Reichspost. Nr. 227, Wien, 05.10.1906.227 Wien, Freitag Reichspost 5. Oktober 1906 [Spaltenumbruch] * Begegnung König Georgs mit Kaiser Franz Josef. Nach hierhergelangten Mitteilungen * Landeseisenbahndirektor Fogowitz. Der * Franz Eichert. Am Donnerstag den * Wie ein deutscher Gelehrter in der Judenpresse behandelt wird. Aus Wiener * Gegen die Anarchisten. Ein Privat- * Böhmerles 5000. Baumkluppe. Am * Schmock. Der Leobener Korrespondent der * Danksagung des Deutschmeisterobersten. Der Oberst und Kommandant des Deutschmeister- * Aus dem Polizeiberichte. Der Lokomotiv- * Ein Ehepaar in Erstickungsgefahr. Auf * Ein neues Landes-Kinderheim. Am * Diebstähle bei den Militärverpflegs- magazinen in Pola. Der Polizei gelang es, eine * Ein Polygamieprozeß. Gegen Josef Smith * Ein Heiratsschwindler. Ein Mann, der * Eine neue Hochschule. Alles dürstet nach * Der Pädagoge Willmann. Der Wiener * Die Nachtarbeit der Frauen. Die "Wiener * Zum französisch-tschechischen Bündnis. In ihrem Bestreben, sich an die Franzosen anzu- * Kongreß für drahtlose Telegraphie. Man * Zwischen die Puffer geraten. Im ersten Wetter. Wetterprognose. Veränderlich, schwache Winde, Wetterbericht vom 4. Oktober. Tiefer Morgens 7 Uhr melden: Prag 12·6°, Krakau Aus dem Gebiete der k. k. österreichischen Niederösterreich. Gemeindewahlen. In 227 Wien, Freitag Reichspoſt 5. Oktober 1906 [Spaltenumbruch] * Begegnung König Georgs mit Kaiſer Franz Joſef. Nach hierhergelangten Mitteilungen * Landeseiſenbahndirektor Fogowitz. Der * Franz Eichert. Am Donnerstag den * Wie ein deutſcher Gelehrter in der Judenpreſſe behandelt wird. Aus Wiener * Gegen die Anarchiſten. Ein Privat- * Böhmerles 5000. Baumkluppe. Am * Schmock. Der Leobener Korreſpondent der * Dankſagung des Deutſchmeiſteroberſten. Der Oberſt und Kommandant des Deutſchmeiſter- * Aus dem Polizeiberichte. Der Lokomotiv- * Ein Ehepaar in Erſtickungsgefahr. Auf * Ein neues Landes-Kinderheim. Am * Diebſtähle bei den Militärverpflegs- magazinen in Pola. Der Polizei gelang es, eine * Ein Polygamieprozeß. Gegen Joſef Smith * Ein Heiratsſchwindler. Ein Mann, der * Eine neue Hochſchule. Alles dürſtet nach * Der Pädagoge Willmann. Der Wiener * Die Nachtarbeit der Frauen. Die „Wiener * Zum franzöſiſch-tſchechiſchen Bündnis. In ihrem Beſtreben, ſich an die Franzoſen anzu- * Kongreß für drahtloſe Telegraphie. Man * Zwiſchen die Puffer geraten. Im erſten Wetter. Wetterprognoſe. Veränderlich, ſchwache Winde, Wetterbericht vom 4. Oktober. Tiefer Morgens 7 Uhr melden: Prag 12·6°, Krakau Aus dem Gebiete der k. k. öſterreichiſchen Niederöſterreich. Gemeindewahlen. In <TEI> <text> <body> <div type="jVarious" n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <pb facs="#f0003" n="3"/> <fw place="top" type="header">227 Wien, Freitag Reichspoſt 5. Oktober 1906</fw><lb/> <cb/> </div> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Begegnung König Georgs mit Kaiſer<lb/> Franz Joſef.</hi> </head> <p>Nach hierhergelangten Mitteilungen<lb/> wird König Georg von Griechenland anfangs No-<lb/> vember in Wien eintreffen und mit Kaiſer Franz<lb/> Joſeſ eine Begegnung haben, der nach der Anſicht<lb/> hieſiger diplomatiſcher Kreiſe eine gewiſſe politiſche<lb/> Bedeutung beizumeſſen ſein wird.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Landeseiſenbahndirektor Fogowitz.</hi> </head> <p>Der<lb/> Landesausſchuß hat dem Anſuchen des Landeseiſen-<lb/> bahndirektors um <hi rendition="#g">Verſetzung in den Ruhe-<lb/> ſtand</hi> Folge gegeben. Landeseiſenbahndirektor<lb/> Fogowitz hat <hi rendition="#g">aus Geſundheitsrückſichten</hi><lb/> ſein Penſionsgeſuch eingereicht. — In der gleichen<lb/> Sitzung erhielt <hi rendition="#g">Inſvektor Boyer</hi> vom Landes-<lb/> eiſenbahnamt, der in dem Prozeſſe Ullrich-Pattai<lb/> nicht die beſte Rolle geſpielt hatte, <hi rendition="#g">einen Verweis.</hi> </p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Franz Eichert.</hi> </head> <p>Am Donnerstag den<lb/> 11. Oktober wird dem Dichter Franz <hi rendition="#g">Eichert</hi> die<lb/> ihm vom Gemeinderate der Stadt Wien verliehene<lb/> Salvatormedaille in feierlicher Weiſe überreicht<lb/> werden, falls nicht durch die Erkrankung Dr. Luegers<lb/> eine Verſchiebung der Feſtlichkeit notwendig wird.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Wie ein deutſcher Gelehrter in der<lb/> Judenpreſſe behandelt wird.</hi> </head> <p>Aus Wiener<lb/> akademiſchen Kreiſen wird uns geſchrieben: In den-<lb/> jenigen alldeutſchen Kreiſen unſerer Stadt, wo man<lb/> noch nicht auf das Judentum ſchwört, hat man mit<lb/> großer Indignation die tückiſche Weiſe bemerkt, in<lb/> welcher das Wiener Hauptjudenblatt über den ver-<lb/> ſtorbenen Hofrat Profeſſor Dr. Joſef Weinlechner<lb/> ſich zu ſchreiben erkühnt. Sowohl am Montag, wie<lb/> am Dienstag ſtellt die „Neue Freie Preſſe“ den<lb/> toten Meiſter als Grobian, ja ſogar als Raufbold<lb/> hin, der mit der Spitalsverwaltung Konflikte aus-<lb/> getragen habe, „die oft in Handgreiflichkeiten“ aus-<lb/> zuarten drohten. Wer Weinlechner gekannt hat,<lb/> weiß, was er von dieſen Erzählungen zu halten hat.<lb/> Der alte Chirurg war zwar zeitlebens ein<lb/> ſogenannter „g’rader Michel“, d. h. er genierte<lb/> ſich niemals, gewiſſe Auswüchſe jedermann<lb/> gegenüber mit den richtigen Namen zu bezeichnen.<lb/> Allein ein Grobian, oder gar ein Raufbold, iſt<lb/> Weinlechner nie geweſen, davon hielt ihn ſchon ſeine<lb/> urgemütliche Veranlagung ab. Dem Kenner unſerer<lb/> Verhältniſſe iſt es freilich klar, warum die Jüdin<lb/> aus der Fichtegaſſe das Andenken des Mannes zu<lb/> verunglimpfen ſucht, dem ſie ſich einigemal<supplied>e</supplied> —<lb/> freilich mit ſehr negativem Erfolge — anzubiedern<lb/> verſucht hat. Weinlechner war ein echter deutſcher<lb/> Mann und noch dazu ein gläubiger Katholik, ein<lb/> lauterer Charakter, welcher ſich auch um den Preis<lb/> der größten Reklame nicht dazu verſtanden hätte,<lb/> die „Neue Freie Preſſe“ für ein vornehmes und<lb/> der Intelligenz in Wahrheit dienendes Blatt zu<lb/> halten. Dieſe Skepſis mußte Rache finden und darum<lb/> verſetzt man dem toten Chirurgen den Eſelsfußtritt<lb/> in den ſcheinbar objektiven Nekrologen, die wiederum<lb/> zeigen, daß der größte und verdienſtvollſte Menſch<lb/> bei der „Neuen Freien Preſſe“ nur dann auf eine<lb/> Behandlung ohne Gemeinheit rechnen kann, wenn er<lb/> mit Macht in das Horn des Judentums ſtößt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Gegen die Anarchiſten.</hi> </head> <p>Ein Privat-<lb/> telegramm meldet uns aus Berlin vom 4. Oktober:<lb/> Dem „Lokalanzeiger“ wird aus Madrid gemeldet:<lb/> Die internationale <hi rendition="#g">Staatenkonferenz zur<lb/> Bekämpfung des Anarchismus</hi> iſt für den<lb/> 21. Jänner 1907 <hi rendition="#g">einberufen.</hi> Die von der<lb/> ſpaniſchen Regierung erlaſſenen Einladungen ergingen<lb/> an 51 Staatsregierungen aus Europa und Amerika.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Böhmerles 5000. Baumkluppe.</hi> </head> <p>Am<lb/> 1. Oktober wurde das 5000. Exemplar der nach den<lb/> Angaben des k. k. Forſtrates Emil <hi rendition="#g">Böhmerle</hi><lb/> vielfach verbeſſerten Aldenbrückſchen Meßkluppe zur<lb/> Ablieferung gebracht. Die vom Ackerbauminiſterium<lb/> empfohlene Meßkluppe ſteht im Bereiche der Staats-<lb/> und Fondsgüterverwaltung nahezu ausſchließlich mit<lb/> beſtem Erfolge in Verwendung, ebenſo bei den<lb/> meiſten privaten Forſtämtern und Gutsdirektionen.<lb/> Ihre Vorzüge ſind außerordentliche Stabilität,<lb/> Leichtigkeit in der Handhabung, und Möglichkeit, ſie<lb/> gut zu rektifizieren. Außer in Oeſterreich-Ungarn<lb/> ſtehen die Meßkluppen auch in den Balkanſtaaten<lb/> und jüngſt auch in ausgedehntem Maße in Japan<lb/> in Verwendung.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Schmock.</hi> </head> <p>Der Leobener Korreſpondent der<lb/> „Oeſterr. Volksztg.“ deliriert in einem Bericht aus<lb/> Kapellen über die „Enthüllungen“ der Friederike<lb/> Zeller: „... Dieſer Mann iſt alſo nichts anderes<lb/> als <hi rendition="#g">ein Luftmenſch in der entarteten<lb/> Phantaſie</hi> der Friederike Zeller.“</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Dankſagung des Deutſchmeiſteroberſten.</hi> </head><lb/> <p>Der Oberſt und Kommandant des Deutſchmeiſter-<lb/> regimentes, <hi rendition="#g">Hugo Daler,</hi> ſchreibt uns: Da ich<lb/> perſönlich nicht in der Lage bin, allen jenen ehe-<lb/> maligen Deutſchmeiſtern, ſowie allen anderen Perſön-<lb/> lichkeiten, Geſellſchaften ꝛc., welche zu dem Arran-<lb/> gement und Gelingen des Mannſchaftsfeſtes in der<lb/> Rotunde am 30. September 1906 auf irgend eine<lb/> Weiſe beigetragen haben, zu danken, bitte ich auf<lb/> dieſem Wege — im Namen des Regimentes —<lb/> den herzlichſten und innigſten Dank entgegen zu<lb/> nehmen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Aus dem Polizeiberichte.</hi> </head> <p>Der Lokomotiv-<lb/> führer der Schneebergbahn Fridolin <hi rendition="#g">Hofmann</hi><lb/> wurde geſtern um ½8 Uhr abends bei der Station<lb/> Zentralfriedhof der Aſpangbahn von einem Zug<lb/><hi rendition="#g">überfahren</hi> und auf der Stelle getötet. Hof-<lb/> mann war dienſtfrei und in Zivil gekleidet. Augen-<lb/><cb/> ſcheinlich liegt ein Unfall vor. — Auf der Penzinger-<lb/> ſtraße ſtürzte geſtern abends der Einſpännerkutſcher<lb/> Auguſt <hi rendition="#g">Langer,</hi> als er ſchwer berauſcht die Decke<lb/> vom Pferd nehmen wollte, kopfüber vom Bocke und<lb/> zog ſich eine lange Skalpwunde am Schädeldach zu.<lb/> — Der Kommis Berthold <hi rendition="#g">Bernfeld</hi> hat im Laufe<lb/> des letzten Jahres ſeinem Dienſtgeber, einem Kauf-<lb/> mann im Kaiv<supplied>i</supplied>ertel, Waren im Werte von mehreren<lb/> tauſend Kronen geſtohlen und ſie verkauft. Geſtern<lb/> iſt er auf Anordnung des Stadtkommiſſariats ver-<lb/> haftet und dem Landesgerichte eingeliefert worden.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Ein Ehepaar in Erſtickungsgefahr.</hi> </head> <p>Auf<lb/> dem Gange im erſten Stocke des Hauſes Neuſtift-<lb/> gaſſe Nr. 73 verſpürten heute ſrüh Hausparteien<lb/> einen ſtarken Kohlendunſt, der aus der Wohnung des<lb/> Glaſermeiſters Anton Handler zu kommen ſchien.<lb/> Man befürchtete ein Unglück und öffnete die Wohnung<lb/> gewaltſam. Die Küche und das anſtoßende Zimmer<lb/> waren von dem beklemmenden Kohlendunſt erfüllt.<lb/> Herr Handler lag im Nachtkleid mit Wunden an der<lb/> Naſe und im Geſicht beſinnungslos auf dem Boden,<lb/> ſeine Gattin Magdalena mit ſchweren Uebelkeiten<lb/> und Benommenheit im Bette. Wieſo der Kohlen-<lb/> dunſt ins Zimmer gelangt ſein konnte, iſt noch<lb/> unaufgeklärt. Die Filiale Mariahilf der<lb/> Freiwilligen Rettungsgeſellſchaft wurde berufen,<lb/> und ihre Aerz<supplied>t</supplied>e brachten das Ehepaar<lb/> zum Bewußtſein. Herr Hannder teilte mit, daß ſeine<lb/> Gattin am Abend das Nachtmahl in der an das<lb/> Zimmer grenzenden Küche bereitet und daß er und<lb/> ſeine Gattin, ohne Kohlengas zu ſpüren, ſich dann<lb/> zu Bette begeben hätten. Infolge ſtarken Brech-<lb/> reizes ſei er erwacht und habe nun den Kohlendunſt<lb/> verſpürt. Um Fenſter oder Tür zu öffnen, habe er<lb/> ſich erheben wollen, ſei jedoch infolge eintretender<lb/> Ohnmacht zu Boden geſtürzt und habe ſich dabei die<lb/> Wunden geſchlagen. Das Eyepaar wurde ins Sofien-<lb/> ſpital gebracht.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Ein neues Landes-Kinderheim.</hi> </head> <p>Am<lb/> 14. Oktober wird ein neues niederöſterreichiſches<lb/> Landes-Kinderheim und zwar jenes von <hi rendition="#g">Hoch-<lb/> Wolkersdorf</hi> bei Wiener-Neuſtadt (das ſechſte<lb/> dieſer Landesanſtalten) in feſtlicher Weiſe eröffnet<lb/> werden. Die Teilnehmer verlaſſen um ¾9 Uhr<lb/> vormittags vom Südbahnhof aus Wien und kommen<lb/> um ½6 Uhr abends wieder in Wien an.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Diebſtähle bei den Militärverpflegs-<lb/> magazinen in Pola.</hi> </head> <p>Der Polizei gelang es, eine<lb/> Diebsbande dingfeſt zu machen, welche bereits jahre-<lb/> lang aus den k. und k. Militärverpflegsmagazinen<lb/> in Pola Zucker, Mehl, Salz und andere Nahrungs-<lb/> artikel ſtahlen und ſie an größere Kaufleute in<lb/> Pola verkauften. Unter den Verhafteten befinden ſich<lb/> zwei Verpflegsſoldaten.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Ein Polygamieprozeß.</hi> </head> <p>Gegen Joſef Smith<lb/> in Sake Salt City hat der nordamerikaniſche Staats-<lb/> anwalt die Anklage wegen Polygamie erhoben. Joſef<lb/> Smith iſt nämlich der Präſident der nordamerikani-<lb/> ſchen Mormonen, beſitzt fünf Frauen und iſt Vater<lb/> von 43 Kindern. Er kann ſeine Familie ernähren,<lb/> denn als Präſident der Mormonen verfügt er über<lb/> ein Einkommen von fünfzigtauſend Dollars; Smith<lb/> hat jeder ſeiner Frauen ein ſchönes Haus gekauft<lb/> und gibt viel Geld für Luxus aus. Ein Zufall<lb/> fügte es, daß der Mormonenpräſident die Anklage-<lb/> ſchaft an jenem Tage erhielt, an dem ihm das<lb/> 43. Kind geboren wurde.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Ein Heiratsſchwindler.</hi> </head> <p>Ein Mann, der<lb/> ſich Anton Kalons nannte, hat vor vier Jahren dem<lb/> Gemiſchtwarenhändler Cyrill Kaiſer, Einſiedlerplatz<lb/> Nr. 1 wohnhaft, eine Uhr herausgelockt. Der<lb/> Schwindler wurde am 1. Oktober in Margareten<lb/> verhaftet und auf Grund der anthropometriſchen<lb/> Meſſung als der wegen Veruntreuung wiederholt<lb/> abgeſtrafte Uhrmachergehilfe Cyrill Kotyza identi-<lb/> fiziert. Es wurde ferner erhoben, daß Kotyza unter<lb/> dem falſchen Namen Joſef Müller im heurigen<lb/> Frühjahr mit einer Köchin ein Liebesverhältnis an-<lb/> geknüpft und ihr unter dem Verſprechen, ſie zu<lb/> heiraten, ihre geſammten Erſparniſſe in der Höhe<lb/> von einigen hundert Kronen entlockt hat. Er wurde<lb/> dem Landesgerichte eingeliefert.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Eine neue Hochſchule.</hi> </head> <p>Alles dürſtet nach<lb/> akademiſcher Bildung. Die Tanzmeiſter, deren ſprung-<lb/> haftes Weſen keine Ruhe kennt, wollen nicht immer<lb/> nur Walzer, Polka und Quadrille lehren, was banal<lb/> wird, ſondern ſie wollen fortſchreiten zu höherer<lb/> Tanzkunſt. Ungebildete Menſchen glauben, es genüge<lb/> beim Tanz, ſich um die eigene Achſe zu drehen und<lb/> dabei immer einen Schritt weiter auszugreifen.<lb/> Ueber eine ſolche Anſchauung lächeln die Tanz-<lb/> gelehrten. Der Tanz iſt eine Wiſſenſchaft, nicht nur<lb/> eine Kunſt: er muß daher auch wiſſenſchaftlich be-<lb/> trieben werden und hat die Eröffnung einer Hoch-<lb/> ſchule dringend nötig. Der Tanzmeiſterverband wird<lb/> ſie auch gründen; es iſt bereits auch beſchloſſene<lb/> Sache. Es geht abſolut nicht mehr länger<lb/> ohne Tanzhochſchule. Beſonders die Konverſations-<lb/> tänze verwildern förmlich. Man wird daher einige<lb/> „hervorragende Kräfte“ als Lehrer gewinnen. Es<lb/> iſt auch geplant, den Frequentanten der Hochſchule<lb/> ein <hi rendition="#g">Atteſt</hi> über den Beſuch derſelben auszufolgen,<lb/> ſo daß es ſpäter zweierlei Verbandsmitglieder geben<lb/> wird, und zwar gewöhnliche Mitglieder und akademiſch<lb/> gebildete Mitglieder. Einer derartigen Inſtitution<lb/> wird es nach Anſicht des Verbandsvorſtandes<lb/> gelingen, die Konverſationstänze einheitlich zu<lb/> geſtalten und dem Tanz den Schwung zu geben,<lb/><cb/> ohne den er nicht möglich iſt. Hoffentlich hält die<lb/> Regierung für den Rektor der neuen Hochſchule einen<lb/> Hofratstitel bereit.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Der Pädagoge Willmann.</hi> </head> <p>Der Wiener<lb/> Lehrerverein Lorenz Kellner hält Samstag den 6. d.<lb/> ½8 Uhr abends in Hubmanns Saal, Neubaugaſſe<lb/> Nr. 63, eine Vollverſammlung ab, bei welcher Herr<lb/> Dr. Rudolf Hornich, Direktor des niederöſterreichiſchen<lb/> Pädagogiums, einen Vortrag über das Thema „Was<lb/> verdankt die Pädagogik Willmann?“ halten wird.<lb/> Der Verein wird ſogenannte <hi rendition="#g">„Willmann-Abende“</hi><lb/> einführen, in denen Herr Seminardirektor Heinrich<lb/> Gieſe einen Zyklus einführender Vorträge in der<lb/> Vereinsleſehalle, Uhlplatz 3, halten wird. Dieſelben<lb/> finden ab Dienstag den 9. Oktober jeden Dienstag<lb/> um ½8 Uhr abends ſtatt. Zu denſelben haben auch<lb/> Nichtmitglieder Eintritt. Gäſte, Lehrer und Lehrer-<lb/> innen willkommen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Die Nachtarbeit der Frauen.</hi> </head> <p>Die „Wiener<lb/> Zeitung“ veröffentlicht das am 26. September in<lb/> Bern abgeſchloſſene internationale Uebereinkommen,<lb/> betreffend das Verbot der induſtriellen Nachtarbeit<lb/> der Frauen. Das Uebereinkommen bedeutet einen<lb/> wichtigen Fortſchritt auf dem Gebiete des inter-<lb/> nationalen Arbeiterſchutzes. Dasſelbe iſt von folgenden<lb/> Staaten gefertigt: <hi rendition="#g">Oeſterreich-Ungarn,</hi><lb/> Deutſchland, Belgien, Dänemark, Spanien, Frank-<lb/> reich, Großbritannien (einſchließlich Indiens und der<lb/> überſeeiſchen Beſitzungen), Italien, Luxemburg,<lb/> Portugal, Schweden und Schweiz.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Zum franzöſiſch-tſchechiſchen Bündnis.</hi> </head><lb/> <p>In ihrem Beſtreben, ſich an die Franzoſen anzu-<lb/> biedern, haben die Prager Jungtſchechen ſchon Großes<lb/> geleiſtet. Am letzten Sonntag hat der Bürgermeiſter<lb/> Gros von Prag wieder einmal ſich gefällig und<lb/> gaſtlich erweiſen wollen und er ſtellte dem franzö-<lb/> ſiſchen Konſul die Bürgermeiſterloge in der Oper<lb/> zur Verfügung. Als der Konſul jedoch mit ſeiner<lb/> Familie im Theater erſchien, war die Loge bereits<lb/> vom Bürgermeiſter-Stellvertreter Dr. Stych und<lb/> deſſen Familie beſetzt, der unter keiner Bedingung<lb/> die Loge verlaſſen wollte. Der Konſul, der eine<lb/> ſolche Gaſtfreundſchaft nicht begreifen konnte und<lb/> andererſeits der Aufführung der Oper beiwohnen<lb/> wollte, wollte Plätze für ſeine Familie kaufen, allein<lb/> das Theater war ausverkauft. Unter ſolchen Um-<lb/> ſtänden blieb dem Konſul nichts anderes übrig, als<lb/> mit ſeiner Familie das Theater zu verlaſſen. Die<lb/> franzöſiſch-tſchechiſche Freundſchaft ſoll einen Sprung<lb/> bekommen haben.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Kongreß für drahtloſe Telegraphie.</hi> </head> <p>Man<lb/> depeſchiert aus Berlin vom 4. Oktober: Geſtern<lb/> abends gab Staatsſekretär Krätke zu Ehren der<lb/> Delegierten der Internationalen Konferenz für draht-<lb/> loſe Telegraphie ein Diner, woran ſämtliche Dele-<lb/> gierte teilnahmen. Krätke begrüßte die Gäſte mit<lb/> einer Anſprache, in der er die Hoffnung auf eine<lb/> erfolgreiche Wirkſamkeit der Konferenz ausſprach.<lb/> Er ſchloß mit einem Trinkſpruch auf die Souveräne<lb/> der auf der Konferenz vertretenen Staaten. Der<lb/> amerikaniſche Botſchafter Charlemagne Tower brachte<lb/> ein Hoch auf den Kaiſer aus.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Zwiſchen die Puffer geraten.</hi> </head> <p>Im erſten<lb/> Kohlenhof der Stadtbahn geriet heute früh der<lb/> Bahnarbeiter Leopold Bräuer, in Scheinkirchen<lb/> wohnhaft, zwiſchen die Puffer zweier im Verſchieben<lb/> begriffenen Waggons und erlitt ſehr ſchwere<lb/> Ouetſchungen des Bauches und der Bruſt und wahr-<lb/> ſcheinlich innere Verletzungen. Aerzte der Freiwilligen<lb/> Rettungsgeſellſchaft leiſteten ihm Hilfe und brachten<lb/> ihn ins Spital der Barmherzigen Brüder.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jWeatherReports" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Wetter.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Wetterprognoſe.</hi> </head> <p>Veränderlich, ſchwache Winde,<lb/> Temperatur wenig verändert, beſſeres aber noch<lb/> nicht beſtändiges Wetter.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Wetterbericht vom 4. Oktober.</hi> </head> <p>Tiefer<lb/> Druck erſtreckt ſich von Finnland ſüdwärts bis an<lb/> das Schwarze Meer. Hoher Druck beherrſcht die<lb/> ſüdlichen und weſtlichen Gebiete des Kontinents. In<lb/> Oeſterreich herrſcht vorwiegend trübes, mildes Wetter<lb/> bei mäßigen Winden; in den ſüdlichen Gebieten iſt<lb/> es heiter.</p><lb/> <p>Morgens 7 Uhr melden: Prag 12·6°, Krakau<lb/> 12·3°, Lemberg 11·9°, Feldkirch 11 0°, Iſchl 12·2°,<lb/> Wien 12·6°, Graz 8·5°, Klagenfurt 5·0°, Ofen-Peſt<lb/> 15·0°, Hermannſtadt 10·5°, Szegedin 16·1°, Sarajevo<lb/> 11·2°, Trieſt 15·5°, Leſina —·—°, Riva 13·8°, Görz<lb/> 14·6°, Sonnblick —4·2°, Glocknerhaus —·—°, Obir<lb/> 3·4°, Schmittenhöhe 5·0°, Schneeberg 6·2°, Semme-<lb/> ring —·—° Celſius.</p><lb/> <p>Aus dem Gebiete der k. k. öſterreichiſchen<lb/> Staatsbahnen: Eger 9·3°, SW 1, halbbewölkt,<lb/> Jaroslau 11·7°, NW 7, trüb; Tabor 10·6°, N 3,<lb/> trüb; Budweis 11·4°, NW 3, trüb; Mähriſch-<lb/> Schönberg 11·0°, N 2, trüb; Neumarkt 6·3°, — 0,<lb/> Nebel; Auſſee 9·0°, — 0, Regen; Scheibbs 13·4°<lb/> SW 2 trüb.</p> </div> </div><lb/> <div type="jVarious" n="1"> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Niederöſterreich.</hi> </head> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#g">Gemeindewahlen.</hi> </head> <p>In<lb/><hi rendition="#g">Neidling</hi> (Bezirk St. Pölten) wurden trotz heftiger<lb/> Gegenagitation die altbewährten chriſtlichen Ge-<lb/> meindevertreter mit erdrückender Majorität wieder-<lb/> gewählt, und zwar: Fürſt Karl Auersperg, Pfarrer<lb/> Anton Gindl, Bürgermeiſter Johann Wutzl, Ver-<lb/> walter Biermann, Joſef Strohmeier, Ehrenbürger;<lb/> Florian Gaßner, Joſef Kaufmann, Franz Land-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [3/0003]
227 Wien, Freitag Reichspoſt 5. Oktober 1906
* Begegnung König Georgs mit Kaiſer
Franz Joſef. Nach hierhergelangten Mitteilungen
wird König Georg von Griechenland anfangs No-
vember in Wien eintreffen und mit Kaiſer Franz
Joſeſ eine Begegnung haben, der nach der Anſicht
hieſiger diplomatiſcher Kreiſe eine gewiſſe politiſche
Bedeutung beizumeſſen ſein wird.
* Landeseiſenbahndirektor Fogowitz. Der
Landesausſchuß hat dem Anſuchen des Landeseiſen-
bahndirektors um Verſetzung in den Ruhe-
ſtand Folge gegeben. Landeseiſenbahndirektor
Fogowitz hat aus Geſundheitsrückſichten
ſein Penſionsgeſuch eingereicht. — In der gleichen
Sitzung erhielt Inſvektor Boyer vom Landes-
eiſenbahnamt, der in dem Prozeſſe Ullrich-Pattai
nicht die beſte Rolle geſpielt hatte, einen Verweis.
* Franz Eichert. Am Donnerstag den
11. Oktober wird dem Dichter Franz Eichert die
ihm vom Gemeinderate der Stadt Wien verliehene
Salvatormedaille in feierlicher Weiſe überreicht
werden, falls nicht durch die Erkrankung Dr. Luegers
eine Verſchiebung der Feſtlichkeit notwendig wird.
* Wie ein deutſcher Gelehrter in der
Judenpreſſe behandelt wird. Aus Wiener
akademiſchen Kreiſen wird uns geſchrieben: In den-
jenigen alldeutſchen Kreiſen unſerer Stadt, wo man
noch nicht auf das Judentum ſchwört, hat man mit
großer Indignation die tückiſche Weiſe bemerkt, in
welcher das Wiener Hauptjudenblatt über den ver-
ſtorbenen Hofrat Profeſſor Dr. Joſef Weinlechner
ſich zu ſchreiben erkühnt. Sowohl am Montag, wie
am Dienstag ſtellt die „Neue Freie Preſſe“ den
toten Meiſter als Grobian, ja ſogar als Raufbold
hin, der mit der Spitalsverwaltung Konflikte aus-
getragen habe, „die oft in Handgreiflichkeiten“ aus-
zuarten drohten. Wer Weinlechner gekannt hat,
weiß, was er von dieſen Erzählungen zu halten hat.
Der alte Chirurg war zwar zeitlebens ein
ſogenannter „g’rader Michel“, d. h. er genierte
ſich niemals, gewiſſe Auswüchſe jedermann
gegenüber mit den richtigen Namen zu bezeichnen.
Allein ein Grobian, oder gar ein Raufbold, iſt
Weinlechner nie geweſen, davon hielt ihn ſchon ſeine
urgemütliche Veranlagung ab. Dem Kenner unſerer
Verhältniſſe iſt es freilich klar, warum die Jüdin
aus der Fichtegaſſe das Andenken des Mannes zu
verunglimpfen ſucht, dem ſie ſich einigemale —
freilich mit ſehr negativem Erfolge — anzubiedern
verſucht hat. Weinlechner war ein echter deutſcher
Mann und noch dazu ein gläubiger Katholik, ein
lauterer Charakter, welcher ſich auch um den Preis
der größten Reklame nicht dazu verſtanden hätte,
die „Neue Freie Preſſe“ für ein vornehmes und
der Intelligenz in Wahrheit dienendes Blatt zu
halten. Dieſe Skepſis mußte Rache finden und darum
verſetzt man dem toten Chirurgen den Eſelsfußtritt
in den ſcheinbar objektiven Nekrologen, die wiederum
zeigen, daß der größte und verdienſtvollſte Menſch
bei der „Neuen Freien Preſſe“ nur dann auf eine
Behandlung ohne Gemeinheit rechnen kann, wenn er
mit Macht in das Horn des Judentums ſtößt.
* Gegen die Anarchiſten. Ein Privat-
telegramm meldet uns aus Berlin vom 4. Oktober:
Dem „Lokalanzeiger“ wird aus Madrid gemeldet:
Die internationale Staatenkonferenz zur
Bekämpfung des Anarchismus iſt für den
21. Jänner 1907 einberufen. Die von der
ſpaniſchen Regierung erlaſſenen Einladungen ergingen
an 51 Staatsregierungen aus Europa und Amerika.
* Böhmerles 5000. Baumkluppe. Am
1. Oktober wurde das 5000. Exemplar der nach den
Angaben des k. k. Forſtrates Emil Böhmerle
vielfach verbeſſerten Aldenbrückſchen Meßkluppe zur
Ablieferung gebracht. Die vom Ackerbauminiſterium
empfohlene Meßkluppe ſteht im Bereiche der Staats-
und Fondsgüterverwaltung nahezu ausſchließlich mit
beſtem Erfolge in Verwendung, ebenſo bei den
meiſten privaten Forſtämtern und Gutsdirektionen.
Ihre Vorzüge ſind außerordentliche Stabilität,
Leichtigkeit in der Handhabung, und Möglichkeit, ſie
gut zu rektifizieren. Außer in Oeſterreich-Ungarn
ſtehen die Meßkluppen auch in den Balkanſtaaten
und jüngſt auch in ausgedehntem Maße in Japan
in Verwendung.
* Schmock. Der Leobener Korreſpondent der
„Oeſterr. Volksztg.“ deliriert in einem Bericht aus
Kapellen über die „Enthüllungen“ der Friederike
Zeller: „... Dieſer Mann iſt alſo nichts anderes
als ein Luftmenſch in der entarteten
Phantaſie der Friederike Zeller.“
* Dankſagung des Deutſchmeiſteroberſten.
Der Oberſt und Kommandant des Deutſchmeiſter-
regimentes, Hugo Daler, ſchreibt uns: Da ich
perſönlich nicht in der Lage bin, allen jenen ehe-
maligen Deutſchmeiſtern, ſowie allen anderen Perſön-
lichkeiten, Geſellſchaften ꝛc., welche zu dem Arran-
gement und Gelingen des Mannſchaftsfeſtes in der
Rotunde am 30. September 1906 auf irgend eine
Weiſe beigetragen haben, zu danken, bitte ich auf
dieſem Wege — im Namen des Regimentes —
den herzlichſten und innigſten Dank entgegen zu
nehmen.
* Aus dem Polizeiberichte. Der Lokomotiv-
führer der Schneebergbahn Fridolin Hofmann
wurde geſtern um ½8 Uhr abends bei der Station
Zentralfriedhof der Aſpangbahn von einem Zug
überfahren und auf der Stelle getötet. Hof-
mann war dienſtfrei und in Zivil gekleidet. Augen-
ſcheinlich liegt ein Unfall vor. — Auf der Penzinger-
ſtraße ſtürzte geſtern abends der Einſpännerkutſcher
Auguſt Langer, als er ſchwer berauſcht die Decke
vom Pferd nehmen wollte, kopfüber vom Bocke und
zog ſich eine lange Skalpwunde am Schädeldach zu.
— Der Kommis Berthold Bernfeld hat im Laufe
des letzten Jahres ſeinem Dienſtgeber, einem Kauf-
mann im Kaiviertel, Waren im Werte von mehreren
tauſend Kronen geſtohlen und ſie verkauft. Geſtern
iſt er auf Anordnung des Stadtkommiſſariats ver-
haftet und dem Landesgerichte eingeliefert worden.
* Ein Ehepaar in Erſtickungsgefahr. Auf
dem Gange im erſten Stocke des Hauſes Neuſtift-
gaſſe Nr. 73 verſpürten heute ſrüh Hausparteien
einen ſtarken Kohlendunſt, der aus der Wohnung des
Glaſermeiſters Anton Handler zu kommen ſchien.
Man befürchtete ein Unglück und öffnete die Wohnung
gewaltſam. Die Küche und das anſtoßende Zimmer
waren von dem beklemmenden Kohlendunſt erfüllt.
Herr Handler lag im Nachtkleid mit Wunden an der
Naſe und im Geſicht beſinnungslos auf dem Boden,
ſeine Gattin Magdalena mit ſchweren Uebelkeiten
und Benommenheit im Bette. Wieſo der Kohlen-
dunſt ins Zimmer gelangt ſein konnte, iſt noch
unaufgeklärt. Die Filiale Mariahilf der
Freiwilligen Rettungsgeſellſchaft wurde berufen,
und ihre Aerzte brachten das Ehepaar
zum Bewußtſein. Herr Hannder teilte mit, daß ſeine
Gattin am Abend das Nachtmahl in der an das
Zimmer grenzenden Küche bereitet und daß er und
ſeine Gattin, ohne Kohlengas zu ſpüren, ſich dann
zu Bette begeben hätten. Infolge ſtarken Brech-
reizes ſei er erwacht und habe nun den Kohlendunſt
verſpürt. Um Fenſter oder Tür zu öffnen, habe er
ſich erheben wollen, ſei jedoch infolge eintretender
Ohnmacht zu Boden geſtürzt und habe ſich dabei die
Wunden geſchlagen. Das Eyepaar wurde ins Sofien-
ſpital gebracht.
* Ein neues Landes-Kinderheim. Am
14. Oktober wird ein neues niederöſterreichiſches
Landes-Kinderheim und zwar jenes von Hoch-
Wolkersdorf bei Wiener-Neuſtadt (das ſechſte
dieſer Landesanſtalten) in feſtlicher Weiſe eröffnet
werden. Die Teilnehmer verlaſſen um ¾9 Uhr
vormittags vom Südbahnhof aus Wien und kommen
um ½6 Uhr abends wieder in Wien an.
* Diebſtähle bei den Militärverpflegs-
magazinen in Pola. Der Polizei gelang es, eine
Diebsbande dingfeſt zu machen, welche bereits jahre-
lang aus den k. und k. Militärverpflegsmagazinen
in Pola Zucker, Mehl, Salz und andere Nahrungs-
artikel ſtahlen und ſie an größere Kaufleute in
Pola verkauften. Unter den Verhafteten befinden ſich
zwei Verpflegsſoldaten.
* Ein Polygamieprozeß. Gegen Joſef Smith
in Sake Salt City hat der nordamerikaniſche Staats-
anwalt die Anklage wegen Polygamie erhoben. Joſef
Smith iſt nämlich der Präſident der nordamerikani-
ſchen Mormonen, beſitzt fünf Frauen und iſt Vater
von 43 Kindern. Er kann ſeine Familie ernähren,
denn als Präſident der Mormonen verfügt er über
ein Einkommen von fünfzigtauſend Dollars; Smith
hat jeder ſeiner Frauen ein ſchönes Haus gekauft
und gibt viel Geld für Luxus aus. Ein Zufall
fügte es, daß der Mormonenpräſident die Anklage-
ſchaft an jenem Tage erhielt, an dem ihm das
43. Kind geboren wurde.
* Ein Heiratsſchwindler. Ein Mann, der
ſich Anton Kalons nannte, hat vor vier Jahren dem
Gemiſchtwarenhändler Cyrill Kaiſer, Einſiedlerplatz
Nr. 1 wohnhaft, eine Uhr herausgelockt. Der
Schwindler wurde am 1. Oktober in Margareten
verhaftet und auf Grund der anthropometriſchen
Meſſung als der wegen Veruntreuung wiederholt
abgeſtrafte Uhrmachergehilfe Cyrill Kotyza identi-
fiziert. Es wurde ferner erhoben, daß Kotyza unter
dem falſchen Namen Joſef Müller im heurigen
Frühjahr mit einer Köchin ein Liebesverhältnis an-
geknüpft und ihr unter dem Verſprechen, ſie zu
heiraten, ihre geſammten Erſparniſſe in der Höhe
von einigen hundert Kronen entlockt hat. Er wurde
dem Landesgerichte eingeliefert.
* Eine neue Hochſchule. Alles dürſtet nach
akademiſcher Bildung. Die Tanzmeiſter, deren ſprung-
haftes Weſen keine Ruhe kennt, wollen nicht immer
nur Walzer, Polka und Quadrille lehren, was banal
wird, ſondern ſie wollen fortſchreiten zu höherer
Tanzkunſt. Ungebildete Menſchen glauben, es genüge
beim Tanz, ſich um die eigene Achſe zu drehen und
dabei immer einen Schritt weiter auszugreifen.
Ueber eine ſolche Anſchauung lächeln die Tanz-
gelehrten. Der Tanz iſt eine Wiſſenſchaft, nicht nur
eine Kunſt: er muß daher auch wiſſenſchaftlich be-
trieben werden und hat die Eröffnung einer Hoch-
ſchule dringend nötig. Der Tanzmeiſterverband wird
ſie auch gründen; es iſt bereits auch beſchloſſene
Sache. Es geht abſolut nicht mehr länger
ohne Tanzhochſchule. Beſonders die Konverſations-
tänze verwildern förmlich. Man wird daher einige
„hervorragende Kräfte“ als Lehrer gewinnen. Es
iſt auch geplant, den Frequentanten der Hochſchule
ein Atteſt über den Beſuch derſelben auszufolgen,
ſo daß es ſpäter zweierlei Verbandsmitglieder geben
wird, und zwar gewöhnliche Mitglieder und akademiſch
gebildete Mitglieder. Einer derartigen Inſtitution
wird es nach Anſicht des Verbandsvorſtandes
gelingen, die Konverſationstänze einheitlich zu
geſtalten und dem Tanz den Schwung zu geben,
ohne den er nicht möglich iſt. Hoffentlich hält die
Regierung für den Rektor der neuen Hochſchule einen
Hofratstitel bereit.
* Der Pädagoge Willmann. Der Wiener
Lehrerverein Lorenz Kellner hält Samstag den 6. d.
½8 Uhr abends in Hubmanns Saal, Neubaugaſſe
Nr. 63, eine Vollverſammlung ab, bei welcher Herr
Dr. Rudolf Hornich, Direktor des niederöſterreichiſchen
Pädagogiums, einen Vortrag über das Thema „Was
verdankt die Pädagogik Willmann?“ halten wird.
Der Verein wird ſogenannte „Willmann-Abende“
einführen, in denen Herr Seminardirektor Heinrich
Gieſe einen Zyklus einführender Vorträge in der
Vereinsleſehalle, Uhlplatz 3, halten wird. Dieſelben
finden ab Dienstag den 9. Oktober jeden Dienstag
um ½8 Uhr abends ſtatt. Zu denſelben haben auch
Nichtmitglieder Eintritt. Gäſte, Lehrer und Lehrer-
innen willkommen.
* Die Nachtarbeit der Frauen. Die „Wiener
Zeitung“ veröffentlicht das am 26. September in
Bern abgeſchloſſene internationale Uebereinkommen,
betreffend das Verbot der induſtriellen Nachtarbeit
der Frauen. Das Uebereinkommen bedeutet einen
wichtigen Fortſchritt auf dem Gebiete des inter-
nationalen Arbeiterſchutzes. Dasſelbe iſt von folgenden
Staaten gefertigt: Oeſterreich-Ungarn,
Deutſchland, Belgien, Dänemark, Spanien, Frank-
reich, Großbritannien (einſchließlich Indiens und der
überſeeiſchen Beſitzungen), Italien, Luxemburg,
Portugal, Schweden und Schweiz.
* Zum franzöſiſch-tſchechiſchen Bündnis.
In ihrem Beſtreben, ſich an die Franzoſen anzu-
biedern, haben die Prager Jungtſchechen ſchon Großes
geleiſtet. Am letzten Sonntag hat der Bürgermeiſter
Gros von Prag wieder einmal ſich gefällig und
gaſtlich erweiſen wollen und er ſtellte dem franzö-
ſiſchen Konſul die Bürgermeiſterloge in der Oper
zur Verfügung. Als der Konſul jedoch mit ſeiner
Familie im Theater erſchien, war die Loge bereits
vom Bürgermeiſter-Stellvertreter Dr. Stych und
deſſen Familie beſetzt, der unter keiner Bedingung
die Loge verlaſſen wollte. Der Konſul, der eine
ſolche Gaſtfreundſchaft nicht begreifen konnte und
andererſeits der Aufführung der Oper beiwohnen
wollte, wollte Plätze für ſeine Familie kaufen, allein
das Theater war ausverkauft. Unter ſolchen Um-
ſtänden blieb dem Konſul nichts anderes übrig, als
mit ſeiner Familie das Theater zu verlaſſen. Die
franzöſiſch-tſchechiſche Freundſchaft ſoll einen Sprung
bekommen haben.
* Kongreß für drahtloſe Telegraphie. Man
depeſchiert aus Berlin vom 4. Oktober: Geſtern
abends gab Staatsſekretär Krätke zu Ehren der
Delegierten der Internationalen Konferenz für draht-
loſe Telegraphie ein Diner, woran ſämtliche Dele-
gierte teilnahmen. Krätke begrüßte die Gäſte mit
einer Anſprache, in der er die Hoffnung auf eine
erfolgreiche Wirkſamkeit der Konferenz ausſprach.
Er ſchloß mit einem Trinkſpruch auf die Souveräne
der auf der Konferenz vertretenen Staaten. Der
amerikaniſche Botſchafter Charlemagne Tower brachte
ein Hoch auf den Kaiſer aus.
* Zwiſchen die Puffer geraten. Im erſten
Kohlenhof der Stadtbahn geriet heute früh der
Bahnarbeiter Leopold Bräuer, in Scheinkirchen
wohnhaft, zwiſchen die Puffer zweier im Verſchieben
begriffenen Waggons und erlitt ſehr ſchwere
Ouetſchungen des Bauches und der Bruſt und wahr-
ſcheinlich innere Verletzungen. Aerzte der Freiwilligen
Rettungsgeſellſchaft leiſteten ihm Hilfe und brachten
ihn ins Spital der Barmherzigen Brüder.
Wetter.
Wetterprognoſe. Veränderlich, ſchwache Winde,
Temperatur wenig verändert, beſſeres aber noch
nicht beſtändiges Wetter.
Wetterbericht vom 4. Oktober. Tiefer
Druck erſtreckt ſich von Finnland ſüdwärts bis an
das Schwarze Meer. Hoher Druck beherrſcht die
ſüdlichen und weſtlichen Gebiete des Kontinents. In
Oeſterreich herrſcht vorwiegend trübes, mildes Wetter
bei mäßigen Winden; in den ſüdlichen Gebieten iſt
es heiter.
Morgens 7 Uhr melden: Prag 12·6°, Krakau
12·3°, Lemberg 11·9°, Feldkirch 11 0°, Iſchl 12·2°,
Wien 12·6°, Graz 8·5°, Klagenfurt 5·0°, Ofen-Peſt
15·0°, Hermannſtadt 10·5°, Szegedin 16·1°, Sarajevo
11·2°, Trieſt 15·5°, Leſina —·—°, Riva 13·8°, Görz
14·6°, Sonnblick —4·2°, Glocknerhaus —·—°, Obir
3·4°, Schmittenhöhe 5·0°, Schneeberg 6·2°, Semme-
ring —·—° Celſius.
Aus dem Gebiete der k. k. öſterreichiſchen
Staatsbahnen: Eger 9·3°, SW 1, halbbewölkt,
Jaroslau 11·7°, NW 7, trüb; Tabor 10·6°, N 3,
trüb; Budweis 11·4°, NW 3, trüb; Mähriſch-
Schönberg 11·0°, N 2, trüb; Neumarkt 6·3°, — 0,
Nebel; Auſſee 9·0°, — 0, Regen; Scheibbs 13·4°
SW 2 trüb.
Niederöſterreich. Gemeindewahlen. In
Neidling (Bezirk St. Pölten) wurden trotz heftiger
Gegenagitation die altbewährten chriſtlichen Ge-
meindevertreter mit erdrückender Majorität wieder-
gewählt, und zwar: Fürſt Karl Auersperg, Pfarrer
Anton Gindl, Bürgermeiſter Johann Wutzl, Ver-
walter Biermann, Joſef Strohmeier, Ehrenbürger;
Florian Gaßner, Joſef Kaufmann, Franz Land-
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