Reichspost. Nr. 143, Wien, 26.06.1900.143 Wien, Dienstag Reichspost 26. Juni 1900. [Spaltenumbruch] Partei hätte sichern können. Es ist mir jedoch in meiner Großwardeiner Rede nicht eingefallen, dem berechtigten Selbstgefühl meiner ge- ehrten Freunde Apponyi und Horansky nahezutreten. Die liberale Partei ist eine Vereinigung von Männern, die hinsichtlich der ihnen vorliegenden politischen Auf- gaben übereinstimmen, und bei gegenseitiger Achtung vor Meinungsverschiedenheiten in der Vergangenheit den Wunsch hegen, Schulter an Schulter die Arbeiten der Zukunft zu verrichten." Deutsches Reich. Personalien. Der deutsche Reichskanzler, Fürst Fürsorge für die Landwirthschaft. Der Im bayerischen Landtage wurden die An- Italien. Ein neues Ministerium. Es ist dem Senator Rußland. Der Nachfolger Murawiews ist vom Kaiser Frankreich. Militärisches. Bei der Enthüllung des Monu- Gemeindezeitung. Mandatsniederlegung. Stadtrath Loren Rathhausbau in Floridsdorf. Behufs Er- Vom Rathhauskeller. Der provisorische Lager- Tagesbericht. Wien. 25. Juni. * Kalender für Dienstag, den 26. Juni. Katho- * Hof- und Personalnachrichten. Erzherzog * Audienzen. Der Kaiser hat heute Vor- * Die Beisetzung der Fürstin Josefine von Hohenzollern fand am 23. Juni statt. Anwesend * König Milan von Serbien. Der Kaiser * Das Leiden des Khedive. Wie aus * Auf dem VII. Allgemeinen deutschen Jonrnalisten- und Schriftstellertag in Mainz * Rectorswahl an der Wiener Universität. Zum Rector für das Studienjahr 1900/1 wurde der * Eine Säbelaffaire in Budapest. Zwischen * Brand in Margarethen. Heute Früh um Zwei weitere Brände. Gestern Abends um * Sechs Selbstmorde und drei Selbstmord- versuche. Zwischen vorgestern und gestern haben im * Zugsentgleisung bei Carlsbad. Der gestern * Ertrunkenes Kind. Der achtjährige Sohn * Oesterreichisch-ungarisches Pilgerhaus in Jeru- salem. Die Stelle eines zweiten Vorstehers im österr.-ung. * Ueberfahren. Der fünfzehnjährige Schlosser- * Verhütete Eisenbahnkatastrophe. Durch 143 Wien, Dienſtag Reichspoſt 26. Juni 1900. [Spaltenumbruch] Partei hätte ſichern können. Es iſt mir jedoch in meiner Großwardeiner Rede nicht eingefallen, dem berechtigten Selbſtgefühl meiner ge- ehrten Freunde Apponyi und Horansky nahezutreten. Die liberale Partei iſt eine Vereinigung von Männern, die hinſichtlich der ihnen vorliegenden politiſchen Auf- gaben übereinſtimmen, und bei gegenſeitiger Achtung vor Meinungsverſchiedenheiten in der Vergangenheit den Wunſch hegen, Schulter an Schulter die Arbeiten der Zukunft zu verrichten.“ Deutſches Reich. Perſonalien. Der deutſche Reichskanzler, Fürſt Fürſorge für die Landwirthſchaft. Der Im bayeriſchen Landtage wurden die An- Italien. Ein neues Miniſterium. Es iſt dem Senator Rußland. Der Nachfolger Murawiews iſt vom Kaiſer Frankreich. Militäriſches. Bei der Enthüllung des Monu- Gemeindezeitung. Mandatsniederlegung. Stadtrath Loren Rathhausbau in Floridsdorf. Behufs Er- Vom Rathhauskeller. Der proviſoriſche Lager- Tagesbericht. Wien. 25. Juni. * Kalender für Dienſtag, den 26. Juni. Katho- * Hof- und Perſonalnachrichten. Erzherzog * Audienzen. Der Kaiſer hat heute Vor- * Die Beiſetzung der Fürſtin Joſefine von Hohenzollern fand am 23. Juni ſtatt. Anweſend * König Milan von Serbien. Der Kaiſer * Das Leiden des Khedive. Wie aus * Auf dem VII. Allgemeinen deutſchen Jonrnaliſten- und Schriftſtellertag in Mainz * Rectorswahl an der Wiener Univerſität. Zum Rector für das Studienjahr 1900/1 wurde der * Eine Säbelaffaire in Budapeſt. Zwiſchen * Brand in Margarethen. Heute Früh um Zwei weitere Brände. Geſtern Abends um * Sechs Selbſtmorde und drei Selbſtmord- verſuche. Zwiſchen vorgeſtern und geſtern haben im * Zugsentgleiſung bei Carlsbad. Der geſtern * Ertrunkenes Kind. Der achtjährige Sohn * Oeſterreichiſch-ungariſches Pilgerhaus in Jeru- ſalem. Die Stelle eines zweiten Vorſtehers im öſterr.-ung. * Ueberfahren. Der fünfzehnjährige Schloſſer- * Verhütete Eiſenbahnkataſtrophe. Durch <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div type="jArticle" n="3"> <p><pb facs="#f0003" n="3"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">143 Wien, Dienſtag Reichspoſt 26. Juni 1900.</hi></fw><lb/><cb/> Partei hätte ſichern können. Es iſt mir jedoch in<lb/> meiner Großwardeiner Rede <hi rendition="#g">nicht</hi> eingefallen, dem<lb/><hi rendition="#g">berechtigten Selbſtgefühl</hi> meiner ge-<lb/> ehrten Freunde Apponyi und Horansky nahezutreten.<lb/> Die liberale Partei iſt eine Vereinigung von Männern,<lb/> die hinſichtlich der ihnen vorliegenden politiſchen Auf-<lb/> gaben übereinſtimmen, und bei gegenſeitiger Achtung<lb/> vor Meinungsverſchiedenheiten in der Vergangenheit<lb/> den Wunſch hegen, Schulter an Schulter die Arbeiten<lb/> der Zukunft zu verrichten.“</p> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Deutſches Reich.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Perſonalien.</hi> </head> <p>Der deutſche Reichskanzler, Fürſt<lb/><hi rendition="#g">Hohenlohe,</hi> iſt nach Ragatz in der Schweiz zur<lb/> Erholung abgereiſt. — Zum <hi rendition="#g">Unterſtaats-<lb/> ſecretär</hi> im <hi rendition="#g">preußiſchen Cultus-<lb/> miniſterium</hi> als Nachfolger des in den Ruhe-<lb/> ſtand tretenden Dr. v. Bartſch ſoll Miniſterialdirector<lb/> Dr. <hi rendition="#g">Kügler</hi> auserſehen ſein. Die Ernennung ſteht<lb/> unmittelbar bevor. An Dr. Kügler’s Stelle ſoll der<lb/> Geh. Oberregierungsrbth v. <hi rendition="#g">Bremen</hi> kommen.<lb/> Sicher iſt die Ernennung Dr. Kügler’s noch nicht.<lb/> Dr. Kügler hat die liberalen Tendenzen der Cultur-<lb/> kampf-Aera unter dem Miniſterium Falk als deſſen<lb/> rechte Hand ſich zu eigen gemacht. Seine Ernennung<lb/> wäre ein Fauſtſchlag gegen Katholiken und Centrum.<lb/> — Zum Präſidenten der <hi rendition="#g">Central-Genoſſen-<lb/> ſchaftscaſſe,</hi> als Nachfolger des verſtorbenen<lb/> Freiherrn v. <hi rendition="#g">Huene,</hi> iſt Dr. <hi rendition="#g">Heiligenſtadt</hi><lb/> ernannt worden, der dem Directorium dieſes Inſtituts<lb/> bereits ſeit dem 1. October 1895 angehört hat.<lb/> Dr. Heiligenſtadt, ſeit 1898 <hi rendition="#g">nationalliberales</hi><lb/> Mitglied des Reichstags für den Wahlkreis Wanzleben<lb/> (ſechſten Magdeburg), iſt am 8. October 1670 zu<lb/> Geeſtemünde geboren und <hi rendition="#g">katholiſcher</hi> Confeſſion.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Fürſorge für die Landwirthſchaft.</hi> </head> <p>Der<lb/> preußiſche Landwirthſchaftsminiſter hat alle Landwirth-<lb/> ſchaftskammern aufgefordert, je einen ſachverſtändigen<lb/> Delegirten zur Weltausſtellung nach Paris zu ſenden,<lb/> um die landwirthſchaftliche Ausſtellung und die land-<lb/> wirthſchaftlichen Verhältniſſe Frankreichs zu ſtudiren<lb/> und ihm Bericht zu erſtatten.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Im bayeriſchen Landtage</hi> </head> <p>wurden die An-<lb/> träge, betreffend die <hi rendition="#g">Herabſetzung</hi> der <hi rendition="#g">Grund-<lb/> ſteuer</hi> zwar abgelehnt, aber man nahm dafür das<lb/> Verſprechen des Finanzminiſters v. Riedel entgegen, daß<lb/> er dem nächſten Budgetlandtag ein <hi rendition="#g">Geſetz über<lb/> Reviſion der Grund- und Hansſteuer</hi><lb/> vorlegen werde.</p> </div> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Italien.</hi> </head><lb/> <head> <hi rendition="#b">Ein neues Miniſterium.</hi> </head> <p>Es iſt dem Senator<lb/> Sarracco gelungen, eine neue Miniſterliſte zuſammen-<lb/> zubringen, die dem Könige am 24. d. vorgelegt, und<lb/> von demſelben mit einigen Aenderungen angenommen<lb/> wurde. Die definitive Liſte lautet: Saracco: Präſidium<lb/> und Inneres; Visconti-Venoſta: Aeußeres; Gian-<lb/> turco: Juſtiz; Chimirri: Schatz und ſtaatliche<lb/> Finanzen; Branca: öffentliche Arbeiten; Gallo:<lb/> Unterricht; General di San Martino: Krieg; Moriu:<lb/> Marine; Carcano: Ackerbau; Pascolato: Poſt und<lb/> Telegraphen. — Heute am 25. d. werden die neuen<lb/> Miniſter beeidigt. Die Hauptfrage iſt freilich nun die,<lb/><hi rendition="#g">wie</hi> die neue Regierung von der Kammer-Oppoſition,<lb/> ſpeciell von den repnblikaniſchen und ſocialdemokratiſchen<lb/> Abgeordneten aufgenommen, und welche Action die<lb/> Obſtructionspartei in der Kammer dieſem Cabinet ge-<lb/> genüber wählen wird. Darin liegt der ſpringende Punkt<lb/> für die verworrene Situation.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Rußland.</hi> </head><lb/> <head> <hi rendition="#b">Der Nachfolger Murawiews</hi> </head> <p>iſt vom Kaiſer<lb/> Nicolaus <hi rendition="#aq">II.</hi> bereits ernannt. Es iſt der ſchon ſeit<lb/> 24 Jahren im Auswärtigen ruſſiſchen Amt thätige<lb/> Graf <hi rendition="#g">Lamsdorff,</hi> der ſeit den letzten Jahren<lb/> „Gehilfe“ des jeweiligen leitenden Miniſters in Peters-<lb/> burg war, der aber nie auswärts an fremden Höfen<lb/> verwendet wurde. Deßhalb iſt auch ſein Name in der<lb/> weſteuropäiſchen Preſſe kaum bekannt geworden, obſchon<lb/> er für Rußlands äußere Politik ſeit Jahren maßgebend<lb/> in Betracht kam. Die „P. C.“ erklärt über die Per-<lb/> ſönlichkeit des neuen Vertrauensmannes des Czaren,<lb/> der beſcheidene Zurückgezogenheit liebt und der vor-<lb/> läufig nur als <hi rendition="#g">„interimiſtiſcher“</hi> Miniſter<lb/> functioniren wird: „Bei Denjenigen, die Gelegenheit<lb/> hatten, mit ihm amtlich häufiger in Berührung<lb/> zu treten, hat der Name Lamsdorff einen<lb/> vortrefflichen Klang. Die Gediegenheit ſeiner<lb/> Arbeitsmethode und ſeine volle Beherrſchung des, einen<lb/> ſo weiten Kreis der Weltpolitik umfaſſenden Materials<lb/> der ruſſiſchen Diplomatie werden in den bezeichneten<lb/> Kreiſen einmüthig anerkannt. Man kann gewiß ſein,<lb/> daß Graf Lamsdorff die auswärtige Politik Rußlands<lb/> auch in der gegenwärtigen ſchwierigen Phaſe mit jener<lb/> Beſonnenheit, Klarheit und Sicherheit, ſowie mit jenem<lb/> Verſtändniß für die Intentionen des Czaren leiten<lb/> wird, die er in ſeiner bisherigen Stellung, insbeſondere<lb/> in jenen Zeitabſchnitten, wo er, wie gegenwärtig, mit<lb/> der <hi rendition="#g">interimiſtiſchen</hi> Führung der Geſchäfte<lb/> betraut war, bewährt hat.“</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Frankreich.</hi> </head><lb/> <head> <hi rendition="#b">Militäriſches.</hi> </head> <p>Bei der Enthüllung des Monu-<lb/> mentes für die im Jahre 1870 gefallenen Söhne des<lb/> Departments Meuſe hielt Kriegsminiſter André eine<lb/> Anſprache, in welcher er den alten aus dieſem<lb/> Departement ſtammenden Generälen hohes Los zollte.<lb/> Er ſagte, daß in Frankreich trotz verſchiedener hoch-<lb/> trabender Verſicherungen der Patriotismus nicht das<lb/><cb/> Monopol Einzelner, ſondern der Grundzug aller<lb/> Franzoſen ſei. Am Tage der Gefahr werde dieſer<lb/> Patriotismus die ganze Nation einigen. Die Rede<lb/> wurde mit lebhaftem Beifall aufgenommen und mit<lb/> den Rufen: „Es lebe die Republik! Es lebe die Arme!“<lb/> erwiedert.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jLocal" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Gemeindezeitung.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Mandatsniederlegung.</hi> </head> <p>Stadtrath <hi rendition="#g">Loren<lb/> Müller,</hi> der für die Stelle des Bezirksvorſtehers<lb/> in der Brigittenau candidirt wird, hat ſein Mandat<lb/> als Stadtrath und Gemeinderath niedergelegt, da er<lb/> dem Gemeindeſtatut gemäß beide Stellen nicht be-<lb/> kleiden darf.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Rathhausbau in Floridsdorf.</hi> </head> <p>Behufs Er-<lb/> langung von Entwürfen für das neu zu erbauende<lb/> Rathhaus hat die Gemeinde Floridsdorf eine engere<lb/> Concurrenz ausgeſchrieben.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Vom Rathhauskeller.</hi> </head> <p>Der proviſoriſche Lager-<lb/> meiſter Carl <hi rendition="#g">Roith</hi> wurde in Folge der Reſignation<lb/> des bisherigen Kellermeiſters zum proviſoriſchen Keller-<lb/> meiſter ernannt. Behufs Beſetzung der Lagermeiſterſtelle<lb/> wird ein Concurs ausgeſchrieben.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jVarious" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Tagesbericht.</hi> </head><lb/> <dateline>Wien. 25. Juni.</dateline><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Kalender für Dienſtag, den 26. Juni.</hi> </head> <p><hi rendition="#g">Katho-<lb/> liken:</hi> Vigilius — <hi rendition="#g">Griechen</hi> (13. Juni): Aqui-<lb/> lina. — Sonnenaufgang 4 Uhr 2 Min. Morgens. —<lb/> Sonnenuntergang 8 Uhr 3 Minuten Abends. — Mondes-<lb/> aufgang 3 Uhr 24 Minuten Morgens. — Mondesuntergang<lb/> 7 Uhr 31 Minuten Abends.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Hof- und Perſonalnachrichten.</hi> </head> <p>Erzherzog<lb/><hi rendition="#g">Rainer</hi> iſt von der Inſpicirung der Landwehrtruppen<lb/> Sonntag Abends um 8 Uhr aus Iglau wieder hier ein-<lb/> getroffen. — Prinz <hi rendition="#g">Kotohito-Kanin</hi> von <hi rendition="#g">Japan</hi><lb/> iſt am 23. d. M. in <hi rendition="#g">Kiel</hi> eingetroffen und wurde vom<lb/> Prinzen Heinrich und einer Ehrencompagnie empfangen.<lb/> Beide Prinzen fuhren in’s Schloß, wo Prinzeſſin Heinrich<lb/> den Prinzen Kotohito-Kanin empfing. Später begaben ſich<lb/> Prinz Heinrich und Prinz Kotohito-Kanin an Bord der<lb/> „Hohenzollern“.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Audienzen.</hi> </head> <p>Der <hi rendition="#g">Kaiſer</hi> hat heute Vor-<lb/> mittags allgemeine Audienzen ertheilt. Unter Anderen<lb/> wurden empfangen: Der Oberſtlandmarſchall von<lb/> Böhmen Georg Fürſt Lobkowitz und der Landmorſchall<lb/> von Galizien Stanislaus Graf Badeni, Abt von Melk<lb/> Alexander Karl, inful. Probſt Dr. Alois Jirak ꝛc.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Die Beiſetzung der Fürſtin Joſefine von<lb/> Hohenzollern</hi> </head> <p>fand am 23. Juni ſtatt. Anweſend<lb/> waren die Prinzen Friedrich und Heinrich von Preußen<lb/> als Vertreter Kaiſer Wilhelm’s, der Großherzog und<lb/> die Großherzogin von Baden, der König und der<lb/> Kronprinz von Rumänien, der Graf von Flandern,<lb/> Prinz Albert von Belgien, Herzog Robert von Württem-<lb/> berg, Prinz Albert von Sachſen und andere Fürſt-<lb/> lichkeiten. Das Todtenamt hielt der Erzabt des Kloſters<lb/> Beuorn ab.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* König Milan von Serbien.</hi> </head> <p>Der <hi rendition="#g">Kaiſer</hi><lb/> hat Samſtag Nachmittags den Ex-König <hi rendition="#g">Milan<lb/> von Serbien</hi> in beſonderer Audienz empfangen<lb/> und fuhr dann bei Frohner’s „Hotel Imperial“ vor,<lb/> wo er für den König ſeine Karte zurückließ. Geſtern<lb/> Vormittags iſt König Milan zum Curgebrauche nach<lb/> Carlsbad abgereiſt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Das Leiden des Khedive.</hi> </head> <p>Wie aus<lb/><hi rendition="#g">Port Victoria</hi> gemeldet wird, iſt das Leiden<lb/> des Khedive ein complicirtes. Außer der Kehle iſt auch<lb/> der harte Gaumen in Mitleidenſchaft gezogen. Königin<lb/> Victoria erkundigteſich wiederholt angelegentlichſt nach<lb/> dem Befinden des Khedive.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Auf dem <hi rendition="#aq">VII.</hi> Allgemeinen deutſchen<lb/> Jonrnaliſten- und Schriftſtellertag</hi> </head> <p>in <hi rendition="#g">Mainz</hi><lb/> machte der Wiener Delegirte <hi rendition="#g">Leitich</hi> die Mit-<lb/> theilung von der im Zuge begriffenen Gründung eines<lb/> neuen Journaliſtenvereines in Wien, welcher den<lb/> Namen <hi rendition="#g">„Club Wiener Preſſe“</hi> führen und<lb/> Mitglieder von ſieben Wiener Tagesblättern umfaſſen<lb/> wird. Der Delegirte knüpfte hieran die Bemerkung,<lb/> daß von dieſem Zeitpunkt an alſo <hi rendition="#g">nicht<lb/> mehr die „Concordia“ allein die<lb/> Repräſentantin der Wiener Preſſe</hi><lb/> ſei, <hi rendition="#g">ſondern</hi> auch der <hi rendition="#g">„Club der Wiener<lb/> Preſſe“.</hi> </p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Rectorswahl an der Wiener Univerſität.</hi> </head><lb/> <p>Zum Rector für das Studienjahr 1900/1 wurde der<lb/> Profeſſor des öſterreichiſchen Civilproceſſes an der<lb/> rechts- und ſtaatswiſſenſchaftlichen Facultät Dr. Emil<lb/><hi rendition="#g">Schrutka</hi> Edler v. <hi rendition="#g">Rechtenſtamm</hi> gewählt.<lb/> Als Prorector wird Hofrath Profeſſor Dr. Julius<lb/><hi rendition="#g">Wiesner</hi> fungiren.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Eine Säbelaffaire in Budapeſt.</hi> </head> <p>Zwiſchen<lb/> dem hauptſtädtiſchen Ingenieur Joſef <hi rendition="#g">Haußner</hi><lb/> und dem Oberlieutenant des 24. Feldjägerbataillons<lb/> Robert <hi rendition="#g">Merores</hi> kam es ſchon vor einigen Wochen<lb/> wegen eines Vorfalles, bei welchem eine Dame eine<lb/> Rolle ſpielte, zu einer Fehde. Vorgeſtern Abends er-<lb/> ſchien der Officier in der Wohnung Haußner’s, um von<lb/> dieſem Aufklärung zu verlangen. Ein Wort gab das<lb/> andere, ſchließlich zog Oberlieutenant Merores den<lb/> Säbel und führte gegen Haußner mehrere Hiebe,<lb/> worauf er ſich entfernte. Haußner begab ſich zur<lb/> Polizei und erſtattete die Anzeige, der Polizeiarzt con-<lb/> ſtatirte an Haußner ſechs Verletzungen verſchiedenen<lb/><cb/> Grades am Kopfe, an den Händen und auf dem<lb/> Rücken.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Brand in Margarethen.</hi> </head> <p>Heute Früh um<lb/> 7 Uhr iſt in der im zweiten Stockwerke der Unteren<lb/> Brauhausgaſſe 39 gelegenen Wäſchefabrik des Moriz<lb/><hi rendition="#g">Birnbaum</hi> ein Feuer zum Ausbruche gekommen<lb/> Das Feuer wurde, als die Arbeiter zum Dienſte ein-<lb/> trafen, bemerkt. Durch das Oeffnen der Thüren ent-<lb/> ſtand ein ſtarker Luftzug, der das Feuer anfachte. An<lb/> dem leicht brennbaren Material fanden die Flammen<lb/> reichlich Nahrung und als die requirirte Feuerwehr-<lb/> Centrale unter Führung des Inſpectors <hi rendition="#g">Bogda-<lb/> nowicz</hi> am Brandplatz erſchien, ſtand der ganze<lb/> Raum lichterloh in Flammen. Die Löſcharbeiten waren<lb/> durch die überaus ſtarke Rauchentwicklung ſehr er-<lb/> ſchwert. Von drei Seiten wurde die Bekämpfung des<lb/> Feuers in Angriff genommen, mit Schiebleitern und<lb/> Hackenleitern dem Feuerherde nähergerückt. Im Ganzen<lb/> wurden vier Schlauchlinien gelegt. Nach halbſtündiger<lb/> angeſtrengter Arbeit war das Feuer localiſirt, nach<lb/> einer weiteren Viertelſtunde gelöſcht. Leider er-<lb/> eignete ſich bei dem Brande auch ein bedauerlicher<lb/> Unfall. Der Löſchmeiſter <hi rendition="#g">Allinka</hi> wollte nämlich<lb/> über eine Hakenleiter eine Schlauchlinie in das zweite<lb/> Stockwerk dirigiren und wollte ſich zu dieſem Zwecke<lb/> mit dem Karabiner einhacken. In Folge der ſtarken<lb/> Rauchentwicklung ſah er eine Sproſſe der Leiter nicht<lb/> und verfehlte dadurch das Einhacken. Er ließ die<lb/> Leiter aus und ſtürzte zwei Stockwerke tief herab. Der<lb/> Löſchmeiſter, der einen Bruch des linken Schulterblattes<lb/> erlitten hat, wurde von der ſtädtiſchen Sanitätsſtation<lb/> in ſchwerverletztem Zuſtande in das Wiedner Spital<lb/> gebracht. Im erſten Stocke des Hauſes befindet ſich<lb/> eine Schirmfabrik, die durch eindringendes Waſſer<lb/> Schaden erlitten hat. Der Betrieb der Wäſchefabrik<lb/> mußte heute eingeſtellt werden, da auch die Maſchinen<lb/> durch die großen Waſſermengen, die in die Räumlich-<lb/> keiten geſchleudert werden mußten, momentan betriebs-<lb/> unfähig geworden ſind. Die Entſtehungsurſache iſt<lb/> bisher vollſtändig unaufgeklärt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Zwei weitere Brände.</hi> </head> <p>Geſtern Abends um<lb/> ½8 Uhr brannte das Gemiſchtwaarengeſchäft des<lb/> Herrn Jaques <hi rendition="#g">Levermoſer,</hi> Vorgartenſtraße 205,<lb/> gänzlich aus. Nach Ausſage des Eigenthümers beträgt<lb/> der Schaden 2000 <hi rendition="#aq">K.</hi> — Bei der Station Breitenſee<lb/> der Stadtbahn brannten geſtern Nachmittags um<lb/> ½5 Uhr circa 200 Quadratmeter dürres Gras. Die<lb/> Brände wurden raſch von der Feuerwehr gelöſcht.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Sechs Selbſtmorde und drei Selbſtmord-<lb/> verſuche.</hi> </head> <p>Zwiſchen vorgeſtern und geſtern haben im<lb/> Wiener Polizeirayon nicht weniger als ſechs Perſonen,<lb/> freiwillig ihrem Leben ein Ende gemacht. Drei Per-<lb/> ſonen, die ſich gleichfalls tödten wollten, wurden<lb/> gerettet.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Zugsentgleiſung bei Carlsbad.</hi> </head> <p>Der geſtern<lb/> Abends von Carlsbad abgegangene Eiſenbahnzug ent-<lb/> gleiſte bei der Ausfahrt. Der Schlafwagen und der<lb/> Gepäckswagen ſprangen aus den Schienen. Der letztere<lb/> ſtürzte um, während der Schlafwagen ſtehen blieb. Der<lb/> im Gepäckswagen anweſende Zugsführer erlitt eine<lb/> leichte Verletzung. Der Zug ging dann ohne die<lb/> beiden Wagen mit einer Verſpätung von 46 Minuten<lb/> ab. Die Urſache des Unfalles ſoll eine falſche Weichen-<lb/> ſtellung ſein.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Ertrunkenes Kind.</hi> </head> <p>Der achtjährige Sohn<lb/> des Schuhmachers Moriz <hi rendition="#g">Chmela,</hi> Johann<lb/><hi rendition="#g">Chmela,</hi> Favoriten, Alxingergaſſe Nr. 79, wohn-<lb/> haft, iſt in einem Teiche nächſt den Ziegelwerken in<lb/> Favoriten gefallen und ertrunken. Die Leiche des<lb/> Knaben wurde geſtern Nachmiitags nach langem Suchen<lb/> von der ſtädtiſchen Feuerwehr aus dem Teiche<lb/> gezogen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Oeſterreichiſch-ungariſches Pilgerhaus in Jeru-<lb/> ſalem.</hi> </head> <p>Die Stelle eines zweiten Vorſtehers im öſterr.-ung.<lb/> Pilgerhauſe iſt erledigt. Bewerber um dieſen Poſten, der für<lb/> wenigſtens zwei Jahre verliehen wird und mit welchem nebſt<lb/> freier Station ein jährlicher Gehalt von 1000 <hi rendition="#aq">K</hi> und Ver-<lb/> gütung der Hin- und Rückreiſe verbunden ſind, haben ihre<lb/> Geſuche mit beigeſchloſſener Zuſtimmung des betreffenden<lb/> biſchöflichen Ordinariates bis 15. Auguſt d. J. im Wege des<lb/> f.-e. Ordinariates in Wien an das Curatorium des ge-<lb/> nannten Pilgerhauſes zu ſenden. Dieſer Poſten kann nur an<lb/> Weltprieſter verliehen werden; jene, welche außer der<lb/> Landesſprache italieniſch oder franzöſiſch ſprechen, haben den<lb/> Vorzug. Vom Curatorium des öſterr.-ung. Pilgerhauſes.<lb/> Wien, 23. Juni 1900. Dr. Hermann Zſchokke, Curator.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Ueberfahren.</hi> </head> <p>Der fünfzehnjährige Schloſſer-<lb/> lehrling Anton <hi rendition="#g">Brouſek</hi> wurde am 23. d., Nach-<lb/> mittags um ½ 5 Uhr nächſt der ehemaligen Schön-<lb/> brunnerlinie von einem Fiaker überfahren. Im bewußt-<lb/> loſen Zuſtande wurde der Burſche in das Wiedener<lb/> Krankenhaus gebracht.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Verhütete Eiſenbahnkataſtrophe.</hi> </head> <p>Durch<lb/> die Geiſtesgegenwart eines Locomotivführers iſt vor-<lb/> geſtern Abends ein Eiſenbahnunglück verhütet worden.<lb/> Während eines heſtigen Gewitters bemerkte nämlich der<lb/> Locomotivführer des Budapeſt-Wiener Schnellzuges,<lb/> Anton <hi rendition="#g">Müller</hi> bei Wilfleinsdorf auf dem nämlichen<lb/> Geleiſe zwei Laſtwaggons mit größter Schnelligkeit dem<lb/> Eilzuge entgegenrollen. Dieſelben waren in der Station<lb/> Götzendorf durch den Gewitterſturm ins Rollen gebracht<lb/> worden. Der Locomotivführer brachte ſofort den Zug<lb/> zum Zurückrollen und ließ die Waggons allmählich<lb/> herankommen, bis ſie ſachte an die Maſchine aufſtießen<lb/> und dadurch in ihrem Laufe aufgehalten wurden.<lb/> Nunmehr brachte der Maſchinführer den Zug langſam<lb/> zum Stehen und ſchob dann die Waggons nach Trautt-<lb/> mansdorf zurück, wo ſie auf ein anderes Geleiſe geſtellt<lb/> wurden.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [3/0003]
143 Wien, Dienſtag Reichspoſt 26. Juni 1900.
Partei hätte ſichern können. Es iſt mir jedoch in
meiner Großwardeiner Rede nicht eingefallen, dem
berechtigten Selbſtgefühl meiner ge-
ehrten Freunde Apponyi und Horansky nahezutreten.
Die liberale Partei iſt eine Vereinigung von Männern,
die hinſichtlich der ihnen vorliegenden politiſchen Auf-
gaben übereinſtimmen, und bei gegenſeitiger Achtung
vor Meinungsverſchiedenheiten in der Vergangenheit
den Wunſch hegen, Schulter an Schulter die Arbeiten
der Zukunft zu verrichten.“
Deutſches Reich.
Perſonalien. Der deutſche Reichskanzler, Fürſt
Hohenlohe, iſt nach Ragatz in der Schweiz zur
Erholung abgereiſt. — Zum Unterſtaats-
ſecretär im preußiſchen Cultus-
miniſterium als Nachfolger des in den Ruhe-
ſtand tretenden Dr. v. Bartſch ſoll Miniſterialdirector
Dr. Kügler auserſehen ſein. Die Ernennung ſteht
unmittelbar bevor. An Dr. Kügler’s Stelle ſoll der
Geh. Oberregierungsrbth v. Bremen kommen.
Sicher iſt die Ernennung Dr. Kügler’s noch nicht.
Dr. Kügler hat die liberalen Tendenzen der Cultur-
kampf-Aera unter dem Miniſterium Falk als deſſen
rechte Hand ſich zu eigen gemacht. Seine Ernennung
wäre ein Fauſtſchlag gegen Katholiken und Centrum.
— Zum Präſidenten der Central-Genoſſen-
ſchaftscaſſe, als Nachfolger des verſtorbenen
Freiherrn v. Huene, iſt Dr. Heiligenſtadt
ernannt worden, der dem Directorium dieſes Inſtituts
bereits ſeit dem 1. October 1895 angehört hat.
Dr. Heiligenſtadt, ſeit 1898 nationalliberales
Mitglied des Reichstags für den Wahlkreis Wanzleben
(ſechſten Magdeburg), iſt am 8. October 1670 zu
Geeſtemünde geboren und katholiſcher Confeſſion.
Fürſorge für die Landwirthſchaft. Der
preußiſche Landwirthſchaftsminiſter hat alle Landwirth-
ſchaftskammern aufgefordert, je einen ſachverſtändigen
Delegirten zur Weltausſtellung nach Paris zu ſenden,
um die landwirthſchaftliche Ausſtellung und die land-
wirthſchaftlichen Verhältniſſe Frankreichs zu ſtudiren
und ihm Bericht zu erſtatten.
Im bayeriſchen Landtage wurden die An-
träge, betreffend die Herabſetzung der Grund-
ſteuer zwar abgelehnt, aber man nahm dafür das
Verſprechen des Finanzminiſters v. Riedel entgegen, daß
er dem nächſten Budgetlandtag ein Geſetz über
Reviſion der Grund- und Hansſteuer
vorlegen werde.
Italien.
Ein neues Miniſterium. Es iſt dem Senator
Sarracco gelungen, eine neue Miniſterliſte zuſammen-
zubringen, die dem Könige am 24. d. vorgelegt, und
von demſelben mit einigen Aenderungen angenommen
wurde. Die definitive Liſte lautet: Saracco: Präſidium
und Inneres; Visconti-Venoſta: Aeußeres; Gian-
turco: Juſtiz; Chimirri: Schatz und ſtaatliche
Finanzen; Branca: öffentliche Arbeiten; Gallo:
Unterricht; General di San Martino: Krieg; Moriu:
Marine; Carcano: Ackerbau; Pascolato: Poſt und
Telegraphen. — Heute am 25. d. werden die neuen
Miniſter beeidigt. Die Hauptfrage iſt freilich nun die,
wie die neue Regierung von der Kammer-Oppoſition,
ſpeciell von den repnblikaniſchen und ſocialdemokratiſchen
Abgeordneten aufgenommen, und welche Action die
Obſtructionspartei in der Kammer dieſem Cabinet ge-
genüber wählen wird. Darin liegt der ſpringende Punkt
für die verworrene Situation.
Rußland.
Der Nachfolger Murawiews iſt vom Kaiſer
Nicolaus II. bereits ernannt. Es iſt der ſchon ſeit
24 Jahren im Auswärtigen ruſſiſchen Amt thätige
Graf Lamsdorff, der ſeit den letzten Jahren
„Gehilfe“ des jeweiligen leitenden Miniſters in Peters-
burg war, der aber nie auswärts an fremden Höfen
verwendet wurde. Deßhalb iſt auch ſein Name in der
weſteuropäiſchen Preſſe kaum bekannt geworden, obſchon
er für Rußlands äußere Politik ſeit Jahren maßgebend
in Betracht kam. Die „P. C.“ erklärt über die Per-
ſönlichkeit des neuen Vertrauensmannes des Czaren,
der beſcheidene Zurückgezogenheit liebt und der vor-
läufig nur als „interimiſtiſcher“ Miniſter
functioniren wird: „Bei Denjenigen, die Gelegenheit
hatten, mit ihm amtlich häufiger in Berührung
zu treten, hat der Name Lamsdorff einen
vortrefflichen Klang. Die Gediegenheit ſeiner
Arbeitsmethode und ſeine volle Beherrſchung des, einen
ſo weiten Kreis der Weltpolitik umfaſſenden Materials
der ruſſiſchen Diplomatie werden in den bezeichneten
Kreiſen einmüthig anerkannt. Man kann gewiß ſein,
daß Graf Lamsdorff die auswärtige Politik Rußlands
auch in der gegenwärtigen ſchwierigen Phaſe mit jener
Beſonnenheit, Klarheit und Sicherheit, ſowie mit jenem
Verſtändniß für die Intentionen des Czaren leiten
wird, die er in ſeiner bisherigen Stellung, insbeſondere
in jenen Zeitabſchnitten, wo er, wie gegenwärtig, mit
der interimiſtiſchen Führung der Geſchäfte
betraut war, bewährt hat.“
Frankreich.
Militäriſches. Bei der Enthüllung des Monu-
mentes für die im Jahre 1870 gefallenen Söhne des
Departments Meuſe hielt Kriegsminiſter André eine
Anſprache, in welcher er den alten aus dieſem
Departement ſtammenden Generälen hohes Los zollte.
Er ſagte, daß in Frankreich trotz verſchiedener hoch-
trabender Verſicherungen der Patriotismus nicht das
Monopol Einzelner, ſondern der Grundzug aller
Franzoſen ſei. Am Tage der Gefahr werde dieſer
Patriotismus die ganze Nation einigen. Die Rede
wurde mit lebhaftem Beifall aufgenommen und mit
den Rufen: „Es lebe die Republik! Es lebe die Arme!“
erwiedert.
Gemeindezeitung.
Mandatsniederlegung. Stadtrath Loren
Müller, der für die Stelle des Bezirksvorſtehers
in der Brigittenau candidirt wird, hat ſein Mandat
als Stadtrath und Gemeinderath niedergelegt, da er
dem Gemeindeſtatut gemäß beide Stellen nicht be-
kleiden darf.
Rathhausbau in Floridsdorf. Behufs Er-
langung von Entwürfen für das neu zu erbauende
Rathhaus hat die Gemeinde Floridsdorf eine engere
Concurrenz ausgeſchrieben.
Vom Rathhauskeller. Der proviſoriſche Lager-
meiſter Carl Roith wurde in Folge der Reſignation
des bisherigen Kellermeiſters zum proviſoriſchen Keller-
meiſter ernannt. Behufs Beſetzung der Lagermeiſterſtelle
wird ein Concurs ausgeſchrieben.
Tagesbericht.
Wien. 25. Juni.
* Kalender für Dienſtag, den 26. Juni. Katho-
liken: Vigilius — Griechen (13. Juni): Aqui-
lina. — Sonnenaufgang 4 Uhr 2 Min. Morgens. —
Sonnenuntergang 8 Uhr 3 Minuten Abends. — Mondes-
aufgang 3 Uhr 24 Minuten Morgens. — Mondesuntergang
7 Uhr 31 Minuten Abends.
* Hof- und Perſonalnachrichten. Erzherzog
Rainer iſt von der Inſpicirung der Landwehrtruppen
Sonntag Abends um 8 Uhr aus Iglau wieder hier ein-
getroffen. — Prinz Kotohito-Kanin von Japan
iſt am 23. d. M. in Kiel eingetroffen und wurde vom
Prinzen Heinrich und einer Ehrencompagnie empfangen.
Beide Prinzen fuhren in’s Schloß, wo Prinzeſſin Heinrich
den Prinzen Kotohito-Kanin empfing. Später begaben ſich
Prinz Heinrich und Prinz Kotohito-Kanin an Bord der
„Hohenzollern“.
* Audienzen. Der Kaiſer hat heute Vor-
mittags allgemeine Audienzen ertheilt. Unter Anderen
wurden empfangen: Der Oberſtlandmarſchall von
Böhmen Georg Fürſt Lobkowitz und der Landmorſchall
von Galizien Stanislaus Graf Badeni, Abt von Melk
Alexander Karl, inful. Probſt Dr. Alois Jirak ꝛc.
* Die Beiſetzung der Fürſtin Joſefine von
Hohenzollern fand am 23. Juni ſtatt. Anweſend
waren die Prinzen Friedrich und Heinrich von Preußen
als Vertreter Kaiſer Wilhelm’s, der Großherzog und
die Großherzogin von Baden, der König und der
Kronprinz von Rumänien, der Graf von Flandern,
Prinz Albert von Belgien, Herzog Robert von Württem-
berg, Prinz Albert von Sachſen und andere Fürſt-
lichkeiten. Das Todtenamt hielt der Erzabt des Kloſters
Beuorn ab.
* König Milan von Serbien. Der Kaiſer
hat Samſtag Nachmittags den Ex-König Milan
von Serbien in beſonderer Audienz empfangen
und fuhr dann bei Frohner’s „Hotel Imperial“ vor,
wo er für den König ſeine Karte zurückließ. Geſtern
Vormittags iſt König Milan zum Curgebrauche nach
Carlsbad abgereiſt.
* Das Leiden des Khedive. Wie aus
Port Victoria gemeldet wird, iſt das Leiden
des Khedive ein complicirtes. Außer der Kehle iſt auch
der harte Gaumen in Mitleidenſchaft gezogen. Königin
Victoria erkundigteſich wiederholt angelegentlichſt nach
dem Befinden des Khedive.
* Auf dem VII. Allgemeinen deutſchen
Jonrnaliſten- und Schriftſtellertag in Mainz
machte der Wiener Delegirte Leitich die Mit-
theilung von der im Zuge begriffenen Gründung eines
neuen Journaliſtenvereines in Wien, welcher den
Namen „Club Wiener Preſſe“ führen und
Mitglieder von ſieben Wiener Tagesblättern umfaſſen
wird. Der Delegirte knüpfte hieran die Bemerkung,
daß von dieſem Zeitpunkt an alſo nicht
mehr die „Concordia“ allein die
Repräſentantin der Wiener Preſſe
ſei, ſondern auch der „Club der Wiener
Preſſe“.
* Rectorswahl an der Wiener Univerſität.
Zum Rector für das Studienjahr 1900/1 wurde der
Profeſſor des öſterreichiſchen Civilproceſſes an der
rechts- und ſtaatswiſſenſchaftlichen Facultät Dr. Emil
Schrutka Edler v. Rechtenſtamm gewählt.
Als Prorector wird Hofrath Profeſſor Dr. Julius
Wiesner fungiren.
* Eine Säbelaffaire in Budapeſt. Zwiſchen
dem hauptſtädtiſchen Ingenieur Joſef Haußner
und dem Oberlieutenant des 24. Feldjägerbataillons
Robert Merores kam es ſchon vor einigen Wochen
wegen eines Vorfalles, bei welchem eine Dame eine
Rolle ſpielte, zu einer Fehde. Vorgeſtern Abends er-
ſchien der Officier in der Wohnung Haußner’s, um von
dieſem Aufklärung zu verlangen. Ein Wort gab das
andere, ſchließlich zog Oberlieutenant Merores den
Säbel und führte gegen Haußner mehrere Hiebe,
worauf er ſich entfernte. Haußner begab ſich zur
Polizei und erſtattete die Anzeige, der Polizeiarzt con-
ſtatirte an Haußner ſechs Verletzungen verſchiedenen
Grades am Kopfe, an den Händen und auf dem
Rücken.
* Brand in Margarethen. Heute Früh um
7 Uhr iſt in der im zweiten Stockwerke der Unteren
Brauhausgaſſe 39 gelegenen Wäſchefabrik des Moriz
Birnbaum ein Feuer zum Ausbruche gekommen
Das Feuer wurde, als die Arbeiter zum Dienſte ein-
trafen, bemerkt. Durch das Oeffnen der Thüren ent-
ſtand ein ſtarker Luftzug, der das Feuer anfachte. An
dem leicht brennbaren Material fanden die Flammen
reichlich Nahrung und als die requirirte Feuerwehr-
Centrale unter Führung des Inſpectors Bogda-
nowicz am Brandplatz erſchien, ſtand der ganze
Raum lichterloh in Flammen. Die Löſcharbeiten waren
durch die überaus ſtarke Rauchentwicklung ſehr er-
ſchwert. Von drei Seiten wurde die Bekämpfung des
Feuers in Angriff genommen, mit Schiebleitern und
Hackenleitern dem Feuerherde nähergerückt. Im Ganzen
wurden vier Schlauchlinien gelegt. Nach halbſtündiger
angeſtrengter Arbeit war das Feuer localiſirt, nach
einer weiteren Viertelſtunde gelöſcht. Leider er-
eignete ſich bei dem Brande auch ein bedauerlicher
Unfall. Der Löſchmeiſter Allinka wollte nämlich
über eine Hakenleiter eine Schlauchlinie in das zweite
Stockwerk dirigiren und wollte ſich zu dieſem Zwecke
mit dem Karabiner einhacken. In Folge der ſtarken
Rauchentwicklung ſah er eine Sproſſe der Leiter nicht
und verfehlte dadurch das Einhacken. Er ließ die
Leiter aus und ſtürzte zwei Stockwerke tief herab. Der
Löſchmeiſter, der einen Bruch des linken Schulterblattes
erlitten hat, wurde von der ſtädtiſchen Sanitätsſtation
in ſchwerverletztem Zuſtande in das Wiedner Spital
gebracht. Im erſten Stocke des Hauſes befindet ſich
eine Schirmfabrik, die durch eindringendes Waſſer
Schaden erlitten hat. Der Betrieb der Wäſchefabrik
mußte heute eingeſtellt werden, da auch die Maſchinen
durch die großen Waſſermengen, die in die Räumlich-
keiten geſchleudert werden mußten, momentan betriebs-
unfähig geworden ſind. Die Entſtehungsurſache iſt
bisher vollſtändig unaufgeklärt.
Zwei weitere Brände. Geſtern Abends um
½8 Uhr brannte das Gemiſchtwaarengeſchäft des
Herrn Jaques Levermoſer, Vorgartenſtraße 205,
gänzlich aus. Nach Ausſage des Eigenthümers beträgt
der Schaden 2000 K. — Bei der Station Breitenſee
der Stadtbahn brannten geſtern Nachmittags um
½5 Uhr circa 200 Quadratmeter dürres Gras. Die
Brände wurden raſch von der Feuerwehr gelöſcht.
* Sechs Selbſtmorde und drei Selbſtmord-
verſuche. Zwiſchen vorgeſtern und geſtern haben im
Wiener Polizeirayon nicht weniger als ſechs Perſonen,
freiwillig ihrem Leben ein Ende gemacht. Drei Per-
ſonen, die ſich gleichfalls tödten wollten, wurden
gerettet.
* Zugsentgleiſung bei Carlsbad. Der geſtern
Abends von Carlsbad abgegangene Eiſenbahnzug ent-
gleiſte bei der Ausfahrt. Der Schlafwagen und der
Gepäckswagen ſprangen aus den Schienen. Der letztere
ſtürzte um, während der Schlafwagen ſtehen blieb. Der
im Gepäckswagen anweſende Zugsführer erlitt eine
leichte Verletzung. Der Zug ging dann ohne die
beiden Wagen mit einer Verſpätung von 46 Minuten
ab. Die Urſache des Unfalles ſoll eine falſche Weichen-
ſtellung ſein.
* Ertrunkenes Kind. Der achtjährige Sohn
des Schuhmachers Moriz Chmela, Johann
Chmela, Favoriten, Alxingergaſſe Nr. 79, wohn-
haft, iſt in einem Teiche nächſt den Ziegelwerken in
Favoriten gefallen und ertrunken. Die Leiche des
Knaben wurde geſtern Nachmiitags nach langem Suchen
von der ſtädtiſchen Feuerwehr aus dem Teiche
gezogen.
* Oeſterreichiſch-ungariſches Pilgerhaus in Jeru-
ſalem. Die Stelle eines zweiten Vorſtehers im öſterr.-ung.
Pilgerhauſe iſt erledigt. Bewerber um dieſen Poſten, der für
wenigſtens zwei Jahre verliehen wird und mit welchem nebſt
freier Station ein jährlicher Gehalt von 1000 K und Ver-
gütung der Hin- und Rückreiſe verbunden ſind, haben ihre
Geſuche mit beigeſchloſſener Zuſtimmung des betreffenden
biſchöflichen Ordinariates bis 15. Auguſt d. J. im Wege des
f.-e. Ordinariates in Wien an das Curatorium des ge-
nannten Pilgerhauſes zu ſenden. Dieſer Poſten kann nur an
Weltprieſter verliehen werden; jene, welche außer der
Landesſprache italieniſch oder franzöſiſch ſprechen, haben den
Vorzug. Vom Curatorium des öſterr.-ung. Pilgerhauſes.
Wien, 23. Juni 1900. Dr. Hermann Zſchokke, Curator.
* Ueberfahren. Der fünfzehnjährige Schloſſer-
lehrling Anton Brouſek wurde am 23. d., Nach-
mittags um ½ 5 Uhr nächſt der ehemaligen Schön-
brunnerlinie von einem Fiaker überfahren. Im bewußt-
loſen Zuſtande wurde der Burſche in das Wiedener
Krankenhaus gebracht.
* Verhütete Eiſenbahnkataſtrophe. Durch
die Geiſtesgegenwart eines Locomotivführers iſt vor-
geſtern Abends ein Eiſenbahnunglück verhütet worden.
Während eines heſtigen Gewitters bemerkte nämlich der
Locomotivführer des Budapeſt-Wiener Schnellzuges,
Anton Müller bei Wilfleinsdorf auf dem nämlichen
Geleiſe zwei Laſtwaggons mit größter Schnelligkeit dem
Eilzuge entgegenrollen. Dieſelben waren in der Station
Götzendorf durch den Gewitterſturm ins Rollen gebracht
worden. Der Locomotivführer brachte ſofort den Zug
zum Zurückrollen und ließ die Waggons allmählich
herankommen, bis ſie ſachte an die Maſchine aufſtießen
und dadurch in ihrem Laufe aufgehalten wurden.
Nunmehr brachte der Maſchinführer den Zug langſam
zum Stehen und ſchob dann die Waggons nach Trautt-
mansdorf zurück, wo ſie auf ein anderes Geleiſe geſtellt
wurden.
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