Reichspost. Nr. 227, Wien, 05.10.1906.Wien, Freitag Reichspost 5. Oktober 1906 227 [Spaltenumbruch] steiner, Michael Bedih, Ignaz Schweitzer, Oberlehrer Morawa, Karl Baumberger, Johann Miedler, Franz Thürauer, Johann Schrattenholzer. Ispertalbahn oder Weitentalbahn. Das Aktionskomitee für die Ispertalbahn verschickt Tirol. Fahnenweihe der Partisaner. Aus Thaur bei Hall wird uns geschrieben: Wer Böhmen. Boykottierung des Statt- halters. Man telegraphiert uns aus Prag, Schlesien. Gegen den Abg. Hruby. Der Troppauer Bürgerverein hat in einer Ver- Bukowina. Ausgebliebene Demon- strationen. Aus Czernowitz wird uns ge- Das Namensfest des Kaisers. Aus Anlaß des Namensfestes des Kaisers Das Hochamt in der Stefanskirche. Um 11 Uhr vormittags wurde in der Metro- Depeschen melden aus Ischl, Gmunden, Dr. Luegers Erkrankung. Wie wir bereits gestern mitteilten, ist Bürger- Am Sonntag um 1/29 Uhr vormittags kam Im Präsidialbureau liegt seit heute ein Heute abends wird ein Konsilium bei Das Ende eines Millianenschwindlers. Aus New-York wird berichtet: Ein dramatisches Was eine Reise nach Japan kostet. Japan ist nach dem siegreichen Kriege das Ziel Wien, Freitag Reichspoſt 5. Oktober 1906 227 [Spaltenumbruch] ſteiner, Michael Bedih, Ignaz Schweitzer, Oberlehrer Morawa, Karl Baumberger, Johann Miedler, Franz Thürauer, Johann Schrattenholzer. Iſpertalbahn oder Weitentalbahn. Das Aktionskomitee für die Iſpertalbahn verſchickt Tirol. Fahnenweihe der Partiſaner. Aus Thaur bei Hall wird uns geſchrieben: Wer Böhmen. Boykottierung des Statt- halters. Man telegraphiert uns aus Prag, Schleſien. Gegen den Abg. Hruby. Der Troppauer Bürgerverein hat in einer Ver- Bukowina. Ausgebliebene Demon- ſtrationen. Aus Czernowitz wird uns ge- Das Namensfeſt des Kaiſers. Aus Anlaß des Namensfeſtes des Kaiſers Das Hochamt in der Stefanskirche. Um 11 Uhr vormittags wurde in der Metro- Depeſchen melden aus Iſchl, Gmunden, Dr. Luegers Erkrankung. Wie wir bereits geſtern mitteilten, iſt Bürger- Am Sonntag um ½9 Uhr vormittags kam Im Präſidialbureau liegt ſeit heute ein Heute abends wird ein Konſilium bei Das Ende eines Millianenſchwindlers. Aus New-York wird berichtet: Ein dramatiſches Was eine Reiſe nach Japan koſtet. Japan iſt nach dem ſiegreichen Kriege das Ziel <TEI> <text> <body> <div type="jVarious" n="1"> <div n="2"> <div type="jArticle" n="3"> <p><pb facs="#f0004" n="4"/><fw place="top" type="header">Wien, Freitag Reichspoſt 5. Oktober 1906 227</fw><lb/><cb/> ſteiner, Michael Bedih, Ignaz Schweitzer, Oberlehrer<lb/> Morawa, Karl Baumberger, Johann Miedler, Franz<lb/> Thürauer, Johann Schrattenholzer.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#g">Iſpertalbahn oder Weitentalbahn.</hi> </head><lb/> <p>Das Aktionskomitee für die Iſpertalbahn verſchickt<lb/> ein Flugblatt, worin es in leichtverſtändlicher Weiſe<lb/> die Gründe darlegt, welche für den Bau der<lb/> Iſpertalbahn an Stelle der vom Eiſenbahnminiſterium<lb/> projektierten Weitentalbahn ſprechen. Der Darlegung<lb/> iſt eine dem Laien allerdings ſehr einleuchtende<lb/> Planſkizze beigegeben. Die Traſſenlänge, ſo erklärt<lb/> die Flugſchrift, würde bei der Weitental-Variante<lb/> viel größer, die Durchführung dieſer Traſſe daher<lb/> viel koſtſpieliger ſein. Die Intereſſenten hoffen, das<lb/> Eiſenbahnminiſterium noch umſtimmen zu können.</p> </div> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Tirol.</hi> </head> <head> <hi rendition="#g">Fahnenweihe der Partiſaner.</hi> </head><lb/> <p>Aus <hi rendition="#g">Thaur</hi> bei Hall wird uns geſchrieben: Wer<lb/> einmal Gelegenheit hatte, in Thaur einer feierlichen<lb/> Prozeſſion beizuwohnen, dem fiel ſofort die Kom-<lb/> pagnie der ſogenannten „Partiſaner“ in ihrer ſchönen,<lb/> alttiroliſchen Tracht auf. Sie bilden die Ehrenwache<lb/> des Allerheiligſten. Ihr Bund beſteht ſchon 130 Jahre,<lb/> hatte aber bisher keine Fahne. Durch die Bemühung<lb/> des Hauptmannes Johannes Höpperger, Poſtmeiſter<lb/> in Thaur und durch die Opferwilligkeit der Mit-<lb/> glieder und Gönner des Bundes wurde dieſer<lb/> Mangel behoben. Am 30. v. M. fand die feierliche<lb/> Weihe der neuen Fahne ſtatt. Die ganze Gemeinde<lb/> mit ihrer Vertretung an der Spitze, Muſikbanden,<lb/> Schützen ꝛc. beteiligten ſich beim Feſtgottesdienſt<lb/> und auch bei der nachmittägigen Feier.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Böhmen.</hi> </head> <head> <hi rendition="#g">Boykottierung des Statt-<lb/> halters.</hi> </head> <p>Man telegraphiert uns aus <hi rendition="#g">Prag,</hi><lb/> 4. Oktober: Zu der ſonntägigen vertraulichen Sitzung<lb/> des tſchechiſchen Nationalrates meldet der <hi rendition="#aq">„Samo-<lb/> statnost“</hi> folgende Details: Die Konferenz beſchloß,<lb/> den Statthalter von Böhmen, Grafen Coudenhove,<lb/> als Urheber aller Ungerechtigkeiten gegen die tſchechi-<lb/> ſchen Minoritäten <hi rendition="#g">geſellſchaftlich zu<lb/> boykottieren.</hi> Bei der Abſtimmung ent-<lb/> fernten ſich die Alttſchechen, darunter die Herren-<lb/> hausmitglieder Profeſſor <hi rendition="#g">Gebauer</hi> und <hi rendition="#g">Mattus</hi><lb/> ſowie die gemäßigten Jungtſchechen aus dem Saale.<lb/> Dr. <hi rendition="#g">Herold</hi> nahm an der Abſtimmung teil.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Schleſien.</hi> </head> <head> <hi rendition="#g">Gegen den Abg. Hruby.</hi> </head><lb/> <p>Der Troppauer Bürgerverein hat in einer Ver-<lb/> ſammlung eine Reſolution angenommen, in der es<lb/> heißt: Die Darſtellung, die Abg. Hruby über die<lb/> deutſch-tſchechiſchen Zuſammenſtöße am 22. Juli,<lb/> 10. Auguſt und 8. und 9. September im Ab-<lb/> geordnetenhauſe gegeben habe, iſt ein Muſter von<lb/> Heuchelei und Jeſuitismus (!). Der Troppauer<lb/> Bürgerverein erklärt dieſe Darſtellung als eine will-<lb/> kürliche und unwahre und proteſtiert gegen die An-<lb/> griffe gegen die Deutſchen Troppaus im allgemeinen<lb/> und die Jungmannſchaft insbeſondere.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Bukowina.</hi> </head> <head> <hi rendition="#g">Ausgebliebene Demon-<lb/> ſtrationen.</hi> </head> <p>Aus <hi rendition="#g">Czernowitz</hi> wird uns ge-<lb/> ſchrieben: Sonntag wurde mit Wittenbauers <hi rendition="#aq">„Filia<lb/> Hospitalis“</hi> die diesjährige Spielzeit eröffnet. Das<lb/> Haus war ſchon Tage vorher ausverkauft. Direktor<lb/> Ranzenhofer erhielt dabei verſtärkten <hi rendition="#g">Polizeiſchutz,</hi><lb/> da man „feindliche Kundgebungen“ gegen das Stück<lb/> von Seite nichtſchlagender Hochſchüler befürchtete.<lb/> Später ſtellte ſich heraus, daß irgend ein Spaßvogel<lb/> dem Direktor den Bären aufgebunden hatte, die<lb/> katholiſche Verbindung „Unitas“ habe eine Anzahl<lb/> Karten gekauft und auch ihren bürgerlichen Anhang<lb/> aufgeboten, um die Vorſtellung zu ſtören. Natürlich<lb/> eine Erfindung! Ein ſolches Vorgehen würde den<lb/> Uniten herzlich wenig nützen. Anderſeits iſt das<lb/> Stück durchaus nicht von ſolcher Bedeutung.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jVarious" n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Das Namensfeſt des Kaiſers.</hi> </head><lb/> <p>Aus Anlaß des Namensfeſtes des Kaiſers<lb/> wurde heute in den Pfarrkirchen und Gotteshäuſern<lb/> der Reſidenz ein feierlicher Gottesdienſt abgehalten,<lb/> dem die ſtaatlichen und ſtädiſchen Behörden und die<lb/> Schuljugend mit ihren Lehrern beiwohnte. Die<lb/> dienſtfreie Mannſchaft der Garniſon Wien wohnte<lb/> gleichfalls in den Kirchen dem feierlichen Gottes-<lb/> dienſte bei. Um 9 Uhr fand in der Votiv- und<lb/> Garniſonskirche zum göttlichen Heiland ein feierlicher<lb/> Gottesdienſt ſtatt. Hiezu waren unter dem Kom-<lb/> mando des FML. Wikullil ausgerückt: je ein<lb/> Bataillon der Infanterieregimenter Nr. 19, 32 (mit<lb/> Muſik) und 51, ein Landwehr-Bataillon und zwei<lb/> Eskadronen des Ulanenregiments Nr. 3. Die<lb/> Truppen nahmen in einem Treffen vor der Kirche<lb/> Aufſtellung, wobei das Bataillon des Infanterie-<lb/> regiments Nr. 32 den linken Flügel, die Landwehr<lb/> den rechten Flügel bildete. Die Ulanen ſtanden rechts<lb/> von der Kirche, auf dem Plateau die Genera-<lb/> lität, die Frequentanten der Kriegsſchule, der<lb/> Generalſtab, die Garde, der Genieſtab, die Marine-<lb/> offiziere, Offiziere aller Waffen, der Landwehr und<lb/> Gendarmerie, Auditore, Militärärzte und Militär-<lb/> beamte Aufſtellung genommen hatten Um 9 Uhr<lb/> erſchien unter den Klängen der Volkshymne Herr<lb/><hi rendition="#g">Erzherzog Rainer</hi> mit Oberſthofmeiſter GM.<lb/> Grafen Roſenberg. Der Erzherzog nahm die Mel-<lb/> dung des GM. Wikullil entgegen, beſichtigte die<lb/> Truppe und begab ſich in das Gotteshaus, das<lb/> dann auch die Generalität, das Offizierskorps und<lb/> die Mannſchaft betraten. Die Soldaten nahmen im<lb/> Mittelſchiffe und in den Seitenſchiffen Aufſtellung.<lb/> Das feierliche Hochamt zelebrierte der apoſtoliſche<lb/><cb/> Feldvikar <hi rendition="#g">Biſchof</hi> Dr. <hi rendition="#g">Belopotocky</hi> im Beiſein<lb/> des Prälaten Menda und zahlreicher geiſtlicher Aſſi-<lb/> ſtenz. Die Muſik des Infanterie-Regiments Nr. 32<lb/> ſpielte. Nach dem Gottesdienſte verließen die<lb/> Truppen durch das linke Seitentor der Hauptfront<lb/> und das rechte Tor der Seitenfront die Kirche und<lb/> ralliierten ſich in der Hörlgaſſe. Herr Erzherzog<lb/> Rainer ſtellte ſich mit der Generalität und den Offi-<lb/> zieren vor der Kirche auf und ließ die Truppe defi-<lb/> lieren. Mit klingendem Spiele rückten ſie in ihre<lb/> Kaſernen ein.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Das Hochamt in der Stefanskirche.</hi> </head><lb/> <p>Um 11 Uhr vormittags wurde in der Metro-<lb/> politankirche zum hl. Stefan ein feierliches Hochamt<lb/> mit Tedeum abgehalten. Die Kirche erſtrahlte heute<lb/> zum erſten Male im Glanze des elektriſchen Lichtes.<lb/> Rechts und links im Presbyterium zwiſchen den<lb/> Chorſtühledurchgängen ſtanden allein zwölf Kandelaber<lb/> mit je 4 und 5 Lampen; ebenſo hingen drei große<lb/> Luſter mit je 14 Lampen hinab. Das Mittelſchiff<lb/> beleuchteten zehn Kandelaber mit je vier Lampen<lb/> und vier große Luſter mit je 14 Lampen. Ebenſo<lb/> effektvoll und reich waren die übrigen Teile der<lb/> Kirche beleuchtet. Dem Gottesdienſt wohnten bei:<lb/> der Miniſter des k. und k. Hauſes und des Aeußern<lb/> Graf Goluchowski, die diesſeitigen Miniſter, der<lb/> köngl. ungariſche Miniſter am Allerhöchſten Hoflager<lb/> Graf Aladar Zichy, Statthalter Graf Kielmansegg<lb/> die Vizebürgermeiſter Dr. Porzer und Hierhammer.<lb/> Landmarſchall Schmolk und die Spitzen der Behörden.<lb/> Das Hochamt hielt der Herr Weihbiſchof und General-<lb/> vikar Dr. Godfried <hi rendition="#g">Marſchall</hi> ab. Die Domkapelle<lb/> brachte unter Leitung des Domkapellmeiſters<lb/><hi rendition="#g">Weirich</hi> die Krönungsmeſſe von Mozart zur Auf-<lb/> führung. Das Tedeum zelebrierte der Kardinal Fürſt-<lb/> erzbiſchof. <hi rendition="#g">Miniſterpräſident</hi> Dr. Freiherr von<lb/><hi rendition="#g">Beck</hi> konnte an dem Hochamte in der Stefanskirche<lb/><hi rendition="#g">nicht teilnehmen,</hi> weil ſeine Anweſenheit im<lb/> Wahlreformausſchuſſe, wo die Abſtimmung über die<lb/> wichtige Frage des Pluralitätswahlrechtes unmittel-<lb/> bar bevorſteht, dringend notwendig war.</p><lb/> <p>Depeſchen melden aus <hi rendition="#g">Iſchl, Gmunden,<lb/> Lemberg, Prag, Orosvar</hi> (wo ſich Graf<lb/> Lon<supplied>y</supplied>a<supplied>y</supplied> und ſeine Gemahlin befinden) und <hi rendition="#g">Ofen-<lb/> Peſt,</hi> von den dort abgehaltenen Feſtlichkeiten.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Dr. Luegers Erkrankung.</hi> </head><lb/> <p>Wie wir bereits geſtern mitteilten, iſt Bürger-<lb/> meiſter Dr. Karl Lueger erkrankt und bettlägerig<lb/> geworden; wir erfahren dazu folgendes:</p><lb/> <p>Am Sonntag um ½9 Uhr vormittags kam<lb/> Bürgermeiſter Dr. Karl Lueger mit einigen ihn<lb/> als Fachleute begleitenden Beamten zum Weſt-<lb/> bahnhof, um eine <hi rendition="#g">Inſpizierungsfahrt</hi> in<lb/> das Gebiet der neuen <hi rendition="#g">Hochquellenwaſſer-<lb/> leitung</hi> zu unternehmen. Dr. Lueger kam mit<lb/> den Vizebürgermeiſtern Dr. Porzer und Hier-<lb/> hammer in den Bahnhof, wo ihn Magiſtrats-<lb/> direktor Dr. Weiskirchner, Präſidialvorſtand Appel,<lb/> Oberbaurat Berger, Magiſtratsrat Nüchtern, Bau-<lb/> rat Berger und Kanzleidirektor Mayer erwarteten.<lb/> Die Reiſe ging über St. Pölten nach Kernhof<lb/> und von dort per Wagen nach Mariazell; dort<lb/> geſellten ſich Abg. Dr. Mayreder, Stadtanwalt<lb/> Dr. Swoboda und die Gemeinderäte Nagler und<lb/> Effenberger zu Bürgermeiſter Dr. Lueger und ſeiner<lb/> Begleitung. Nun begann eine lange Wagenfahrt<lb/> zu der Brunnengrabenquelle zu den Höllenquellen<lb/> über Weichſelboden zu den Kläffenbrunnen, wo<lb/> die Stollen der Salza beſichtigt wurden; von<lb/> dort aus begab ſich Dr. Lueger zu den Siebenſee-<lb/> quellen und über Wildalpen nach Göſtling. Schon<lb/> auf der Fahrt hatte Dr. Lueger Schmerzen auf<lb/> dem Ballen des rechten Fußes verſpürt; es zeigte<lb/> ſich zwiſchen der vierten und fünften Zehe eine<lb/><hi rendition="#g">nicht auffallend große Blaſe,</hi> wie ſie<lb/> durch Falten in den Strümpfen bei längerem<lb/> Marſchieren öfter vorkommt. Die Blaſe ſprang<lb/> bald auf und es bildete ſich ein eitriges und ſehr<lb/> ſchmerzhaftes Geſchwür, das den Bürgermeiſter<lb/> veranlaßte, ſofort die Rückkehr anzutreten; er<lb/> hatte Schüttelfroſt und ſpäter Erbrechen bekommen.<lb/> Dr. Lueger fuhr am Dienstag um 2 Uhr 57 Mi-<lb/> nuten nachmittags von Göſtling aus direkt nach<lb/> Wien, während die Kommiſſion die Arbeiten<lb/> auf der Strecke Lunz-Scheibbs beſichtigte<lb/> und geſtern abends in Wien eintraf. Der<lb/> Bürgermeiſter begab ſich hier ſogleich in<lb/> ſeiner Privatwohnung im Rathauſe zu Bette. Wie<lb/> heute verlautet, nimmt die Erkrankung einen lang-<lb/> ſamen aber normalen Verlauf; die äußerſt<lb/> ſchmerzende Wunde heilt nur ſehr langſam, ſo<lb/> daß der Bürgermeiſter in den nächſten Tagen<lb/> nicht präſidieren oder empfangen wird; es iſt<lb/> fraglich, ob die für den 11. Oktober angeſetzten<lb/> Empfänge — die wegen der Namenstagsfeier des<lb/> Kaiſers von heute auf den 11. verſchoben worden<lb/> waren — an dieſem Tage ſtattfinden werden.</p><lb/> <p>Im Präſidialbureau liegt ſeit heute ein<lb/> Bogen auf für diejenigen, die ſich um das Be-<lb/><cb/> finden des Bürgermeiſters erkundigen. Als einer<lb/> der erſten zeichnete ſich der <hi rendition="#g">Miniſterpräſident</hi><lb/> Freiherr v. <hi rendition="#g">Beck</hi> ein; dann kamen Polizei-<lb/> präſident R. v. <hi rendition="#g">Habrda,</hi> Bezirksvorſteher<lb/><hi rendition="#g">Wieninger,</hi> Abg. <hi rendition="#g">Prochazka,</hi> die Gemeinde-<lb/> räte <hi rendition="#g">Ahorner, Mareſch, Grundler,</hi> Ober-<lb/> magiſtratsrat Dr. v. <hi rendition="#g">Radler</hi> u. v. A. In der<lb/> ganzen Bevölkerung gibt ſich die herzlichſte Teil-<lb/> nahme kund.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Heute abends wird ein <hi rendition="#g">Konſilium</hi> bei<lb/> Dr. Lueger abgehalten, zu dem der Interniſt und<lb/> Leiter der erſten mediziniſchen Klinik im Allge-<lb/> meinen Krankenhauſe Profeſſor Dr. K. von<lb/><hi rendition="#g">Noorden</hi> (der Nachfolger Nothnagels, der am<lb/> Dienstag ſeine Stellung angetreten hat) berufen<lb/> worden iſt. Die Berufung des Profeſſors erfolgte<lb/> über Anraten des Dr. Lueger behandelnden Arztes<lb/> Dr. <hi rendition="#g">Szongott.</hi> </p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Das Ende eines Millianenſchwindlers.</hi> </head><lb/> <p>Aus New-York wird berichtet: Ein dramatiſches<lb/> Ende fand am Montag morgens eine merkmürdige<lb/> Schwindlerlaufbahn; als der frühere Zuchthäusler<lb/> und Millionär A. L. Adams in ſeinem Zimmer in<lb/> einem faſhionablen Hotel ſich eine Kugel vor den<lb/> Kopf ſchoß. Er hatte ſchon den Revolver in der<lb/> Hand, als er ſeine Frau telephoniſch anrief und ihr<lb/> Lebewohl ſagte und dann von ſeinem Aſſocié Thomp-<lb/> ſon in der gleichen Weiſe Aſchied nahm. Unmittel-<lb/> bar darauf ſetzte er die Waffe an die Stirne und<lb/> drückte ab; er war ſofort tot. Der alte Mann hatte<lb/> im Laufe einer langen Schwindlerlaufbahn ein ſtatt-<lb/> liches Vermögen zuſammengebracht, das auf zehn<lb/> Millionen geſchätzt wurde. Den Selbſtmord beging<lb/> er nun in einem Anfalle von Wut und Verzweiflung,<lb/> weil er kürzlich in die Hände von Gaunern gefallen<lb/> war, die jünger und noch geriebener waren als er<lb/> ſelbſt und ihn um eine beträchtliche Summe be-<lb/> trogen hatten. Adams begann ſeine merkwürdige<lb/> Laufbahn unter dem Schutze von Tammany, indem<lb/> er eine betrügeriſche Form von Lotterie, die ſo ge-<lb/> handhabt wurde, daß die Bank ſelbſt alle Preiſe<lb/> gewann, faſt ganz öffentlich unternahm. Seine Be-<lb/> trügereien hatten umſo ſchlimmere Folgen, als er<lb/> ſich beſonders an die kleinen Spieler, an Frauen,<lb/> junge Leute und Angeſtellte, damit wandte; unter<lb/> ſeinen Opfern kamen viele Verbrechen und Selbſt-<lb/> morde vor, für die er verantwortlich zu machen war.<lb/> Schließlich wurde dieſe Lotterie unterdrückt und<lb/> Adams wurde vor Gericht geſtellt. Man wies ihm<lb/> nach, daß er ſein eigenartiges Lotterieſyſtem ohne<lb/> jede Ausnahme durchgeführt hatte, daß er keinen<lb/> Pfennig von dem Gelde, das das Publikum bei ihm<lb/> einſetzte, wieder hergab und daß er davon über-<lb/> haupt nur Summen abführte, durch die einflußreiche<lb/> Beamte beſtochen wurden. Adams wurde verurteilt<lb/> und in das Sing-Sing-Gefängnis geſteckt. Als er<lb/> frei kam, dachte er, obwohl er ein großes Ver-<lb/> mögen beſaß, ſofort an neue Methoden, die<lb/> Spielleidenſchaft des Volkes auszubeuten; er ließ<lb/> ſich zu dieſem Zweck mit einer Schwindlerbande<lb/> ein, die bereits eine Reihe von Spielbanken<lb/> unterhielt, in denen kleine Leute ausgeplündert wurden.<lb/> Er gab ein großes Kapital her, um das Geſchäft<lb/> in größtem Maßſtabe zu erweitern und Filialen in<lb/> allen Großſtädten zu eröffnen. Zu ſpät erſt gingen<lb/> ihm die Augen darüber auf, daß er, anſtatt das<lb/> Publikum zu rupfen, von ſeinen Aſſociés, unter<lb/> denen ſich ſein eigener Sohn befand, gerupft werden<lb/> ſollte und daß ihnen dies in weitem Umfange<lb/> gelungen war. Er hatte bereits große Summen<lb/> bezahlt, als er den Schwindel entdeckte. Seitdem<lb/> war er völlig verzweifelt und klagte in beweglichen<lb/> Tönen darüber, daß Treu und Glauben aus der<lb/> Welt verſchwunden wären und daß es keinen<lb/> anſtändigen Menſchen mehr gäbe. Ständig ſah man<lb/> ihn über ſeine Verluſte brüten, bis er ſich zu dem<lb/> letzten verzweifelten Schritte entſchloß. Auch ſeine<lb/> letzte Tat war charakteriſtiſch. Er hatte mehrere<lb/> Stunden vor ſeinem Tode mit der Ordnung ſeiner<lb/> Papiere zugebracht und ließ nun auffällig auf dem<lb/> Tiſch ein Paket Papiere liegen, aus denen hervorging,<lb/> daß Poliziſten, Politiker und andere Leute beſtochen<lb/> waren, damit ſie ihre ſchützende Hand über ſeine<lb/> betrügeriſchen Manipulationen breiteten.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Was eine Reiſe nach Japan koſtet.</hi> </head><lb/> <p>Japan iſt nach dem ſiegreichen Kriege das Ziel<lb/> einer großen Zahl von Reiſenden, von Kaufleuten<lb/> ſowohl wie von „Weltbummlern“, die die zahl-<lb/> reichen Schilderungen von den Reizen dieſes ſelt-<lb/> ſamen Landes angelockt haben. Im letzten Jahre<lb/> hat ſich die Zahl der Touriſten in Yokohama und<lb/> in Tokio ſo rapid gehoben, daß die Hotels für<lb/> Fremde, die allerdings noch nicht ſehr zahlreich ſind,<lb/> nicht alle aufnehmen konnten und viele daher auf<lb/> der Suche nach einem Obdach umherirren mußten.<lb/> Die Regierung und die Handelskammer haben ſich<lb/> daher der Fremden angenommen und bereiten die<lb/> Errichtung komfortabler Hotels für die fremden<lb/> Gäſte vor. Die Touriſten müſſen natürlich erheb-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [4/0004]
Wien, Freitag Reichspoſt 5. Oktober 1906 227
ſteiner, Michael Bedih, Ignaz Schweitzer, Oberlehrer
Morawa, Karl Baumberger, Johann Miedler, Franz
Thürauer, Johann Schrattenholzer.
Iſpertalbahn oder Weitentalbahn.
Das Aktionskomitee für die Iſpertalbahn verſchickt
ein Flugblatt, worin es in leichtverſtändlicher Weiſe
die Gründe darlegt, welche für den Bau der
Iſpertalbahn an Stelle der vom Eiſenbahnminiſterium
projektierten Weitentalbahn ſprechen. Der Darlegung
iſt eine dem Laien allerdings ſehr einleuchtende
Planſkizze beigegeben. Die Traſſenlänge, ſo erklärt
die Flugſchrift, würde bei der Weitental-Variante
viel größer, die Durchführung dieſer Traſſe daher
viel koſtſpieliger ſein. Die Intereſſenten hoffen, das
Eiſenbahnminiſterium noch umſtimmen zu können.
Tirol. Fahnenweihe der Partiſaner.
Aus Thaur bei Hall wird uns geſchrieben: Wer
einmal Gelegenheit hatte, in Thaur einer feierlichen
Prozeſſion beizuwohnen, dem fiel ſofort die Kom-
pagnie der ſogenannten „Partiſaner“ in ihrer ſchönen,
alttiroliſchen Tracht auf. Sie bilden die Ehrenwache
des Allerheiligſten. Ihr Bund beſteht ſchon 130 Jahre,
hatte aber bisher keine Fahne. Durch die Bemühung
des Hauptmannes Johannes Höpperger, Poſtmeiſter
in Thaur und durch die Opferwilligkeit der Mit-
glieder und Gönner des Bundes wurde dieſer
Mangel behoben. Am 30. v. M. fand die feierliche
Weihe der neuen Fahne ſtatt. Die ganze Gemeinde
mit ihrer Vertretung an der Spitze, Muſikbanden,
Schützen ꝛc. beteiligten ſich beim Feſtgottesdienſt
und auch bei der nachmittägigen Feier.
Böhmen. Boykottierung des Statt-
halters. Man telegraphiert uns aus Prag,
4. Oktober: Zu der ſonntägigen vertraulichen Sitzung
des tſchechiſchen Nationalrates meldet der „Samo-
statnost“ folgende Details: Die Konferenz beſchloß,
den Statthalter von Böhmen, Grafen Coudenhove,
als Urheber aller Ungerechtigkeiten gegen die tſchechi-
ſchen Minoritäten geſellſchaftlich zu
boykottieren. Bei der Abſtimmung ent-
fernten ſich die Alttſchechen, darunter die Herren-
hausmitglieder Profeſſor Gebauer und Mattus
ſowie die gemäßigten Jungtſchechen aus dem Saale.
Dr. Herold nahm an der Abſtimmung teil.
Schleſien. Gegen den Abg. Hruby.
Der Troppauer Bürgerverein hat in einer Ver-
ſammlung eine Reſolution angenommen, in der es
heißt: Die Darſtellung, die Abg. Hruby über die
deutſch-tſchechiſchen Zuſammenſtöße am 22. Juli,
10. Auguſt und 8. und 9. September im Ab-
geordnetenhauſe gegeben habe, iſt ein Muſter von
Heuchelei und Jeſuitismus (!). Der Troppauer
Bürgerverein erklärt dieſe Darſtellung als eine will-
kürliche und unwahre und proteſtiert gegen die An-
griffe gegen die Deutſchen Troppaus im allgemeinen
und die Jungmannſchaft insbeſondere.
Bukowina. Ausgebliebene Demon-
ſtrationen. Aus Czernowitz wird uns ge-
ſchrieben: Sonntag wurde mit Wittenbauers „Filia
Hospitalis“ die diesjährige Spielzeit eröffnet. Das
Haus war ſchon Tage vorher ausverkauft. Direktor
Ranzenhofer erhielt dabei verſtärkten Polizeiſchutz,
da man „feindliche Kundgebungen“ gegen das Stück
von Seite nichtſchlagender Hochſchüler befürchtete.
Später ſtellte ſich heraus, daß irgend ein Spaßvogel
dem Direktor den Bären aufgebunden hatte, die
katholiſche Verbindung „Unitas“ habe eine Anzahl
Karten gekauft und auch ihren bürgerlichen Anhang
aufgeboten, um die Vorſtellung zu ſtören. Natürlich
eine Erfindung! Ein ſolches Vorgehen würde den
Uniten herzlich wenig nützen. Anderſeits iſt das
Stück durchaus nicht von ſolcher Bedeutung.
Das Namensfeſt des Kaiſers.
Aus Anlaß des Namensfeſtes des Kaiſers
wurde heute in den Pfarrkirchen und Gotteshäuſern
der Reſidenz ein feierlicher Gottesdienſt abgehalten,
dem die ſtaatlichen und ſtädiſchen Behörden und die
Schuljugend mit ihren Lehrern beiwohnte. Die
dienſtfreie Mannſchaft der Garniſon Wien wohnte
gleichfalls in den Kirchen dem feierlichen Gottes-
dienſte bei. Um 9 Uhr fand in der Votiv- und
Garniſonskirche zum göttlichen Heiland ein feierlicher
Gottesdienſt ſtatt. Hiezu waren unter dem Kom-
mando des FML. Wikullil ausgerückt: je ein
Bataillon der Infanterieregimenter Nr. 19, 32 (mit
Muſik) und 51, ein Landwehr-Bataillon und zwei
Eskadronen des Ulanenregiments Nr. 3. Die
Truppen nahmen in einem Treffen vor der Kirche
Aufſtellung, wobei das Bataillon des Infanterie-
regiments Nr. 32 den linken Flügel, die Landwehr
den rechten Flügel bildete. Die Ulanen ſtanden rechts
von der Kirche, auf dem Plateau die Genera-
lität, die Frequentanten der Kriegsſchule, der
Generalſtab, die Garde, der Genieſtab, die Marine-
offiziere, Offiziere aller Waffen, der Landwehr und
Gendarmerie, Auditore, Militärärzte und Militär-
beamte Aufſtellung genommen hatten Um 9 Uhr
erſchien unter den Klängen der Volkshymne Herr
Erzherzog Rainer mit Oberſthofmeiſter GM.
Grafen Roſenberg. Der Erzherzog nahm die Mel-
dung des GM. Wikullil entgegen, beſichtigte die
Truppe und begab ſich in das Gotteshaus, das
dann auch die Generalität, das Offizierskorps und
die Mannſchaft betraten. Die Soldaten nahmen im
Mittelſchiffe und in den Seitenſchiffen Aufſtellung.
Das feierliche Hochamt zelebrierte der apoſtoliſche
Feldvikar Biſchof Dr. Belopotocky im Beiſein
des Prälaten Menda und zahlreicher geiſtlicher Aſſi-
ſtenz. Die Muſik des Infanterie-Regiments Nr. 32
ſpielte. Nach dem Gottesdienſte verließen die
Truppen durch das linke Seitentor der Hauptfront
und das rechte Tor der Seitenfront die Kirche und
ralliierten ſich in der Hörlgaſſe. Herr Erzherzog
Rainer ſtellte ſich mit der Generalität und den Offi-
zieren vor der Kirche auf und ließ die Truppe defi-
lieren. Mit klingendem Spiele rückten ſie in ihre
Kaſernen ein.
Das Hochamt in der Stefanskirche.
Um 11 Uhr vormittags wurde in der Metro-
politankirche zum hl. Stefan ein feierliches Hochamt
mit Tedeum abgehalten. Die Kirche erſtrahlte heute
zum erſten Male im Glanze des elektriſchen Lichtes.
Rechts und links im Presbyterium zwiſchen den
Chorſtühledurchgängen ſtanden allein zwölf Kandelaber
mit je 4 und 5 Lampen; ebenſo hingen drei große
Luſter mit je 14 Lampen hinab. Das Mittelſchiff
beleuchteten zehn Kandelaber mit je vier Lampen
und vier große Luſter mit je 14 Lampen. Ebenſo
effektvoll und reich waren die übrigen Teile der
Kirche beleuchtet. Dem Gottesdienſt wohnten bei:
der Miniſter des k. und k. Hauſes und des Aeußern
Graf Goluchowski, die diesſeitigen Miniſter, der
köngl. ungariſche Miniſter am Allerhöchſten Hoflager
Graf Aladar Zichy, Statthalter Graf Kielmansegg
die Vizebürgermeiſter Dr. Porzer und Hierhammer.
Landmarſchall Schmolk und die Spitzen der Behörden.
Das Hochamt hielt der Herr Weihbiſchof und General-
vikar Dr. Godfried Marſchall ab. Die Domkapelle
brachte unter Leitung des Domkapellmeiſters
Weirich die Krönungsmeſſe von Mozart zur Auf-
führung. Das Tedeum zelebrierte der Kardinal Fürſt-
erzbiſchof. Miniſterpräſident Dr. Freiherr von
Beck konnte an dem Hochamte in der Stefanskirche
nicht teilnehmen, weil ſeine Anweſenheit im
Wahlreformausſchuſſe, wo die Abſtimmung über die
wichtige Frage des Pluralitätswahlrechtes unmittel-
bar bevorſteht, dringend notwendig war.
Depeſchen melden aus Iſchl, Gmunden,
Lemberg, Prag, Orosvar (wo ſich Graf
Lonyay und ſeine Gemahlin befinden) und Ofen-
Peſt, von den dort abgehaltenen Feſtlichkeiten.
Dr. Luegers Erkrankung.
Wie wir bereits geſtern mitteilten, iſt Bürger-
meiſter Dr. Karl Lueger erkrankt und bettlägerig
geworden; wir erfahren dazu folgendes:
Am Sonntag um ½9 Uhr vormittags kam
Bürgermeiſter Dr. Karl Lueger mit einigen ihn
als Fachleute begleitenden Beamten zum Weſt-
bahnhof, um eine Inſpizierungsfahrt in
das Gebiet der neuen Hochquellenwaſſer-
leitung zu unternehmen. Dr. Lueger kam mit
den Vizebürgermeiſtern Dr. Porzer und Hier-
hammer in den Bahnhof, wo ihn Magiſtrats-
direktor Dr. Weiskirchner, Präſidialvorſtand Appel,
Oberbaurat Berger, Magiſtratsrat Nüchtern, Bau-
rat Berger und Kanzleidirektor Mayer erwarteten.
Die Reiſe ging über St. Pölten nach Kernhof
und von dort per Wagen nach Mariazell; dort
geſellten ſich Abg. Dr. Mayreder, Stadtanwalt
Dr. Swoboda und die Gemeinderäte Nagler und
Effenberger zu Bürgermeiſter Dr. Lueger und ſeiner
Begleitung. Nun begann eine lange Wagenfahrt
zu der Brunnengrabenquelle zu den Höllenquellen
über Weichſelboden zu den Kläffenbrunnen, wo
die Stollen der Salza beſichtigt wurden; von
dort aus begab ſich Dr. Lueger zu den Siebenſee-
quellen und über Wildalpen nach Göſtling. Schon
auf der Fahrt hatte Dr. Lueger Schmerzen auf
dem Ballen des rechten Fußes verſpürt; es zeigte
ſich zwiſchen der vierten und fünften Zehe eine
nicht auffallend große Blaſe, wie ſie
durch Falten in den Strümpfen bei längerem
Marſchieren öfter vorkommt. Die Blaſe ſprang
bald auf und es bildete ſich ein eitriges und ſehr
ſchmerzhaftes Geſchwür, das den Bürgermeiſter
veranlaßte, ſofort die Rückkehr anzutreten; er
hatte Schüttelfroſt und ſpäter Erbrechen bekommen.
Dr. Lueger fuhr am Dienstag um 2 Uhr 57 Mi-
nuten nachmittags von Göſtling aus direkt nach
Wien, während die Kommiſſion die Arbeiten
auf der Strecke Lunz-Scheibbs beſichtigte
und geſtern abends in Wien eintraf. Der
Bürgermeiſter begab ſich hier ſogleich in
ſeiner Privatwohnung im Rathauſe zu Bette. Wie
heute verlautet, nimmt die Erkrankung einen lang-
ſamen aber normalen Verlauf; die äußerſt
ſchmerzende Wunde heilt nur ſehr langſam, ſo
daß der Bürgermeiſter in den nächſten Tagen
nicht präſidieren oder empfangen wird; es iſt
fraglich, ob die für den 11. Oktober angeſetzten
Empfänge — die wegen der Namenstagsfeier des
Kaiſers von heute auf den 11. verſchoben worden
waren — an dieſem Tage ſtattfinden werden.
Im Präſidialbureau liegt ſeit heute ein
Bogen auf für diejenigen, die ſich um das Be-
finden des Bürgermeiſters erkundigen. Als einer
der erſten zeichnete ſich der Miniſterpräſident
Freiherr v. Beck ein; dann kamen Polizei-
präſident R. v. Habrda, Bezirksvorſteher
Wieninger, Abg. Prochazka, die Gemeinde-
räte Ahorner, Mareſch, Grundler, Ober-
magiſtratsrat Dr. v. Radler u. v. A. In der
ganzen Bevölkerung gibt ſich die herzlichſte Teil-
nahme kund.
Heute abends wird ein Konſilium bei
Dr. Lueger abgehalten, zu dem der Interniſt und
Leiter der erſten mediziniſchen Klinik im Allge-
meinen Krankenhauſe Profeſſor Dr. K. von
Noorden (der Nachfolger Nothnagels, der am
Dienstag ſeine Stellung angetreten hat) berufen
worden iſt. Die Berufung des Profeſſors erfolgte
über Anraten des Dr. Lueger behandelnden Arztes
Dr. Szongott.
Das Ende eines Millianenſchwindlers.
Aus New-York wird berichtet: Ein dramatiſches
Ende fand am Montag morgens eine merkmürdige
Schwindlerlaufbahn; als der frühere Zuchthäusler
und Millionär A. L. Adams in ſeinem Zimmer in
einem faſhionablen Hotel ſich eine Kugel vor den
Kopf ſchoß. Er hatte ſchon den Revolver in der
Hand, als er ſeine Frau telephoniſch anrief und ihr
Lebewohl ſagte und dann von ſeinem Aſſocié Thomp-
ſon in der gleichen Weiſe Aſchied nahm. Unmittel-
bar darauf ſetzte er die Waffe an die Stirne und
drückte ab; er war ſofort tot. Der alte Mann hatte
im Laufe einer langen Schwindlerlaufbahn ein ſtatt-
liches Vermögen zuſammengebracht, das auf zehn
Millionen geſchätzt wurde. Den Selbſtmord beging
er nun in einem Anfalle von Wut und Verzweiflung,
weil er kürzlich in die Hände von Gaunern gefallen
war, die jünger und noch geriebener waren als er
ſelbſt und ihn um eine beträchtliche Summe be-
trogen hatten. Adams begann ſeine merkwürdige
Laufbahn unter dem Schutze von Tammany, indem
er eine betrügeriſche Form von Lotterie, die ſo ge-
handhabt wurde, daß die Bank ſelbſt alle Preiſe
gewann, faſt ganz öffentlich unternahm. Seine Be-
trügereien hatten umſo ſchlimmere Folgen, als er
ſich beſonders an die kleinen Spieler, an Frauen,
junge Leute und Angeſtellte, damit wandte; unter
ſeinen Opfern kamen viele Verbrechen und Selbſt-
morde vor, für die er verantwortlich zu machen war.
Schließlich wurde dieſe Lotterie unterdrückt und
Adams wurde vor Gericht geſtellt. Man wies ihm
nach, daß er ſein eigenartiges Lotterieſyſtem ohne
jede Ausnahme durchgeführt hatte, daß er keinen
Pfennig von dem Gelde, das das Publikum bei ihm
einſetzte, wieder hergab und daß er davon über-
haupt nur Summen abführte, durch die einflußreiche
Beamte beſtochen wurden. Adams wurde verurteilt
und in das Sing-Sing-Gefängnis geſteckt. Als er
frei kam, dachte er, obwohl er ein großes Ver-
mögen beſaß, ſofort an neue Methoden, die
Spielleidenſchaft des Volkes auszubeuten; er ließ
ſich zu dieſem Zweck mit einer Schwindlerbande
ein, die bereits eine Reihe von Spielbanken
unterhielt, in denen kleine Leute ausgeplündert wurden.
Er gab ein großes Kapital her, um das Geſchäft
in größtem Maßſtabe zu erweitern und Filialen in
allen Großſtädten zu eröffnen. Zu ſpät erſt gingen
ihm die Augen darüber auf, daß er, anſtatt das
Publikum zu rupfen, von ſeinen Aſſociés, unter
denen ſich ſein eigener Sohn befand, gerupft werden
ſollte und daß ihnen dies in weitem Umfange
gelungen war. Er hatte bereits große Summen
bezahlt, als er den Schwindel entdeckte. Seitdem
war er völlig verzweifelt und klagte in beweglichen
Tönen darüber, daß Treu und Glauben aus der
Welt verſchwunden wären und daß es keinen
anſtändigen Menſchen mehr gäbe. Ständig ſah man
ihn über ſeine Verluſte brüten, bis er ſich zu dem
letzten verzweifelten Schritte entſchloß. Auch ſeine
letzte Tat war charakteriſtiſch. Er hatte mehrere
Stunden vor ſeinem Tode mit der Ordnung ſeiner
Papiere zugebracht und ließ nun auffällig auf dem
Tiſch ein Paket Papiere liegen, aus denen hervorging,
daß Poliziſten, Politiker und andere Leute beſtochen
waren, damit ſie ihre ſchützende Hand über ſeine
betrügeriſchen Manipulationen breiteten.
Was eine Reiſe nach Japan koſtet.
Japan iſt nach dem ſiegreichen Kriege das Ziel
einer großen Zahl von Reiſenden, von Kaufleuten
ſowohl wie von „Weltbummlern“, die die zahl-
reichen Schilderungen von den Reizen dieſes ſelt-
ſamen Landes angelockt haben. Im letzten Jahre
hat ſich die Zahl der Touriſten in Yokohama und
in Tokio ſo rapid gehoben, daß die Hotels für
Fremde, die allerdings noch nicht ſehr zahlreich ſind,
nicht alle aufnehmen konnten und viele daher auf
der Suche nach einem Obdach umherirren mußten.
Die Regierung und die Handelskammer haben ſich
daher der Fremden angenommen und bereiten die
Errichtung komfortabler Hotels für die fremden
Gäſte vor. Die Touriſten müſſen natürlich erheb-
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