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Reichspost. Nr. 212, Wien, 18.09.1906.

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Wien, Dienstag Reichspost 18. September 1906 212

[Spaltenumbruch]

Persönlichkeit, die die Arbeiter aller drei Nationali-
täten zusammenzuhalten im Stande gewesen wäre.
Insbesondere für die slovakische Filiale fehlte
ein geeigneter Leiter. Denn der magyarische Fana-
tismus sieht überall, wo Slovaken sind, eine Gefahr
fürs Vaterland.

Die Filiale wurde gesperrt und das slovakische
Theaterstück, welches in dem katholischen Arbeiter-
verein hätte aufgeführt werden sollen, wurde am
8. September unter der Patronanz des
sozialdemokratischen Vereines "Vorwärts"
von denselben katholischen Arbeitern dargestellt, die
bisher Anhänger der christlichen Organisation gewesen
waren. Ein Teil der katholischen Arbeiter ist ins
sozialdemokratische Lager übergegangen. -- Das ist
aber nur der Anfang einer Bewegung, welche durch
die nationale Unduldsamkeit der magyarischen Macht-
haber erzeugt ist. Die Sozialdemokratie reißt vor
den überall verfolgten kleinen Leuten nichtmagyarischer
Nationalität angelweit die Türen auf und die Ge-
hetzten strömen hinein. Die sozialdemokratische Presse
ist die einzige, die nicht die Reden der nationalistischen
Abgeordneten unterschlägt und nicht in das Freuden-
geheul über jeden wegen "Aufreizung gegen die
ungarische Nation" Unschuldigverurteilten einstimmt
-- nicht aus Gerechtigkeitsliebe, aber aus kluger
Berechnung.

So wird der magyarische Chauvinismus zum
Pfadfinder für die Internationale. Doch bis heute
dämmert ihm noch kein Strahl des Erkennens, wie
sehr er sich damit selbst verspottet und höhere Güter
zerstört, als er jemals dem ungarischen Staate geben
kann.




Politische Rundschau.
Oesterreich-Ungarn.


Zur Wahlrechtsdiskussion in Ober-
österreich.

Abg. Etz setzt in seinem Organe die
Propaganda für das Pluralwahlrecht fort und
zwar zitiert er zunächst neuerdings aus einer ver-
alteten Auflage des Staatslexikons der Görres-
gesellschaft. (In der neuen Ausgabe dieses Werkes
ist übrigens auch die diesmal von Abg. Etz an-
gerufene Stelle gestrichen und heißt es im Gegen-
satze zu seiner Auffassung: "Ein offensichtlicher
Widerspruch des Abgeordneten mit den Ansichten
der Mehrheit seiner Wähler kann daher geeignet
sein, ihn zu veranlassen, seine Stelle
niederzulegen.
Eine rechtliche Verpflichtung
dazu kann natürlich nicht in Frage kommen."
Geklagt kann er freilich nicht werden.) Dann ruft
Abg. Etz den Verfasser der "Wanderungen durch
die Gesellschaft" (erschienen 1896), also Landes-
hauptmann Dr. Ebenhoch als Zeugen auf, zwar
nicht für das Pluralwahlrecht, wohl aber als
Zeugen gegen das allgemeine Wahlrecht. Denn da
[Spaltenumbruch] hätte Abg. Etz füglich sagen müssen, daß
sich Abg. Dr. Ebenhoch gegen das Plural
wahlrecht
schon in der genannten Broschüre
in folgender Weise (Seite 86--87) ausge-
sprochen hat:

"Es ist dara uf hinzuweisen, daß beim Plurali-
tätssystem die Besitzlosen formell zwar das Wahlrecht
haben, aber ein Wahlrecht, das durch die Mehrstimmen
der Qualifizierten tatsächlich illusorisch gemacht wird;
es kann daher die sozialdemokratische Partei unmöglich
befriedigen (der Verfasser führt dies Motiv separat an,
weil eben diskutiert wurde, ob nicht einerseits durch
Einführen des allgemeinen Wahlrechts den Forderungen
der Arbeiterschaft Rechnung getragen, andererseits
durch gewisse Kautelen, die dann zu befürchtende
sozialdemokratische Gefahr abgelehnt werden könne.
Anm. der "Rp.") und wird nur neue Kämpfe herauf-
beschwören. Was aber die höhere Qualifikation des Be-
sitzes betrifft, so scheint es bedenklich, das Privateigen-
tum, das ohnedies den Gegenstand und das Endziel
des Angriffes der Sozialdemokratie bildet, mit Rechten
auszustatten, welche demselben an sich nicht
zukommen,
und es wäre wahrscheinlich, daß der Haß
gegen das Privateigentum ein noch viel tieferer und
der Kampf ein viel erbitterterer werden würde."

Es war also unvorsichtig, in einem Artikel,
der für das Pluralwahlrecht Propaganda machen
soll, sich auf ein Buch zu stützen, in dem das
Pluralwahlrecht so scharf bekämpft wird. Richtig
ist, daß sich Abg. Dr. Ebenhoch in seiner 1897
erschienenen Broschüre noch gegen das allgemeine
und gleiche Wahlrecht ausspricht. Aber die be-
treffenden Stellen in der genannten Schrift sind
durch die große Rede, die Abg. Dr. Ebenhoch im
Parlament im Frühjahr 1906, also ein
Dezennium später, als Generalredner über die
Wahlreform gehalten hat, längst überholt und
korrigiert worden, ähnlich wie die Auflage
des Staatslexikons, aus der Abg. Etz
zitiert. Ja, bereitet es denn dem ober-
österreichischen Anhänger des Pluralwahlrechtes
ein gar so großes Vergnügen, sich auf lauter ver-
altetes Material zu berufen? Die Welt ist seit
1896 doch nicht stille gestanden und Anschauungen,
die damals noch berechtigt oder wenigstens be-
greiflich waren, sind es heute nicht mehr. Uebrigens
hat sich in jenem Buche Dr. Ebenhoch wissen-
schaftlich für das berufsgenossenschaftliche Wahl-
recht ausgesprochen; es ist kein Widerspruch, daß
der Politiker die akademisch aufgestellte These
momentan durchführbar sieht und danach seine
Taktik einrichtet. Der [a]bsoluten Wahrheiten gibt
es in der Politik herzlich wenige, gerade hier ist
das Richtige bedingt durch die Entwicklung, die
Verhältnisse und Ereignisse. Darin besteht ja die
Kunst des Politikers, daß er jederzeit das Ent-
sprechende
zu finden vermag. Sonst bedürften
die Parteien keiner weitblickenden Führer, es ge-
nügte ein allgültiges Regel- und Nachschlagebuch.
Wenn Abg. Dr. Ebenhoch sich genötigt gesehen
hat, seinen vor einem Dezennium vertretenen
Standpunkt aufzugeben, so ist es vom Herrn
Abg. Etz nicht sehr klug, diesen aufgegebenen Posten
mit Fanfarenklängen zu beziehen.

Der Antrag Starzynski.

Es wird ab-
gewiegelt. Die Deutschfreisinnigen bemühen sich,
[Spaltenumbruch] um ihre allzeit deutschbewußten Freunde von den
Verfassungstreuen. die mit den Slaven stimmten
und dadurch die Annahme des autonomistischen
Antrages herbeiführten, herauszuhauen, die Sache
als bedeutungslos hinzustellen -- so die "Deutschn.
Korr." und die freisinnigen Blätter --, den Polen
selbst aber bangt bereits vor den Folgen ihres
Erfolges, den sie gar nicht erhofft hatten. Sie
wollen im Wahlreformausschusse erklären, daß
sie ihren Antrag eigentlich so gemeint hätten, wie
es der abgelehnte Verwicklungsantrag des Abge-
ordneten Dr. Geßmann am klarsten zum Aus-
drucke gebracht habe; das eingesetzte Subkomitee
solle sich demnach lediglich auf die admini-
strative Kompetenzfrage
der Land-
tage in Landes kultur-Angelegen-
heiten
beschränken. -- Die schönen Hoffnungen,
die von den Wahlreformfeinden an die Freitags-
abstimmung geknüpft wurden, dürften sich also
glücklicherweise nicht erfüllen.

Für den Obmann des Wahlreform-
ausschusses.

Auf eine wichtige taktische Frage
macht Abg. Professor Dr. Schöpfer im
"Tiroler" aufmerksam. Die Wahlreformgegner
hoffen nämlich, daß der Antrag auf Festsetzung
des Pluralitätsprinzips die Mehrheit im Aus-
schusse erlange, wenn auch für eine bestimmte Art
des Pluralwahlrechts keine Mehrheit vorhanden
ist. Die Gefahr, daß durch Annahme des
Pluralitätsprinzips zur weiteren Verhandlungs-
basis die Wahlreformaktion in eine Sackgasse ge-
leitet werde, zu umgehen, muß also die größte
Sorge der Wahlreformfreunde sein. Abgeordneter
Dr. Schöpfer führt in dem Artikel aus:

"Wird zuerst über das gleiche Wahlrecht
abgestimmt und erhält dieses die Majorität, so ist es
angenommen und die Abstimmung über das Plural-
wahlrecht entfällt. Lange nicht so einfach liegt die
Sache, wenn das Pluralwahlrecht (als Ab-
änderungsantrag) zuerst zur Abstimmung gelangt.
Es gibt nun solche, denen jedes Pluralwahlrecht
lieber ist als das gleiche. Es gibt aber auch andere;
die wollen nur eine bestimmte Form des Pluralwahl-
rechtes und sind dafür, daß z. B. der Familienvater oder
der Grundbesitzer zwei Stimmen bekommt; vom
Doppelwahlrecht der Steuerträger wollen sie nichts
wissen. Dringt ihre Forderung nicht durch, so stimmen
sie an zweiter Stelle für das gleiche Wahl-
recht. Kommt das Pluralwahlrecht zuerst zur
Abstimmung, so hat das gleiche nur dann noch eine
Aussicht, wenn das erstere die Mehrheit nicht erhält.
Wenn es nun im Wahlreformausschusse über diesen
Gegenstand zur Abstimmung kommt, werden die
Gegner der Wahlreform verlangen, daß zuerst über
das Prinzip des Pluralwahlrechts abgestimmt werde,
obwohl zwischen Pluralwahlrecht und Pluralwahlrecht
die größten prinzipiellen Unterschiede vorhanden
sind. Die Freunde der Wahlreform werden dagegen
protestieren und verlangen, daß sofort über jede
einzelne Form
des Pluralwahlrechtes der Reihe
nach die Frage gestellt werde. Der Obmann kann
diesem Verlangen nicht widersprechen. Bekommt dann
eine bestimmte Form des Pluralwahlrechtes die Mehr-
heit, so ist die Sache erledigt; bekommt keine die
Mehrheit, so lst die Sache erledigt; bekommt keine die
Mehrheit, so bleibt am Schluß die Frage über das
gleiche Wahlrecht übrig; und dann ist wohl kein
Zweifel, daß es die Majorität erhält."




[Spaltenumbruch]

Genie, doch war er ein eleganter geistreicher Schrift-
steller. Dem Sinn fürs Schöne blieb er immer treu,
auch in seiner ersten Zeit. Geschmacklose Widerlichkeiten
hat er sich nie zu Schulden kommen lassen, obwohl er
damals besonders unter Heines und Börnes
literarischen Einfluß stand. Sein erstes Werk war die
Farce "Zaganini", gegen Paganini gerichtet. Von
seinen Jugendwerken ist der politische Zeitroman "Das
junge Europa" zu nennen. Ebenfalls historisch-
politischen Inhaltes sind die zwei Bände
Skizzen: "Das neue Jahrhundert" (1832
und 1833). Die im Jahre 1835 erschienenen
"Modernen Charakteristiken" enthalten politische, soziale
und literarische Charakterbilder. Im Jahre 1843 er-
schien der dreibändige Roman "Die Gräsin Chateau-
briand"; von seinen anderen Romanen sei genannt
"Der deutsche Krieg" (1863--66) ein Gemälde des
30jährigen Krieges. Auch Novellen schrieb er, so die
"Schauspielerin", "Das Glück", "Der Prätendent",
ferner die "Reisenovellen".

Einige Zeit hindurch war Laube Redakteur der
"Zeitung für die elegante Welt" und der "Mitternachts-
zeitung". Seit dem Jahre 1841 widmete er sich besonders
dem Drama, doch war er schon früher mit dem
Drama "Gustav Adolf" hervorgetreten. Von seinen
späteren dramatischen Arbeiten sind zu nennen die Tra-
gödie "Monaldeschi" (1845) das Lustspiel "Rokoko" (1846),
ein gelungenes Kulturbild und die Tragödie "Struen-
see". In die trübe Zeit der Hexenverfolgungen griff
er zurück mit der "Bernsteinhexe". Diese Stücke ge-
wannen zu ihrer Zeit die Gunst des Publikums, doch
heute sind sie so wie seine Romane fast gänzlich dem
ewigen Schlafe der Bibliotheken verfallen. Nur zwei
[Spaltenumbruch] seiner Stücke haben sich bis heute die öffentliche Gunst
bewahrt, die "Karlsschüler" und sein "Graf
Essex". Die "Karlsschüler" (1847) behandeln in schöner
Darstellung und edlem Pathos die Flucht des jungen
Regimentsarztes Schiller aus Stuttgart; es ist eines
der besseren literarischen Schauspiele, die wir haben.
Der "Graf Essex" (1856) behandelt das Schicksal des
unglücklichen Günstlings der Königin Elisabeth, des
Grafen Robert Devereux von Essex, der 1601 in
London enthauptet wurde, weil er sich die Gunst seiner
Königin verscherzt hatte. Essex galt als seine beste
Tragödie.

Laubes Bedeutung als Dichter ist jedoch durchaus
nicht so groß als sein Verdienst um das deutsche
Theater. Auf diesem Gebiete hat er sein Bestes
geleistet. Die langjährige Tätigkeit als Direktor an
den Bühnen Wiens und Leipzigs war die beste
Schulung für sein dramaturgisches Talent. Die reiche
Bühnenerfahrung, das gründliche technische Können
und seinen künstlerischen Geschmack -- lauter Dinge, die
er sich kaum irgendwo so leicht erwerben konnte als
am Wiener Hofburgtheater, der ersten Bühne des
deutschen Volkes --, dies alles legte er in seinen
dramaturgischen Schriften nieder. Hieher gehören "Das
Burgtheater" (1868), "Das norddeutsche Theater"
(1872) und "Das Wiener Stadttheater" (1875).
Unter seiner Leitung stand das Wiener Burg-
theater auf der Höhe seines Ruhmes. So-
wohl seine Vorgänger Schreyvogel, Deinhardstein
und Holbein, als auch seine Nachfolger Hahn, Dingel-
stedt und Wilbrandt waren ausgezeichnete Drama-
turgen. Die Zeit Laubes war aber die Glanzzeit dieser
Bühne. Seine Kunst, ein glänzendes Ensemble und
[Spaltenumbruch] ein wahrhaft künstlerisches Zusammenspiel der ein-
zelnen Kräfte zu gewinnen und zu erhalten, scheint
seinen späteren Nachfolgern unerreichbar zu sein. Und
noch dazu war das jene glänzende Zeit, als unsere
Heimat eine Reihe tüchtiger Dramatiker aufweisen
konnte, das Zeitalter des Grillparzer, der Hebbel,
Hahn und Bauernfeld. Und Laube wußte den Wert
einheimischer Kunst zu würdigen, er suchte nicht im
Ausland nach neuen, fremden Größen. Gerade um
Grillparzer hat er sich bedeutende Verdienste er-
worben. Er war es, der in den Sechziger-
jahren die fast vergessenen Stücke des alternden
Mannes zur oft wiederholten Aufführung brachte und
so den Dichter wieder versöhnte, der sich seit dem be-
leidigenden Mißerfolg des "Web dem, der lügt" im
Jahre 1838 verbittert von der Oeffentlichkeit zurück-
gezogen hatte. Nach Grillparzers Tod gab Laube mit
Weilen 1873 dessen sämtliche Werke in 10 Bänden
heraus und schrieb 1884 seine Biographie. (Laubes
Tätigkeit als Direktor des Burgtheaters soll damit
nicht als in jeder Beziehung einwandfrei bezeichnet
werden. A. d. R.)

Laubes historische, belletristische und dramatische
Werke werden allmählich ganz in Vergessenheit
sinken. Aber sein künstlerisch verständnisvolles Wirken
am Wiener Burgtheater ist eine große Leistung von
dauerndem Wert. Darin besteht seine literarhistorische
Bedeutung für Oesterreich wie für das deutsche Schrift-
tum überhaupt.




Wien, Dienstag Reichspoſt 18. September 1906 212

[Spaltenumbruch]

Perſönlichkeit, die die Arbeiter aller drei Nationali-
täten zuſammenzuhalten im Stande geweſen wäre.
Insbeſondere für die ſlovakiſche Filiale fehlte
ein geeigneter Leiter. Denn der magyariſche Fana-
tismus ſieht überall, wo Slovaken ſind, eine Gefahr
fürs Vaterland.

Die Filiale wurde geſperrt und das ſlovakiſche
Theaterſtück, welches in dem katholiſchen Arbeiter-
verein hätte aufgeführt werden ſollen, wurde am
8. September unter der Patronanz des
ſozialdemokratiſchen Vereines „Vorwärts“
von denſelben katholiſchen Arbeitern dargeſtellt, die
bisher Anhänger der chriſtlichen Organiſation geweſen
waren. Ein Teil der katholiſchen Arbeiter iſt ins
ſozialdemokratiſche Lager übergegangen. — Das iſt
aber nur der Anfang einer Bewegung, welche durch
die nationale Unduldſamkeit der magyariſchen Macht-
haber erzeugt iſt. Die Sozialdemokratie reißt vor
den überall verfolgten kleinen Leuten nichtmagyariſcher
Nationalität angelweit die Türen auf und die Ge-
hetzten ſtrömen hinein. Die ſozialdemokratiſche Preſſe
iſt die einzige, die nicht die Reden der nationaliſtiſchen
Abgeordneten unterſchlägt und nicht in das Freuden-
geheul über jeden wegen „Aufreizung gegen die
ungariſche Nation“ Unſchuldigverurteilten einſtimmt
— nicht aus Gerechtigkeitsliebe, aber aus kluger
Berechnung.

So wird der magyariſche Chauvinismus zum
Pfadfinder für die Internationale. Doch bis heute
dämmert ihm noch kein Strahl des Erkennens, wie
ſehr er ſich damit ſelbſt verſpottet und höhere Güter
zerſtört, als er jemals dem ungariſchen Staate geben
kann.




Politiſche Rundſchau.
Oeſterreich-Ungarn.


Zur Wahlrechtsdiskuſſion in Ober-
öſterreich.

Abg. Etz ſetzt in ſeinem Organe die
Propaganda für das Pluralwahlrecht fort und
zwar zitiert er zunächſt neuerdings aus einer ver-
alteten Auflage des Staatslexikons der Görres-
geſellſchaft. (In der neuen Ausgabe dieſes Werkes
iſt übrigens auch die diesmal von Abg. Etz an-
gerufene Stelle geſtrichen und heißt es im Gegen-
ſatze zu ſeiner Auffaſſung: „Ein offenſichtlicher
Widerſpruch des Abgeordneten mit den Anſichten
der Mehrheit ſeiner Wähler kann daher geeignet
ſein, ihn zu veranlaſſen, ſeine Stelle
niederzulegen.
Eine rechtliche Verpflichtung
dazu kann natürlich nicht in Frage kommen.“
Geklagt kann er freilich nicht werden.) Dann ruft
Abg. Etz den Verfaſſer der „Wanderungen durch
die Geſellſchaft“ (erſchienen 1896), alſo Landes-
hauptmann Dr. Ebenhoch als Zeugen auf, zwar
nicht für das Pluralwahlrecht, wohl aber als
Zeugen gegen das allgemeine Wahlrecht. Denn da
[Spaltenumbruch] hätte Abg. Etz füglich ſagen müſſen, daß
ſich Abg. Dr. Ebenhoch gegen das Plural
wahlrecht
ſchon in der genannten Broſchüre
in folgender Weiſe (Seite 86—87) ausge-
ſprochen hat:

„Es iſt dara uf hinzuweiſen, daß beim Plurali-
tätsſyſtem die Beſitzloſen formell zwar das Wahlrecht
haben, aber ein Wahlrecht, das durch die Mehrſtimmen
der Qualifizierten tatſächlich illuſoriſch gemacht wird;
es kann daher die ſozialdemokratiſche Partei unmöglich
befriedigen (der Verfaſſer führt dies Motiv ſeparat an,
weil eben diskutiert wurde, ob nicht einerſeits durch
Einführen des allgemeinen Wahlrechts den Forderungen
der Arbeiterſchaft Rechnung getragen, andererſeits
durch gewiſſe Kautelen, die dann zu befürchtende
ſozialdemokratiſche Gefahr abgelehnt werden könne.
Anm. der „Rp.“) und wird nur neue Kämpfe herauf-
beſchwören. Was aber die höhere Qualifikation des Be-
ſitzes betrifft, ſo ſcheint es bedenklich, das Privateigen-
tum, das ohnedies den Gegenſtand und das Endziel
des Angriffes der Sozialdemokratie bildet, mit Rechten
auszuſtatten, welche demſelben an ſich nicht
zukommen,
und es wäre wahrſcheinlich, daß der Haß
gegen das Privateigentum ein noch viel tieferer und
der Kampf ein viel erbitterterer werden würde.“

Es war alſo unvorſichtig, in einem Artikel,
der für das Pluralwahlrecht Propaganda machen
ſoll, ſich auf ein Buch zu ſtützen, in dem das
Pluralwahlrecht ſo ſcharf bekämpft wird. Richtig
iſt, daß ſich Abg. Dr. Ebenhoch in ſeiner 1897
erſchienenen Broſchüre noch gegen das allgemeine
und gleiche Wahlrecht ausſpricht. Aber die be-
treffenden Stellen in der genannten Schrift ſind
durch die große Rede, die Abg. Dr. Ebenhoch im
Parlament im Frühjahr 1906, alſo ein
Dezennium ſpäter, als Generalredner über die
Wahlreform gehalten hat, längſt überholt und
korrigiert worden, ähnlich wie die Auflage
des Staatslexikons, aus der Abg. Etz
zitiert. Ja, bereitet es denn dem ober-
öſterreichiſchen Anhänger des Pluralwahlrechtes
ein gar ſo großes Vergnügen, ſich auf lauter ver-
altetes Material zu berufen? Die Welt iſt ſeit
1896 doch nicht ſtille geſtanden und Anſchauungen,
die damals noch berechtigt oder wenigſtens be-
greiflich waren, ſind es heute nicht mehr. Uebrigens
hat ſich in jenem Buche Dr. Ebenhoch wiſſen-
ſchaftlich für das berufsgenoſſenſchaftliche Wahl-
recht ausgeſprochen; es iſt kein Widerſpruch, daß
der Politiker die akademiſch aufgeſtellte Theſe
momentan durchführbar ſieht und danach ſeine
Taktik einrichtet. Der [a]bſoluten Wahrheiten gibt
es in der Politik herzlich wenige, gerade hier iſt
das Richtige bedingt durch die Entwicklung, die
Verhältniſſe und Ereigniſſe. Darin beſteht ja die
Kunſt des Politikers, daß er jederzeit das Ent-
ſprechende
zu finden vermag. Sonſt bedürften
die Parteien keiner weitblickenden Führer, es ge-
nügte ein allgültiges Regel- und Nachſchlagebuch.
Wenn Abg. Dr. Ebenhoch ſich genötigt geſehen
hat, ſeinen vor einem Dezennium vertretenen
Standpunkt aufzugeben, ſo iſt es vom Herrn
Abg. Etz nicht ſehr klug, dieſen aufgegebenen Poſten
mit Fanfarenklängen zu beziehen.

Der Antrag Starzynski.

Es wird ab-
gewiegelt. Die Deutſchfreiſinnigen bemühen ſich,
[Spaltenumbruch] um ihre allzeit deutſchbewußten Freunde von den
Verfaſſungstreuen. die mit den Slaven ſtimmten
und dadurch die Annahme des autonomiſtiſchen
Antrages herbeiführten, herauszuhauen, die Sache
als bedeutungslos hinzuſtellen — ſo die „Deutſchn.
Korr.“ und die freiſinnigen Blätter —, den Polen
ſelbſt aber bangt bereits vor den Folgen ihres
Erfolges, den ſie gar nicht erhofft hatten. Sie
wollen im Wahlreformausſchuſſe erklären, daß
ſie ihren Antrag eigentlich ſo gemeint hätten, wie
es der abgelehnte Verwicklungsantrag des Abge-
ordneten Dr. Geßmann am klarſten zum Aus-
drucke gebracht habe; das eingeſetzte Subkomitee
ſolle ſich demnach lediglich auf die admini-
ſtrative Kompetenzfrage
der Land-
tage in Landes kultur-Angelegen-
heiten
beſchränken. — Die ſchönen Hoffnungen,
die von den Wahlreformfeinden an die Freitags-
abſtimmung geknüpft wurden, dürften ſich alſo
glücklicherweiſe nicht erfüllen.

Für den Obmann des Wahlreform-
ausſchuſſes.

Auf eine wichtige taktiſche Frage
macht Abg. Profeſſor Dr. Schöpfer im
„Tiroler“ aufmerkſam. Die Wahlreformgegner
hoffen nämlich, daß der Antrag auf Feſtſetzung
des Pluralitätsprinzips die Mehrheit im Aus-
ſchuſſe erlange, wenn auch für eine beſtimmte Art
des Pluralwahlrechts keine Mehrheit vorhanden
iſt. Die Gefahr, daß durch Annahme des
Pluralitätsprinzips zur weiteren Verhandlungs-
baſis die Wahlreformaktion in eine Sackgaſſe ge-
leitet werde, zu umgehen, muß alſo die größte
Sorge der Wahlreformfreunde ſein. Abgeordneter
Dr. Schöpfer führt in dem Artikel aus:

„Wird zuerſt über das gleiche Wahlrecht
abgeſtimmt und erhält dieſes die Majorität, ſo iſt es
angenommen und die Abſtimmung über das Plural-
wahlrecht entfällt. Lange nicht ſo einfach liegt die
Sache, wenn das Pluralwahlrecht (als Ab-
änderungsantrag) zuerſt zur Abſtimmung gelangt.
Es gibt nun ſolche, denen jedes Pluralwahlrecht
lieber iſt als das gleiche. Es gibt aber auch andere;
die wollen nur eine beſtimmte Form des Pluralwahl-
rechtes und ſind dafür, daß z. B. der Familienvater oder
der Grundbeſitzer zwei Stimmen bekommt; vom
Doppelwahlrecht der Steuerträger wollen ſie nichts
wiſſen. Dringt ihre Forderung nicht durch, ſo ſtimmen
ſie an zweiter Stelle für das gleiche Wahl-
recht. Kommt das Pluralwahlrecht zuerſt zur
Abſtimmung, ſo hat das gleiche nur dann noch eine
Ausſicht, wenn das erſtere die Mehrheit nicht erhält.
Wenn es nun im Wahlreformausſchuſſe über dieſen
Gegenſtand zur Abſtimmung kommt, werden die
Gegner der Wahlreform verlangen, daß zuerſt über
das Prinzip des Pluralwahlrechts abgeſtimmt werde,
obwohl zwiſchen Pluralwahlrecht und Pluralwahlrecht
die größten prinzipiellen Unterſchiede vorhanden
ſind. Die Freunde der Wahlreform werden dagegen
proteſtieren und verlangen, daß ſofort über jede
einzelne Form
des Pluralwahlrechtes der Reihe
nach die Frage geſtellt werde. Der Obmann kann
dieſem Verlangen nicht widerſprechen. Bekommt dann
eine beſtimmte Form des Pluralwahlrechtes die Mehr-
heit, ſo iſt die Sache erledigt; bekommt keine die
Mehrheit, ſo lſt die Sache erledigt; bekommt keine die
Mehrheit, ſo bleibt am Schluß die Frage über das
gleiche Wahlrecht übrig; und dann iſt wohl kein
Zweifel, daß es die Majorität erhält.“




[Spaltenumbruch]

Genie, doch war er ein eleganter geiſtreicher Schrift-
ſteller. Dem Sinn fürs Schöne blieb er immer treu,
auch in ſeiner erſten Zeit. Geſchmackloſe Widerlichkeiten
hat er ſich nie zu Schulden kommen laſſen, obwohl er
damals beſonders unter Heines und Börnes
literariſchen Einfluß ſtand. Sein erſtes Werk war die
Farce „Zaganini“, gegen Paganini gerichtet. Von
ſeinen Jugendwerken iſt der politiſche Zeitroman „Das
junge Europa“ zu nennen. Ebenfalls hiſtoriſch-
politiſchen Inhaltes ſind die zwei Bände
Skizzen: „Das neue Jahrhundert“ (1832
und 1833). Die im Jahre 1835 erſchienenen
„Modernen Charakteriſtiken“ enthalten politiſche, ſoziale
und literariſche Charakterbilder. Im Jahre 1843 er-
ſchien der dreibändige Roman „Die Gräſin Chateau-
briand“; von ſeinen anderen Romanen ſei genannt
„Der deutſche Krieg“ (1863—66) ein Gemälde des
30jährigen Krieges. Auch Novellen ſchrieb er, ſo die
„Schauſpielerin“, „Das Glück“, „Der Prätendent“,
ferner die „Reiſenovellen“.

Einige Zeit hindurch war Laube Redakteur der
„Zeitung für die elegante Welt“ und der „Mitternachts-
zeitung“. Seit dem Jahre 1841 widmete er ſich beſonders
dem Drama, doch war er ſchon früher mit dem
Drama „Guſtav Adolf“ hervorgetreten. Von ſeinen
ſpäteren dramatiſchen Arbeiten ſind zu nennen die Tra-
gödie „Monaldeſchi“ (1845) das Luſtſpiel „Rokoko“ (1846),
ein gelungenes Kulturbild und die Tragödie „Struen-
ſee“. In die trübe Zeit der Hexenverfolgungen griff
er zurück mit der „Bernſteinhexe“. Dieſe Stücke ge-
wannen zu ihrer Zeit die Gunſt des Publikums, doch
heute ſind ſie ſo wie ſeine Romane faſt gänzlich dem
ewigen Schlafe der Bibliotheken verfallen. Nur zwei
[Spaltenumbruch] ſeiner Stücke haben ſich bis heute die öffentliche Gunſt
bewahrt, die „Karlsſchüler“ und ſein „Graf
Eſſex“. Die „Karlsſchüler“ (1847) behandeln in ſchöner
Darſtellung und edlem Pathos die Flucht des jungen
Regimentsarztes Schiller aus Stuttgart; es iſt eines
der beſſeren literariſchen Schauſpiele, die wir haben.
Der „Graf Eſſex“ (1856) behandelt das Schickſal des
unglücklichen Günſtlings der Königin Eliſabeth, des
Grafen Robert Devereux von Eſſex, der 1601 in
London enthauptet wurde, weil er ſich die Gunſt ſeiner
Königin verſcherzt hatte. Eſſex galt als ſeine beſte
Tragödie.

Laubes Bedeutung als Dichter iſt jedoch durchaus
nicht ſo groß als ſein Verdienſt um das deutſche
Theater. Auf dieſem Gebiete hat er ſein Beſtes
geleiſtet. Die langjährige Tätigkeit als Direktor an
den Bühnen Wiens und Leipzigs war die beſte
Schulung für ſein dramaturgiſches Talent. Die reiche
Bühnenerfahrung, das gründliche techniſche Können
und ſeinen künſtleriſchen Geſchmack — lauter Dinge, die
er ſich kaum irgendwo ſo leicht erwerben konnte als
am Wiener Hofburgtheater, der erſten Bühne des
deutſchen Volkes —, dies alles legte er in ſeinen
dramaturgiſchen Schriften nieder. Hieher gehören „Das
Burgtheater“ (1868), „Das norddeutſche Theater“
(1872) und „Das Wiener Stadttheater“ (1875).
Unter ſeiner Leitung ſtand das Wiener Burg-
theater auf der Höhe ſeines Ruhmes. So-
wohl ſeine Vorgänger Schreyvogel, Deinhardſtein
und Holbein, als auch ſeine Nachfolger Hahn, Dingel-
ſtedt und Wilbrandt waren ausgezeichnete Drama-
turgen. Die Zeit Laubes war aber die Glanzzeit dieſer
Bühne. Seine Kunſt, ein glänzendes Enſemble und
[Spaltenumbruch] ein wahrhaft künſtleriſches Zuſammenſpiel der ein-
zelnen Kräfte zu gewinnen und zu erhalten, ſcheint
ſeinen ſpäteren Nachfolgern unerreichbar zu ſein. Und
noch dazu war das jene glänzende Zeit, als unſere
Heimat eine Reihe tüchtiger Dramatiker aufweiſen
konnte, das Zeitalter des Grillparzer, der Hebbel,
Hahn und Bauernfeld. Und Laube wußte den Wert
einheimiſcher Kunſt zu würdigen, er ſuchte nicht im
Ausland nach neuen, fremden Größen. Gerade um
Grillparzer hat er ſich bedeutende Verdienſte er-
worben. Er war es, der in den Sechziger-
jahren die faſt vergeſſenen Stücke des alternden
Mannes zur oft wiederholten Aufführung brachte und
ſo den Dichter wieder verſöhnte, der ſich ſeit dem be-
leidigenden Mißerfolg des „Web dem, der lügt“ im
Jahre 1838 verbittert von der Oeffentlichkeit zurück-
gezogen hatte. Nach Grillparzers Tod gab Laube mit
Weilen 1873 deſſen ſämtliche Werke in 10 Bänden
heraus und ſchrieb 1884 ſeine Biographie. (Laubes
Tätigkeit als Direktor des Burgtheaters ſoll damit
nicht als in jeder Beziehung einwandfrei bezeichnet
werden. A. d. R.)

Laubes hiſtoriſche, belletriſtiſche und dramatiſche
Werke werden allmählich ganz in Vergeſſenheit
ſinken. Aber ſein künſtleriſch verſtändnisvolles Wirken
am Wiener Burgtheater iſt eine große Leiſtung von
dauerndem Wert. Darin beſteht ſeine literarhiſtoriſche
Bedeutung für Oeſterreich wie für das deutſche Schrift-
tum überhaupt.




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[2/0002] Wien, Dienstag Reichspoſt 18. September 1906 212 Perſönlichkeit, die die Arbeiter aller drei Nationali- täten zuſammenzuhalten im Stande geweſen wäre. Insbeſondere für die ſlovakiſche Filiale fehlte ein geeigneter Leiter. Denn der magyariſche Fana- tismus ſieht überall, wo Slovaken ſind, eine Gefahr fürs Vaterland. Die Filiale wurde geſperrt und das ſlovakiſche Theaterſtück, welches in dem katholiſchen Arbeiter- verein hätte aufgeführt werden ſollen, wurde am 8. September unter der Patronanz des ſozialdemokratiſchen Vereines „Vorwärts“ von denſelben katholiſchen Arbeitern dargeſtellt, die bisher Anhänger der chriſtlichen Organiſation geweſen waren. Ein Teil der katholiſchen Arbeiter iſt ins ſozialdemokratiſche Lager übergegangen. — Das iſt aber nur der Anfang einer Bewegung, welche durch die nationale Unduldſamkeit der magyariſchen Macht- haber erzeugt iſt. Die Sozialdemokratie reißt vor den überall verfolgten kleinen Leuten nichtmagyariſcher Nationalität angelweit die Türen auf und die Ge- hetzten ſtrömen hinein. Die ſozialdemokratiſche Preſſe iſt die einzige, die nicht die Reden der nationaliſtiſchen Abgeordneten unterſchlägt und nicht in das Freuden- geheul über jeden wegen „Aufreizung gegen die ungariſche Nation“ Unſchuldigverurteilten einſtimmt — nicht aus Gerechtigkeitsliebe, aber aus kluger Berechnung. So wird der magyariſche Chauvinismus zum Pfadfinder für die Internationale. Doch bis heute dämmert ihm noch kein Strahl des Erkennens, wie ſehr er ſich damit ſelbſt verſpottet und höhere Güter zerſtört, als er jemals dem ungariſchen Staate geben kann. Politiſche Rundſchau. Oeſterreich-Ungarn. Wien, 17. September. Zur Wahlrechtsdiskuſſion in Ober- öſterreich. Abg. Etz ſetzt in ſeinem Organe die Propaganda für das Pluralwahlrecht fort und zwar zitiert er zunächſt neuerdings aus einer ver- alteten Auflage des Staatslexikons der Görres- geſellſchaft. (In der neuen Ausgabe dieſes Werkes iſt übrigens auch die diesmal von Abg. Etz an- gerufene Stelle geſtrichen und heißt es im Gegen- ſatze zu ſeiner Auffaſſung: „Ein offenſichtlicher Widerſpruch des Abgeordneten mit den Anſichten der Mehrheit ſeiner Wähler kann daher geeignet ſein, ihn zu veranlaſſen, ſeine Stelle niederzulegen. Eine rechtliche Verpflichtung dazu kann natürlich nicht in Frage kommen.“ Geklagt kann er freilich nicht werden.) Dann ruft Abg. Etz den Verfaſſer der „Wanderungen durch die Geſellſchaft“ (erſchienen 1896), alſo Landes- hauptmann Dr. Ebenhoch als Zeugen auf, zwar nicht für das Pluralwahlrecht, wohl aber als Zeugen gegen das allgemeine Wahlrecht. Denn da hätte Abg. Etz füglich ſagen müſſen, daß ſich Abg. Dr. Ebenhoch gegen das Plural wahlrecht ſchon in der genannten Broſchüre in folgender Weiſe (Seite 86—87) ausge- ſprochen hat: „Es iſt dara uf hinzuweiſen, daß beim Plurali- tätsſyſtem die Beſitzloſen formell zwar das Wahlrecht haben, aber ein Wahlrecht, das durch die Mehrſtimmen der Qualifizierten tatſächlich illuſoriſch gemacht wird; es kann daher die ſozialdemokratiſche Partei unmöglich befriedigen (der Verfaſſer führt dies Motiv ſeparat an, weil eben diskutiert wurde, ob nicht einerſeits durch Einführen des allgemeinen Wahlrechts den Forderungen der Arbeiterſchaft Rechnung getragen, andererſeits durch gewiſſe Kautelen, die dann zu befürchtende ſozialdemokratiſche Gefahr abgelehnt werden könne. Anm. der „Rp.“) und wird nur neue Kämpfe herauf- beſchwören. Was aber die höhere Qualifikation des Be- ſitzes betrifft, ſo ſcheint es bedenklich, das Privateigen- tum, das ohnedies den Gegenſtand und das Endziel des Angriffes der Sozialdemokratie bildet, mit Rechten auszuſtatten, welche demſelben an ſich nicht zukommen, und es wäre wahrſcheinlich, daß der Haß gegen das Privateigentum ein noch viel tieferer und der Kampf ein viel erbitterterer werden würde.“ Es war alſo unvorſichtig, in einem Artikel, der für das Pluralwahlrecht Propaganda machen ſoll, ſich auf ein Buch zu ſtützen, in dem das Pluralwahlrecht ſo ſcharf bekämpft wird. Richtig iſt, daß ſich Abg. Dr. Ebenhoch in ſeiner 1897 erſchienenen Broſchüre noch gegen das allgemeine und gleiche Wahlrecht ausſpricht. Aber die be- treffenden Stellen in der genannten Schrift ſind durch die große Rede, die Abg. Dr. Ebenhoch im Parlament im Frühjahr 1906, alſo ein Dezennium ſpäter, als Generalredner über die Wahlreform gehalten hat, längſt überholt und korrigiert worden, ähnlich wie die Auflage des Staatslexikons, aus der Abg. Etz zitiert. Ja, bereitet es denn dem ober- öſterreichiſchen Anhänger des Pluralwahlrechtes ein gar ſo großes Vergnügen, ſich auf lauter ver- altetes Material zu berufen? Die Welt iſt ſeit 1896 doch nicht ſtille geſtanden und Anſchauungen, die damals noch berechtigt oder wenigſtens be- greiflich waren, ſind es heute nicht mehr. Uebrigens hat ſich in jenem Buche Dr. Ebenhoch wiſſen- ſchaftlich für das berufsgenoſſenſchaftliche Wahl- recht ausgeſprochen; es iſt kein Widerſpruch, daß der Politiker die akademiſch aufgeſtellte Theſe momentan durchführbar ſieht und danach ſeine Taktik einrichtet. Der abſoluten Wahrheiten gibt es in der Politik herzlich wenige, gerade hier iſt das Richtige bedingt durch die Entwicklung, die Verhältniſſe und Ereigniſſe. Darin beſteht ja die Kunſt des Politikers, daß er jederzeit das Ent- ſprechende zu finden vermag. Sonſt bedürften die Parteien keiner weitblickenden Führer, es ge- nügte ein allgültiges Regel- und Nachſchlagebuch. Wenn Abg. Dr. Ebenhoch ſich genötigt geſehen hat, ſeinen vor einem Dezennium vertretenen Standpunkt aufzugeben, ſo iſt es vom Herrn Abg. Etz nicht ſehr klug, dieſen aufgegebenen Poſten mit Fanfarenklängen zu beziehen. Der Antrag Starzynski. Es wird ab- gewiegelt. Die Deutſchfreiſinnigen bemühen ſich, um ihre allzeit deutſchbewußten Freunde von den Verfaſſungstreuen. die mit den Slaven ſtimmten und dadurch die Annahme des autonomiſtiſchen Antrages herbeiführten, herauszuhauen, die Sache als bedeutungslos hinzuſtellen — ſo die „Deutſchn. Korr.“ und die freiſinnigen Blätter —, den Polen ſelbſt aber bangt bereits vor den Folgen ihres Erfolges, den ſie gar nicht erhofft hatten. Sie wollen im Wahlreformausſchuſſe erklären, daß ſie ihren Antrag eigentlich ſo gemeint hätten, wie es der abgelehnte Verwicklungsantrag des Abge- ordneten Dr. Geßmann am klarſten zum Aus- drucke gebracht habe; das eingeſetzte Subkomitee ſolle ſich demnach lediglich auf die admini- ſtrative Kompetenzfrage der Land- tage in Landes kultur-Angelegen- heiten beſchränken. — Die ſchönen Hoffnungen, die von den Wahlreformfeinden an die Freitags- abſtimmung geknüpft wurden, dürften ſich alſo glücklicherweiſe nicht erfüllen. Für den Obmann des Wahlreform- ausſchuſſes. Auf eine wichtige taktiſche Frage macht Abg. Profeſſor Dr. Schöpfer im „Tiroler“ aufmerkſam. Die Wahlreformgegner hoffen nämlich, daß der Antrag auf Feſtſetzung des Pluralitätsprinzips die Mehrheit im Aus- ſchuſſe erlange, wenn auch für eine beſtimmte Art des Pluralwahlrechts keine Mehrheit vorhanden iſt. Die Gefahr, daß durch Annahme des Pluralitätsprinzips zur weiteren Verhandlungs- baſis die Wahlreformaktion in eine Sackgaſſe ge- leitet werde, zu umgehen, muß alſo die größte Sorge der Wahlreformfreunde ſein. Abgeordneter Dr. Schöpfer führt in dem Artikel aus: „Wird zuerſt über das gleiche Wahlrecht abgeſtimmt und erhält dieſes die Majorität, ſo iſt es angenommen und die Abſtimmung über das Plural- wahlrecht entfällt. Lange nicht ſo einfach liegt die Sache, wenn das Pluralwahlrecht (als Ab- änderungsantrag) zuerſt zur Abſtimmung gelangt. Es gibt nun ſolche, denen jedes Pluralwahlrecht lieber iſt als das gleiche. Es gibt aber auch andere; die wollen nur eine beſtimmte Form des Pluralwahl- rechtes und ſind dafür, daß z. B. der Familienvater oder der Grundbeſitzer zwei Stimmen bekommt; vom Doppelwahlrecht der Steuerträger wollen ſie nichts wiſſen. Dringt ihre Forderung nicht durch, ſo ſtimmen ſie an zweiter Stelle für das gleiche Wahl- recht. Kommt das Pluralwahlrecht zuerſt zur Abſtimmung, ſo hat das gleiche nur dann noch eine Ausſicht, wenn das erſtere die Mehrheit nicht erhält. Wenn es nun im Wahlreformausſchuſſe über dieſen Gegenſtand zur Abſtimmung kommt, werden die Gegner der Wahlreform verlangen, daß zuerſt über das Prinzip des Pluralwahlrechts abgeſtimmt werde, obwohl zwiſchen Pluralwahlrecht und Pluralwahlrecht die größten prinzipiellen Unterſchiede vorhanden ſind. Die Freunde der Wahlreform werden dagegen proteſtieren und verlangen, daß ſofort über jede einzelne Form des Pluralwahlrechtes der Reihe nach die Frage geſtellt werde. Der Obmann kann dieſem Verlangen nicht widerſprechen. Bekommt dann eine beſtimmte Form des Pluralwahlrechtes die Mehr- heit, ſo iſt die Sache erledigt; bekommt keine die Mehrheit, ſo lſt die Sache erledigt; bekommt keine die Mehrheit, ſo bleibt am Schluß die Frage über das gleiche Wahlrecht übrig; und dann iſt wohl kein Zweifel, daß es die Majorität erhält.“ Genie, doch war er ein eleganter geiſtreicher Schrift- ſteller. Dem Sinn fürs Schöne blieb er immer treu, auch in ſeiner erſten Zeit. Geſchmackloſe Widerlichkeiten hat er ſich nie zu Schulden kommen laſſen, obwohl er damals beſonders unter Heines und Börnes literariſchen Einfluß ſtand. Sein erſtes Werk war die Farce „Zaganini“, gegen Paganini gerichtet. Von ſeinen Jugendwerken iſt der politiſche Zeitroman „Das junge Europa“ zu nennen. Ebenfalls hiſtoriſch- politiſchen Inhaltes ſind die zwei Bände Skizzen: „Das neue Jahrhundert“ (1832 und 1833). Die im Jahre 1835 erſchienenen „Modernen Charakteriſtiken“ enthalten politiſche, ſoziale und literariſche Charakterbilder. Im Jahre 1843 er- ſchien der dreibändige Roman „Die Gräſin Chateau- briand“; von ſeinen anderen Romanen ſei genannt „Der deutſche Krieg“ (1863—66) ein Gemälde des 30jährigen Krieges. Auch Novellen ſchrieb er, ſo die „Schauſpielerin“, „Das Glück“, „Der Prätendent“, ferner die „Reiſenovellen“. Einige Zeit hindurch war Laube Redakteur der „Zeitung für die elegante Welt“ und der „Mitternachts- zeitung“. Seit dem Jahre 1841 widmete er ſich beſonders dem Drama, doch war er ſchon früher mit dem Drama „Guſtav Adolf“ hervorgetreten. Von ſeinen ſpäteren dramatiſchen Arbeiten ſind zu nennen die Tra- gödie „Monaldeſchi“ (1845) das Luſtſpiel „Rokoko“ (1846), ein gelungenes Kulturbild und die Tragödie „Struen- ſee“. In die trübe Zeit der Hexenverfolgungen griff er zurück mit der „Bernſteinhexe“. Dieſe Stücke ge- wannen zu ihrer Zeit die Gunſt des Publikums, doch heute ſind ſie ſo wie ſeine Romane faſt gänzlich dem ewigen Schlafe der Bibliotheken verfallen. Nur zwei ſeiner Stücke haben ſich bis heute die öffentliche Gunſt bewahrt, die „Karlsſchüler“ und ſein „Graf Eſſex“. Die „Karlsſchüler“ (1847) behandeln in ſchöner Darſtellung und edlem Pathos die Flucht des jungen Regimentsarztes Schiller aus Stuttgart; es iſt eines der beſſeren literariſchen Schauſpiele, die wir haben. Der „Graf Eſſex“ (1856) behandelt das Schickſal des unglücklichen Günſtlings der Königin Eliſabeth, des Grafen Robert Devereux von Eſſex, der 1601 in London enthauptet wurde, weil er ſich die Gunſt ſeiner Königin verſcherzt hatte. Eſſex galt als ſeine beſte Tragödie. Laubes Bedeutung als Dichter iſt jedoch durchaus nicht ſo groß als ſein Verdienſt um das deutſche Theater. Auf dieſem Gebiete hat er ſein Beſtes geleiſtet. Die langjährige Tätigkeit als Direktor an den Bühnen Wiens und Leipzigs war die beſte Schulung für ſein dramaturgiſches Talent. Die reiche Bühnenerfahrung, das gründliche techniſche Können und ſeinen künſtleriſchen Geſchmack — lauter Dinge, die er ſich kaum irgendwo ſo leicht erwerben konnte als am Wiener Hofburgtheater, der erſten Bühne des deutſchen Volkes —, dies alles legte er in ſeinen dramaturgiſchen Schriften nieder. Hieher gehören „Das Burgtheater“ (1868), „Das norddeutſche Theater“ (1872) und „Das Wiener Stadttheater“ (1875). Unter ſeiner Leitung ſtand das Wiener Burg- theater auf der Höhe ſeines Ruhmes. So- wohl ſeine Vorgänger Schreyvogel, Deinhardſtein und Holbein, als auch ſeine Nachfolger Hahn, Dingel- ſtedt und Wilbrandt waren ausgezeichnete Drama- turgen. Die Zeit Laubes war aber die Glanzzeit dieſer Bühne. Seine Kunſt, ein glänzendes Enſemble und ein wahrhaft künſtleriſches Zuſammenſpiel der ein- zelnen Kräfte zu gewinnen und zu erhalten, ſcheint ſeinen ſpäteren Nachfolgern unerreichbar zu ſein. Und noch dazu war das jene glänzende Zeit, als unſere Heimat eine Reihe tüchtiger Dramatiker aufweiſen konnte, das Zeitalter des Grillparzer, der Hebbel, Hahn und Bauernfeld. Und Laube wußte den Wert einheimiſcher Kunſt zu würdigen, er ſuchte nicht im Ausland nach neuen, fremden Größen. Gerade um Grillparzer hat er ſich bedeutende Verdienſte er- worben. Er war es, der in den Sechziger- jahren die faſt vergeſſenen Stücke des alternden Mannes zur oft wiederholten Aufführung brachte und ſo den Dichter wieder verſöhnte, der ſich ſeit dem be- leidigenden Mißerfolg des „Web dem, der lügt“ im Jahre 1838 verbittert von der Oeffentlichkeit zurück- gezogen hatte. Nach Grillparzers Tod gab Laube mit Weilen 1873 deſſen ſämtliche Werke in 10 Bänden heraus und ſchrieb 1884 ſeine Biographie. (Laubes Tätigkeit als Direktor des Burgtheaters ſoll damit nicht als in jeder Beziehung einwandfrei bezeichnet werden. A. d. R.) Laubes hiſtoriſche, belletriſtiſche und dramatiſche Werke werden allmählich ganz in Vergeſſenheit ſinken. Aber ſein künſtleriſch verſtändnisvolles Wirken am Wiener Burgtheater iſt eine große Leiſtung von dauerndem Wert. Darin beſteht ſeine literarhiſtoriſche Bedeutung für Oeſterreich wie für das deutſche Schrift- tum überhaupt.

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Zitationshilfe: Reichspost. Nr. 212, Wien, 18.09.1906, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_reichspost212_1906/2>, abgerufen am 27.04.2024.