernt hat, ſondern, wie der Bericht lautet, nur „zu
verſchiedenen Arbeiten“ verwendet, meiſtens aber
wohl überhaupt nicht beſchäftigt wurde, wird er nun-
mehr in die Lehre gegeben Nun ſoll ſich zeigen, wie
weit er es unter der „beſſernden“ Fürſorge der
Strafjuſtiz gebracht hat. Näheres darüber wiſſen wir
nicht; Thatſache iſt, daß er knrze Zeit nach ſeiner
Freilaſſung einen Raubmord begeht.

Aus dem Geſagten wollen wir nun kurz das
Schlußergeqniß ziehen. Wie in zahlloſen anderen
Fällen — der Schreiber dieſer Zeilen könnte aus
ſeiner eigenen Praxis hunderte von ſolchen aufzählen
— war offenbar auch bei dem in Rede ſtehenden
jungen Verbrecher die erlittene kurzzeitige Gefängniß-
ſtrafe der entſcheidende Wendepunkt ſeines Lebens-
laufes. Dies iſt ſowohl aus dem zeitlichen Zu-
ſammentreffen wie aus allen anderen begleitenden
Umſtänden zu entnehmen; ja man könnte gewiſſer-
maßen ſagen, dieſe erſte Einſperrung in die Arreſte
[Spaltenumbruch] — wie man dieſe moraliſchen Zuchtmittel nennt —
war auch die erſte Urſache des jetzt von ihm began-
genen todeswürdigen Verbrechens, denn ſie war es
in erſter Reihe, welche ihn auf jene ſchiefe Laufbahn
brachte, die nunmehr vorläufig mit einem Morde ge-
endet hat.

Gewiß ſoll ja auch im kindlichen bezw. jugend-
lichen Alter jeder wirkliche Fehltritt beſtraft werden,
dieſe Beſtrafung muß jedoch eine dem Fehltritt und
dem jugendlichen Alter angemeſſene ſein. Daß
aber die modernen Staaten, mit wenigen Ausnahmen,
über gar keine anderen Strafmittel gegen jugendliche
Perſonen verfügen, als nur das Gefängniß und
immer wieder nur das Gefängniß, und zwar, wie es
unter den obwaltenden Umſtänden nicht anders mög-
lich iſt, gerade die moraliſch allergefährlichſte Gemein-
ſchaftshaft in den von den Criminaliſten aller Länder
übereinſtimmend als wahre Hochſchulen aller Laſter
bezeichneten Gefängniſſen, — das iſt wirklich traurig.
Umſo mehr aber iſt dies zu bedauern, wenn noch da-
zu, wie es heute tagtäglich in zahlloſen Fällen überall
geſchieht, dieſes mehr als gefährliche Strafmittel ohne
Unterſcheidung ſelbſt bei ganz geringfügigen kindlichen
Fehltritten mechaniſch in Anwendung gebracht wird,
wo oft eine ernſte Rüge oder einige Hiebe vollkommen
genügen würden. Das iſt die traurigſte Frucht des
blinden Doctrinarismus, der auf keinem Gebiete ſo
unumſchränkt herrſcht, wie eben in der modernen
Strafgeſetzgebung und Strafrechtspflege.

Aehnlich dem über die ſproſſenden Saaten ſich
legenden ſcharfen Froſte zerſtören erfahrungsgemäß
die an Kindern und jugendlichen Perſonen vollzogenen,
wenn auch nur kurzzeitigen Gefängnißſtrafen jede
Unſchuld und alle Willenskraft zum Guten, machen
alle bisherige Erziehung zu Nichte und pflanzen dafür
die Peſtkeime der ſchädlichen Laſter in das zarte, für
alle äußeren Eindrücke beſonders ewpfängliche jugend-
liche Weſen. — In Wien allein werden jährlich
Tauſende von unreifen Kindern und jugendlichen
Perſonen in die faſt ſtets überfüllten Gefängniſſe
des Landesgerichtes, der Bezirksgerichte und der
Polizei zur Vollſtreckung von Freiheitsſtrafen oder
zur vorläufigen Detention eingeſchloſſen; man findet
ja kaum mehr eine Zelle, in der nicht wenigſtens ein
jugendlicher Häftling zwiſchen den erwachſenen Sträf-
lingen ſich befände. Auch von dieſen nicht ſelten aus guter
und höhergeſtellten Familien ſtammenden unglück-
lichen Kindern wird einſt wohl oft die Anklage
ſagen: „Er gerieth in ſchlechte Geſellſchaft.“ Wo
und wie dies vor Allem geſchieht, weiß man wohl;
vielleicht wiſſen es auch der Herr Juſtizminiſter und
der Staatsanwalt, wenn ſie auch nicht gerne davon
ſprechen oder ſprechen hören.

Wir unſererſeits wollen darüber nichts Weiteres
mehr bemerken, denn ſonſt könnten wir vielleicht auch
noch nach irgeudwelchem Paragraphen belangt
werden und ſo auch „iu ſchlechte Geſellſchaft ge-
rathen.“ — Sapienti sat! Dr. Z.




Vereinsnachrichten.
§ Geſellſchaft vom Blauen Kreuz.

In Mark-
graf-Neuſiedl
entwickelt ſich rege Thätigkeit auf
dem Bauplatze der Geſellſchaft vom Blauen Kreuze,
da nunmehr die wackeren Landwirthe daſelbſt die für das
Dienſtboten-Greiſinen heim gehörigen Ziegel
vom Bahnhof zum Bauplatz unentgeltlich befördern.
Die benöthigten 250.000 Ziegel kommen von Frattings-
dorf aus der Ziegelei des Herrn Steingaßner, welcher
für den Bau dieſes Kaiſermonumentes die Ziegel zum
Selbſtkoſtenpreis liefert. Der Schlußſtein wird am
4. October d. J. gelegt werden. Es muß aber dem Bau
auch Leben eingehaucht werden; dies geſchieht dadurch,
daß in dieſem Monumentalbau mehrere würdige greiſe
Dienſtboten bis an ihr Lebensende unentgeltlich gepflegt
werden, welche täglich desjenigen dankerfüllten Herzen
gedenken, zu deſſen Ehren ihnen die Wohlthat einer
Altersverſorgung zu Theil wurde. Es iſt noch viel
Geld nöthig, um dieſe Inſtitution unſeres großen
Kaiſers würdig zu geſtalten. Die Präſidentin Joſefine
v. Szivos, 9. Bez., Berggaſſe 20, bittet daher, zum
Monumentalbau in Markgrafneuſiedl je nach dem
Dictate ihrer edel veranlagten Herzen beizuſteuern.
Größere Spenden werden auf der Marmortafel im
Veſtibule des Kaiſermonumentes in goldenen Lettern
der Nachwelt zur Kenntniß gebracht.

§ Katholiſches Handels-Caſino.

Das katholiſche
Handels-Caſino in Wien veranſtaltet ſeine diesjährige
Faſchings-Unterhaltung am Faſchingmontag den
18. Februar 1901 im Saale des Hotels „Bayriſcher
Hof“, 2. Bez., Taborſtraße Nr. 39, und ladet alle
Freunde des Caſinos zum Beſuche herzlich ein. Für
ein eminentes Programm hat die Vereinsleitung beſtens
vorgeſorgt. Nach Schluß der Vorträge Tanzkränzchen.
Karten à 1 K ſind im Secretariate des katholiſchen
Handelscaſinos, 1. Bez., Singerſtraße 18, erhältlich.

§ Politiſcher Fortſchrittsverein „Eintracht“
3. Bezirk.

Am Montag, den 11. Februar veran-
ſtaltet der politiſche Fortſchrittsverein „Eintracht“ im
3. Bezirk zu Ehren ſeines Ehrenmitgliedes Bürger-
meiſter Dr. Carl Lueger abermals das in allen
Geſellſchaftskreiſen beliebte „Lueger-Kränzchen
wie immer ſo auch diesmal in Drehers Sälen, 3. Bez.
Hauptſtraße 97. Nachdem das diesmalige Kränzchen
in der Reihe der veranſtalteten Kränzchen
das 25. iſt, ſo wird dasſelbe zugleich als das 25jährige
Jubiläums-Lueger-Kränzchen gefeiert und be-
reitet das Kränzchen-Comité alles vor, um dasſelbe
zu einem recht glänzenden zu geſtalten.


[Spaltenumbruch]
§ St. Severinus-Verein.

Die Mitglieder werden
hiermit höflichſt aufmerkſam gemacht, die Jahres-
beiträge nicht in der Kanzlei, 1. Bezirk, Annagaſſe 9,
ſondern an den Caſſier Franz Pololanik jun. 1. Be-
zirk, Johannesgaſſe 17, erlegen zu wollen, wo auch
Beitritts-Erklärungen entgegengenommen werden.

§ Pfarrgruppe „Maria Treu“ in der Joſefſtadt

des Katholiſchen Schulvereins. Sonntag den 27. d.
Abends ½7 Uhr findet in Buchingers Reſtauration,
Alſerſtraße 63 die Jahresverſammlung ſtatt. Sprechen
werden: Hochw. Joſef C. Heidenreich und Abg. Dr.
R. Weiskirchner. Geſangs und Muſikvorträge.

§ St. Petrus Claver-Sodalität.

Samſtag den
2. Februar um ¾3 Uhr Nachmittags, Vortrag über
Afrika-Miſſion, gehalten von P. Gieſe aus dem
Miſſionshauſe St. Gabriel, im Concertſaale des Anna-
hofes, 1. Bez., Annagaſſe 3. Eintritt frei ohne Karten




Die Königin von England
liegt hoffnungslos zwiſchen Leben und Sterben.
Geſtern (Sonntag) 10 Uhr Morgens war folgendes
Bulletin ausgegehen:

„Ihre Majeſtät verbrachte eine ziemlich ruhe-
loſe Nacht. Sonſt iſt keinerlei Veränderung ſeit
dem letzten Bulletin eingetreten.“

Um 3 Uhr Nachmittags hieß es in London, eine
Depeſche der Tochter der Königin, Prinzeſſin Beatrix,
ſei iu London eingetroffen, daß der Zuſtand der
Königin ernſt jedoch nicht hoffnungslos ſei. Allein
um 5 Uhr traf aus Osborne ein Bulletin ein. In
demſelben erklärten die Leibärzte Powell und Reid:
„Der Kräftezuſtand der Königin iſt tagsüber
im Gleichen verblieben und es iſt keinerlei
Fortſchritt im Auflöſungsproceß

eingetreten; aber die Symptome ſind fortgeſetzt
beſorgnißerregend.

Um ½12 Uhr Nachts lautete das Bulletin:
„Der Zuſtand Ihrer Majeſtät iſt im Laufe der letzten
Abendſtunden ernſter geworden, da der Kräfte-
verfall zunimmt
und die Fähigkeit, Nahrung
zu ſich zu nehmen, ſich vermindert.“

Um ½1 Uhr lautete es: „Das um Mitternacht
in Osborne ausgegebene Bulletin conſtatirt fort-
ſchreitenden Kräfteverfall.

Bei der Wiener großbritaniſchen Bot-
ſchaft
ſind heute aus Osborne Depeſchen des In-
haltes eingetroffen, daß der Zuſtand der Königin un-
verändert iſt, daß ſich ſehr bedrohliche Symptome
gezeigt haben. Alle Mitglieder des Allerhöchſten
Kaiſerhauſes, die Hof- und Staatswürdenträger
zogen Erkundigungen auf der Botſchaft ein.

Das Reuter’ſche Bureau
veröffentlicht folgende Depeſche aus Osborne von
8 Uhr Abends: Die Königin liegt in Agonie.
Der Eintritt der Kataſtrophe iſt ſtündlich
zu erwarten.

Der Prinz von Wales
begab ſich von Cowes nach London, um den Kaiſer
Wilhelm zu empfangen, deſſen Ankunft im Charing-
croß-Bahnhofe für 6 Uhr Abends erwartet wird.

Kaiſer Wilhelm iſt um
5 Uhr Nachmittags in Port Victoria eingetroffen.
Der Prinz von Wales iſt in London angekommen.

Kaiſer Wilhelm und
Herzog von Connaught ſind um 6 Uhr 20 Minuten
Abends im Charingcroß-Bahnhofe eingetroffen und
wurden vom Prinzen von Wales, Herzog von York
uud dem Prinzen Chriſtian von Schleswig-Holſtein
empfangen. Kaiſer Wilhelm begab ſich nach dem
Buckingham-Palaſte.

Das Mitternachts über
das Befinden der Königin ausgegebene Bulletin be-
ſagt: Der Zuſtand der Königin hat ſich im Laufe
des Abends verſchlimmert. Die Schwäche
nimmt zu;
die Nahrungsaufnahme iſt erſchwert.

Die ge-
ſammte königliche Familie iſt im Sterbezimmer ver-
ſammelt. Der Eintritt des Todes wird jeden
Augenblick erwartet.

Kaiſer Wilhelm, der
Prinz von Wales, ſowie die Herzoge von Connaught
und York ſind um 8 Uhr Früh vom Victoria-Bahn-
hofe nach Osborne abgereiſt.




Königin Victoria, I. Alexandra, wurde am
24. Mai 1819 als einzige Tochter des Herzogs von
Kent und deſſen Gattin, der Prinzeſſin Louiſe Victoria
von Sachſen-Saalfeld-Coburg, verwitweten Fürſtin
Leinigen geboren. Der am 23. Jänner 1820 ver-
ſtorbene Herzog von Kent war der Bruder des Königs
Wilhelm IV. Als dieſer am 20. Juni 1837 kinder-
los ſtarb, wurde ſeine Nichte Victoria zur Thronfolg[e]
in Großbritanien berufen und am 28. Jänner 1838
zur Königin gekrönt. Am 10. Februar 1840 ver[-]
mählte ſich die Königin, dem Zuge des Herzens fo[l]
gend, mit dem Prinzen Albrecht von Sachſe[n]
Coburg-Gotha. Am 14. December 1841 ſtarb Pri[nz]
Albert. Der Ehe des Königspaares, die ei[ne]
muſtergiltige war, entſtammen neun Kinder, dere[n]
älteſtes, Prinzeſſin Victoria, mit Kaiſer Fried[-]
rich III. vermählt war und die Mutter de[-]
derzeit regierenden dentſchen Kaiſers Wilhelm II

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[5/0005] 18 Wien, Dienſtag Reichspoſt 22. Jänner 1901 klageſchriften gegen jugendliche Verbrecher wieder- kehrenden Phraſe ſich gedacht hat, wiſſen wir natür- lich nicht. Wahrſcheinlich wollte ſie damit auf die allerdings zweifellos richtige und allgemein aner- kannte Thatſache hinweiſen, daß bei der Entwicklung beſonders der jugendlichen Verbrecher ſtets die ſocialen Verhältniſſe, in denen ſie leben uud aufwachſen, oder — wie die Criminaliſten ſagen — das ſogenannte „ſociale Milieu“ die erſte und entſcheidende Rolle ſpielt Damit allein iſt uns jedoch nicht gedient, wir möchten doch auch näher wiſſen, wie denn eigentlich der junge Verbrecher ſeinerzeit in dieſe „ſchlechte Geſellſchaft gerathen“ iſt, und wie es kommt, daß heute gar ſo oft ſelbſt auch gut geartete und wohlerzogene Kinder aus in guten und geordneten Verhältniſſen lebenden Familien ſo plötzlich „in ſchlechte Geſellſchaft ge- rathen“. Darüber wollen wir hier einige Worte ſagen, wenn es auch aus verſchiedenen Gründen nicht immer möglich iſt, die ganze Wahrheit zu enthüllen, und wenn wir auch gerne anerkennen, daß es auch andere Wege gibt, auf denen das Kind in ſchlechte Geſellſchaft geräth, wie der, den wir als den typiſchen hinzuſtellen beabſichtigen. Bis zu ſeinem dreizehnten, beziehungsweiſe vier- zehnten Lebensjahre, dem Alter der vollen geſetz- lichen Strafmündigkeit, hat ſich der genannte junge Raubmörder, wie wir aus den Verhandlungs- berichten entnehmen, durchaus normal verhalten und war ein folgſames, braves, fleißiges und ſittſames Kind; ſelbſt die Anklageſchrift ſtellt ihm für dieſe ſeine Lebensperiode ein gutes Zeugniß aus. Nun kam er in das gefährliche Alter der Entwicklung; er begieng irgend einen jugendlichen Streich, ließ ſich vielleicht ſogar zu einem kleinen Diebſtahl verleiten oder machte ſonſt einen polizeiwidrigen Unfug und fiel ſo, wie es mit Tauſenden ſeiner Altersgenoſſen täglich geſchieht, in eine der zahlloſen Schlingen der modernen Straf- geſetze und Polizeivorſchriften. Selbſtverſtändlich legte die Strafjuſtiz ſofort ihre ahndende Hand an ihn: er wird angezeigt, ver- urtheilt und wandert zum erſten Male auf einige Tage oder Wochen in den Arreſt. — Damit iſt alſo der Anfang gemacht, die moderne „Beſſerung“ im Gefängniſſe hat begonnen an ihm ihr Werk zu zu thun, eheſtens werden auch ihre Reſultate zu Tage treten. Das Kind büßt ſeine kurze Gefängnißſtrafe ab und kehrt ins Elternhaus zurück. Aber bald bemerkt man nun eine eigenthümliche, ſehr unangenehme Ver- änderung an dem beſtraften Knaben, die ſich ſelbſt in ſeinem Geſichtsausdrucke offenbart. Die frühere ruhige Klarheit und Unſchuld ſeiner Augen iſt verſchwunden, ſeine Blicke ſind unruhig und verſchloſſen, ein Schimmer von beginnender Verkommenheit und ver- ſtockter Bosheit läßt ſich in ſeinen Geſichtszügen be- obachten. — Er folgt nicht mehr, wird immer ſtörri- ſcher, iſt grob und brutal gegen Eltern und Geſchwiſter, führt gemeine und unreine Reden, hält nichts mehr auf ſeine Kleidung und ſcheint laſterhafte geheime Gewohnheiten zu haben; — er lernt nichts mehr und wird immer arbeitsſcheuer, bleibt gegen ſeine frühere Gewohnheit oft ſtundenlang ja ſchließlich vielleicht auch Tage lang vom Elteru- hauſe weg, ohne daß man etwas Anderes über ſeinen Aufenthalt erfahren kann, als daß er hie und da in intimer Geſellſchaft mit verdächtigen Individuen ge- ſehen wurde, deren Bekanntſchaft er wahrſcheinlich im Arreſte gemacht hat. Nicht lange dauert es, ſo begeht er ein neuer- liches Delict; aber dieſes zeigt bereits einen ganz anderen Charakter, als ſein erſtes früheres Vergehen; es iſt nicht mehr ein harmloſer oder unbeſonnener Jugendſtreich, ſondern es offenbart ſich in der ganzen That bereits eine routinirte Ueberlegung und energiſche Bosheit; er muß irgendwo „Schule“ gemacht haben; vielleicht wiſſen der Herr Staatsanwalt und der Kerkermeiſter, wo dies geſchehen iſt? Selbſtredend wird er nun, und zwar diesmal wirklich von Rechtswegen, wieder beſtraft und von da an folgen Strafe auf Strafe; alle Bemühungen ſeiner Angehörigen, ihn wieder auf einen ordentlichen Lebensweg zurückzubringen, ſind vergebens, er kommt aus den diverſen Arreſten und Kerkern, Zwangs- arbeits- und Beſſerungshäuſern faſt gar nicht mehr heraus. Im Alter von 19 Jahren wird er endlich über Bitten der Mutter der Freiheit wiedergegeben. Da er natürlich in den verſchiedenen Gefängiſſen und „Beſſerungshäuſern“ kein Handwerk oder Gewerbe gelernt hat, ſondern, wie der Bericht lautet, nur „zu verſchiedenen Arbeiten“ verwendet, meiſtens aber wohl überhaupt nicht beſchäftigt wurde, wird er nun- mehr in die Lehre gegeben Nun ſoll ſich zeigen, wie weit er es unter der „beſſernden“ Fürſorge der Strafjuſtiz gebracht hat. Näheres darüber wiſſen wir nicht; Thatſache iſt, daß er knrze Zeit nach ſeiner Freilaſſung einen Raubmord begeht. Aus dem Geſagten wollen wir nun kurz das Schlußergeqniß ziehen. Wie in zahlloſen anderen Fällen — der Schreiber dieſer Zeilen könnte aus ſeiner eigenen Praxis hunderte von ſolchen aufzählen — war offenbar auch bei dem in Rede ſtehenden jungen Verbrecher die erlittene kurzzeitige Gefängniß- ſtrafe der entſcheidende Wendepunkt ſeines Lebens- laufes. Dies iſt ſowohl aus dem zeitlichen Zu- ſammentreffen wie aus allen anderen begleitenden Umſtänden zu entnehmen; ja man könnte gewiſſer- maßen ſagen, dieſe erſte Einſperrung in die Arreſte — wie man dieſe moraliſchen Zuchtmittel nennt — war auch die erſte Urſache des jetzt von ihm began- genen todeswürdigen Verbrechens, denn ſie war es in erſter Reihe, welche ihn auf jene ſchiefe Laufbahn brachte, die nunmehr vorläufig mit einem Morde ge- endet hat. Gewiß ſoll ja auch im kindlichen bezw. jugend- lichen Alter jeder wirkliche Fehltritt beſtraft werden, dieſe Beſtrafung muß jedoch eine dem Fehltritt und dem jugendlichen Alter angemeſſene ſein. Daß aber die modernen Staaten, mit wenigen Ausnahmen, über gar keine anderen Strafmittel gegen jugendliche Perſonen verfügen, als nur das Gefängniß und immer wieder nur das Gefängniß, und zwar, wie es unter den obwaltenden Umſtänden nicht anders mög- lich iſt, gerade die moraliſch allergefährlichſte Gemein- ſchaftshaft in den von den Criminaliſten aller Länder übereinſtimmend als wahre Hochſchulen aller Laſter bezeichneten Gefängniſſen, — das iſt wirklich traurig. Umſo mehr aber iſt dies zu bedauern, wenn noch da- zu, wie es heute tagtäglich in zahlloſen Fällen überall geſchieht, dieſes mehr als gefährliche Strafmittel ohne Unterſcheidung ſelbſt bei ganz geringfügigen kindlichen Fehltritten mechaniſch in Anwendung gebracht wird, wo oft eine ernſte Rüge oder einige Hiebe vollkommen genügen würden. Das iſt die traurigſte Frucht des blinden Doctrinarismus, der auf keinem Gebiete ſo unumſchränkt herrſcht, wie eben in der modernen Strafgeſetzgebung und Strafrechtspflege. Aehnlich dem über die ſproſſenden Saaten ſich legenden ſcharfen Froſte zerſtören erfahrungsgemäß die an Kindern und jugendlichen Perſonen vollzogenen, wenn auch nur kurzzeitigen Gefängnißſtrafen jede Unſchuld und alle Willenskraft zum Guten, machen alle bisherige Erziehung zu Nichte und pflanzen dafür die Peſtkeime der ſchädlichen Laſter in das zarte, für alle äußeren Eindrücke beſonders ewpfängliche jugend- liche Weſen. — In Wien allein werden jährlich Tauſende von unreifen Kindern und jugendlichen Perſonen in die faſt ſtets überfüllten Gefängniſſe des Landesgerichtes, der Bezirksgerichte und der Polizei zur Vollſtreckung von Freiheitsſtrafen oder zur vorläufigen Detention eingeſchloſſen; man findet ja kaum mehr eine Zelle, in der nicht wenigſtens ein jugendlicher Häftling zwiſchen den erwachſenen Sträf- lingen ſich befände. Auch von dieſen nicht ſelten aus guter und höhergeſtellten Familien ſtammenden unglück- lichen Kindern wird einſt wohl oft die Anklage ſagen: „Er gerieth in ſchlechte Geſellſchaft.“ Wo und wie dies vor Allem geſchieht, weiß man wohl; vielleicht wiſſen es auch der Herr Juſtizminiſter und der Staatsanwalt, wenn ſie auch nicht gerne davon ſprechen oder ſprechen hören. Wir unſererſeits wollen darüber nichts Weiteres mehr bemerken, denn ſonſt könnten wir vielleicht auch noch nach irgeudwelchem Paragraphen belangt werden und ſo auch „iu ſchlechte Geſellſchaft ge- rathen.“ — Sapienti sat! Dr. Z. Vereinsnachrichten. § Geſellſchaft vom Blauen Kreuz. In Mark- graf-Neuſiedl entwickelt ſich rege Thätigkeit auf dem Bauplatze der Geſellſchaft vom Blauen Kreuze, da nunmehr die wackeren Landwirthe daſelbſt die für das Dienſtboten-Greiſinen heim gehörigen Ziegel vom Bahnhof zum Bauplatz unentgeltlich befördern. Die benöthigten 250.000 Ziegel kommen von Frattings- dorf aus der Ziegelei des Herrn Steingaßner, welcher für den Bau dieſes Kaiſermonumentes die Ziegel zum Selbſtkoſtenpreis liefert. Der Schlußſtein wird am 4. October d. J. gelegt werden. Es muß aber dem Bau auch Leben eingehaucht werden; dies geſchieht dadurch, daß in dieſem Monumentalbau mehrere würdige greiſe Dienſtboten bis an ihr Lebensende unentgeltlich gepflegt werden, welche täglich desjenigen dankerfüllten Herzen gedenken, zu deſſen Ehren ihnen die Wohlthat einer Altersverſorgung zu Theil wurde. Es iſt noch viel Geld nöthig, um dieſe Inſtitution unſeres großen Kaiſers würdig zu geſtalten. Die Präſidentin Joſefine v. Szivos, 9. Bez., Berggaſſe 20, bittet daher, zum Monumentalbau in Markgrafneuſiedl je nach dem Dictate ihrer edel veranlagten Herzen beizuſteuern. Größere Spenden werden auf der Marmortafel im Veſtibule des Kaiſermonumentes in goldenen Lettern der Nachwelt zur Kenntniß gebracht. § Katholiſches Handels-Caſino. Das katholiſche Handels-Caſino in Wien veranſtaltet ſeine diesjährige Faſchings-Unterhaltung am Faſchingmontag den 18. Februar 1901 im Saale des Hotels „Bayriſcher Hof“, 2. Bez., Taborſtraße Nr. 39, und ladet alle Freunde des Caſinos zum Beſuche herzlich ein. Für ein eminentes Programm hat die Vereinsleitung beſtens vorgeſorgt. Nach Schluß der Vorträge Tanzkränzchen. Karten à 1 K ſind im Secretariate des katholiſchen Handelscaſinos, 1. Bez., Singerſtraße 18, erhältlich. § Politiſcher Fortſchrittsverein „Eintracht“ 3. Bezirk. Am Montag, den 11. Februar veran- ſtaltet der politiſche Fortſchrittsverein „Eintracht“ im 3. Bezirk zu Ehren ſeines Ehrenmitgliedes Bürger- meiſter Dr. Carl Lueger abermals das in allen Geſellſchaftskreiſen beliebte „Lueger-Kränzchen wie immer ſo auch diesmal in Drehers Sälen, 3. Bez. Hauptſtraße 97. Nachdem das diesmalige Kränzchen in der Reihe der veranſtalteten Kränzchen das 25. iſt, ſo wird dasſelbe zugleich als das 25jährige Jubiläums-Lueger-Kränzchen gefeiert und be- reitet das Kränzchen-Comité alles vor, um dasſelbe zu einem recht glänzenden zu geſtalten. § St. Severinus-Verein. Die Mitglieder werden hiermit höflichſt aufmerkſam gemacht, die Jahres- beiträge nicht in der Kanzlei, 1. Bezirk, Annagaſſe 9, ſondern an den Caſſier Franz Pololanik jun. 1. Be- zirk, Johannesgaſſe 17, erlegen zu wollen, wo auch Beitritts-Erklärungen entgegengenommen werden. § Pfarrgruppe „Maria Treu“ in der Joſefſtadt des Katholiſchen Schulvereins. Sonntag den 27. d. Abends ½7 Uhr findet in Buchingers Reſtauration, Alſerſtraße 63 die Jahresverſammlung ſtatt. Sprechen werden: Hochw. Joſef C. Heidenreich und Abg. Dr. R. Weiskirchner. Geſangs und Muſikvorträge. § St. Petrus Claver-Sodalität. Samſtag den 2. Februar um ¾3 Uhr Nachmittags, Vortrag über Afrika-Miſſion, gehalten von P. Gieſe aus dem Miſſionshauſe St. Gabriel, im Concertſaale des Anna- hofes, 1. Bez., Annagaſſe 3. Eintritt frei ohne Karten Die Königin von England liegt hoffnungslos zwiſchen Leben und Sterben. Geſtern (Sonntag) 10 Uhr Morgens war folgendes Bulletin ausgegehen: „Ihre Majeſtät verbrachte eine ziemlich ruhe- loſe Nacht. Sonſt iſt keinerlei Veränderung ſeit dem letzten Bulletin eingetreten.“ Um 3 Uhr Nachmittags hieß es in London, eine Depeſche der Tochter der Königin, Prinzeſſin Beatrix, ſei iu London eingetroffen, daß der Zuſtand der Königin ernſt jedoch nicht hoffnungslos ſei. Allein um 5 Uhr traf aus Osborne ein Bulletin ein. In demſelben erklärten die Leibärzte Powell und Reid: „Der Kräftezuſtand der Königin iſt tagsüber im Gleichen verblieben und es iſt keinerlei Fortſchritt im Auflöſungsproceß eingetreten; aber die Symptome ſind fortgeſetzt beſorgnißerregend.“ Um ½12 Uhr Nachts lautete das Bulletin: „Der Zuſtand Ihrer Majeſtät iſt im Laufe der letzten Abendſtunden ernſter geworden, da der Kräfte- verfall zunimmt und die Fähigkeit, Nahrung zu ſich zu nehmen, ſich vermindert.“ Um ½1 Uhr lautete es: „Das um Mitternacht in Osborne ausgegebene Bulletin conſtatirt fort- ſchreitenden Kräfteverfall.“ Bei der Wiener großbritaniſchen Bot- ſchaft ſind heute aus Osborne Depeſchen des In- haltes eingetroffen, daß der Zuſtand der Königin un- verändert iſt, daß ſich ſehr bedrohliche Symptome gezeigt haben. Alle Mitglieder des Allerhöchſten Kaiſerhauſes, die Hof- und Staatswürdenträger zogen Erkundigungen auf der Botſchaft ein. London, 20. Jänner. Das Reuter’ſche Bureau veröffentlicht folgende Depeſche aus Osborne von 8 Uhr Abends: Die Königin liegt in Agonie. Der Eintritt der Kataſtrophe iſt ſtündlich zu erwarten. London, 20. Jänner. Der Prinz von Wales begab ſich von Cowes nach London, um den Kaiſer Wilhelm zu empfangen, deſſen Ankunft im Charing- croß-Bahnhofe für 6 Uhr Abends erwartet wird. London, 20. Jänner. Kaiſer Wilhelm iſt um 5 Uhr Nachmittags in Port Victoria eingetroffen. Der Prinz von Wales iſt in London angekommen. London, 20. Jänner. Kaiſer Wilhelm und Herzog von Connaught ſind um 6 Uhr 20 Minuten Abends im Charingcroß-Bahnhofe eingetroffen und wurden vom Prinzen von Wales, Herzog von York uud dem Prinzen Chriſtian von Schleswig-Holſtein empfangen. Kaiſer Wilhelm begab ſich nach dem Buckingham-Palaſte. London, 21. Jänner. Das Mitternachts über das Befinden der Königin ausgegebene Bulletin be- ſagt: Der Zuſtand der Königin hat ſich im Laufe des Abends verſchlimmert. Die Schwäche nimmt zu; die Nahrungsaufnahme iſt erſchwert. Osborne, 21. Jänner, 3 Uhr Früh. Die ge- ſammte königliche Familie iſt im Sterbezimmer ver- ſammelt. Der Eintritt des Todes wird jeden Augenblick erwartet. London, 21. Jänner. Kaiſer Wilhelm, der Prinz von Wales, ſowie die Herzoge von Connaught und York ſind um 8 Uhr Früh vom Victoria-Bahn- hofe nach Osborne abgereiſt. Königin Victoria, I. Alexandra, wurde am 24. Mai 1819 als einzige Tochter des Herzogs von Kent und deſſen Gattin, der Prinzeſſin Louiſe Victoria von Sachſen-Saalfeld-Coburg, verwitweten Fürſtin Leinigen geboren. Der am 23. Jänner 1820 ver- ſtorbene Herzog von Kent war der Bruder des Königs Wilhelm IV. Als dieſer am 20. Juni 1837 kinder- los ſtarb, wurde ſeine Nichte Victoria zur Thronfolge in Großbritanien berufen und am 28. Jänner 1838 zur Königin gekrönt. Am 10. Februar 1840 ver- mählte ſich die Königin, dem Zuge des Herzens fol gend, mit dem Prinzen Albrecht von Sachſen Coburg-Gotha. Am 14. 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Zitationshilfe: Reichspost. Nr. 18, Wien, 22.01.1901, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_reichspost018_1901/5>, abgerufen am 21.11.2024.