Reichspost. Nr. 219, Wien, 26.09.1899.219 Wien, Dienstag Reichspost 26. September 1899 [Spaltenumbruch] Deutsches Reich. Die Canalvorlage und die Conservativen. Es wird jetzt von der Regierung mit Hochdruck auf Die Reise des Kaisers. Heute, Montag, trifft Die junge Königin von Holland wird mit Graf Pückler ist unsern Lesern als derjenige Großbritannien. Die Transvaalkrise. Die Friedensaussichten Nicht weniger mitbestimmend für die schwankende, Serbien. Der Attentatsproceß Der Angeklagte Kne- Australien. Auf Samoa scheinen sich die Zustände nach der Gemeindezeitung. Der Gemeinderath hält in der laufenden Woche Wahlen. In der Freitagsitzung des Gemeinde- Das Bürgerrecht der Stadt Wien wurde Tagesbericht. Wien, 23. September. * Kalender für Dienstag, den 26. September. Katholiken: Cyprian. -- Griechen (14. Sept.): * Hof- und Personalnachrichten. Der Kaiser hat * Auszeichnungen und Ernennungen. Der Kaiser * Fürst Ferdinand von Bulgarien trifft * Herrenhausmitglied Graf Friedrich Carl Kinsky gestorben. In Adlerkosteletz * Unentgeltlicher Stenographie-Curs. Der Central- * Traubenausstellung in Wien. Der "Verein zum * Unfall auf dem Hermannskogel. Der * Ein roher Gatte. Gestern Mittags verlangte * Die Jubiläumswarte in Ottakring, die am * Eine unbefugte Sammlerin. Die 27jährige * Verhaftete Diebsgesellschaft. In der Leder- * Ein gerissener Zug. Als Samstag Nachts 219 Wien, Dienſtag Reichspoſt 26. September 1899 [Spaltenumbruch] Deutſches Reich. Die Canalvorlage und die Conſervativen. Es wird jetzt von der Regierung mit Hochdruck auf Die Reiſe des Kaiſers. Heute, Montag, trifft Die junge Königin von Holland wird mit Graf Pückler iſt unſern Leſern als derjenige Großbritannien. Die Transvaalkriſe. Die Friedensausſichten Nicht weniger mitbeſtimmend für die ſchwankende, Serbien. Der Attentatsproceß Der Angeklagte Kne- Auſtralien. Auf Samoa ſcheinen ſich die Zuſtände nach der Gemeindezeitung. Der Gemeinderath hält in der laufenden Woche Wahlen. In der Freitagſitzung des Gemeinde- Das Bürgerrecht der Stadt Wien wurde Tagesbericht. Wien, 23. September. * Kalender für Dienſtag, den 26. September. Katholiken: Cyprian. — Griechen (14. Sept.): * Hof- und Perſonalnachrichten. Der Kaiſer hat * Auszeichnungen und Ernennungen. Der Kaiſer * Fürſt Ferdinand von Bulgarien trifft * Herrenhausmitglied Graf Friedrich Carl Kinsky geſtorben. In Adlerkoſteletz * Unentgeltlicher Stenographie-Curs. Der Central- * Traubenausſtellung in Wien. Der „Verein zum * Unfall auf dem Hermannskogel. Der * Ein roher Gatte. Geſtern Mittags verlangte * Die Jubiläumswarte in Ottakring, die am * Eine unbefugte Sammlerin. Die 27jährige * Verhaftete Diebsgeſellſchaft. In der Leder- * Ein geriſſener Zug. Als Samſtag Nachts <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <pb facs="#f0003" n="3"/> <fw place="top" type="header">219 Wien, Dienſtag Reichspoſt 26. September 1899</fw><lb/> <cb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Deutſches Reich.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Die Canalvorlage und die Conſervativen.</hi> </head><lb/> <p>Es wird jetzt von der Regierung mit Hochdruck auf<lb/> die Conſervativen gewirkt, daß ſie ihren Widerſtand<lb/> gegen die Canalvorlage aufgeben. Ein officiöſe Kund-<lb/> gebung enthält Folgendes: „Die Staatsregierung hält<lb/> an ihrer Anſchauung unverändert feſt und gibt ſich der<lb/> Erwartung hin, daß die conſervative Partei den ſchwer-<lb/> wiegenden Gründen, welche für die Nothwendigkeit des<lb/> geplanten Canalbaues ſprechen, auf die Dauer ſich<lb/> nicht verſchließen wird. Zu ſolcher Erwartung hält<lb/> die Staatsregierung ſich umſomehr berechtigt, als die<lb/> gedeihliche Löſung anderer, für den Oſten der Mon-<lb/> archie wichtiger waſſerwirthſchaftlicher Probleme mit<lb/> der Ausführung des Rhein—Elbe-Canals zuſammen-<lb/> hängt. Daß die gegenwärtig noch beſtehenden Meinungs-<lb/> verſchiedenheiten in der Canalfrage ein Zuſammengehen<lb/> der conſervativen Partei mit der Regierung in anderen<lb/> geſetzgeberiſchen Fragen nicht hindern können, verſteht<lb/> ſich von ſelbſt. Die Schlußworte der „Conſervativen<lb/> Correſpondenz“, in welcher Namens der conſervativen<lb/> Partei der Treue und Ergebenheit gegenüber der<lb/> Krone und der Bereitwilligkeit zu einem ſolchen Zu-<lb/> ſammengehen Ausdruck gegeben wird, entſprechen durch-<lb/> aus der Erwartung der Staatsregierung hinſichtlich<lb/> des künftigen Verhaltens der conſervativen Partei.“<lb/> Erſt Maßregelungen der Canalgegner, dann Ver-<lb/> cherung des Vertrauens in die Beſſerung der Uebrigen<lb/> — das iſt deutlich genug. Ob auch wirkſam genug?</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Die Reiſe des Kaiſers.</hi> </head> <p>Heute, Montag, trifft<lb/> der Kaiſer in Neufahrwaſſer ein und fährt nach Marien-<lb/> burg. Mit der Kaiſerin wird er in Dirſchau zuſammen-<lb/> treffen. In Marienburg wird das Kaiſerpaar der<lb/> Marienburg einen kurzen Beſuch abſtatten. Danach<lb/> reiſt das Kaiſerpaar nach Trakehnen, von wo die<lb/> Wagenfahrt nach dem Jagdſchloß <hi rendition="#g">Rominten</hi> be-<lb/> ginnt. Die Reiſe von Rominten nach <hi rendition="#g">Cadinen</hi> geht<lb/> über Elbing.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Die junge Königin von Holland</hi> </head> <p>wird mit<lb/> ihrer Mutter am 7. October, in <hi rendition="#g">Potsdam</hi> ein-<lb/> treffen und dort bis zum 11. October bleiben. Die<lb/> Taufe im Hauſe des Erbprinzen von Wied iſt auf<lb/> Sonntag, 8. October, angeſetzt. Urſprünglich waren die<lb/> Taufe und der damit verbundene Königinnen-Beſuch<lb/> für früher geplant; ſie wurden aber auf perſönlichen<lb/> Wunſch des Kaiſers <hi rendition="#g">verſchoben.</hi> </p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Graf Pückler</hi> </head> <p>iſt unſern Leſern als derjenige<lb/> bekannt, welcher die berühmte antiſemitiſche Rede ge-<lb/> halten hat, derentwegen er auf die Agitation der Juden<lb/> hin der <hi rendition="#g">Aufreizung</hi> verſchiedener Bevölkerungs-<lb/> claſſen zu Gewaltthätigkeiten gegen einander angeklagt,<lb/> aber durch Urtheil des Landesgerichtes Glogau vom<lb/> 12. Mai <hi rendition="#g">freigeſprochen</hi> worden war. Gegen<lb/> dies Urtheil hatte der Staatsanwalt <hi rendition="#g">Reviſion</hi> ein-<lb/> gelegt. Vor dem Reichsgerichte aber beantragte nun der<lb/> Reichsanwalt ſelbſt die <hi rendition="#g">Verwerfung der Re-<lb/> viſion,</hi> da der Mangel des Bewußtſeins der Rechts-<lb/> widrigkeit in ausreichender Weiſe von dem Landgericht<lb/> feſtgeſtellt worden ſei. Die Judenheit hat Pech in der<lb/> letzten Zeit: Dreyfus verurtheilt, Hülsner verurtheilt,<lb/> Hülsner’s Complicen entdeckt, Banquier Arendt in<lb/> Berlin verhaftet und — Graf Pückler, der Antiſemit,<lb/> abermals freigeſprochen! Das iſt etwas viel auf<lb/> einmal!</p> </div> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Großbritannien.</hi> </head><lb/> <head> <hi rendition="#b">Die Transvaalkriſe.</hi> </head> <p>Die Friedensausſichten<lb/> ſollen ſich wieder verbeſſert haben, da angeblich Königin<lb/> Victoria und Lord Salisbury die Erhaltung des<lb/> Friedens wünſchen. Maßgebend für die Friedensliebe<lb/> der leitenden englichen Kreiſe iſt u A. auch der Um-<lb/> ſtand, daß die engliſchen Rüſtungen noch zu wenig<lb/> vorgeſchritten ſind, und daß der Oranjefreiſtaat mit<lb/> der Unterſtützung Transvaals Ernſt macht. Es wird<lb/> von einer Seite berechnet, daß dieſe beiden Staaten<lb/> zuſammen mindeſtens 50.000 Mann ins Feld ſtellen<lb/> können, während England unter Heranziehung aller<lb/> verfügbaren Truppen höchſtens 40.000 Mann, worunter<lb/> die ganz unverläßlichen auſtraliſchen Freiwilligen-<lb/> Truppen, im Kampfe gegen die Boeren aufzubringen<lb/> vermag. Transvaal kann von ſeinen 330.000 Ein-<lb/> wohnern mit Ausbruch des Krieges wohl unge-<lb/> fähr 30.000 kriegsbrauchbare Soldaten ſtellen.<lb/> Im Nothfalle können ſämmtliche Bürger vom 18. bis<lb/> zum 60. Lebensjahre aufgeboten werden, die mit<lb/> Pferd, Gewehr, Munition und Proviant auf acht<lb/> Tage, ſtets kriegsbereit ſein müſſen. Der mächtigſte<lb/> Alliirte der Boeren, der Oranje-Freiſtaat, hat ungefähr<lb/> 17.000 Krieger zur Unterſtützung ſeines Bundesgenoſſen<lb/> abzugeben, Auch er kann nach ſeinen Geſetzen, unter<lb/> gleichen Bedingungen, wie die Nachbarrepublik, alle<lb/> Bürger vom 18. bis zum 60. Lebensjahr zu den<lb/> Fahnen einberufen. Wenn nicht Alles täuſcht, werden<lb/> auch die Aſrikander, Betſchuanen und Baſutos auf die<lb/> Seite der Boeren treten, ſo daß England Gefahr läuft,<lb/> im Falle eines Mißerfolges nicht nur Transvaal,<lb/> ſondern das ganze Gebiet der ſüdafrikaniſchen Frei-<lb/> ſtaaten für immer aus ſeiner Machtſphäre zu ver-<lb/> lieren. Englands Regierung hat alſo allen Grund,<lb/> vorſichtig zu ſein, friedliebend zu erſcheinen und ſich<lb/> von Straßendemonſtrationen in der Art der geſtern in<lb/> London abgehaltenen nicht beeinfluſſen zu laſſen.</p><lb/> <p>Nicht weniger mitbeſtimmend für die ſchwankende,<lb/> nach den neueſten Nachrichten ſogar friedensfreundliche<lb/> Haltung in London iſt wohl auch die Rückſicht<lb/> auf Rußland, dem es nur erwünſcht ſein kann, wenn<lb/> England außerhalb Europa und Aſien durch kriege-<lb/><cb/> riſche Unternehmungen feſtgehalten wird. Wie man in<lb/> St. Petersburg über den engliſchen Vorſtoß in Südafrika<lb/> denkt, geht aus den Ausführungen der „Nowje Wremje“<lb/> hervor, die mit Bezug auf den Artikel der „National-<lb/> Zeitung“ über die Transvaalfrage ſchreibt: „Eine<lb/> Garantie dafür leiſten, daß keine continentale Groß-<lb/> macht die Geneigtheit zeigt, England in den Arm zu fallen,<lb/> könne das halbofficiöſe deutſche Blatt nur hinſichtlich Deutſch-<lb/> lands. Daraus, daß in anderen großen politiſchen<lb/> Centren Europas zur Zeit keine Abſicht beſteht, ſich in<lb/> den engliſch-transvaal’ſchen Conflict zu mengen, folge<lb/> durchaus nicht, daß ein ſolches Verhalten überall auch<lb/> dann herrſchen werde, wenn die Vernichtung der Unab-<lb/> hängigkeit Transvaal’s ganz Oſtafrika vom Cap der<lb/> guten Hoffnung bis Kairo in eine große britiſche<lb/> Colonie verwandelt, die im Norden an den Suez-<lb/> Canal grenzt.“</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Serbien.</hi> </head><lb/> <head> <hi rendition="#b">Der Attentatsproceß</hi> </head> <p>Der Angeklagte <hi rendition="#g">Kne-<lb/> zevic,</hi> der jüngſt erklärt hatte, das Attentat ohne<lb/> jede Anſtiftung verübt zu haben, theilt nach einer<lb/> ſerbiſchen Quelle mit, er habe dieſe Ausſage über<lb/> Drängen des mit der Ueberwachung des Gefängniſſes<lb/> betrauten Gendarmerie-Capitäns Georgevic gemacht.<lb/> Georgevic habe ihm ein Stilet gegeben und ihn auf-<lb/> gefordert, den Oberſten <hi rendition="#g">Nikolic,</hi> ſowie die anderen<lb/> Anſtifter für unſchuldig zu erklären und ſich ſelbſt zu<lb/> tödten, da er ja doch zum Tode verurtheilt werden<lb/> würde. Knezevic übergab den Behörden das Stilet,<lb/> welches er ſeit einigen Tagen im Aermelfutter verſteckt<lb/> hatte. So ſieht die Wahrheitsliebe der Milan’ſchen<lb/> Kronzeugen aus. Gendarmerie-Capitän <hi rendition="#g">Georgevic</hi><lb/> wurde verhaftet und wird vor Gericht geſtellt werden.<lb/> Inzwiſchen wurde feſtgeſtellt, daß Georgevic dem Kne-<lb/> zevic kein Stilet, ſondern einen Nagel gegeben habe.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Auſtralien.</hi> </head><lb/> <head> <hi rendition="#b">Auf Samoa</hi> </head> <p>ſcheinen ſich die Zuſtände nach der<lb/> Abreiſe der Specialcommiſſion verſchlechtert zu haben.<lb/> Einem Berichte der „Kölniſchen Zeitung“ zu Folge<lb/> wirkt die Ungewißheit der Eingeborenen über das<lb/> künftige Schickſal des Landes ſehr ermuthigend auf<lb/> die unbotmäßigen Elemente der Bevölkerung, die ſich<lb/> vor einer unmittelbaren Beſtrafung für die Dauer<lb/> des jetzigen Proviſoriums ſicher fühlen. Behufs Ver-<lb/> hütung von neuen Feindſeligkeiten müßten die Re-<lb/> gierungen raſch handeln. Tamaſeſe beſitzt nämlich<lb/> noch immer eine eigene Regierung in der Municipali-<lb/> tät. Das Volk faßte den Beſuch der Conſuln bei<lb/> ſeiner kürzlich erfolgten Hochzeit als Anerkennung<lb/> ſeines Königthums auf und ſingt Spottlieder auf die<lb/> Commiſſion, ſowie auf Deutſchland.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jLocal" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Gemeindezeitung.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Der Gemeinderath</hi> </head> <p>hält in der laufenden Woche<lb/> am Freitag, 5 Uhr Nachmittags, eine Plenarſitzung ab.<lb/><hi rendition="#g">Stadtrathsſitzungen</hi> finden Mittwoch,<lb/> Donnerſtag und Freitag, 10 Uhr Vormittags, ſtatt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Wahlen.</hi> </head> <p>In der Freitagſitzung des Gemeinde-<lb/> rathes wurden folgende Wahlen vorgenommen: In die<lb/> Commiſſion zur Durchführung des Baues einer zweiten<lb/> Hochquellenleitung und der Bauten für die Ergänzung<lb/> der Kaiſer Franz Joſephs-Hochquellenleitung die Ge-<lb/> meinderäthe Bündsdorf, Joſef Grünbeck und Doctor<lb/> Porzer als Mitglieder, Hütter und Schwarzmayer als<lb/> Erſatzmänner; als Mitglied in den Bezirksſchulrath<lb/> der Stadt Wien E. Hladik, Director der Eiswerke der<lb/> vereinigten Approviſionirungsgewerbe.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Das Bürgerrecht der Stadt Wien</hi> </head> <p>wurde<lb/> verliehen den Herren: Wenzel Synek, Schuhmacher;<lb/> Thomas Schipp, Schneider; Gottlieb Joſef Hentſchel,<lb/> Kupferſchmied; Joſef Fiſcher, Holz- und Kohlenver-<lb/> ſchleißer; Leopold Ponbauer, Marktvictualienhändler;<lb/> Wolfgang Schikhofer, Friſeur; Anton Koller, Michael<lb/> Andreas Herberth, Holz- und Kohlenhändler, Fr. Riha,<lb/> Schneider.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jVarious" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Tagesbericht.</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#g">Wien,</hi> 23. September.</dateline><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Kalender für Dienſtag, den 26. September.</hi> </head><lb/> <p><hi rendition="#g">Katholiken:</hi> Cyprian. — <hi rendition="#g">Griechen</hi> (14. Sept.):<lb/> † Erhöh. — Sonnenaufgang 5 Uhr 53 Minuten Morgens.<lb/> — Sonnenuntergang 5 Uhr 49 Minuten Abends. —<lb/> Mondesaufgang 10 Uhr 19 Minuten Abends. — Mondes-<lb/> untergang 1 Uhr 39 Minuten Morgens.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Hof- und Perſonalnachrichten.</hi> </head> <p>Der Kaiſer hat<lb/> geſtern Vormittags in Schönbrunn den Oberlieutenant<lb/> Albrecht Prinzen zu <hi rendition="#g">Schaumburg-Lippe</hi> in be-<lb/> ſonderer Audienz empfangen. — Erzherzogin <hi rendition="#g">Maria<lb/> Thereſia</hi> und deren Tochter Erzherzogin <hi rendition="#g">Mathilde</hi><lb/> ſind geſtern Abends aus Baden hier eingetroffen. — Erz-<lb/> herzog <hi rendition="#g">Friedrich</hi> iſt von hier nach Mohacs abgereiſt.<lb/> — Der königlich ungariſche Miniſterpräſident Kolomann<lb/> v. <hi rendition="#g">Szell</hi> iſt Sonntag Abends in Begleitung des Mini-<lb/> ſterialſecretärs Hazay aus Budapeſt hier eingetroffen. —<lb/> Der großbritaniſche Botſchafter Sir Horace <hi rendition="#g">Rumbold</hi><lb/> iſt nach Titis abgereiſt. — Statthalter Graf <hi rendition="#g">Go<hi rendition="#aq">ë</hi>ß</hi> hat<lb/> ſich von hier nach Krakau und der Landespräſident in<lb/> Schleſien Joſef Graf <hi rendition="#g">Thun</hi> nach Troppau begeben. —<lb/> Kronprinzeſſin-Witwe Erzherzogin <hi rendition="#g">Stephanie</hi> iſt zum<lb/> Beſuche auf Jagdſchloß Wolfsgarten bei <hi rendition="#g">Darmſtadt</hi><lb/> eingetroffen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Auszeichnungen und Ernennungen.</hi> </head> <p>Der Kaiſer<lb/> hat dem königlichen ungariſchen Juſtizminiſter Alexander<lb/><cb/> <hi rendition="#g">Plosz</hi> und dem königl. ungariſchen Handelsminiſter<lb/> Alexander v. <hi rendition="#g">Hegedüs</hi> die Würde eines Geheimen<lb/> Rathes, dem Generalmajor und Vorſtande der zweiten Ab-<lb/> theilung des Reichs-Kriegsminiſteriums Victor <hi rendition="#g">Caniſius</hi><lb/> den Adelſtand und dem geweſenen Notar in Linz Alois<lb/><hi rendition="#g">Horzeyſchy</hi> das Ritterkreuz des Franz Joſeph-Ordens<lb/> verliehen; ferner den Landesgerichtsrath in Iglau Vincenz<lb/><hi rendition="#g">Putna</hi> zum Kreisgerichts-Präſidenten in Ungariſch-Hradiſch<lb/> ernannt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Fürſt Ferdinand von Bulgarien</hi> </head> <p>trifft<lb/> morgen, Dienſtag, aus Tatra-Füred in Wien ein und<lb/> wird im <hi rendition="#g">Auftrage</hi> des Kaiſers auf dem Staats-<lb/> bahnhofe <hi rendition="#g">officiell</hi> empfangen werden. Der<lb/> Fürſt nimmt in der Hofburg Abſteigequartier und<lb/> ihm zu Ehren findet Nachmittags in Schönbrunn eine<lb/> allerhöchſte Tafel ſtatt. Am 27. reiſt der Fürſt<lb/> wieder ab.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Herrenhausmitglied Graf Friedrich<lb/> Carl Kinsky geſtorben.</hi> </head> <p>In <hi rendition="#g">Adlerkoſteletz</hi><lb/> iſt Graf Friedrich Carl <hi rendition="#g">Kinsky,</hi> Herrenhausmit-<lb/> glied, geheimer Rath und Kämmerer, Gutsbeſitzer ꝛc.<lb/> im Alter von 66 Jahren geſtorben.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Unentgeltlicher Stenographie-Curs.</hi> </head> <p>Der Central-<lb/> verein für „Vereinfachte Stenographie-Curs“ eröffnet au-<lb/> fangs October in allen 19 Bezirken unentgeltliche Anfänger-<lb/> Curſe in der „Vereinfachten Stenographie“. Die Theilnemer<lb/> werden von geprüften Lehrkräften in 12 Lectionen zu Ge-<lb/> ſchäfts-Stenographen ausgebildet und erhalten nach Ab-<lb/> legung der Schlußprüfung Zeugniß und koſtenloſen Stellen-<lb/> nachweis. Als Anmeldung genügt eine Correspondenzkarte<lb/> an den Centralverein für „Vereinfachte Stenographie“ in<lb/> Wien. 7., Neuſtiftgaſſe 3.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Traubenausſtellung in Wien.</hi> </head> <p>Der „Verein zum<lb/> Schutze des öſterreichiſchen Weinbaues“ veranſtaltet vom<lb/> 25. September ab in der Markthalle 1. Bezirk. Zedlitzgaſſe<lb/> eine große Traubenausſtellung. In den Producentenkreiſen<lb/> ſowie bei den zur Vertretung der Intereſſen des Weinbaues<lb/> berufenen Factoren findet dieſe gemeinnützige Veranſtaltung<lb/> großen Anklang und es iſt ihr auch vom Standpuncte der<lb/> Approviſionirung Wiens nur beſter Erfolg zu wünſchen.<lb/> Nähere Auskünfte werden unter der Adreſſe: Trauben-<lb/> ausſtellung. Wien, 1. Bezirk, Markthalle, Zedlitzgaſſe ertheilt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Unfall auf dem Hermannskogel.</hi> </head> <p>Der<lb/> 16jährige Arbeiter Guſtav <hi rendition="#g">Petzel</hi> machte geſtern eine<lb/> Partie auf den Hermannskogel und wollte ſchon nach<lb/> Einbruch der Finſterniß nach Hauſe, Ungargaſſe 59,<lb/> zurückkehren. Er verfehlte den Weg und ſtürzte über<lb/> eine abſchüſſige Stelle einige Meter tief herab. Der<lb/> junge Mann erlitt eine Gehirnerſchütterung und mehr-<lb/> fache Rißwunden. Petzel wurde bald aufgefunden, auf<lb/> die nahegelegene Finanzwach-Expoſitur gebracht und<lb/> ſodann in das Allgemeine Krankenhaus transportirt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Ein roher Gatte.</hi> </head> <p>Geſtern Mittags verlangte<lb/> der Eiſengießersarbeiter <hi rendition="#g">Kubiſek,</hi> Einſiedlerplatz<lb/> Nr. 4 wohnhaft, von ſeiner Gattin, der 42jährigen<lb/> Magdalena <hi rendition="#g">Kubiſek,</hi> Geld auf Schnaps. Dieſe<lb/> verweigerte ihm dasſelbe, worauf Kubiſek in ſolche<lb/> Wuth gerieth, daß er einen Holzſchlägel und ein Glas<lb/> eegriff und mit dieſen auf ſeine Gattin loshieb. Die<lb/> arme Frau erlitt zahlreiche Hieb- und Schnittwunden<lb/> am Kopfe und im Geſichte und wurde in das Wiedener<lb/> Spital gebracht.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Die Jubiläumswarte in Ottakring,</hi> </head> <p>die am<lb/> 6. Juli l. J. Bürgermeiſter Dr. <hi rendition="#g">Lueger</hi> eröffnete,<lb/> wurde ſeither von mehr als 25.000 Perſonen beſucht, und<lb/> iſt dieſe von Tag zu Tag ſteigende Frequenz nicht nur dem<lb/> bequemen Zugange, ſondern wahrſcheinlich auch dem Um-<lb/> ſtande zuzuſchreiben, daß den Touriſten die Ausflüge per<lb/> Bahn in Folge des Hochwaſſers in den letzten Tagen unmöglich<lb/> und, wie von allen Touriſtenvereinen gemeldet wird, die<lb/> Berge in Steiermark wegen des hohen Schnees unzugänglich<lb/> ſind. Unter den Beſuchern der Warte ſind beſonders zu<lb/> verzeichnen: Der erſte Oberſthofmeiſter Sr. Majeſtät Prinz<lb/> Rudolf <hi rendition="#g">Liechtenſtein,</hi> der Polizeipräſident Johann<lb/><hi rendition="#g">Habrda</hi> mit dem Central-Inſpector Rudolf <hi rendition="#g">Götz,</hi><lb/> Eduard <hi rendition="#g">Strauß,</hi> Schauſpieler <hi rendition="#g">Fröden</hi> und zahl-<lb/> reiche hohe Officiere. Die Ausſicht, die dieſe auf Wiener<lb/> Gemeindegebiete noch liegende Warte bietet, iſt jetzt doppelt<lb/> ſchön, da der die Warte umgebende Wald in herbſtlichen<lb/> Farben ſich zeigt und die klare Luft den Blick weit über<lb/> das Häuſermeer und deren Thürme bis zum Schneeberg an<lb/> die Rax und die Schneealpe, zum Hocheck, dem Unterberg<lb/> und zur Göllergruppe, zu den Lilienfelder-Alpen und dem<lb/> Oetſcher geſtattet. Der Verein hat unter Leitung des rührigen<lb/> Obmannes Alexander Ritter v. <hi rendition="#g">Dornfeld</hi> beſchloſſen,<lb/> die Orientirung den Beſuchern weſentlich dadurch zu er-<lb/> leichtern, daß die ſchwarzgelbe Markirung von der Tram-<lb/> way-Halteſtelle Ende Ottakring angefangen wird.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Eine unbefugte Sammlerin.</hi> </head> <p>Die 27jährige<lb/> Kleidernäherin Marie <hi rendition="#g">Kolleck,</hi> Landſtraße, Gürtel<lb/> Nr. 29 wohnhaft, wurde Samſtag am Neubau ver-<lb/> haftet und dem Landesgerichte eingeliefert. Sie hat<lb/> im Vorjahre unbefugt für den Kirchenbauverein<lb/> St. Philomena in Favoriten und heuer für den<lb/> Caniſius-Kirchenbauverein bei verſchiedenen Perſonen,<lb/> insbeſondere bei geiſtlichen Herrn Spenden in bisher<lb/> feſtgeſtellter Höhe von 260 fl. eingehoben und das Geld<lb/> für ſich verwendet.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Verhaftete Diebsgeſellſchaft.</hi> </head> <p>In der Leder-<lb/> waarenfabrik des Franz <hi rendition="#g">Zeller,</hi> Joſefſtadt, Tigergaſſe<lb/> Nr. 4, wurden ſeit längerer Zeit Abgänge von fertigen<lb/> Waaren und Rohmaterial in einem bisher feſtgeſtellten<lb/> Werthe von mehr als 300 fl. conſtatirt. Das Polizei-<lb/> commiſſariat Joſefſtadt hat Samſtag fünf Diebe verhaftet,<lb/> und zwar die in der Fabrik beſchäftigten Ledergalanter<supplied>i</supplied>e-<lb/> waarenarbeiter den Lehrling Carl <hi rendition="#g">Korejci,</hi> 16 Jahre<lb/> alt, Joſef <hi rendition="#g">Mahrhofer,</hi> 24 Jahie alt, und Carl<lb/><hi rendition="#g">Winter,</hi> 17 Jahre alt, dann Winter’s Geliebte die<lb/> Handarbeiterin Marie <hi rendition="#g">Heckmann</hi> und die Hand-<lb/> arbeiterin Marie <hi rendition="#g">Janecka.</hi> Alle wurden dem Landes-<lb/> gerichte eingeliefert.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Ein geriſſener Zug.</hi> </head> <p>Als Samſtag Nachts<lb/> der Perſonenzug der Staatseiſenbahn-Geſellſchaft die<lb/> Stadlauer Brücke erreicht hatte, riß zwiſchen dem dritten<lb/> und vierten Gepäckswagen die Kuppelung ab. Die<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [3/0003]
219 Wien, Dienſtag Reichspoſt 26. September 1899
Deutſches Reich.
Die Canalvorlage und die Conſervativen.
Es wird jetzt von der Regierung mit Hochdruck auf
die Conſervativen gewirkt, daß ſie ihren Widerſtand
gegen die Canalvorlage aufgeben. Ein officiöſe Kund-
gebung enthält Folgendes: „Die Staatsregierung hält
an ihrer Anſchauung unverändert feſt und gibt ſich der
Erwartung hin, daß die conſervative Partei den ſchwer-
wiegenden Gründen, welche für die Nothwendigkeit des
geplanten Canalbaues ſprechen, auf die Dauer ſich
nicht verſchließen wird. Zu ſolcher Erwartung hält
die Staatsregierung ſich umſomehr berechtigt, als die
gedeihliche Löſung anderer, für den Oſten der Mon-
archie wichtiger waſſerwirthſchaftlicher Probleme mit
der Ausführung des Rhein—Elbe-Canals zuſammen-
hängt. Daß die gegenwärtig noch beſtehenden Meinungs-
verſchiedenheiten in der Canalfrage ein Zuſammengehen
der conſervativen Partei mit der Regierung in anderen
geſetzgeberiſchen Fragen nicht hindern können, verſteht
ſich von ſelbſt. Die Schlußworte der „Conſervativen
Correſpondenz“, in welcher Namens der conſervativen
Partei der Treue und Ergebenheit gegenüber der
Krone und der Bereitwilligkeit zu einem ſolchen Zu-
ſammengehen Ausdruck gegeben wird, entſprechen durch-
aus der Erwartung der Staatsregierung hinſichtlich
des künftigen Verhaltens der conſervativen Partei.“
Erſt Maßregelungen der Canalgegner, dann Ver-
cherung des Vertrauens in die Beſſerung der Uebrigen
— das iſt deutlich genug. Ob auch wirkſam genug?
Die Reiſe des Kaiſers. Heute, Montag, trifft
der Kaiſer in Neufahrwaſſer ein und fährt nach Marien-
burg. Mit der Kaiſerin wird er in Dirſchau zuſammen-
treffen. In Marienburg wird das Kaiſerpaar der
Marienburg einen kurzen Beſuch abſtatten. Danach
reiſt das Kaiſerpaar nach Trakehnen, von wo die
Wagenfahrt nach dem Jagdſchloß Rominten be-
ginnt. Die Reiſe von Rominten nach Cadinen geht
über Elbing.
Die junge Königin von Holland wird mit
ihrer Mutter am 7. October, in Potsdam ein-
treffen und dort bis zum 11. October bleiben. Die
Taufe im Hauſe des Erbprinzen von Wied iſt auf
Sonntag, 8. October, angeſetzt. Urſprünglich waren die
Taufe und der damit verbundene Königinnen-Beſuch
für früher geplant; ſie wurden aber auf perſönlichen
Wunſch des Kaiſers verſchoben.
Graf Pückler iſt unſern Leſern als derjenige
bekannt, welcher die berühmte antiſemitiſche Rede ge-
halten hat, derentwegen er auf die Agitation der Juden
hin der Aufreizung verſchiedener Bevölkerungs-
claſſen zu Gewaltthätigkeiten gegen einander angeklagt,
aber durch Urtheil des Landesgerichtes Glogau vom
12. Mai freigeſprochen worden war. Gegen
dies Urtheil hatte der Staatsanwalt Reviſion ein-
gelegt. Vor dem Reichsgerichte aber beantragte nun der
Reichsanwalt ſelbſt die Verwerfung der Re-
viſion, da der Mangel des Bewußtſeins der Rechts-
widrigkeit in ausreichender Weiſe von dem Landgericht
feſtgeſtellt worden ſei. Die Judenheit hat Pech in der
letzten Zeit: Dreyfus verurtheilt, Hülsner verurtheilt,
Hülsner’s Complicen entdeckt, Banquier Arendt in
Berlin verhaftet und — Graf Pückler, der Antiſemit,
abermals freigeſprochen! Das iſt etwas viel auf
einmal!
Großbritannien.
Die Transvaalkriſe. Die Friedensausſichten
ſollen ſich wieder verbeſſert haben, da angeblich Königin
Victoria und Lord Salisbury die Erhaltung des
Friedens wünſchen. Maßgebend für die Friedensliebe
der leitenden englichen Kreiſe iſt u A. auch der Um-
ſtand, daß die engliſchen Rüſtungen noch zu wenig
vorgeſchritten ſind, und daß der Oranjefreiſtaat mit
der Unterſtützung Transvaals Ernſt macht. Es wird
von einer Seite berechnet, daß dieſe beiden Staaten
zuſammen mindeſtens 50.000 Mann ins Feld ſtellen
können, während England unter Heranziehung aller
verfügbaren Truppen höchſtens 40.000 Mann, worunter
die ganz unverläßlichen auſtraliſchen Freiwilligen-
Truppen, im Kampfe gegen die Boeren aufzubringen
vermag. Transvaal kann von ſeinen 330.000 Ein-
wohnern mit Ausbruch des Krieges wohl unge-
fähr 30.000 kriegsbrauchbare Soldaten ſtellen.
Im Nothfalle können ſämmtliche Bürger vom 18. bis
zum 60. Lebensjahre aufgeboten werden, die mit
Pferd, Gewehr, Munition und Proviant auf acht
Tage, ſtets kriegsbereit ſein müſſen. Der mächtigſte
Alliirte der Boeren, der Oranje-Freiſtaat, hat ungefähr
17.000 Krieger zur Unterſtützung ſeines Bundesgenoſſen
abzugeben, Auch er kann nach ſeinen Geſetzen, unter
gleichen Bedingungen, wie die Nachbarrepublik, alle
Bürger vom 18. bis zum 60. Lebensjahr zu den
Fahnen einberufen. Wenn nicht Alles täuſcht, werden
auch die Aſrikander, Betſchuanen und Baſutos auf die
Seite der Boeren treten, ſo daß England Gefahr läuft,
im Falle eines Mißerfolges nicht nur Transvaal,
ſondern das ganze Gebiet der ſüdafrikaniſchen Frei-
ſtaaten für immer aus ſeiner Machtſphäre zu ver-
lieren. Englands Regierung hat alſo allen Grund,
vorſichtig zu ſein, friedliebend zu erſcheinen und ſich
von Straßendemonſtrationen in der Art der geſtern in
London abgehaltenen nicht beeinfluſſen zu laſſen.
Nicht weniger mitbeſtimmend für die ſchwankende,
nach den neueſten Nachrichten ſogar friedensfreundliche
Haltung in London iſt wohl auch die Rückſicht
auf Rußland, dem es nur erwünſcht ſein kann, wenn
England außerhalb Europa und Aſien durch kriege-
riſche Unternehmungen feſtgehalten wird. Wie man in
St. Petersburg über den engliſchen Vorſtoß in Südafrika
denkt, geht aus den Ausführungen der „Nowje Wremje“
hervor, die mit Bezug auf den Artikel der „National-
Zeitung“ über die Transvaalfrage ſchreibt: „Eine
Garantie dafür leiſten, daß keine continentale Groß-
macht die Geneigtheit zeigt, England in den Arm zu fallen,
könne das halbofficiöſe deutſche Blatt nur hinſichtlich Deutſch-
lands. Daraus, daß in anderen großen politiſchen
Centren Europas zur Zeit keine Abſicht beſteht, ſich in
den engliſch-transvaal’ſchen Conflict zu mengen, folge
durchaus nicht, daß ein ſolches Verhalten überall auch
dann herrſchen werde, wenn die Vernichtung der Unab-
hängigkeit Transvaal’s ganz Oſtafrika vom Cap der
guten Hoffnung bis Kairo in eine große britiſche
Colonie verwandelt, die im Norden an den Suez-
Canal grenzt.“
Serbien.
Der Attentatsproceß Der Angeklagte Kne-
zevic, der jüngſt erklärt hatte, das Attentat ohne
jede Anſtiftung verübt zu haben, theilt nach einer
ſerbiſchen Quelle mit, er habe dieſe Ausſage über
Drängen des mit der Ueberwachung des Gefängniſſes
betrauten Gendarmerie-Capitäns Georgevic gemacht.
Georgevic habe ihm ein Stilet gegeben und ihn auf-
gefordert, den Oberſten Nikolic, ſowie die anderen
Anſtifter für unſchuldig zu erklären und ſich ſelbſt zu
tödten, da er ja doch zum Tode verurtheilt werden
würde. Knezevic übergab den Behörden das Stilet,
welches er ſeit einigen Tagen im Aermelfutter verſteckt
hatte. So ſieht die Wahrheitsliebe der Milan’ſchen
Kronzeugen aus. Gendarmerie-Capitän Georgevic
wurde verhaftet und wird vor Gericht geſtellt werden.
Inzwiſchen wurde feſtgeſtellt, daß Georgevic dem Kne-
zevic kein Stilet, ſondern einen Nagel gegeben habe.
Auſtralien.
Auf Samoa ſcheinen ſich die Zuſtände nach der
Abreiſe der Specialcommiſſion verſchlechtert zu haben.
Einem Berichte der „Kölniſchen Zeitung“ zu Folge
wirkt die Ungewißheit der Eingeborenen über das
künftige Schickſal des Landes ſehr ermuthigend auf
die unbotmäßigen Elemente der Bevölkerung, die ſich
vor einer unmittelbaren Beſtrafung für die Dauer
des jetzigen Proviſoriums ſicher fühlen. Behufs Ver-
hütung von neuen Feindſeligkeiten müßten die Re-
gierungen raſch handeln. Tamaſeſe beſitzt nämlich
noch immer eine eigene Regierung in der Municipali-
tät. Das Volk faßte den Beſuch der Conſuln bei
ſeiner kürzlich erfolgten Hochzeit als Anerkennung
ſeines Königthums auf und ſingt Spottlieder auf die
Commiſſion, ſowie auf Deutſchland.
Gemeindezeitung.
Der Gemeinderath hält in der laufenden Woche
am Freitag, 5 Uhr Nachmittags, eine Plenarſitzung ab.
Stadtrathsſitzungen finden Mittwoch,
Donnerſtag und Freitag, 10 Uhr Vormittags, ſtatt.
Wahlen. In der Freitagſitzung des Gemeinde-
rathes wurden folgende Wahlen vorgenommen: In die
Commiſſion zur Durchführung des Baues einer zweiten
Hochquellenleitung und der Bauten für die Ergänzung
der Kaiſer Franz Joſephs-Hochquellenleitung die Ge-
meinderäthe Bündsdorf, Joſef Grünbeck und Doctor
Porzer als Mitglieder, Hütter und Schwarzmayer als
Erſatzmänner; als Mitglied in den Bezirksſchulrath
der Stadt Wien E. Hladik, Director der Eiswerke der
vereinigten Approviſionirungsgewerbe.
Das Bürgerrecht der Stadt Wien wurde
verliehen den Herren: Wenzel Synek, Schuhmacher;
Thomas Schipp, Schneider; Gottlieb Joſef Hentſchel,
Kupferſchmied; Joſef Fiſcher, Holz- und Kohlenver-
ſchleißer; Leopold Ponbauer, Marktvictualienhändler;
Wolfgang Schikhofer, Friſeur; Anton Koller, Michael
Andreas Herberth, Holz- und Kohlenhändler, Fr. Riha,
Schneider.
Tagesbericht.
Wien, 23. September.
* Kalender für Dienſtag, den 26. September.
Katholiken: Cyprian. — Griechen (14. Sept.):
† Erhöh. — Sonnenaufgang 5 Uhr 53 Minuten Morgens.
— Sonnenuntergang 5 Uhr 49 Minuten Abends. —
Mondesaufgang 10 Uhr 19 Minuten Abends. — Mondes-
untergang 1 Uhr 39 Minuten Morgens.
* Hof- und Perſonalnachrichten. Der Kaiſer hat
geſtern Vormittags in Schönbrunn den Oberlieutenant
Albrecht Prinzen zu Schaumburg-Lippe in be-
ſonderer Audienz empfangen. — Erzherzogin Maria
Thereſia und deren Tochter Erzherzogin Mathilde
ſind geſtern Abends aus Baden hier eingetroffen. — Erz-
herzog Friedrich iſt von hier nach Mohacs abgereiſt.
— Der königlich ungariſche Miniſterpräſident Kolomann
v. Szell iſt Sonntag Abends in Begleitung des Mini-
ſterialſecretärs Hazay aus Budapeſt hier eingetroffen. —
Der großbritaniſche Botſchafter Sir Horace Rumbold
iſt nach Titis abgereiſt. — Statthalter Graf Goëß hat
ſich von hier nach Krakau und der Landespräſident in
Schleſien Joſef Graf Thun nach Troppau begeben. —
Kronprinzeſſin-Witwe Erzherzogin Stephanie iſt zum
Beſuche auf Jagdſchloß Wolfsgarten bei Darmſtadt
eingetroffen.
* Auszeichnungen und Ernennungen. Der Kaiſer
hat dem königlichen ungariſchen Juſtizminiſter Alexander
Plosz und dem königl. ungariſchen Handelsminiſter
Alexander v. Hegedüs die Würde eines Geheimen
Rathes, dem Generalmajor und Vorſtande der zweiten Ab-
theilung des Reichs-Kriegsminiſteriums Victor Caniſius
den Adelſtand und dem geweſenen Notar in Linz Alois
Horzeyſchy das Ritterkreuz des Franz Joſeph-Ordens
verliehen; ferner den Landesgerichtsrath in Iglau Vincenz
Putna zum Kreisgerichts-Präſidenten in Ungariſch-Hradiſch
ernannt.
* Fürſt Ferdinand von Bulgarien trifft
morgen, Dienſtag, aus Tatra-Füred in Wien ein und
wird im Auftrage des Kaiſers auf dem Staats-
bahnhofe officiell empfangen werden. Der
Fürſt nimmt in der Hofburg Abſteigequartier und
ihm zu Ehren findet Nachmittags in Schönbrunn eine
allerhöchſte Tafel ſtatt. Am 27. reiſt der Fürſt
wieder ab.
* Herrenhausmitglied Graf Friedrich
Carl Kinsky geſtorben. In Adlerkoſteletz
iſt Graf Friedrich Carl Kinsky, Herrenhausmit-
glied, geheimer Rath und Kämmerer, Gutsbeſitzer ꝛc.
im Alter von 66 Jahren geſtorben.
* Unentgeltlicher Stenographie-Curs. Der Central-
verein für „Vereinfachte Stenographie-Curs“ eröffnet au-
fangs October in allen 19 Bezirken unentgeltliche Anfänger-
Curſe in der „Vereinfachten Stenographie“. Die Theilnemer
werden von geprüften Lehrkräften in 12 Lectionen zu Ge-
ſchäfts-Stenographen ausgebildet und erhalten nach Ab-
legung der Schlußprüfung Zeugniß und koſtenloſen Stellen-
nachweis. Als Anmeldung genügt eine Correspondenzkarte
an den Centralverein für „Vereinfachte Stenographie“ in
Wien. 7., Neuſtiftgaſſe 3.
* Traubenausſtellung in Wien. Der „Verein zum
Schutze des öſterreichiſchen Weinbaues“ veranſtaltet vom
25. September ab in der Markthalle 1. Bezirk. Zedlitzgaſſe
eine große Traubenausſtellung. In den Producentenkreiſen
ſowie bei den zur Vertretung der Intereſſen des Weinbaues
berufenen Factoren findet dieſe gemeinnützige Veranſtaltung
großen Anklang und es iſt ihr auch vom Standpuncte der
Approviſionirung Wiens nur beſter Erfolg zu wünſchen.
Nähere Auskünfte werden unter der Adreſſe: Trauben-
ausſtellung. Wien, 1. Bezirk, Markthalle, Zedlitzgaſſe ertheilt.
* Unfall auf dem Hermannskogel. Der
16jährige Arbeiter Guſtav Petzel machte geſtern eine
Partie auf den Hermannskogel und wollte ſchon nach
Einbruch der Finſterniß nach Hauſe, Ungargaſſe 59,
zurückkehren. Er verfehlte den Weg und ſtürzte über
eine abſchüſſige Stelle einige Meter tief herab. Der
junge Mann erlitt eine Gehirnerſchütterung und mehr-
fache Rißwunden. Petzel wurde bald aufgefunden, auf
die nahegelegene Finanzwach-Expoſitur gebracht und
ſodann in das Allgemeine Krankenhaus transportirt.
* Ein roher Gatte. Geſtern Mittags verlangte
der Eiſengießersarbeiter Kubiſek, Einſiedlerplatz
Nr. 4 wohnhaft, von ſeiner Gattin, der 42jährigen
Magdalena Kubiſek, Geld auf Schnaps. Dieſe
verweigerte ihm dasſelbe, worauf Kubiſek in ſolche
Wuth gerieth, daß er einen Holzſchlägel und ein Glas
eegriff und mit dieſen auf ſeine Gattin loshieb. Die
arme Frau erlitt zahlreiche Hieb- und Schnittwunden
am Kopfe und im Geſichte und wurde in das Wiedener
Spital gebracht.
* Die Jubiläumswarte in Ottakring, die am
6. Juli l. J. Bürgermeiſter Dr. Lueger eröffnete,
wurde ſeither von mehr als 25.000 Perſonen beſucht, und
iſt dieſe von Tag zu Tag ſteigende Frequenz nicht nur dem
bequemen Zugange, ſondern wahrſcheinlich auch dem Um-
ſtande zuzuſchreiben, daß den Touriſten die Ausflüge per
Bahn in Folge des Hochwaſſers in den letzten Tagen unmöglich
und, wie von allen Touriſtenvereinen gemeldet wird, die
Berge in Steiermark wegen des hohen Schnees unzugänglich
ſind. Unter den Beſuchern der Warte ſind beſonders zu
verzeichnen: Der erſte Oberſthofmeiſter Sr. Majeſtät Prinz
Rudolf Liechtenſtein, der Polizeipräſident Johann
Habrda mit dem Central-Inſpector Rudolf Götz,
Eduard Strauß, Schauſpieler Fröden und zahl-
reiche hohe Officiere. Die Ausſicht, die dieſe auf Wiener
Gemeindegebiete noch liegende Warte bietet, iſt jetzt doppelt
ſchön, da der die Warte umgebende Wald in herbſtlichen
Farben ſich zeigt und die klare Luft den Blick weit über
das Häuſermeer und deren Thürme bis zum Schneeberg an
die Rax und die Schneealpe, zum Hocheck, dem Unterberg
und zur Göllergruppe, zu den Lilienfelder-Alpen und dem
Oetſcher geſtattet. Der Verein hat unter Leitung des rührigen
Obmannes Alexander Ritter v. Dornfeld beſchloſſen,
die Orientirung den Beſuchern weſentlich dadurch zu er-
leichtern, daß die ſchwarzgelbe Markirung von der Tram-
way-Halteſtelle Ende Ottakring angefangen wird.
* Eine unbefugte Sammlerin. Die 27jährige
Kleidernäherin Marie Kolleck, Landſtraße, Gürtel
Nr. 29 wohnhaft, wurde Samſtag am Neubau ver-
haftet und dem Landesgerichte eingeliefert. Sie hat
im Vorjahre unbefugt für den Kirchenbauverein
St. Philomena in Favoriten und heuer für den
Caniſius-Kirchenbauverein bei verſchiedenen Perſonen,
insbeſondere bei geiſtlichen Herrn Spenden in bisher
feſtgeſtellter Höhe von 260 fl. eingehoben und das Geld
für ſich verwendet.
* Verhaftete Diebsgeſellſchaft. In der Leder-
waarenfabrik des Franz Zeller, Joſefſtadt, Tigergaſſe
Nr. 4, wurden ſeit längerer Zeit Abgänge von fertigen
Waaren und Rohmaterial in einem bisher feſtgeſtellten
Werthe von mehr als 300 fl. conſtatirt. Das Polizei-
commiſſariat Joſefſtadt hat Samſtag fünf Diebe verhaftet,
und zwar die in der Fabrik beſchäftigten Ledergalanterie-
waarenarbeiter den Lehrling Carl Korejci, 16 Jahre
alt, Joſef Mahrhofer, 24 Jahie alt, und Carl
Winter, 17 Jahre alt, dann Winter’s Geliebte die
Handarbeiterin Marie Heckmann und die Hand-
arbeiterin Marie Janecka. Alle wurden dem Landes-
gerichte eingeliefert.
* Ein geriſſener Zug. Als Samſtag Nachts
der Perſonenzug der Staatseiſenbahn-Geſellſchaft die
Stadlauer Brücke erreicht hatte, riß zwiſchen dem dritten
und vierten Gepäckswagen die Kuppelung ab. Die
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