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Reichspost. Nr. 117, Wien, 28.04.1908.

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117 Wien, Dienstag Reichspost 28. April 1908

[Spaltenumbruch]
Politische Rundschau.
Oesterreich-Ungarn.


Das Falschspiel von Kalsching.

Dem Deutsch-
tum geht es in Böhmen wieder einmal sehr schlecht.
Nicht nur, daß die Tschechen mit täglich gesteigerter
Leidenschaft alle Positionen des Deutschtums angreifen,
es ist auch wehrlos dem dreisten Mißbrauche
ausgesetzt, den sich der Freisinn mit dem Deutsch-
tum erlaubt. Unter der Flagge "Deutschtum" wird
freisinnige Konterbande eingeschmuggelt
und unter dem Titel "Abwehr tschechischer Angriffe"
wird von deutschfreisinniger Seite, wie es gestern in
Kalsching geschehen ist, gegen die deutschen Christ-
lichsozialen gehetzt. Gegen dieses un deutsche Fälscher-
stück
der Deutschfreisinnigen muß im Namen des Deutschtums
entschiedenst protestiert werden. Die Herren Kasper,
Lößl
und Soukup mögen ja eine große Angst
haben, ihre Mandate bei irgend einer schönen Gelegenheit
an die Christlichsozialen zu verlieren, aber diese vielleicht
nicht ganz grundlose Angst gibt ihnen kein Recht, auf
einem sogenannten "Deutschen Volkstage", der, wie schon
sein Name sagt, ausschließlich deutschen Interessen und
nicht den privaten Schmerzen der verschiedenen frei-
sinnigen Fraktiönchen zu dienen hat ihre Angriffe gegen
eine Partei zu richten, die sich um das Deutschtum in
Oesterreich mindestens ebenso große
Verdienste
erworben hat als der
ganze Freisinn der verschiedenen Riten. Wenn die
Herren Kasper und Konsorten die Verteidigung des
Deutschtums vor Angriffen nationaler Gegner nicht
anders zu führen wissen als durch Begeiferung anderer
deutscher Parteien, dann sind sie selber ärgere
Schädlinge
des Deutschtums als die Fiedler,
Kramar, Rinesch, Heller und Genossen. Das Deutschtum
ist nicht dazu da, um dem marastisch gewordenen Freisinn
die wackeligen Mandate zu sichern. Die Christlichsozialen
haben in Böhmen genau dasselbe Recht,
ihrem Programm neue Anhänger zu werben, wie jede
andere Partei. Es ist selbstverständlich nicht das geringste
dagegen einzuwenden, daß sich die Freisinnigen gegen die
erfolgreich vordringenden Christlichsozialen zur Wehre
setzen. Aber als undeutsche Unehrlichkeit
und als den Interessen des Deutschtums schädliche Falsch-
spielerei muß es gebrandmarkt werden, wenn die Frei-
sinnigen der verschiedenen Riten ihren Kampf gegen die
Christlichsozialen unter der Flagge der nationalen Gesin-
nung und unter dem die deutschen Wähler
betrügenden
Titel "Deutsche Volkstage" führen.
Die Christlichsozialen, die bei den letzten Reichsratswahlen
in Deutschböhmen mehr Stimmen aufbrachten als die
Alldeutschen, die Deutsche Volkspartei und die Deutsch-
liberalen, werden diese Irreführung der deutschen Wähler
absolut nicht dulden und mit den Falschspielern so
deutlich und so deutsch reden, daß sie von diesen verstan-
den werden.

Die böhmische Krise.

Die durch die jüngsten
nationalen Zwischenfälle in Böhmen geschaffene Situation
wird allgemein als sehr kritisch angesehen. Sowohl die
tschechischen als die deutschnationalen Organe kündigen
große Aktionen ihrer Parteien an. Während die
"Deutschn. Korr." ankündigt, daß man vom Justiz-
minister Dr. Klein verlangen werde, er möge nun nach
dem Vorgehen des Prager Oberlandesgerichtes ebenfalls
sein Aufsichtsrecht geltend machen und den status
quo ante
herstellen, betreiben die Tschechen eine Ein-
berufung des böhmischen Landtages,
der allein
zur Entscheidung in der Sprachenfrage kompetent sei. Heute
erschien, wie uns aus Prag telegraphiert wird, eine Deputation
der tschechischen Radikalen beim Oberstlandmarschall-
stellvertreter, um ihn um Intervention in dieser Frage
zu ersuchen. Gegenüber den Entscheidungen des Prager
Oberlandesgerichtes befolgt das Egerer Kreisgericht die
Taktik, es in allen Fällen auf eine Beschwerde an die
obere Instanz ankommen zu lassen, um der Prager In-
[Spaltenumbruch] stanz die Praxis zu erschweren. Die Entscheidungen des
Hofrates Rinesch haben also bereits zur passiven
Resistenz der Gerichte
geführt. Daß solche
Zustände unhaltbar sind, ist klar. Daß die [in] Böhmen
eingeleitete Tschechisierungspolitik überhaupt zu uner-
träglichen Unzukömmlichkeiten führt, hat der sogenannte
"Deutschbroder Zwischenfall"
am 22. d. gezeigt, an welchem Tage es den deutschen Fahr-
postbeamten nicht möglich war, in der Station Deutschbrod
die Post zu übernehmen, da die Deutschbroder tschechischen
Postbeamten, welche die Post abzufertigen und zu über-
geben hatten, auf Knall und Fall die tschechische Amts-
sprache eingeführt hatten. Der Vorfall hat großes Auf-
sehen erregt. Leider müssen die Adressaten der verspätet
beförderten Poststücke die Kosten der vom Handelsminister
Fiedler begonnenen Tschechisierung der Post in Böhmen
tragen. Aus Prag wird uns hiezu gedrahtet: Seitens
der Prager Postdirektion wurde bei der Postambulanz
Wien--Tetschen Nr. 23 eine Untersuchung einge-
leitet, um sicherzustellen, ob und welcher der Beamten
sich bei diesem Vorfalle gegen die geltenden Vorschriften
vergangen hat. Das Resultat der eingeleiteten Unter-
suchung wird im Auftrage des Handelsministeriums
dem Handelsminister Dr. Fiedler sofort übermittelt
werden. Wie verlautet, steht die Heraus gabe eines
Erlasses
bevor, der die sprachlichen Verhältnisse bei
den Postambulanzen genau ergeben soll, um ähnliche
unliebsame Konflikte hintanzuhalten.

Die Eröffnungssitzung des Tiroler Land-
tages.

Aus Innsbruck, 27. d., wird uns berichtet:
Nach einem von dem Labg. Prälaten Zacher zelebrierten
Amte fand heute um 11 Uhr vormittags die Eröffnung
des beinahe vollzählig versammelten Landtages durch den
Statthalter Baron Spiegelfeld statt. Zunächst
stellte der Statthalter den Landeshauptmann Doktor
Kathrein und dessen Stellvertreter Abg. Dr. Conci
vor und nahm dem Abg. Kathrein das Gelöbnis ab.
Der Landeshauptmann erbat sich die Unterstützung des
Hauses, gedachte des Regierungsjubiläums Sr. Majestät
[u]nd brachte ein Hoch auf den Kaiser aus, in
welches allseits begeistert eingestimmt wurde. Der
Statthalter sagte in deutscher und italienischer Rede
volle Objektivität zu und ersuchte um das Vertrauen der
Mitglieder des Landtages. Er werde stets bereit sein, die
Gegensätze auszugleichen. Hierauf wurde die Verifizierung
sämtlicher Wahlen und die Abnahme des Handgelöbnisses
der Abgeordneten vorgenommen. Abg. Don Gentili
erklärte namens der Italiener daß das Verlangen nach
der Autonomie aufrecht bleibe, daß aber die Ita-
liener sich an den Verhandlungen des Landtages in der
Hoffnung auf wirtschaftliche Berücksichtigung und auf
eine gerechte Wahlreform beteiligen. -- In
der morgigen Sitzung werden die Ausschußwahlen
stattfinden. Die Stärke der Parteien im neuen Landtage
ist, wenn man von den drei Landesbischöfen absieht, fol-
gende: Es besitzen die deutschen Christlichsozialen
25 Mandate (1 Prälat, 2 Städte, 22 Landgemeinden) die
Altkonservativen 8 Mandate (2 Städte, 4 Adels-
kurie, 2 Prälaten), die Deutschfreisinnigen
12 Mandate (1 Virilist, 2 Handelskammer, 3 Städte, 6
Adelskurie), die christlichsozialen Italiener
14 Mandate (1 Prälat, 1 Städte, 12 Landgemeiden), frei-
sinnige Italiener
6 Mandate (5 Städte, 1
Handelskammer). Aus dieser Zusammenstellung ersieht man
klar, welche der Landtagsparteien im Volke wurzeln und
welche ihren politischen Besitzstand den Privilegien ver-
dauken. Dieses zu wissen ist wichtig zur Beurteilung der
Haltung, welche die Parteien in der Frage der Land-
tagswahlreform einnehmen werden.

Christlichsoziale Versammlung in der
Bukowina.

Aus Radautz, 27. d., wird uns tele-
graphiert: Ueber Einberufung der christlichsozialen
Landesparteileitung fand gestern hier eine überaus zahl-
reich besuchte Versammlung statt, die einen sehr lebhaften
Verlauf nahm, da der Student Karl Schläger,
welcher bis vor kurzem ein eifriger christlichsozialer
Agitator war, in jüngster Zeit aber die notwendige
Dißiplin verletzte und so der gegnerischen Keschmann-
Skedl-Richtung Vorschub leistete, mit zwanzig Anhängern




[Spaltenumbruch]

Das "Vorarlbg. Volksbl." forderte daraufhin das
Innsbrucker sozialdemokratische Blatt auf, Namen zu
nennen, was nun auch geschah. Als Misse-
täterin nennt das Blatt die Schwester Imelda
und als Zeugin der Tat der Schwester Aquinata
Die Nachforschung hat nun aber ergeben, daß
zur Zeit, als der angebliche Unfug passiert sein soll,
keine der beiden genannten Schwestern in der ersten
Klasse anwesend war. Und von den zirka 30 Schulmädchen,
welche zuerst jedes einzeln, dann alle zusammen über die
angebliche Mißhandlung ausgefragt wurden, wußte
nicht ein einziges,
daß ein solcher Fall oder ein
ähnlicher passiert wäre. Es hat sich bisher auch kein
Kind gemeldet,
das auf die geschilderte Weise
wäre mißhandelt worden; auch keine Eltern
haben darüber Klage geführt. Der so[z]ialdemokratische
Bericht ist offenbar rein erfunden. Freilich ist die Ge-
schichte deshalb nicht schlechter als hundert andere ähnliche
Räubergeschichten, die alle gut genug sind, um die Ehre
braver Frauen zu beschmutzen, die sich der christlichen
Jugenderziehung gewidmet haben.




Spät kommt Ihr ...

Die Freisinnigen des Deutschen Reiches haben in
dieser Woche ihren Parteitag abgehalten, ein großes
politisches Holzhacken, bei dem die Splitter und Spähne
nach allen Seiten hin, nur möglichst weit voneinander,
stoben. Doch da nun einmal außer den Sottisen, die die
Größen vom liberalen Geiste einander zu sagen hatten,
[Spaltenumbruch] auch etwas "Positives" geleistet, eine Sensation gebracht
werden mußte, hatte man das Thema "Liberalismus
und Arbeiterfrage" zum Gegenstand der Tages-
ordnung gemacht und Herr Friedrich Naumann,
Führer der süddeutschen Freisinnigen, sprach dazu die
unvergeßlichen Sätze:

Der Liberalismus braucht die Arbeiter nicht zur Ver-
mehrung seiner Wähler, sondern weil der Liberalismus auf
die Leute angewiesen ist, die noch nicht im Besitze der
bürgerlichen Freiheiten sind. Bereits ist auf Anregung des
Abg. Goldschmidt von der Partei ein Ausschuß zur Bericht-
erstattung über die Arbeiterfrage eingesetzt worden, der zum
Teil auch aus Arbeitern besteht. Er wird dazu helfen,
daß Fehler vermieden werden und daß die Gesetzesvorschläge
der Regierung sachverständig geprüft werden. Wir hoffen auch,
daß unser Wunsch, Arbeiter in die Parlamente zu bringen,
bald in Erfüllung gehen wird. Schon einmal ist beschlossen
worden, die Arbeiterfrage auf die Tagesordnung eines
Parteitages zu setzen, jetzt kommen wir endlich dazu,
uns die Bedeutung der Arbeiterfrage für den Liberalismus
klar zu machen. Es liegt jedenfalls ein Bedürfnis vor, daß
der Liberalismus einmal bestimmt
formuliert, was er bezüglich der Arbeiter-
frage eigentlich will.

Daran erkenn' ich meine liberalen Pappenheimer!
Im Jahre 1908 wirft ein freisinniger Parteitag die
Frage auf: "was der Liberalismus bezüglich des
Arbeiterproblems -- des Kerns der sozialen Frage --
eigentlich wolle." Die Frage ist gestellt. Die Antwort
lautet vermutlich nach wie vor -- nichts.




[Spaltenumbruch]

die Versammlung zu sprengen suchte. Der Plan miß-
lang aber vollständig und die Störer mußten die Ver-
sammlung verlassen. Die Landesparteileitung hatte als
Redner die Herren Karl Schüttler und Alois
Moreniuk entsendet, deren Ausführungen über Zweck
und Ziele der christlichsozialen Organisation die Ver-
sammlung begeisterten. Es wurde ein christlich-
sozialer Verein für die Stadt Radautz

gegründet und provisorisch konstituiert. Der Reichs-
und Landespartei wurde das unbedingte Vertrauen aus-
gesprochen und an Bgm. Dr. Lueger sowie an
Arbeitsminister Dr. Geßmann Telegramme ab-
gesendet.

Eine polnische Kundgebung gegen die
Rutheneu.

Wie uns aus Stanislau berichtet
wird, fand dort gestern eine große polnische Versammlung
statt, um zur Ermordung des Statthalters Stellung zu
nehmen. Nach einer heftigen Rede des Abg. Dr. Buzek
gegen die Ruthenen wurden Resolutionen beschlossen,
welche die Regierung angesichts "der verbrecherischen
Tätigkeit der ukrainischen Partei" auffordern, das
polnische Volk vor Angriffen auf Leben und Eigentum
zu schützen.




Ausland.

Im deutschen Reiche hat der Bruch in der frei-
sinnigen Vereinigung
zur Ausscheidung der
Opposition aus der Partei geführt, was nach den Vor-
gängen bei der Abstimmung über die beiden polenfeind-
lichen Gesetze unausbleiblich war. Die Freisinnigen ver-
lieren ihre besten Köpfe: Dr. Barth, Dr. Breithaupt und
v. Gerlach. Der übrig bleibende Rest ist zwar an Zahl
viel größer, hat aber durch seine Abhängigkeit von der
Bülowschen Blockpolitik jeden Einfluß als besondere
politische Partei verloren.

Der jüdische Bürgermeister von Rom,
Nathan,
wird von der gesamten italienischen kon-
stitutionellen Presse angegriffen, weil er im Nunzialrat
durch den Block eine städtische Dotierung von 10.000 Lire
zugunsten der sozialdemokratischen "Camera del Lavoro"
annehmen ließ. In der "Camera" haben die Syndikalisten,
sogenannte Halbanarchisten, das Heft in Händen; der
letzte Generalausstand war ihr Werk. Im gegebenen
Augenblick nimmt sich also die Subvention wie eine
Gutheißung der sozialdemokratischen Aktion aus.




Italiens Forderungen in Tripolis.
[Privattelegramm der "Reichspost".]


Die Forderung der italienischen Regierung, betreffend
Uebertragung der gesamten Küstenschiffahrt an eine
italienische Gesellschaft, hat die amtlichen türkischen Kreise
in große Erregung versetzt. Man glaubt daraus
zu erkennen, daß Italien planmäßig die Türkei
demütigen und sich eine Vormachtstellung in der Levante
verschaffen will. Eine Zurückweisung der italienischen
Forderung ist natürlich undenkbar, da von den übrigen
Großmächten keine geneigt sein würde, der Pforte Bei-
stand zu leisten. Man möge jedoch in Europa bedenken,
daß die Fortsetzung einer solchen demütigenden Zwangs-
politik gegen die Türkei leicht zu Ausbrüchen des
mohammedanischen Fanatismus und zu schweren Ver-
wicklungen im Orient führen kann.




Die Unruhen an der russisch-persischen Grenze.

Die Unruhen an der russisch-persischen Grenze
nehmen derart bedrohliche Formen an, daß Rußland
genötigt ist, Truppen von Batum und Baku heran-
zuziehen. In Kurdistan befindet sich alles in ernster
Gärung. Es steht zu erwarten, daß Rußland die
persische Provinz Aserbeidschan okkupieren wird, um so
der Bewegung Herr zu werden. Die persischen Truppen
sind unfähig Ordnung zu schaffen.

Depeschen aus
Urmia melden, daß an der türkischen Grenze ernste
Unruhen
ausgebrochen seien. Kurden wären in
großen Mengen angerückt und es hätten Gefechte statt-
gefunden. Proviantzüge und Truppen gehen über
Baku und Batum nach dem südlichen Kaukasus ab.




Der Krieg in Marokko.
Ein Gefecht. -- Große Kriegsvorbereitungen.

Am 24. d. kam es zu einem
Gefechte bei Dar ben Hamed im Mzabgebiete. Einzel-
heiten fehlen. General D'Amade hielt Journalisten von den
Truppen fern und verhinderte Mitteilungen über die
Operationen nach Casablanca. Transportschiffe brachten
60 Ambulanzwagen und Kriegsmaterial nach Settat, nach
dem Mzab- und dem Mdakragebiete, wohin täglich starke
Züge mit Material zu Baraken und Telegraphenbauten ab-
gehen. Man erwartet größere Operationen. Am
23. d. traf der englische General Kelly Kenny hier ein, der
aber nicht nach dem Operationsfelde aufgebrochen ist.
Die Meldung von verschiedenen Niederlagen der Mehalla
Muley Hafids und des Abfalles des Ruhamnastammes
haben sich als falsch erwiesen. Muley Hafid ist am 22 d.
im Aschaschgebirge eingetroffen.




Das Regime der magyarischen
Koalition.
Eine kossuthistische Polemik gegen die "Reichs-
post".

Die magyarische Presse ist sehr erbost über die "Reichs-
post", weil diese den Umtrieben der Kossuthisten in der
Gagenfrage so entschieden entgegengetreten ist und antwortet
nun in dem jenseits der Leitha üblichen Ton. So schreibt der
"Egyetertes":


117 Wien, Dienstag Reichspoſt 28. April 1908

[Spaltenumbruch]
Politiſche Rundſchau.
Oeſterreich-Ungarn.


Das Falſchſpiel von Kalſching.

Dem Deutſch-
tum geht es in Böhmen wieder einmal ſehr ſchlecht.
Nicht nur, daß die Tſchechen mit täglich geſteigerter
Leidenſchaft alle Poſitionen des Deutſchtums angreifen,
es iſt auch wehrlos dem dreiſten Mißbrauche
ausgeſetzt, den ſich der Freiſinn mit dem Deutſch-
tum erlaubt. Unter der Flagge „Deutſchtum“ wird
freiſinnige Konterbande eingeſchmuggelt
und unter dem Titel „Abwehr tſchechiſcher Angriffe“
wird von deutſchfreiſinniger Seite, wie es geſtern in
Kalſching geſchehen iſt, gegen die deutſchen Chriſt-
lichſozialen gehetzt. Gegen dieſes un deutſche Fälſcher-
ſtück
der Deutſchfreiſinnigen muß im Namen des Deutſchtums
entſchiedenſt proteſtiert werden. Die Herren Kaſper,
Lößl
und Soukup mögen ja eine große Angſt
haben, ihre Mandate bei irgend einer ſchönen Gelegenheit
an die Chriſtlichſozialen zu verlieren, aber dieſe vielleicht
nicht ganz grundloſe Angſt gibt ihnen kein Recht, auf
einem ſogenannten „Deutſchen Volkstage“, der, wie ſchon
ſein Name ſagt, ausſchließlich deutſchen Intereſſen und
nicht den privaten Schmerzen der verſchiedenen frei-
ſinnigen Fraktiönchen zu dienen hat ihre Angriffe gegen
eine Partei zu richten, die ſich um das Deutſchtum in
Oeſterreich mindeſtens ebenſo große
Verdienſte
erworben hat als der
ganze Freiſinn der verſchiedenen Riten. Wenn die
Herren Kaſper und Konſorten die Verteidigung des
Deutſchtums vor Angriffen nationaler Gegner nicht
anders zu führen wiſſen als durch Begeiferung anderer
deutſcher Parteien, dann ſind ſie ſelber ärgere
Schädlinge
des Deutſchtums als die Fiedler,
Kramar, Rineſch, Heller und Genoſſen. Das Deutſchtum
iſt nicht dazu da, um dem maraſtiſch gewordenen Freiſinn
die wackeligen Mandate zu ſichern. Die Chriſtlichſozialen
haben in Böhmen genau dasſelbe Recht,
ihrem Programm neue Anhänger zu werben, wie jede
andere Partei. Es iſt ſelbſtverſtändlich nicht das geringſte
dagegen einzuwenden, daß ſich die Freiſinnigen gegen die
erfolgreich vordringenden Chriſtlichſozialen zur Wehre
ſetzen. Aber als undeutſche Unehrlichkeit
und als den Intereſſen des Deutſchtums ſchädliche Falſch-
ſpielerei muß es gebrandmarkt werden, wenn die Frei-
ſinnigen der verſchiedenen Riten ihren Kampf gegen die
Chriſtlichſozialen unter der Flagge der nationalen Geſin-
nung und unter dem die deutſchen Wähler
betrügenden
Titel „Deutſche Volkstage“ führen.
Die Chriſtlichſozialen, die bei den letzten Reichsratswahlen
in Deutſchböhmen mehr Stimmen aufbrachten als die
Alldeutſchen, die Deutſche Volkspartei und die Deutſch-
liberalen, werden dieſe Irreführung der deutſchen Wähler
abſolut nicht dulden und mit den Falſchſpielern ſo
deutlich und ſo deutſch reden, daß ſie von dieſen verſtan-
den werden.

Die böhmiſche Kriſe.

Die durch die jüngſten
nationalen Zwiſchenfälle in Böhmen geſchaffene Situation
wird allgemein als ſehr kritiſch angeſehen. Sowohl die
tſchechiſchen als die deutſchnationalen Organe kündigen
große Aktionen ihrer Parteien an. Während die
„Deutſchn. Korr.“ ankündigt, daß man vom Juſtiz-
miniſter Dr. Klein verlangen werde, er möge nun nach
dem Vorgehen des Prager Oberlandesgerichtes ebenfalls
ſein Aufſichtsrecht geltend machen und den status
quo ante
herſtellen, betreiben die Tſchechen eine Ein-
berufung des böhmiſchen Landtages,
der allein
zur Entſcheidung in der Sprachenfrage kompetent ſei. Heute
erſchien, wie uns aus Prag telegraphiert wird, eine Deputation
der tſchechiſchen Radikalen beim Oberſtlandmarſchall-
ſtellvertreter, um ihn um Intervention in dieſer Frage
zu erſuchen. Gegenüber den Entſcheidungen des Prager
Oberlandesgerichtes befolgt das Egerer Kreisgericht die
Taktik, es in allen Fällen auf eine Beſchwerde an die
obere Inſtanz ankommen zu laſſen, um der Prager In-
[Spaltenumbruch] ſtanz die Praxis zu erſchweren. Die Entſcheidungen des
Hofrates Rineſch haben alſo bereits zur paſſiven
Reſiſtenz der Gerichte
geführt. Daß ſolche
Zuſtände unhaltbar ſind, iſt klar. Daß die [in] Böhmen
eingeleitete Tſchechiſierungspolitik überhaupt zu uner-
träglichen Unzukömmlichkeiten führt, hat der ſogenannte
„Deutſchbroder Zwiſchenfall“
am 22. d. gezeigt, an welchem Tage es den deutſchen Fahr-
poſtbeamten nicht möglich war, in der Station Deutſchbrod
die Poſt zu übernehmen, da die Deutſchbroder tſchechiſchen
Poſtbeamten, welche die Poſt abzufertigen und zu über-
geben hatten, auf Knall und Fall die tſchechiſche Amts-
ſprache eingeführt hatten. Der Vorfall hat großes Auf-
ſehen erregt. Leider müſſen die Adreſſaten der verſpätet
beförderten Poſtſtücke die Koſten der vom Handelsminiſter
Fiedler begonnenen Tſchechiſierung der Poſt in Böhmen
tragen. Aus Prag wird uns hiezu gedrahtet: Seitens
der Prager Poſtdirektion wurde bei der Poſtambulanz
Wien—Tetſchen Nr. 23 eine Unterſuchung einge-
leitet, um ſicherzuſtellen, ob und welcher der Beamten
ſich bei dieſem Vorfalle gegen die geltenden Vorſchriften
vergangen hat. Das Reſultat der eingeleiteten Unter-
ſuchung wird im Auftrage des Handelsminiſteriums
dem Handelsminiſter Dr. Fiedler ſofort übermittelt
werden. Wie verlautet, ſteht die Heraus gabe eines
Erlaſſes
bevor, der die ſprachlichen Verhältniſſe bei
den Poſtambulanzen genau ergeben ſoll, um ähnliche
unliebſame Konflikte hintanzuhalten.

Die Eröffnungsſitzung des Tiroler Land-
tages.

Aus Innsbruck, 27. d., wird uns berichtet:
Nach einem von dem Labg. Prälaten Zacher zelebrierten
Amte fand heute um 11 Uhr vormittags die Eröffnung
des beinahe vollzählig verſammelten Landtages durch den
Statthalter Baron Spiegelfeld ſtatt. Zunächſt
ſtellte der Statthalter den Landeshauptmann Doktor
Kathrein und deſſen Stellvertreter Abg. Dr. Conci
vor und nahm dem Abg. Kathrein das Gelöbnis ab.
Der Landeshauptmann erbat ſich die Unterſtützung des
Hauſes, gedachte des Regierungsjubiläums Sr. Majeſtät
[u]nd brachte ein Hoch auf den Kaiſer aus, in
welches allſeits begeiſtert eingeſtimmt wurde. Der
Statthalter ſagte in deutſcher und italieniſcher Rede
volle Objektivität zu und erſuchte um das Vertrauen der
Mitglieder des Landtages. Er werde ſtets bereit ſein, die
Gegenſätze auszugleichen. Hierauf wurde die Verifizierung
ſämtlicher Wahlen und die Abnahme des Handgelöbniſſes
der Abgeordneten vorgenommen. Abg. Don Gentili
erklärte namens der Italiener daß das Verlangen nach
der Autonomie aufrecht bleibe, daß aber die Ita-
liener ſich an den Verhandlungen des Landtages in der
Hoffnung auf wirtſchaftliche Berückſichtigung und auf
eine gerechte Wahlreform beteiligen. — In
der morgigen Sitzung werden die Ausſchußwahlen
ſtattfinden. Die Stärke der Parteien im neuen Landtage
iſt, wenn man von den drei Landesbiſchöfen abſieht, fol-
gende: Es beſitzen die deutſchen Chriſtlichſozialen
25 Mandate (1 Prälat, 2 Städte, 22 Landgemeinden) die
Altkonſervativen 8 Mandate (2 Städte, 4 Adels-
kurie, 2 Prälaten), die Deutſchfreiſinnigen
12 Mandate (1 Viriliſt, 2 Handelskammer, 3 Städte, 6
Adelskurie), die chriſtlichſozialen Italiener
14 Mandate (1 Prälat, 1 Städte, 12 Landgemeiden), frei-
ſinnige Italiener
6 Mandate (5 Städte, 1
Handelskammer). Aus dieſer Zuſammenſtellung erſieht man
klar, welche der Landtagsparteien im Volke wurzeln und
welche ihren politiſchen Beſitzſtand den Privilegien ver-
dauken. Dieſes zu wiſſen iſt wichtig zur Beurteilung der
Haltung, welche die Parteien in der Frage der Land-
tagswahlreform einnehmen werden.

Chriſtlichſoziale Verſammlung in der
Bukowina.

Aus Radautz, 27. d., wird uns tele-
graphiert: Ueber Einberufung der chriſtlichſozialen
Landesparteileitung fand geſtern hier eine überaus zahl-
reich beſuchte Verſammlung ſtatt, die einen ſehr lebhaften
Verlauf nahm, da der Student Karl Schläger,
welcher bis vor kurzem ein eifriger chriſtlichſozialer
Agitator war, in jüngſter Zeit aber die notwendige
Diſziplin verletzte und ſo der gegneriſchen Keſchmann-
Skedl-Richtung Vorſchub leiſtete, mit zwanzig Anhängern




[Spaltenumbruch]

Das „Vorarlbg. Volksbl.“ forderte daraufhin das
Innsbrucker ſozialdemokratiſche Blatt auf, Namen zu
nennen, was nun auch geſchah. Als Miſſe-
täterin nennt das Blatt die Schweſter Imelda
und als Zeugin der Tat der Schweſter Aquinata
Die Nachforſchung hat nun aber ergeben, daß
zur Zeit, als der angebliche Unfug paſſiert ſein ſoll,
keine der beiden genannten Schweſtern in der erſten
Klaſſe anweſend war. Und von den zirka 30 Schulmädchen,
welche zuerſt jedes einzeln, dann alle zuſammen über die
angebliche Mißhandlung ausgefragt wurden, wußte
nicht ein einziges,
daß ein ſolcher Fall oder ein
ähnlicher paſſiert wäre. Es hat ſich bisher auch kein
Kind gemeldet,
das auf die geſchilderte Weiſe
wäre mißhandelt worden; auch keine Eltern
haben darüber Klage geführt. Der ſo[z]ialdemokratiſche
Bericht iſt offenbar rein erfunden. Freilich iſt die Ge-
ſchichte deshalb nicht ſchlechter als hundert andere ähnliche
Räubergeſchichten, die alle gut genug ſind, um die Ehre
braver Frauen zu beſchmutzen, die ſich der chriſtlichen
Jugenderziehung gewidmet haben.




Spät kommt Ihr ...

Die Freiſinnigen des Deutſchen Reiches haben in
dieſer Woche ihren Parteitag abgehalten, ein großes
politiſches Holzhacken, bei dem die Splitter und Spähne
nach allen Seiten hin, nur möglichſt weit voneinander,
ſtoben. Doch da nun einmal außer den Sottiſen, die die
Größen vom liberalen Geiſte einander zu ſagen hatten,
[Spaltenumbruch] auch etwas „Poſitives“ geleiſtet, eine Senſation gebracht
werden mußte, hatte man das Thema „Liberalismus
und Arbeiterfrage“ zum Gegenſtand der Tages-
ordnung gemacht und Herr Friedrich Naumann,
Führer der ſüddeutſchen Freiſinnigen, ſprach dazu die
unvergeßlichen Sätze:

Der Liberalismus braucht die Arbeiter nicht zur Ver-
mehrung ſeiner Wähler, ſondern weil der Liberalismus auf
die Leute angewieſen iſt, die noch nicht im Beſitze der
bürgerlichen Freiheiten ſind. Bereits iſt auf Anregung des
Abg. Goldſchmidt von der Partei ein Ausſchuß zur Bericht-
erſtattung über die Arbeiterfrage eingeſetzt worden, der zum
Teil auch aus Arbeitern beſteht. Er wird dazu helfen,
daß Fehler vermieden werden und daß die Geſetzesvorſchläge
der Regierung ſachverſtändig geprüft werden. Wir hoffen auch,
daß unſer Wunſch, Arbeiter in die Parlamente zu bringen,
bald in Erfüllung gehen wird. Schon einmal iſt beſchloſſen
worden, die Arbeiterfrage auf die Tagesordnung eines
Parteitages zu ſetzen, jetzt kommen wir endlich dazu,
uns die Bedeutung der Arbeiterfrage für den Liberalismus
klar zu machen. Es liegt jedenfalls ein Bedürfnis vor, daß
der Liberalismus einmal beſtimmt
formuliert, was er bezüglich der Arbeiter-
frage eigentlich will.

Daran erkenn’ ich meine liberalen Pappenheimer!
Im Jahre 1908 wirft ein freiſinniger Parteitag die
Frage auf: „was der Liberalismus bezüglich des
Arbeiterproblems — des Kerns der ſozialen Frage —
eigentlich wolle.“ Die Frage iſt geſtellt. Die Antwort
lautet vermutlich nach wie vor — nichts.




[Spaltenumbruch]

die Verſammlung zu ſprengen ſuchte. Der Plan miß-
lang aber vollſtändig und die Störer mußten die Ver-
ſammlung verlaſſen. Die Landesparteileitung hatte als
Redner die Herren Karl Schüttler und Alois
Moreniuk entſendet, deren Ausführungen über Zweck
und Ziele der chriſtlichſozialen Organiſation die Ver-
ſammlung begeiſterten. Es wurde ein chriſtlich-
ſozialer Verein für die Stadt Radautz

gegründet und proviſoriſch konſtituiert. Der Reichs-
und Landespartei wurde das unbedingte Vertrauen aus-
geſprochen und an Bgm. Dr. Lueger ſowie an
Arbeitsminiſter Dr. Geßmann Telegramme ab-
geſendet.

Eine polniſche Kundgebung gegen die
Rutheneu.

Wie uns aus Stanislau berichtet
wird, fand dort geſtern eine große polniſche Verſammlung
ſtatt, um zur Ermordung des Statthalters Stellung zu
nehmen. Nach einer heftigen Rede des Abg. Dr. Buzek
gegen die Ruthenen wurden Reſolutionen beſchloſſen,
welche die Regierung angeſichts „der verbrecheriſchen
Tätigkeit der ukrainiſchen Partei“ auffordern, das
polniſche Volk vor Angriffen auf Leben und Eigentum
zu ſchützen.




Ausland.

Im deutſchen Reiche hat der Bruch in der frei-
ſinnigen Vereinigung
zur Ausſcheidung der
Oppoſition aus der Partei geführt, was nach den Vor-
gängen bei der Abſtimmung über die beiden polenfeind-
lichen Geſetze unausbleiblich war. Die Freiſinnigen ver-
lieren ihre beſten Köpfe: Dr. Barth, Dr. Breithaupt und
v. Gerlach. Der übrig bleibende Reſt iſt zwar an Zahl
viel größer, hat aber durch ſeine Abhängigkeit von der
Bülowſchen Blockpolitik jeden Einfluß als beſondere
politiſche Partei verloren.

Der jüdiſche Bürgermeiſter von Rom,
Nathan,
wird von der geſamten italieniſchen kon-
ſtitutionellen Preſſe angegriffen, weil er im Nunzialrat
durch den Block eine ſtädtiſche Dotierung von 10.000 Lire
zugunſten der ſozialdemokratiſchen „Camera del Lavoro“
annehmen ließ. In der „Camera“ haben die Syndikaliſten,
ſogenannte Halbanarchiſten, das Heft in Händen; der
letzte Generalausſtand war ihr Werk. Im gegebenen
Augenblick nimmt ſich alſo die Subvention wie eine
Gutheißung der ſozialdemokratiſchen Aktion aus.




Italiens Forderungen in Tripolis.
[Privattelegramm der „Reichspoſt“.]


Die Forderung der italieniſchen Regierung, betreffend
Uebertragung der geſamten Küſtenſchiffahrt an eine
italieniſche Geſellſchaft, hat die amtlichen türkiſchen Kreiſe
in große Erregung verſetzt. Man glaubt daraus
zu erkennen, daß Italien planmäßig die Türkei
demütigen und ſich eine Vormachtſtellung in der Levante
verſchaffen will. Eine Zurückweiſung der italieniſchen
Forderung iſt natürlich undenkbar, da von den übrigen
Großmächten keine geneigt ſein würde, der Pforte Bei-
ſtand zu leiſten. Man möge jedoch in Europa bedenken,
daß die Fortſetzung einer ſolchen demütigenden Zwangs-
politik gegen die Türkei leicht zu Ausbrüchen des
mohammedaniſchen Fanatismus und zu ſchweren Ver-
wicklungen im Orient führen kann.




Die Unruhen an der ruſſiſch-perſiſchen Grenze.

Die Unruhen an der ruſſiſch-perſiſchen Grenze
nehmen derart bedrohliche Formen an, daß Rußland
genötigt iſt, Truppen von Batum und Baku heran-
zuziehen. In Kurdiſtan befindet ſich alles in ernſter
Gärung. Es ſteht zu erwarten, daß Rußland die
perſiſche Provinz Aſerbeidſchan okkupieren wird, um ſo
der Bewegung Herr zu werden. Die perſiſchen Truppen
ſind unfähig Ordnung zu ſchaffen.

Depeſchen aus
Urmia melden, daß an der türkiſchen Grenze ernſte
Unruhen
ausgebrochen ſeien. Kurden wären in
großen Mengen angerückt und es hätten Gefechte ſtatt-
gefunden. Proviantzüge und Truppen gehen über
Baku und Batum nach dem ſüdlichen Kaukaſus ab.




Der Krieg in Marokko.
Ein Gefecht. — Große Kriegsvorbereitungen.

Am 24. d. kam es zu einem
Gefechte bei Dar ben Hamed im Mzabgebiete. Einzel-
heiten fehlen. General D’Amade hielt Journaliſten von den
Truppen fern und verhinderte Mitteilungen über die
Operationen nach Caſablanca. Transportſchiffe brachten
60 Ambulanzwagen und Kriegsmaterial nach Settat, nach
dem Mzab- und dem Mdakragebiete, wohin täglich ſtarke
Züge mit Material zu Baraken und Telegraphenbauten ab-
gehen. Man erwartet größere Operationen. Am
23. d. traf der engliſche General Kelly Kenny hier ein, der
aber nicht nach dem Operationsfelde aufgebrochen iſt.
Die Meldung von verſchiedenen Niederlagen der Mehalla
Muley Hafids und des Abfalles des Ruhamnaſtammes
haben ſich als falſch erwieſen. Muley Hafid iſt am 22 d.
im Aſchaſchgebirge eingetroffen.




Das Regime der magyariſchen
Koalition.
Eine koſſuthiſtiſche Polemik gegen die „Reichs-
poſt“.

Die magyariſche Preſſe iſt ſehr erboſt über die „Reichs-
poſt“, weil dieſe den Umtrieben der Koſſuthiſten in der
Gagenfrage ſo entſchieden entgegengetreten iſt und antwortet
nun in dem jenſeits der Leitha üblichen Ton. So ſchreibt der
„Egyetertes“:


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[3/0003] 117 Wien, Dienstag Reichspoſt 28. April 1908 Politiſche Rundſchau. Oeſterreich-Ungarn. Wien, 27. April. Das Falſchſpiel von Kalſching. Dem Deutſch- tum geht es in Böhmen wieder einmal ſehr ſchlecht. Nicht nur, daß die Tſchechen mit täglich geſteigerter Leidenſchaft alle Poſitionen des Deutſchtums angreifen, es iſt auch wehrlos dem dreiſten Mißbrauche ausgeſetzt, den ſich der Freiſinn mit dem Deutſch- tum erlaubt. Unter der Flagge „Deutſchtum“ wird freiſinnige Konterbande eingeſchmuggelt und unter dem Titel „Abwehr tſchechiſcher Angriffe“ wird von deutſchfreiſinniger Seite, wie es geſtern in Kalſching geſchehen iſt, gegen die deutſchen Chriſt- lichſozialen gehetzt. Gegen dieſes un deutſche Fälſcher- ſtück der Deutſchfreiſinnigen muß im Namen des Deutſchtums entſchiedenſt proteſtiert werden. Die Herren Kaſper, Lößl und Soukup mögen ja eine große Angſt haben, ihre Mandate bei irgend einer ſchönen Gelegenheit an die Chriſtlichſozialen zu verlieren, aber dieſe vielleicht nicht ganz grundloſe Angſt gibt ihnen kein Recht, auf einem ſogenannten „Deutſchen Volkstage“, der, wie ſchon ſein Name ſagt, ausſchließlich deutſchen Intereſſen und nicht den privaten Schmerzen der verſchiedenen frei- ſinnigen Fraktiönchen zu dienen hat ihre Angriffe gegen eine Partei zu richten, die ſich um das Deutſchtum in Oeſterreich mindeſtens ebenſo große Verdienſte erworben hat als der ganze Freiſinn der verſchiedenen Riten. Wenn die Herren Kaſper und Konſorten die Verteidigung des Deutſchtums vor Angriffen nationaler Gegner nicht anders zu führen wiſſen als durch Begeiferung anderer deutſcher Parteien, dann ſind ſie ſelber ärgere Schädlinge des Deutſchtums als die Fiedler, Kramar, Rineſch, Heller und Genoſſen. Das Deutſchtum iſt nicht dazu da, um dem maraſtiſch gewordenen Freiſinn die wackeligen Mandate zu ſichern. Die Chriſtlichſozialen haben in Böhmen genau dasſelbe Recht, ihrem Programm neue Anhänger zu werben, wie jede andere Partei. Es iſt ſelbſtverſtändlich nicht das geringſte dagegen einzuwenden, daß ſich die Freiſinnigen gegen die erfolgreich vordringenden Chriſtlichſozialen zur Wehre ſetzen. Aber als undeutſche Unehrlichkeit und als den Intereſſen des Deutſchtums ſchädliche Falſch- ſpielerei muß es gebrandmarkt werden, wenn die Frei- ſinnigen der verſchiedenen Riten ihren Kampf gegen die Chriſtlichſozialen unter der Flagge der nationalen Geſin- nung und unter dem die deutſchen Wähler betrügenden Titel „Deutſche Volkstage“ führen. Die Chriſtlichſozialen, die bei den letzten Reichsratswahlen in Deutſchböhmen mehr Stimmen aufbrachten als die Alldeutſchen, die Deutſche Volkspartei und die Deutſch- liberalen, werden dieſe Irreführung der deutſchen Wähler abſolut nicht dulden und mit den Falſchſpielern ſo deutlich und ſo deutſch reden, daß ſie von dieſen verſtan- den werden. Die böhmiſche Kriſe. Die durch die jüngſten nationalen Zwiſchenfälle in Böhmen geſchaffene Situation wird allgemein als ſehr kritiſch angeſehen. Sowohl die tſchechiſchen als die deutſchnationalen Organe kündigen große Aktionen ihrer Parteien an. Während die „Deutſchn. Korr.“ ankündigt, daß man vom Juſtiz- miniſter Dr. Klein verlangen werde, er möge nun nach dem Vorgehen des Prager Oberlandesgerichtes ebenfalls ſein Aufſichtsrecht geltend machen und den status quo ante herſtellen, betreiben die Tſchechen eine Ein- berufung des böhmiſchen Landtages, der allein zur Entſcheidung in der Sprachenfrage kompetent ſei. Heute erſchien, wie uns aus Prag telegraphiert wird, eine Deputation der tſchechiſchen Radikalen beim Oberſtlandmarſchall- ſtellvertreter, um ihn um Intervention in dieſer Frage zu erſuchen. Gegenüber den Entſcheidungen des Prager Oberlandesgerichtes befolgt das Egerer Kreisgericht die Taktik, es in allen Fällen auf eine Beſchwerde an die obere Inſtanz ankommen zu laſſen, um der Prager In- ſtanz die Praxis zu erſchweren. Die Entſcheidungen des Hofrates Rineſch haben alſo bereits zur paſſiven Reſiſtenz der Gerichte geführt. Daß ſolche Zuſtände unhaltbar ſind, iſt klar. Daß die in Böhmen eingeleitete Tſchechiſierungspolitik überhaupt zu uner- träglichen Unzukömmlichkeiten führt, hat der ſogenannte „Deutſchbroder Zwiſchenfall“ am 22. d. gezeigt, an welchem Tage es den deutſchen Fahr- poſtbeamten nicht möglich war, in der Station Deutſchbrod die Poſt zu übernehmen, da die Deutſchbroder tſchechiſchen Poſtbeamten, welche die Poſt abzufertigen und zu über- geben hatten, auf Knall und Fall die tſchechiſche Amts- ſprache eingeführt hatten. Der Vorfall hat großes Auf- ſehen erregt. Leider müſſen die Adreſſaten der verſpätet beförderten Poſtſtücke die Koſten der vom Handelsminiſter Fiedler begonnenen Tſchechiſierung der Poſt in Böhmen tragen. Aus Prag wird uns hiezu gedrahtet: Seitens der Prager Poſtdirektion wurde bei der Poſtambulanz Wien—Tetſchen Nr. 23 eine Unterſuchung einge- leitet, um ſicherzuſtellen, ob und welcher der Beamten ſich bei dieſem Vorfalle gegen die geltenden Vorſchriften vergangen hat. Das Reſultat der eingeleiteten Unter- ſuchung wird im Auftrage des Handelsminiſteriums dem Handelsminiſter Dr. Fiedler ſofort übermittelt werden. Wie verlautet, ſteht die Heraus gabe eines Erlaſſes bevor, der die ſprachlichen Verhältniſſe bei den Poſtambulanzen genau ergeben ſoll, um ähnliche unliebſame Konflikte hintanzuhalten. Die Eröffnungsſitzung des Tiroler Land- tages. Aus Innsbruck, 27. d., wird uns berichtet: Nach einem von dem Labg. Prälaten Zacher zelebrierten Amte fand heute um 11 Uhr vormittags die Eröffnung des beinahe vollzählig verſammelten Landtages durch den Statthalter Baron Spiegelfeld ſtatt. Zunächſt ſtellte der Statthalter den Landeshauptmann Doktor Kathrein und deſſen Stellvertreter Abg. Dr. Conci vor und nahm dem Abg. Kathrein das Gelöbnis ab. Der Landeshauptmann erbat ſich die Unterſtützung des Hauſes, gedachte des Regierungsjubiläums Sr. Majeſtät und brachte ein Hoch auf den Kaiſer aus, in welches allſeits begeiſtert eingeſtimmt wurde. Der Statthalter ſagte in deutſcher und italieniſcher Rede volle Objektivität zu und erſuchte um das Vertrauen der Mitglieder des Landtages. Er werde ſtets bereit ſein, die Gegenſätze auszugleichen. Hierauf wurde die Verifizierung ſämtlicher Wahlen und die Abnahme des Handgelöbniſſes der Abgeordneten vorgenommen. Abg. Don Gentili erklärte namens der Italiener daß das Verlangen nach der Autonomie aufrecht bleibe, daß aber die Ita- liener ſich an den Verhandlungen des Landtages in der Hoffnung auf wirtſchaftliche Berückſichtigung und auf eine gerechte Wahlreform beteiligen. — In der morgigen Sitzung werden die Ausſchußwahlen ſtattfinden. Die Stärke der Parteien im neuen Landtage iſt, wenn man von den drei Landesbiſchöfen abſieht, fol- gende: Es beſitzen die deutſchen Chriſtlichſozialen 25 Mandate (1 Prälat, 2 Städte, 22 Landgemeinden) die Altkonſervativen 8 Mandate (2 Städte, 4 Adels- kurie, 2 Prälaten), die Deutſchfreiſinnigen 12 Mandate (1 Viriliſt, 2 Handelskammer, 3 Städte, 6 Adelskurie), die chriſtlichſozialen Italiener 14 Mandate (1 Prälat, 1 Städte, 12 Landgemeiden), frei- ſinnige Italiener 6 Mandate (5 Städte, 1 Handelskammer). Aus dieſer Zuſammenſtellung erſieht man klar, welche der Landtagsparteien im Volke wurzeln und welche ihren politiſchen Beſitzſtand den Privilegien ver- dauken. Dieſes zu wiſſen iſt wichtig zur Beurteilung der Haltung, welche die Parteien in der Frage der Land- tagswahlreform einnehmen werden. Chriſtlichſoziale Verſammlung in der Bukowina. Aus Radautz, 27. d., wird uns tele- graphiert: Ueber Einberufung der chriſtlichſozialen Landesparteileitung fand geſtern hier eine überaus zahl- reich beſuchte Verſammlung ſtatt, die einen ſehr lebhaften Verlauf nahm, da der Student Karl Schläger, welcher bis vor kurzem ein eifriger chriſtlichſozialer Agitator war, in jüngſter Zeit aber die notwendige Diſziplin verletzte und ſo der gegneriſchen Keſchmann- Skedl-Richtung Vorſchub leiſtete, mit zwanzig Anhängern Das „Vorarlbg. Volksbl.“ forderte daraufhin das Innsbrucker ſozialdemokratiſche Blatt auf, Namen zu nennen, was nun auch geſchah. Als Miſſe- täterin nennt das Blatt die Schweſter Imelda und als Zeugin der Tat der Schweſter Aquinata Die Nachforſchung hat nun aber ergeben, daß zur Zeit, als der angebliche Unfug paſſiert ſein ſoll, keine der beiden genannten Schweſtern in der erſten Klaſſe anweſend war. Und von den zirka 30 Schulmädchen, welche zuerſt jedes einzeln, dann alle zuſammen über die angebliche Mißhandlung ausgefragt wurden, wußte nicht ein einziges, daß ein ſolcher Fall oder ein ähnlicher paſſiert wäre. Es hat ſich bisher auch kein Kind gemeldet, das auf die geſchilderte Weiſe wäre mißhandelt worden; auch keine Eltern haben darüber Klage geführt. Der ſozialdemokratiſche Bericht iſt offenbar rein erfunden. Freilich iſt die Ge- ſchichte deshalb nicht ſchlechter als hundert andere ähnliche Räubergeſchichten, die alle gut genug ſind, um die Ehre braver Frauen zu beſchmutzen, die ſich der chriſtlichen Jugenderziehung gewidmet haben. Spät kommt Ihr ... Die Freiſinnigen des Deutſchen Reiches haben in dieſer Woche ihren Parteitag abgehalten, ein großes politiſches Holzhacken, bei dem die Splitter und Spähne nach allen Seiten hin, nur möglichſt weit voneinander, ſtoben. Doch da nun einmal außer den Sottiſen, die die Größen vom liberalen Geiſte einander zu ſagen hatten, auch etwas „Poſitives“ geleiſtet, eine Senſation gebracht werden mußte, hatte man das Thema „Liberalismus und Arbeiterfrage“ zum Gegenſtand der Tages- ordnung gemacht und Herr Friedrich Naumann, Führer der ſüddeutſchen Freiſinnigen, ſprach dazu die unvergeßlichen Sätze: Der Liberalismus braucht die Arbeiter nicht zur Ver- mehrung ſeiner Wähler, ſondern weil der Liberalismus auf die Leute angewieſen iſt, die noch nicht im Beſitze der bürgerlichen Freiheiten ſind. Bereits iſt auf Anregung des Abg. Goldſchmidt von der Partei ein Ausſchuß zur Bericht- erſtattung über die Arbeiterfrage eingeſetzt worden, der zum Teil auch aus Arbeitern beſteht. Er wird dazu helfen, daß Fehler vermieden werden und daß die Geſetzesvorſchläge der Regierung ſachverſtändig geprüft werden. Wir hoffen auch, daß unſer Wunſch, Arbeiter in die Parlamente zu bringen, bald in Erfüllung gehen wird. Schon einmal iſt beſchloſſen worden, die Arbeiterfrage auf die Tagesordnung eines Parteitages zu ſetzen, jetzt kommen wir endlich dazu, uns die Bedeutung der Arbeiterfrage für den Liberalismus klar zu machen. Es liegt jedenfalls ein Bedürfnis vor, daß der Liberalismus einmal beſtimmt formuliert, was er bezüglich der Arbeiter- frage eigentlich will. Daran erkenn’ ich meine liberalen Pappenheimer! Im Jahre 1908 wirft ein freiſinniger Parteitag die Frage auf: „was der Liberalismus bezüglich des Arbeiterproblems — des Kerns der ſozialen Frage — eigentlich wolle.“ Die Frage iſt geſtellt. Die Antwort lautet vermutlich nach wie vor — nichts. die Verſammlung zu ſprengen ſuchte. Der Plan miß- lang aber vollſtändig und die Störer mußten die Ver- ſammlung verlaſſen. Die Landesparteileitung hatte als Redner die Herren Karl Schüttler und Alois Moreniuk entſendet, deren Ausführungen über Zweck und Ziele der chriſtlichſozialen Organiſation die Ver- ſammlung begeiſterten. Es wurde ein chriſtlich- ſozialer Verein für die Stadt Radautz gegründet und proviſoriſch konſtituiert. Der Reichs- und Landespartei wurde das unbedingte Vertrauen aus- geſprochen und an Bgm. Dr. Lueger ſowie an Arbeitsminiſter Dr. Geßmann Telegramme ab- geſendet. Eine polniſche Kundgebung gegen die Rutheneu. Wie uns aus Stanislau berichtet wird, fand dort geſtern eine große polniſche Verſammlung ſtatt, um zur Ermordung des Statthalters Stellung zu nehmen. Nach einer heftigen Rede des Abg. Dr. Buzek gegen die Ruthenen wurden Reſolutionen beſchloſſen, welche die Regierung angeſichts „der verbrecheriſchen Tätigkeit der ukrainiſchen Partei“ auffordern, das polniſche Volk vor Angriffen auf Leben und Eigentum zu ſchützen. Ausland. Im deutſchen Reiche hat der Bruch in der frei- ſinnigen Vereinigung zur Ausſcheidung der Oppoſition aus der Partei geführt, was nach den Vor- gängen bei der Abſtimmung über die beiden polenfeind- lichen Geſetze unausbleiblich war. Die Freiſinnigen ver- lieren ihre beſten Köpfe: Dr. Barth, Dr. Breithaupt und v. Gerlach. Der übrig bleibende Reſt iſt zwar an Zahl viel größer, hat aber durch ſeine Abhängigkeit von der Bülowſchen Blockpolitik jeden Einfluß als beſondere politiſche Partei verloren. Der jüdiſche Bürgermeiſter von Rom, Nathan, wird von der geſamten italieniſchen kon- ſtitutionellen Preſſe angegriffen, weil er im Nunzialrat durch den Block eine ſtädtiſche Dotierung von 10.000 Lire zugunſten der ſozialdemokratiſchen „Camera del Lavoro“ annehmen ließ. In der „Camera“ haben die Syndikaliſten, ſogenannte Halbanarchiſten, das Heft in Händen; der letzte Generalausſtand war ihr Werk. Im gegebenen Augenblick nimmt ſich alſo die Subvention wie eine Gutheißung der ſozialdemokratiſchen Aktion aus. Italiens Forderungen in Tripolis. [Privattelegramm der „Reichspoſt“.] Konſtantinopel, 27. April. Die Forderung der italieniſchen Regierung, betreffend Uebertragung der geſamten Küſtenſchiffahrt an eine italieniſche Geſellſchaft, hat die amtlichen türkiſchen Kreiſe in große Erregung verſetzt. Man glaubt daraus zu erkennen, daß Italien planmäßig die Türkei demütigen und ſich eine Vormachtſtellung in der Levante verſchaffen will. Eine Zurückweiſung der italieniſchen Forderung iſt natürlich undenkbar, da von den übrigen Großmächten keine geneigt ſein würde, der Pforte Bei- ſtand zu leiſten. Man möge jedoch in Europa bedenken, daß die Fortſetzung einer ſolchen demütigenden Zwangs- politik gegen die Türkei leicht zu Ausbrüchen des mohammedaniſchen Fanatismus und zu ſchweren Ver- wicklungen im Orient führen kann. Die Unruhen an der ruſſiſch-perſiſchen Grenze. Die Unruhen an der ruſſiſch-perſiſchen Grenze nehmen derart bedrohliche Formen an, daß Rußland genötigt iſt, Truppen von Batum und Baku heran- zuziehen. In Kurdiſtan befindet ſich alles in ernſter Gärung. Es ſteht zu erwarten, daß Rußland die perſiſche Provinz Aſerbeidſchan okkupieren wird, um ſo der Bewegung Herr zu werden. Die perſiſchen Truppen ſind unfähig Ordnung zu ſchaffen. St. Petersburg, 27. April. Depeſchen aus Urmia melden, daß an der türkiſchen Grenze ernſte Unruhen ausgebrochen ſeien. Kurden wären in großen Mengen angerückt und es hätten Gefechte ſtatt- gefunden. Proviantzüge und Truppen gehen über Baku und Batum nach dem ſüdlichen Kaukaſus ab. Der Krieg in Marokko. Ein Gefecht. — Große Kriegsvorbereitungen. Caſablanca, 27. April. Am 24. d. kam es zu einem Gefechte bei Dar ben Hamed im Mzabgebiete. Einzel- heiten fehlen. General D’Amade hielt Journaliſten von den Truppen fern und verhinderte Mitteilungen über die Operationen nach Caſablanca. Transportſchiffe brachten 60 Ambulanzwagen und Kriegsmaterial nach Settat, nach dem Mzab- und dem Mdakragebiete, wohin täglich ſtarke Züge mit Material zu Baraken und Telegraphenbauten ab- gehen. Man erwartet größere Operationen. Am 23. d. traf der engliſche General Kelly Kenny hier ein, der aber nicht nach dem Operationsfelde aufgebrochen iſt. Die Meldung von verſchiedenen Niederlagen der Mehalla Muley Hafids und des Abfalles des Ruhamnaſtammes haben ſich als falſch erwieſen. Muley Hafid iſt am 22 d. im Aſchaſchgebirge eingetroffen. Das Regime der magyariſchen Koalition. Eine koſſuthiſtiſche Polemik gegen die „Reichs- poſt“. Die magyariſche Preſſe iſt ſehr erboſt über die „Reichs- poſt“, weil dieſe den Umtrieben der Koſſuthiſten in der Gagenfrage ſo entſchieden entgegengetreten iſt und antwortet nun in dem jenſeits der Leitha üblichen Ton. So ſchreibt der „Egyetertes“:

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Benjamin Fiechter, Susanne Haaf: Bereitstellung der digitalen Textausgabe (Konvertierung in das DTA-Basisformat). (2018-01-26T13:38:42Z)
grepect GmbH: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T13:38:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Amelie Meister: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T13:38:42Z)

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Zitationshilfe: Reichspost. Nr. 117, Wien, 28.04.1908, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_reichspost117_1908/3>, abgerufen am 21.11.2024.