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Reichspost. Nr. 280, Wien, 06.12.1894.

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Wien, Donnerstag Reichspost 6. December 280

[Spaltenumbruch] Fürst Lobanow, ist vorgestern Nachmittags aus Peters
burg hier angekommen.

* Auszeichnungen und Ernennungen.

Der Consul
Alois Pogacar wurde zur Leitung des Consulates in
Port-Said, der Viceconsul Johann Freiherr von Leon-
hardi
zu dem Generalconsulate in New-York berufen. --
Dem Bestallungsdiplome des k. spanischen Consuls in Triest
Jaime R. de Baguer wurde das Exequatur ertheilt und
dem Thürhüter des Obersten Gerichtshofes Carl Körner
das silberne Verdienstkreuz mit der Krone verliehen. --
Der Statthalterei-Secretär Dr. Siegfried Ritter Manger
von Kirchsberg wurde zum Bezirkshauptmann in
Steiermark, der Bezirksgerichts-Adjunct Franz von
Webern in Wolfsberg zum Gerichtsadjuncten in Graz
und der Auscultant Carl Eduard Wilhelm zum Bezirks-
gerichts-Adjuncten in Wolfsberg ernannt.

* Das griechische Königspaar in Wien.

Vor-
gestern Nachmitags trafen König Georg und Königin
Olga von Griechenland und Prinz Georg von
Griechenland auf der Rückreise von Petersburg in Wien
ein. Auf dem Nordbahnhofe hatten sich zur Begrüßung der
griechische Geschäftsträger Manos, der Inspections-
commissär Remek und Stationsvorstand Kutik eingefunden.
Die griechische Königsfamilie reist heute Abends nach
Athen weiter.

* Der Handelsminister Graf Wurmbrand

zeichnete gestern Mittags das k. k. Postsparcassen-
amt
mit seinem Besuche aus und unterzog dasselbe einer
zweistündigen eingehenden Besichtigung; besonders inter-
essirten ihn die Schreibmaschinen und die Wohlfahrts-
einrichtungen des Amtes, unter welch' Letzteren vor Allem
die Vorkehrungen für plötzliche Erkrankungsfälle seinen Bei-
fall fanden.

* Einbruch.

In der Villa des Directors des Fran-
cisco-Josephinum, Regierungsrath Dr. von Gohen in Möd-
ling wurde dieser Tage ein frecher Einbruch verübt. Es
wurden Möbel im Werthe von 200 fl. gestohlen, die, wie
eruirt wurde, in Meidling um sechs Gulden verkauft
wurden.

* Pfarrer Westermayer.

Wie wir gestern bereits
in den Telegrammen meldeten, ist in der Nacht zum 3. d.
in München der hochw. Herr päpstliche Hausprälat und
Stadtpfarrer Dr. Anton Westermayer nach längerer
Krankheit im 78. Lebensjahre gestorben. Mit Dr. Wester-
mayer ist eine der bekanntesten Persönlichkeiten von München
dahingeschieden. Der Verstorbene war ein überaus eifriger
Priester, war auch publicistisch thätig und vertrat längere
Zeit den Wahlkreis München II im bayerischen Landtage
und im deutschen Reichstage. In geselligen Kreisen war
der Stadtpfarrer von St. Peter durch seinen urgemüthlichen,
echt altbayerischen Humor überdies beliebt.

* Feuer.

Im Magazine des Galanterie-Waaren-Er-
zeugers Nicolaus Poppovic kam gestern ein Feuer zum
Ausbruche. Die Centrale und die Filiale Wieden der
städtischen Feuerwehr rückten aus und konnten die Flammen
nach längerer Anstrengung unterdrücken. Der Schaden be-
trägt 3000 fl.

* Untersagte Versammlung.

Die für den 9. d.
um 2 Uhr Nachmittags in die Volkshalle einberufene
Gehilfen Versammlung der Bäcker ist vom Magistrate unter-
sagt worden.

* Erdbeben.

Aus Reggio die Calabria wird be-
richtet: Die Beunruhigung dauert fort, nachdem sich auf
angeblich beobachtete Anzeichen von Erdbeben das Gerücht
verbreitet hat, daß neue Erdstöße möglich sind. Die ganze
Bevölkerung hält sich in den Straßen auf. Die officielle
Lifte der durch das Erdbeben getödteten Personen weist
86 Opfer auf. Mehrere Verletzte starben nachträglich. Die
Zahl der Verwundeten reicht an 600 heran.

* Triduum.

Man schreibt uns: In der feierlichsten
Weise hat in der Pfarrkirche zu Sitzendorf, wo sich eine
Zweigniederlassung der Töchter der christl. Liebe vom heil.
Vincenz von Paul befindet, am 27., 28. und 29. November
das Triduum zu Ehren der unbefleckten Jung-
frau von der wunderbaren Medaille
unter
großer Theilnahme der Bevölkerung stattgefunden. P. Mathias
Wieser, Rector der Redemptoristen in Eggenburg hielt die
Predigten. Die hochw. Herren Pfarrer der Umgebung
halfen zur Verherrlichung der Feier mit. Nach Ertheilung
des päpstlichen Segens am Schlußtage hielt der hochw. Herr
Dechant Carl Latzin umgeben von 8 Priestern ein "Te
Deum"
ab.

* G. Freytag's Plan von Wien.

Dieser im
Verlage der bestens bekannten Firma G. Freytag u. Berndt
erschienene Plan von Wien ist der erste, der sämmtliche
neuen und alten Straßenbenennungen enthält. In
demselben ist auch die Anlage der Stadtbahn berücksichtigt.
Der Preis des elegant gebundenen Planes beträgt nur
80 Kreuzer.

* Kunstgewerbliche Ausstellung im Handels
museum.

Die Ausstellung von kunstgewerblichen Objecten,
die nach orientalischen, englischen und französischen Vor-
bildern von Kunstgewerbetreibenden der Provinz unter der
Leitung der Fachschulen hergestellt werden, erfreut sich leb-
haftesten Zuspruches. In den letzten Tagen wurde die Aus-
stellung vom Erzherzog Ludwig Victor, dem Handelsminister
Grafen Wurmbrand und anderen Herrschaften besucht und
wurden sehr nennenswerthe Verkäufe und Bestellungen
verzeichnet.

* Thurmkreuz- und Glockenweihe.

Aus Fischamend
wird uns geschrieben: In Folge eines Blitzschlages in der
Nacht vom 27. Juli d. J. ging unser Kirchthurm und ein
Theil des Kirchendaches in hellen Flammen auf und sämmt-
liche Glocken schmolzen. Seitdem ist der Thurm
neu erstanden, ein neues Thurmkreuz geschaffen und
neue Glocken gegossen. Die Weihefeier nahm einen würdigen
Verlauf. Hochw. Herr Dechant Jacob Greger nahm unter
Assistenz dreier Priester die Weihe der Glocken und des
Kreuzes vor. Die Glocken erhielten die Namen: Michael,
Florian, Maria, Anna. Nach vollendeter Weihe ward das
geweihte Kreuz in feierlicher Procession um die Kirche ge-
tragen. Darauf ward das Kreuz aufgezogen. Nun versam-
melte sich die Volksmenge abermals in der Kirche zum feier-
lichen Hochamte, bei welchem die deutsche Messe von Schubert
in exacter Weise aufgeführt wurde. Um 3 Uhr wurden be-
reits die vier neuen Glocken, die Peter Hilzer in Wiener-
Neustadt goß, zum Segen geläutet. Das Geläute ist wunder-
bar; Peter Hilzer hat auch hiet einen Beweis seiner Tüch-
tigkeit geliefert.


[Spaltenumbruch]
* Wichtiges über Haarfärbemittel.

Es gibt viele
Leute, die glauben, das Färben der Haare entspringe einzig
und allein der Eitelkeit. Weit gefehlt! Wie viele gibt es,
die jung erscheinen müssen, um ihr Fortkommen zu finden!
Fast in allen Branchen findet man Beispiele, beim Militär
sowohl als auch beim Civil. Das junge oder wenigstens
jung aussehende Element avancirt, das alte wird pensionirt.
Wie oft ist aber der Pensionnung dadurch vorgebeugt
worden, daß die betreffende [Per]sönlichkeit ein gutes, halt-
bares, natürliches, dabei unschadliches Haarfärbemittel ange-
wendet hat. "Czerny's Tanningene" ist ein solches! Es
gibt nichts Einfacheres, Unschuldigeres und Besseres als
dieses. Die Firma Anton J. Czerny (Wien, Stadt, Wall-
sischgasse Nr. 5), welche für ihre Erzeugnisse schon viele
Auszeichnungen erhalten hat, gibt gerne jede Auskunft hier-
über gratis und sei hiemit bestens empfohlen.

* Vermischte Nachrichten.

Der Hilfsarbeiter Jo-
bann Marek stieg voegestern auf dem Frachtenbahnhofe der
Nordwestbahn in eine Grube, in der unmittelbar vorher
eine neue Gasschließe eingerichtet worden war, die aber
noch keinen gasdichten Verschluß hatte. Marek achtete nicht
auf das ausströmende Leuchtgas und wurde durch das
Einathmen desselben plötzlich ohnmächtig. Passanten be-
merkten ihn jedoch sogleich und brachten ihn außer Gefahr.
-- Auf dem Holzplatze des Josef Eisler wurden gestern
Vormittags zwei herrenlose Ochsen, die sich wahrscheinlich
von einem Trieb verlaufen hatten, aufgefunden. Die
Ochsen sind deutscher Race und tragen die Bezeichnung
"F. K." und "T. K" -- Vorgestern fuhr ein mit Zünd-
hölchen in Kisten beladener Wagen über die Freyung. In
Folge Reibung entzündete sich der Inhalt einer Kiste und
Flammen schlugen hervor. Es gelang, die Flammen zu
löschen. -- Sämmtliche sechs Lehrlinge des Goldarbeiters
Johann Nowotny wurden vorgestern dem Landesgerichte
eingeliefert, da sie seit längerer Zeit von dem ihnen vom
Meister zur Verarbeitung zugewiesenen Gold gestohlen, das
Edelmetall zu Ringen verarbeitet und diese versetzt haben.
-- Der Glasergehilfe Edmund Damisch trank vorgestern
Abends eine Phosphorlösung und zog sich schwere innere
Verletzungen zu. Damisch wurde ins Spital der Barm
herzigen Brüder gebracht.

* Jüdische Inserate.

Der Steinbrener'sche Verlag in
Winterberg gibt einen Kalender "zu Ehren des heiligsten
Herzen Jesu heraus. Im Annoncentheile finden wir aber
empfohlen: Die Vorftadt-Jüdin, und folgende Firmen
Mittelbach, Fekete, B. Sachsel, Sonnenschein, M. Muhr,
Fleischl u. a. m. Sollte da nicht aufgeräumt werden?
Juden scheinen sich im christlichen Neste sehr wohl zu
fühlen.

* Der rumänische Cavallerie-Major Basil
Ponnarn,

der, wie wir ausführlich berichteten, vor einigen
Wochen nach Unterschlagung von 200.000 Francs aus
Bukarest flüchtig wurde, hat sich nach Budapest begeben und
wird dort eifrig gesucht. Major Ponnaru ist groß, corpulent,
etwas kahl, hat hohe Stirn, hinkt am rechten Fuße und be-
dient sich eines Stockes oder zweier Krücken.

* Erzdechantei St. Niklas in Eger.

Cardinal
Fürsterzbischof Schönborn hat die Decanalkirche zu St. Niklas
in Eger zur Würde einer Erzdecanalkirche und das Bene-
sicium zur Erzdechantei erhoben und den derzeitigen sehr
verdienten Egerer Curaten Johann Schuh und alle seine
Nachfolger mit dem Titel und der Würde eines Erzdechanten
ausgezeichnet.

* Graf Victor Baworowski.

Am 2. d. M. ver-
übte Graf Victor Baworowski einen Selbstmord, in-
dem er sich mit einem Rasirmesser den Hals durchschnitt.
Das Motiv der That war Verzweiflung über seine begin-
nende Erblindung. Victor Graf Baworowski wurde im
Jahre 1825 geboren und stand somit im 69. Lebensjahre.
Er war Besitzer der Herrschaften Myszkowice, Luka, Kro-
winka, Loszniow und Baworow im Tarnopoler Kreise, mehr-
facher Millionär und einer der reichsten Großgrundbesitzer
Galiziens; er genoß in den polnischen literarischen Kreisen
als Uebersetzer der Werke Goethe's, Schiller's, Wieland's
und Byron's großes Ansehen.

* Wozu das Telephon Wien--Berlin dient.

Der "P. L." läßt sich aus Berlin telegraphiren: "Börsen-
kreise klagen, daß das Telephon Wien--Berlin in seiner
gegenwärtigen mangelhaften Einrichtung mehr schade als
nütze, da es einzelnen Firmen ermöglicht werde, sich zum
Schaden der übrigen Interessenten telephonisch zu verstän-
digen. So stiegen Creditactien letzten Samstag plötzlich in
Berlin um 11/2 Percent durch umfassende Käufe telephon-
benützender Firmen, die von der Wiener Curssteigerung
wußten, währeud Anderen dies noch ein Geheimniß blieb.
Allgemein wird eine schleunige Vermehrung der Telephon-
leitungen verlangt." -- Seh' der an da, das Telephon im
Dienste der Credit-Hausse.




Parlamentarisches.

(Schluß von Seite 3.)

Wenn es nicht zulässig wäre, bei einem Gesetze, bei dem
das abgekürzte Verfahren beschlossen wurde, Anträge zu
stellen, so würde das so viel bedeuten, als daß die Coalition
Alles zu glauben hat, was die Regierung sagt, und Alles
zu thun hat, was die Regierung wünscht. Die Dauer und
Intensität der Freiheitsstrafe sei von größerer Wirkung als
die Androhung der Todesstrafe. Ein zum Tode Verurtheilter,
der dann zu lebenslänglichem Kerker begnadigt wurde,
hatte dem Redner als seinem ex offo-Vertheidiger den
Vorwurf gemacht, warum er das Gnadengesuch eingebracht
habe, da es ja weit vernünftiger sei zu sterben, als das
ganze Leben im Kerker zu verbringen. Dr. Fux hat sich
leicht über die Frage hinweggesetzt, indem er sagt, bei
unserer Rechtsprechung ist das nicht möglich. Redner erinnert
an einen in Wien verübten Mord, bei welchem eine Frau
irrthümlicher Weise als Mörderin verurtheilt wurde. Die
Sache hat sich allerdings aufgeklärt und sie wurde frei-
gelassen; aber wie weit war sie davon entfernt, auf das
Schaffot zu kommen! Die Bezeichnung der Todes-
strafe als eines Actes der Nothwehr sei gleichfalls
unrichtig. Davon könnte man nur dann sprechen, wenn
die Gesellschaft keine anderen Mittel zur Abwehr hätte.
Redner begründet hierauf seinen Antrag, das Wort "Zucht-
haus" durch das bisher in Uebung befindliche Wort Kerker
zu ersetzen und richtet sodann an den Justizminister die An-
frage, ob er, wenn das Strafgesetz beschlossen sei, auch
wirklich die entsprechenden Strafanstalten zu schaffen ge-
[Spaltenumbruch] denke. Wenn dies nicht geschehe, so bleibe das Gesetz auf
dem Papier.

Bei der Abstimmung über den § 1 des Straf-
gesetzentwurfes wurden sämmtliche Abänderungsanträge
abgelehnt und die Beibehaltung der Todesstrafe
mit 146 gegen 66 Stimmen beschlossen Ebenso wurde
§ 8 angenommen. Gegen § 2 existiren keine Einwen-
dungen. Darauf wurden § 4 ff in Debatte gezogen.




Gerichtssaal.


Ein Sträußchen.

Gewisse Blätter machen sich, wie
man zu sagen pflegt "ein Fressen" aus dem Proceß gegen
Pfarrer Scherzer. Wir möchten denselben noch einen
anderen Proceß empfehlen, der sich jetzt allerdings in Frank-
reich abspielt. Vor den Geschworenen in Toulouse steht
jetzt eine Anzahl socialdemokratischer Wahlagenten wegen
Fälschung von Stimmzetteln, Wählerlisten u. s. w. Mit-
schuldig ist der frühere Präfect des Departements, der be-
reits cassirt wurde. Er heißt -- Cohn, dieser jüdische
radicale Präfect, ohne dessen Duldung die groben Gesetz-
widrigkeiten ganz undenkbar gewesen wären, wurde aller-
dings, da der Scandal allzu arg war, abgesetzt und der
Gemeinderath suspendirt; Polizei und Staatsanwalt aber
ließen sowohl den Generalsecretär der Präfectur, wie ein-
flußreichen Mitglieder der bisherigen hochrothen Gemeinde-
vertretung unbehelligt, obwohl es klar zu Tage liegt,
daß die zur Verantwortung gezogenen Individuen --
zumeist arme Teufel -- nur in ihrem Auftrag, auf Grund
specieller Weisungen, die Namen gegnerischer Wahlberech-
tigter ausradirt und durch diejenigen nichtwahlberechtigter
Personen ersetzt, unliebsame Stimmzettel entwendet, die
Stimmzählungen "berichtigt" und ähnliche Manipulationen
vorgenommen hatten. Die Beschuldigten machen aus ihrem
Treiben auch gar kein Hehl; sie berufen sich entweder dar-
auf, daß sie nur den Befehlen von höherer Stelle gehorcht
oder aber um des täglichen Brotes willen gesündigt hätten.
auf die Vorhaltung des Vorsitzenden des Gerichtshofes, daß
er sich grober Ungesetzlichkeiten schuldig gemacht habe, er-
widerte einer der Angeklagten: "Mein Gott, Herr Präsi-
dent, man muß doch leben." Die in Frankreich am Ruder
besindliche Partei betrachtet ein wenig Fälschung zu Un-
gunsten des Gegners übrigens als etwas geradezu
Selbstverständliches.

Wilderer als Mörder.

Josef Hartmann, Wein-
gartenbesitzer in Erdberg, ein passionirter Wilderer, stand
gestern vor den Geschwornen zu Korneuburg unter der An-
klage des Mordes. Am 4. October verließ der Jäger des
Herzogs von Sachsen-Koburg-Gotha, Johann Brandl sein
Haus, um einem Wilderer in den Kögelberger Revieren
nachzuspüren, kehrte aber nicht wieder zurück. Am 6. October
fand man seine Leiche in einem Weingarten, mit Kukurutz
bedeckt, und fand an derselben Schußwunden am Kopfe, an
der Nase, Wange, Brust, am Bauche und an der rechten
Hand, die in ihrer Gesammtheit absolut tödtlich waren.
Volkes Stimme bezeichnete Hartmann als den Mörder, dieser
leugnete anfangs, gab aber später zu, von Brandl beim
Wildern ertappt worden zu sein. Der Jäger habe rasch nach
seinem Gewehre (einem Hinterlader) gegriffen, dieses sei los-
gegangen und dem Jäger sei die Kugel in die Hand ge-
drungen. Sofort habe er ausgerufen: "Hartmann, Du kannst
nichts dafür, schuld bin ich selber!" Der Angeklagte habe
um Hilfe eilen wollen, da habe der vor Schmerzen gepeinigte
Jäger ihm zugerufen, er möge ihn nicht länger leiden
lassen und ihn dringendst gebeten, er möge ihn erschießen,
damit er erlöst sei! Auf das hin habe er zuerst mit dem
Gewehrkolben nach dem Schädel des Jägers losgeschlagen,
dann aber mit dem Gewehre des Jägers zur Beschleunigung
seines Todes denselben in den Kopf und in die Brust ge-
schossen. Er habe sich dann in Mistelbach selbst dem Gerichte
stellen wollen, hievon aber Umgang genommen. Diese Ver-
antwortung, die Hartmann auch vor dem Geschworenen
aufrecht erhielt, veranlaßte den Gerichtspräsidenten
zu folgenden Worten: "Hören Sie, das was Sie uns hier
erzählen, ist so unglaublich und unwahrscheinlich, daß mir
der richtige Ausdruck dafür mangelt! Das sollen Ihnen
Ihre Richter glauben? Hoffen Sie dies wirklich?" --
Angekl. (pflegmatisch): "Es ist aber so! Es ist wahr!"
Die Geschworenen schenkten dieser Erzählung keinen
Glauben, sondern erkannten den Augeklagten des Mordes,
des Wilddiebstahles und der Uebertretung des Waffen-
patentes schuldig und verurtheilte ihn zum Tode durch
den Strang.
Hartmann nahm das Urtheil mit grosser
Fassung entgegen. Sein Vertheidiger Dr. Jesch legte Für-
bitte ein, daß der Gerichtshof den Verurtheilten der
alerhöchsten Gnade empfehle.




Telegramme.
Privat-Telegramme der "Reichspost".

In der Nähe der Naza-
rethkirche wurde gestern Abend an der sechsjährigen
Anna Mosler ein Lustmord verübt. Der bei der
Leiche ertappte Mörder nennt sich Bischoff und ist
Schuhmacher.

Nach Privatnachricht haben
General Gurko und Sohn gleich nach ihrer Rück-
kehr aus Petersburg um ihre Entlassung nachgesucht.

Telegramme des Correspondenz-Bureans.

Die Thronrede, mit
welcher der Kaiser den Reichstag eröffnete, lautet in
ihren wesentlichsten Sätzen nach einer Einleitung:

"Möge Gottes Segen auf dem neuen Hause ruhen,
möge die Größe und Wohlfahrt des Reiches das Ziel sein,
welches alle zur Arbeit in seinen Räumen Berufenen in
selbstverleugnender Treue anstreben! Diesen
Wunsch empfinde ich besonders lebhaft im Hinblick auf die
wirthschaftlichen und socialpolitischen Auf-
gaben, welche zur Lösung zu bringen sind. Getreu den
Ueberlieferungen der Vorfahren, betrachten meine hohen
Verbündeten und ich es als die vornehmste Aufgabe des
Staates, die schwächeren Classen der Gesellschaft zu schützen
und ihnen zu einer höheren wirthschaftlichen und
sittlichen Entwicklung zu verhelfen Die Pflicht, dieses
Ziel mit allen Kräften anzustreben. wird umso zwin

Wien, Donnerſtag Reichspoſt 6. December 280

[Spaltenumbruch] Fürſt Lobanow, iſt vorgeſtern Nachmittags aus Peters
burg hier angekommen.

* Auszeichnungen und Ernennungen.

Der Conſul
Alois Pogacar wurde zur Leitung des Conſulates in
Port-Said, der Viceconſul Johann Freiherr von Leon-
hardi
zu dem Generalconſulate in New-York berufen. —
Dem Beſtallungsdiplome des k. ſpaniſchen Conſuls in Trieſt
Jaime R. de Baguer wurde das Exequatur ertheilt und
dem Thürhüter des Oberſten Gerichtshofes Carl Körner
das ſilberne Verdienſtkreuz mit der Krone verliehen. —
Der Statthalterei-Secretär Dr. Siegfried Ritter Manger
von Kirchsberg wurde zum Bezirkshauptmann in
Steiermark, der Bezirksgerichts-Adjunct Franz von
Webern in Wolfsberg zum Gerichtsadjuncten in Graz
und der Auscultant Carl Eduard Wilhelm zum Bezirks-
gerichts-Adjuncten in Wolfsberg ernannt.

* Das griechiſche Königspaar in Wien.

Vor-
geſtern Nachmitags trafen König Georg und Königin
Olga von Griechenland und Prinz Georg von
Griechenland auf der Rückreiſe von Petersburg in Wien
ein. Auf dem Nordbahnhofe hatten ſich zur Begrüßung der
griechiſche Geſchäftsträger Manos, der Inſpections-
commiſſär Remek und Stationsvorſtand Kutik eingefunden.
Die griechiſche Königsfamilie reiſt heute Abends nach
Athen weiter.

* Der Handelsminiſter Graf Wurmbrand

zeichnete geſtern Mittags das k. k. Poſtſparcaſſen-
amt
mit ſeinem Beſuche aus und unterzog dasſelbe einer
zweiſtündigen eingehenden Beſichtigung; beſonders inter-
eſſirten ihn die Schreibmaſchinen und die Wohlfahrts-
einrichtungen des Amtes, unter welch’ Letzteren vor Allem
die Vorkehrungen für plötzliche Erkrankungsfälle ſeinen Bei-
fall fanden.

* Einbruch.

In der Villa des Directors des Fran-
cisco-Joſephinum, Regierungsrath Dr. von Gohen in Möd-
ling wurde dieſer Tage ein frecher Einbruch verübt. Es
wurden Möbel im Werthe von 200 fl. geſtohlen, die, wie
eruirt wurde, in Meidling um ſechs Gulden verkauft
wurden.

* Pfarrer Weſtermayer.

Wie wir geſtern bereits
in den Telegrammen meldeten, iſt in der Nacht zum 3. d.
in München der hochw. Herr päpſtliche Hausprälat und
Stadtpfarrer Dr. Anton Weſtermayer nach längerer
Krankheit im 78. Lebensjahre geſtorben. Mit Dr. Weſter-
mayer iſt eine der bekannteſten Perſönlichkeiten von München
dahingeſchieden. Der Verſtorbene war ein überaus eifriger
Prieſter, war auch publiciſtiſch thätig und vertrat längere
Zeit den Wahlkreis München II im bayeriſchen Landtage
und im deutſchen Reichstage. In geſelligen Kreiſen war
der Stadtpfarrer von St. Peter durch ſeinen urgemüthlichen,
echt altbayeriſchen Humor überdies beliebt.

* Feuer.

Im Magazine des Galanterie-Waaren-Er-
zeugers Nicolaus Poppovic kam geſtern ein Feuer zum
Ausbruche. Die Centrale und die Filiale Wieden der
ſtädtiſchen Feuerwehr rückten aus und konnten die Flammen
nach längerer Anſtrengung unterdrücken. Der Schaden be-
trägt 3000 fl.

* Unterſagte Verſammlung.

Die für den 9. d.
um 2 Uhr Nachmittags in die Volkshalle einberufene
Gehilfen Verſammlung der Bäcker iſt vom Magiſtrate unter-
ſagt worden.

* Erdbeben.

Aus Reggio die Calabria wird be-
richtet: Die Beunruhigung dauert fort, nachdem ſich auf
angeblich beobachtete Anzeichen von Erdbeben das Gerücht
verbreitet hat, daß neue Erdſtöße möglich ſind. Die ganze
Bevölkerung hält ſich in den Straßen auf. Die officielle
Lifte der durch das Erdbeben getödteten Perſonen weiſt
86 Opfer auf. Mehrere Verletzte ſtarben nachträglich. Die
Zahl der Verwundeten reicht an 600 heran.

* Triduum.

Man ſchreibt uns: In der feierlichſten
Weiſe hat in der Pfarrkirche zu Sitzendorf, wo ſich eine
Zweigniederlaſſung der Töchter der chriſtl. Liebe vom heil.
Vincenz von Paul befindet, am 27., 28. und 29. November
das Triduum zu Ehren der unbefleckten Jung-
frau von der wunderbaren Medaille
unter
großer Theilnahme der Bevölkerung ſtattgefunden. P. Mathias
Wieſer, Rector der Redemptoriſten in Eggenburg hielt die
Predigten. Die hochw. Herren Pfarrer der Umgebung
halfen zur Verherrlichung der Feier mit. Nach Ertheilung
des päpſtlichen Segens am Schlußtage hielt der hochw. Herr
Dechant Carl Latzin umgeben von 8 Prieſtern ein »Te
Deum«
ab.

* G. Freytag’s Plan von Wien.

Dieſer im
Verlage der beſtens bekannten Firma G. Freytag u. Berndt
erſchienene Plan von Wien iſt der erſte, der ſämmtliche
neuen und alten Straßenbenennungen enthält. In
demſelben iſt auch die Anlage der Stadtbahn berückſichtigt.
Der Preis des elegant gebundenen Planes beträgt nur
80 Kreuzer.

* Kunſtgewerbliche Ausſtellung im Handels
muſeum.

Die Ausſtellung von kunſtgewerblichen Objecten,
die nach orientaliſchen, engliſchen und franzöſiſchen Vor-
bildern von Kunſtgewerbetreibenden der Provinz unter der
Leitung der Fachſchulen hergeſtellt werden, erfreut ſich leb-
hafteſten Zuſpruches. In den letzten Tagen wurde die Aus-
ſtellung vom Erzherzog Ludwig Victor, dem Handelsminiſter
Grafen Wurmbrand und anderen Herrſchaften beſucht und
wurden ſehr nennenswerthe Verkäufe und Beſtellungen
verzeichnet.

* Thurmkreuz- und Glockenweihe.

Aus Fiſchamend
wird uns geſchrieben: In Folge eines Blitzſchlages in der
Nacht vom 27. Juli d. J. ging unſer Kirchthurm und ein
Theil des Kirchendaches in hellen Flammen auf und ſämmt-
liche Glocken ſchmolzen. Seitdem iſt der Thurm
neu erſtanden, ein neues Thurmkreuz geſchaffen und
neue Glocken gegoſſen. Die Weihefeier nahm einen würdigen
Verlauf. Hochw. Herr Dechant Jacob Greger nahm unter
Aſſiſtenz dreier Prieſter die Weihe der Glocken und des
Kreuzes vor. Die Glocken erhielten die Namen: Michael,
Florian, Maria, Anna. Nach vollendeter Weihe ward das
geweihte Kreuz in feierlicher Proceſſion um die Kirche ge-
tragen. Darauf ward das Kreuz aufgezogen. Nun verſam-
melte ſich die Volksmenge abermals in der Kirche zum feier-
lichen Hochamte, bei welchem die deutſche Meſſe von Schubert
in exacter Weiſe aufgeführt wurde. Um 3 Uhr wurden be-
reits die vier neuen Glocken, die Peter Hilzer in Wiener-
Neuſtadt goß, zum Segen geläutet. Das Geläute iſt wunder-
bar; Peter Hilzer hat auch hiet einen Beweis ſeiner Tüch-
tigkeit geliefert.


[Spaltenumbruch]
* Wichtiges über Haarfärbemittel.

Es gibt viele
Leute, die glauben, das Färben der Haare entſpringe einzig
und allein der Eitelkeit. Weit gefehlt! Wie viele gibt es,
die jung erſcheinen müſſen, um ihr Fortkommen zu finden!
Faſt in allen Branchen findet man Beiſpiele, beim Militär
ſowohl als auch beim Civil. Das junge oder wenigſtens
jung ausſehende Element avancirt, das alte wird penſionirt.
Wie oft iſt aber der Penſionnung dadurch vorgebeugt
worden, daß die betreffende [Per]ſönlichkeit ein gutes, halt-
bares, natürliches, dabei unſchadliches Haarfärbemittel ange-
wendet hat. „Czerny’s Tanningene“ iſt ein ſolches! Es
gibt nichts Einfacheres, Unſchuldigeres und Beſſeres als
dieſes. Die Firma Anton J. Czerny (Wien, Stadt, Wall-
ſiſchgaſſe Nr. 5), welche für ihre Erzeugniſſe ſchon viele
Auszeichnungen erhalten hat, gibt gerne jede Auskunft hier-
über gratis und ſei hiemit beſtens empfohlen.

* Vermiſchte Nachrichten.

Der Hilfsarbeiter Jo-
bann Marek ſtieg voegeſtern auf dem Frachtenbahnhofe der
Nordweſtbahn in eine Grube, in der unmittelbar vorher
eine neue Gasſchließe eingerichtet worden war, die aber
noch keinen gasdichten Verſchluß hatte. Marek achtete nicht
auf das ausſtrömende Leuchtgas und wurde durch das
Einathmen desſelben plötzlich ohnmächtig. Paſſanten be-
merkten ihn jedoch ſogleich und brachten ihn außer Gefahr.
— Auf dem Holzplatze des Joſef Eisler wurden geſtern
Vormittags zwei herrenloſe Ochſen, die ſich wahrſcheinlich
von einem Trieb verlaufen hatten, aufgefunden. Die
Ochſen ſind deutſcher Race und tragen die Bezeichnung
„F. K.“ und „T. K“ — Vorgeſtern fuhr ein mit Zünd-
hölchen in Kiſten beladener Wagen über die Freyung. In
Folge Reibung entzündete ſich der Inhalt einer Kiſte und
Flammen ſchlugen hervor. Es gelang, die Flammen zu
löſchen. — Sämmtliche ſechs Lehrlinge des Goldarbeiters
Johann Nowotny wurden vorgeſtern dem Landesgerichte
eingeliefert, da ſie ſeit längerer Zeit von dem ihnen vom
Meiſter zur Verarbeitung zugewieſenen Gold geſtohlen, das
Edelmetall zu Ringen verarbeitet und dieſe verſetzt haben.
— Der Glaſergehilfe Edmund Damiſch trank vorgeſtern
Abends eine Phosphorlöſung und zog ſich ſchwere innere
Verletzungen zu. Damiſch wurde ins Spital der Barm
herzigen Brüder gebracht.

* Jüdiſche Inſerate.

Der Steinbrener’ſche Verlag in
Winterberg gibt einen Kalender „zu Ehren des heiligſten
Herzen Jeſu heraus. Im Annoncentheile finden wir aber
empfohlen: Die Vorftadt-Jüdin, und folgende Firmen
Mittelbach, Fekete, B. Sachſel, Sonnenſchein, M. Muhr,
Fleiſchl u. a. m. Sollte da nicht aufgeräumt werden?
Juden ſcheinen ſich im chriſtlichen Neſte ſehr wohl zu
fühlen.

* Der rumäniſche Cavallerie-Major Baſil
Ponnarn,

der, wie wir ausführlich berichteten, vor einigen
Wochen nach Unterſchlagung von 200.000 Francs aus
Bukareſt flüchtig wurde, hat ſich nach Budapeſt begeben und
wird dort eifrig geſucht. Major Ponnaru iſt groß, corpulent,
etwas kahl, hat hohe Stirn, hinkt am rechten Fuße und be-
dient ſich eines Stockes oder zweier Krücken.

* Erzdechantei St. Niklas in Eger.

Cardinal
Fürſterzbiſchof Schönborn hat die Decanalkirche zu St. Niklas
in Eger zur Würde einer Erzdecanalkirche und das Bene-
ſicium zur Erzdechantei erhoben und den derzeitigen ſehr
verdienten Egerer Curaten Johann Schuh und alle ſeine
Nachfolger mit dem Titel und der Würde eines Erzdechanten
ausgezeichnet.

* Graf Victor Baworowski.

Am 2. d. M. ver-
übte Graf Victor Baworowski einen Selbſtmord, in-
dem er ſich mit einem Raſirmeſſer den Hals durchſchnitt.
Das Motiv der That war Verzweiflung über ſeine begin-
nende Erblindung. Victor Graf Baworowski wurde im
Jahre 1825 geboren und ſtand ſomit im 69. Lebensjahre.
Er war Beſitzer der Herrſchaften Myszkowice, Luka, Kro-
winka, Loszniow und Baworow im Tarnopoler Kreiſe, mehr-
facher Millionär und einer der reichſten Großgrundbeſitzer
Galiziens; er genoß in den polniſchen literariſchen Kreiſen
als Ueberſetzer der Werke Goethe’s, Schiller’s, Wieland’s
und Byron’s großes Anſehen.

* Wozu das Telephon Wien—Berlin dient.

Der „P. L.“ läßt ſich aus Berlin telegraphiren: „Börſen-
kreiſe klagen, daß das Telephon Wien—Berlin in ſeiner
gegenwärtigen mangelhaften Einrichtung mehr ſchade als
nütze, da es einzelnen Firmen ermöglicht werde, ſich zum
Schaden der übrigen Intereſſenten telephoniſch zu verſtän-
digen. So ſtiegen Creditactien letzten Samſtag plötzlich in
Berlin um 1½ Percent durch umfaſſende Käufe telephon-
benützender Firmen, die von der Wiener Cursſteigerung
wußten, währeud Anderen dies noch ein Geheimniß blieb.
Allgemein wird eine ſchleunige Vermehrung der Telephon-
leitungen verlangt.“ — Seh’ der an da, das Telephon im
Dienſte der Credit-Hauſſe.




Parlamentariſches.

(Schluß von Seite 3.)

Wenn es nicht zuläſſig wäre, bei einem Geſetze, bei dem
das abgekürzte Verfahren beſchloſſen wurde, Anträge zu
ſtellen, ſo würde das ſo viel bedeuten, als daß die Coalition
Alles zu glauben hat, was die Regierung ſagt, und Alles
zu thun hat, was die Regierung wünſcht. Die Dauer und
Intenſität der Freiheitsſtrafe ſei von größerer Wirkung als
die Androhung der Todesſtrafe. Ein zum Tode Verurtheilter,
der dann zu lebenslänglichem Kerker begnadigt wurde,
hatte dem Redner als ſeinem ex offo-Vertheidiger den
Vorwurf gemacht, warum er das Gnadengeſuch eingebracht
habe, da es ja weit vernünftiger ſei zu ſterben, als das
ganze Leben im Kerker zu verbringen. Dr. Fux hat ſich
leicht über die Frage hinweggeſetzt, indem er ſagt, bei
unſerer Rechtſprechung iſt das nicht möglich. Redner erinnert
an einen in Wien verübten Mord, bei welchem eine Frau
irrthümlicher Weiſe als Mörderin verurtheilt wurde. Die
Sache hat ſich allerdings aufgeklärt und ſie wurde frei-
gelaſſen; aber wie weit war ſie davon entfernt, auf das
Schaffot zu kommen! Die Bezeichnung der Todes-
ſtrafe als eines Actes der Nothwehr ſei gleichfalls
unrichtig. Davon könnte man nur dann ſprechen, wenn
die Geſellſchaft keine anderen Mittel zur Abwehr hätte.
Redner begründet hierauf ſeinen Antrag, das Wort „Zucht-
haus“ durch das bisher in Uebung befindliche Wort Kerker
zu erſetzen und richtet ſodann an den Juſtizminiſter die An-
frage, ob er, wenn das Strafgeſetz beſchloſſen ſei, auch
wirklich die entſprechenden Strafanſtalten zu ſchaffen ge-
[Spaltenumbruch] denke. Wenn dies nicht geſchehe, ſo bleibe das Geſetz auf
dem Papier.

Bei der Abſtimmung über den § 1 des Straf-
geſetzentwurfes wurden ſämmtliche Abänderungsanträge
abgelehnt und die Beibehaltung der Todesſtrafe
mit 146 gegen 66 Stimmen beſchloſſen Ebenſo wurde
§ 8 angenommen. Gegen § 2 exiſtiren keine Einwen-
dungen. Darauf wurden § 4 ff in Debatte gezogen.




Gerichtsſaal.


Ein Sträußchen.

Gewiſſe Blätter machen ſich, wie
man zu ſagen pflegt „ein Freſſen“ aus dem Proceß gegen
Pfarrer Scherzer. Wir möchten denſelben noch einen
anderen Proceß empfehlen, der ſich jetzt allerdings in Frank-
reich abſpielt. Vor den Geſchworenen in Toulouſe ſteht
jetzt eine Anzahl ſocialdemokratiſcher Wahlagenten wegen
Fälſchung von Stimmzetteln, Wählerliſten u. ſ. w. Mit-
ſchuldig iſt der frühere Präfect des Departements, der be-
reits caſſirt wurde. Er heißt — Cohn, dieſer jüdiſche
radicale Präfect, ohne deſſen Duldung die groben Geſetz-
widrigkeiten ganz undenkbar geweſen wären, wurde aller-
dings, da der Scandal allzu arg war, abgeſetzt und der
Gemeinderath ſuspendirt; Polizei und Staatsanwalt aber
ließen ſowohl den Generalſecretär der Präfectur, wie ein-
flußreichen Mitglieder der bisherigen hochrothen Gemeinde-
vertretung unbehelligt, obwohl es klar zu Tage liegt,
daß die zur Verantwortung gezogenen Individuen —
zumeiſt arme Teufel — nur in ihrem Auftrag, auf Grund
ſpecieller Weiſungen, die Namen gegneriſcher Wahlberech-
tigter ausradirt und durch diejenigen nichtwahlberechtigter
Perſonen erſetzt, unliebſame Stimmzettel entwendet, die
Stimmzählungen „berichtigt“ und ähnliche Manipulationen
vorgenommen hatten. Die Beſchuldigten machen aus ihrem
Treiben auch gar kein Hehl; ſie berufen ſich entweder dar-
auf, daß ſie nur den Befehlen von höherer Stelle gehorcht
oder aber um des täglichen Brotes willen geſündigt hätten.
auf die Vorhaltung des Vorſitzenden des Gerichtshofes, daß
er ſich grober Ungeſetzlichkeiten ſchuldig gemacht habe, er-
widerte einer der Angeklagten: „Mein Gott, Herr Präſi-
dent, man muß doch leben.“ Die in Frankreich am Ruder
beſindliche Partei betrachtet ein wenig Fälſchung zu Un-
gunſten des Gegners übrigens als etwas geradezu
Selbſtverſtändliches.

Wilderer als Mörder.

Joſef Hartmann, Wein-
gartenbeſitzer in Erdberg, ein paſſionirter Wilderer, ſtand
geſtern vor den Geſchwornen zu Korneuburg unter der An-
klage des Mordes. Am 4. October verließ der Jäger des
Herzogs von Sachſen-Koburg-Gotha, Johann Brandl ſein
Haus, um einem Wilderer in den Kögelberger Revieren
nachzuſpüren, kehrte aber nicht wieder zurück. Am 6. October
fand man ſeine Leiche in einem Weingarten, mit Kukurutz
bedeckt, und fand an derſelben Schußwunden am Kopfe, an
der Naſe, Wange, Bruſt, am Bauche und an der rechten
Hand, die in ihrer Geſammtheit abſolut tödtlich waren.
Volkes Stimme bezeichnete Hartmann als den Mörder, dieſer
leugnete anfangs, gab aber ſpäter zu, von Brandl beim
Wildern ertappt worden zu ſein. Der Jäger habe raſch nach
ſeinem Gewehre (einem Hinterlader) gegriffen, dieſes ſei los-
gegangen und dem Jäger ſei die Kugel in die Hand ge-
drungen. Sofort habe er ausgerufen: „Hartmann, Du kannſt
nichts dafür, ſchuld bin ich ſelber!“ Der Angeklagte habe
um Hilfe eilen wollen, da habe der vor Schmerzen gepeinigte
Jäger ihm zugerufen, er möge ihn nicht länger leiden
laſſen und ihn dringendſt gebeten, er möge ihn erſchießen,
damit er erlöſt ſei! Auf das hin habe er zuerſt mit dem
Gewehrkolben nach dem Schädel des Jägers losgeſchlagen,
dann aber mit dem Gewehre des Jägers zur Beſchleunigung
ſeines Todes denſelben in den Kopf und in die Bruſt ge-
ſchoſſen. Er habe ſich dann in Miſtelbach ſelbſt dem Gerichte
ſtellen wollen, hievon aber Umgang genommen. Dieſe Ver-
antwortung, die Hartmann auch vor dem Geſchworenen
aufrecht erhielt, veranlaßte den Gerichtspräſidenten
zu folgenden Worten: „Hören Sie, das was Sie uns hier
erzählen, iſt ſo unglaublich und unwahrſcheinlich, daß mir
der richtige Ausdruck dafür mangelt! Das ſollen Ihnen
Ihre Richter glauben? Hoffen Sie dies wirklich?“ —
Angekl. (pflegmatiſch): „Es iſt aber ſo! Es iſt wahr!“
Die Geſchworenen ſchenkten dieſer Erzählung keinen
Glauben, ſondern erkannten den Augeklagten des Mordes,
des Wilddiebſtahles und der Uebertretung des Waffen-
patentes ſchuldig und verurtheilte ihn zum Tode durch
den Strang.
Hartmann nahm das Urtheil mit groſſer
Faſſung entgegen. Sein Vertheidiger Dr. Jeſch legte Für-
bitte ein, daß der Gerichtshof den Verurtheilten der
alerhöchſten Gnade empfehle.




Telegramme.
Privat-Telegramme der „Reichspoſt“.

In der Nähe der Naza-
rethkirche wurde geſtern Abend an der ſechsjährigen
Anna Mosler ein Luſtmord verübt. Der bei der
Leiche ertappte Mörder nennt ſich Biſchoff und iſt
Schuhmacher.

Nach Privatnachricht haben
General Gurko und Sohn gleich nach ihrer Rück-
kehr aus Petersburg um ihre Entlaſſung nachgeſucht.

Telegramme des Correſpondenz-Bureans.

Die Thronrede, mit
welcher der Kaiſer den Reichstag eröffnete, lautet in
ihren weſentlichſten Sätzen nach einer Einleitung:

„Möge Gottes Segen auf dem neuen Hauſe ruhen,
möge die Größe und Wohlfahrt des Reiches das Ziel ſein,
welches alle zur Arbeit in ſeinen Räumen Berufenen in
ſelbſtverleugnender Treue anſtreben! Dieſen
Wunſch empfinde ich beſonders lebhaft im Hinblick auf die
wirthſchaftlichen und ſocialpolitiſchen Auf-
gaben, welche zur Löſung zu bringen ſind. Getreu den
Ueberlieferungen der Vorfahren, betrachten meine hohen
Verbündeten und ich es als die vornehmſte Aufgabe des
Staates, die ſchwächeren Claſſen der Geſellſchaft zu ſchützen
und ihnen zu einer höheren wirthſchaftlichen und
ſittlichen Entwicklung zu verhelfen Die Pflicht, dieſes
Ziel mit allen Kräften anzuſtreben. wird umſo zwin

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Verletzungen zu. Dami&#x017F;ch wurde ins Spital der Barm<lb/>
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Herzen Je&#x017F;u heraus. Im Annoncentheile finden wir aber<lb/>
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Flei&#x017F;chl u. a. m. Sollte da nicht aufgeräumt werden?<lb/>
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[6/0006] Wien, Donnerſtag Reichspoſt 6. December 280 Fürſt Lobanow, iſt vorgeſtern Nachmittags aus Peters burg hier angekommen. * Auszeichnungen und Ernennungen. Der Conſul Alois Pogacar wurde zur Leitung des Conſulates in Port-Said, der Viceconſul Johann Freiherr von Leon- hardi zu dem Generalconſulate in New-York berufen. — Dem Beſtallungsdiplome des k. ſpaniſchen Conſuls in Trieſt Jaime R. de Baguer wurde das Exequatur ertheilt und dem Thürhüter des Oberſten Gerichtshofes Carl Körner das ſilberne Verdienſtkreuz mit der Krone verliehen. — Der Statthalterei-Secretär Dr. Siegfried Ritter Manger von Kirchsberg wurde zum Bezirkshauptmann in Steiermark, der Bezirksgerichts-Adjunct Franz von Webern in Wolfsberg zum Gerichtsadjuncten in Graz und der Auscultant Carl Eduard Wilhelm zum Bezirks- gerichts-Adjuncten in Wolfsberg ernannt. * Das griechiſche Königspaar in Wien. Vor- geſtern Nachmitags trafen König Georg und Königin Olga von Griechenland und Prinz Georg von Griechenland auf der Rückreiſe von Petersburg in Wien ein. Auf dem Nordbahnhofe hatten ſich zur Begrüßung der griechiſche Geſchäftsträger Manos, der Inſpections- commiſſär Remek und Stationsvorſtand Kutik eingefunden. Die griechiſche Königsfamilie reiſt heute Abends nach Athen weiter. * Der Handelsminiſter Graf Wurmbrand zeichnete geſtern Mittags das k. k. Poſtſparcaſſen- amt mit ſeinem Beſuche aus und unterzog dasſelbe einer zweiſtündigen eingehenden Beſichtigung; beſonders inter- eſſirten ihn die Schreibmaſchinen und die Wohlfahrts- einrichtungen des Amtes, unter welch’ Letzteren vor Allem die Vorkehrungen für plötzliche Erkrankungsfälle ſeinen Bei- fall fanden. * Einbruch. In der Villa des Directors des Fran- cisco-Joſephinum, Regierungsrath Dr. von Gohen in Möd- ling wurde dieſer Tage ein frecher Einbruch verübt. Es wurden Möbel im Werthe von 200 fl. geſtohlen, die, wie eruirt wurde, in Meidling um ſechs Gulden verkauft wurden. * Pfarrer Weſtermayer. Wie wir geſtern bereits in den Telegrammen meldeten, iſt in der Nacht zum 3. d. in München der hochw. Herr päpſtliche Hausprälat und Stadtpfarrer Dr. Anton Weſtermayer nach längerer Krankheit im 78. Lebensjahre geſtorben. Mit Dr. Weſter- mayer iſt eine der bekannteſten Perſönlichkeiten von München dahingeſchieden. Der Verſtorbene war ein überaus eifriger Prieſter, war auch publiciſtiſch thätig und vertrat längere Zeit den Wahlkreis München II im bayeriſchen Landtage und im deutſchen Reichstage. In geſelligen Kreiſen war der Stadtpfarrer von St. Peter durch ſeinen urgemüthlichen, echt altbayeriſchen Humor überdies beliebt. * Feuer. Im Magazine des Galanterie-Waaren-Er- zeugers Nicolaus Poppovic kam geſtern ein Feuer zum Ausbruche. Die Centrale und die Filiale Wieden der ſtädtiſchen Feuerwehr rückten aus und konnten die Flammen nach längerer Anſtrengung unterdrücken. Der Schaden be- trägt 3000 fl. * Unterſagte Verſammlung. Die für den 9. d. um 2 Uhr Nachmittags in die Volkshalle einberufene Gehilfen Verſammlung der Bäcker iſt vom Magiſtrate unter- ſagt worden. * Erdbeben. Aus Reggio die Calabria wird be- richtet: Die Beunruhigung dauert fort, nachdem ſich auf angeblich beobachtete Anzeichen von Erdbeben das Gerücht verbreitet hat, daß neue Erdſtöße möglich ſind. Die ganze Bevölkerung hält ſich in den Straßen auf. Die officielle Lifte der durch das Erdbeben getödteten Perſonen weiſt 86 Opfer auf. Mehrere Verletzte ſtarben nachträglich. Die Zahl der Verwundeten reicht an 600 heran. * Triduum. Man ſchreibt uns: In der feierlichſten Weiſe hat in der Pfarrkirche zu Sitzendorf, wo ſich eine Zweigniederlaſſung der Töchter der chriſtl. Liebe vom heil. Vincenz von Paul befindet, am 27., 28. und 29. November das Triduum zu Ehren der unbefleckten Jung- frau von der wunderbaren Medaille unter großer Theilnahme der Bevölkerung ſtattgefunden. P. Mathias Wieſer, Rector der Redemptoriſten in Eggenburg hielt die Predigten. Die hochw. Herren Pfarrer der Umgebung halfen zur Verherrlichung der Feier mit. Nach Ertheilung des päpſtlichen Segens am Schlußtage hielt der hochw. Herr Dechant Carl Latzin umgeben von 8 Prieſtern ein »Te Deum« ab. * G. Freytag’s Plan von Wien. Dieſer im Verlage der beſtens bekannten Firma G. Freytag u. Berndt erſchienene Plan von Wien iſt der erſte, der ſämmtliche neuen und alten Straßenbenennungen enthält. In demſelben iſt auch die Anlage der Stadtbahn berückſichtigt. Der Preis des elegant gebundenen Planes beträgt nur 80 Kreuzer. * Kunſtgewerbliche Ausſtellung im Handels muſeum. Die Ausſtellung von kunſtgewerblichen Objecten, die nach orientaliſchen, engliſchen und franzöſiſchen Vor- bildern von Kunſtgewerbetreibenden der Provinz unter der Leitung der Fachſchulen hergeſtellt werden, erfreut ſich leb- hafteſten Zuſpruches. In den letzten Tagen wurde die Aus- ſtellung vom Erzherzog Ludwig Victor, dem Handelsminiſter Grafen Wurmbrand und anderen Herrſchaften beſucht und wurden ſehr nennenswerthe Verkäufe und Beſtellungen verzeichnet. * Thurmkreuz- und Glockenweihe. Aus Fiſchamend wird uns geſchrieben: In Folge eines Blitzſchlages in der Nacht vom 27. Juli d. J. ging unſer Kirchthurm und ein Theil des Kirchendaches in hellen Flammen auf und ſämmt- liche Glocken ſchmolzen. Seitdem iſt der Thurm neu erſtanden, ein neues Thurmkreuz geſchaffen und neue Glocken gegoſſen. Die Weihefeier nahm einen würdigen Verlauf. Hochw. Herr Dechant Jacob Greger nahm unter Aſſiſtenz dreier Prieſter die Weihe der Glocken und des Kreuzes vor. Die Glocken erhielten die Namen: Michael, Florian, Maria, Anna. Nach vollendeter Weihe ward das geweihte Kreuz in feierlicher Proceſſion um die Kirche ge- tragen. Darauf ward das Kreuz aufgezogen. Nun verſam- melte ſich die Volksmenge abermals in der Kirche zum feier- lichen Hochamte, bei welchem die deutſche Meſſe von Schubert in exacter Weiſe aufgeführt wurde. Um 3 Uhr wurden be- reits die vier neuen Glocken, die Peter Hilzer in Wiener- Neuſtadt goß, zum Segen geläutet. Das Geläute iſt wunder- bar; Peter Hilzer hat auch hiet einen Beweis ſeiner Tüch- tigkeit geliefert. * Wichtiges über Haarfärbemittel. Es gibt viele Leute, die glauben, das Färben der Haare entſpringe einzig und allein der Eitelkeit. Weit gefehlt! Wie viele gibt es, die jung erſcheinen müſſen, um ihr Fortkommen zu finden! Faſt in allen Branchen findet man Beiſpiele, beim Militär ſowohl als auch beim Civil. Das junge oder wenigſtens jung ausſehende Element avancirt, das alte wird penſionirt. Wie oft iſt aber der Penſionnung dadurch vorgebeugt worden, daß die betreffende Perſönlichkeit ein gutes, halt- bares, natürliches, dabei unſchadliches Haarfärbemittel ange- wendet hat. „Czerny’s Tanningene“ iſt ein ſolches! Es gibt nichts Einfacheres, Unſchuldigeres und Beſſeres als dieſes. Die Firma Anton J. Czerny (Wien, Stadt, Wall- ſiſchgaſſe Nr. 5), welche für ihre Erzeugniſſe ſchon viele Auszeichnungen erhalten hat, gibt gerne jede Auskunft hier- über gratis und ſei hiemit beſtens empfohlen. * Vermiſchte Nachrichten. Der Hilfsarbeiter Jo- bann Marek ſtieg voegeſtern auf dem Frachtenbahnhofe der Nordweſtbahn in eine Grube, in der unmittelbar vorher eine neue Gasſchließe eingerichtet worden war, die aber noch keinen gasdichten Verſchluß hatte. Marek achtete nicht auf das ausſtrömende Leuchtgas und wurde durch das Einathmen desſelben plötzlich ohnmächtig. Paſſanten be- merkten ihn jedoch ſogleich und brachten ihn außer Gefahr. — Auf dem Holzplatze des Joſef Eisler wurden geſtern Vormittags zwei herrenloſe Ochſen, die ſich wahrſcheinlich von einem Trieb verlaufen hatten, aufgefunden. Die Ochſen ſind deutſcher Race und tragen die Bezeichnung „F. K.“ und „T. K“ — Vorgeſtern fuhr ein mit Zünd- hölchen in Kiſten beladener Wagen über die Freyung. In Folge Reibung entzündete ſich der Inhalt einer Kiſte und Flammen ſchlugen hervor. Es gelang, die Flammen zu löſchen. — Sämmtliche ſechs Lehrlinge des Goldarbeiters Johann Nowotny wurden vorgeſtern dem Landesgerichte eingeliefert, da ſie ſeit längerer Zeit von dem ihnen vom Meiſter zur Verarbeitung zugewieſenen Gold geſtohlen, das Edelmetall zu Ringen verarbeitet und dieſe verſetzt haben. — Der Glaſergehilfe Edmund Damiſch trank vorgeſtern Abends eine Phosphorlöſung und zog ſich ſchwere innere Verletzungen zu. Damiſch wurde ins Spital der Barm herzigen Brüder gebracht. * Jüdiſche Inſerate. Der Steinbrener’ſche Verlag in Winterberg gibt einen Kalender „zu Ehren des heiligſten Herzen Jeſu heraus. Im Annoncentheile finden wir aber empfohlen: Die Vorftadt-Jüdin, und folgende Firmen Mittelbach, Fekete, B. Sachſel, Sonnenſchein, M. Muhr, Fleiſchl u. a. m. Sollte da nicht aufgeräumt werden? Juden ſcheinen ſich im chriſtlichen Neſte ſehr wohl zu fühlen. * Der rumäniſche Cavallerie-Major Baſil Ponnarn, der, wie wir ausführlich berichteten, vor einigen Wochen nach Unterſchlagung von 200.000 Francs aus Bukareſt flüchtig wurde, hat ſich nach Budapeſt begeben und wird dort eifrig geſucht. Major Ponnaru iſt groß, corpulent, etwas kahl, hat hohe Stirn, hinkt am rechten Fuße und be- dient ſich eines Stockes oder zweier Krücken. * Erzdechantei St. Niklas in Eger. Cardinal Fürſterzbiſchof Schönborn hat die Decanalkirche zu St. Niklas in Eger zur Würde einer Erzdecanalkirche und das Bene- ſicium zur Erzdechantei erhoben und den derzeitigen ſehr verdienten Egerer Curaten Johann Schuh und alle ſeine Nachfolger mit dem Titel und der Würde eines Erzdechanten ausgezeichnet. * Graf Victor Baworowski. Am 2. d. M. ver- übte Graf Victor Baworowski einen Selbſtmord, in- dem er ſich mit einem Raſirmeſſer den Hals durchſchnitt. Das Motiv der That war Verzweiflung über ſeine begin- nende Erblindung. Victor Graf Baworowski wurde im Jahre 1825 geboren und ſtand ſomit im 69. Lebensjahre. Er war Beſitzer der Herrſchaften Myszkowice, Luka, Kro- winka, Loszniow und Baworow im Tarnopoler Kreiſe, mehr- facher Millionär und einer der reichſten Großgrundbeſitzer Galiziens; er genoß in den polniſchen literariſchen Kreiſen als Ueberſetzer der Werke Goethe’s, Schiller’s, Wieland’s und Byron’s großes Anſehen. * Wozu das Telephon Wien—Berlin dient. Der „P. L.“ läßt ſich aus Berlin telegraphiren: „Börſen- kreiſe klagen, daß das Telephon Wien—Berlin in ſeiner gegenwärtigen mangelhaften Einrichtung mehr ſchade als nütze, da es einzelnen Firmen ermöglicht werde, ſich zum Schaden der übrigen Intereſſenten telephoniſch zu verſtän- digen. So ſtiegen Creditactien letzten Samſtag plötzlich in Berlin um 1½ Percent durch umfaſſende Käufe telephon- benützender Firmen, die von der Wiener Cursſteigerung wußten, währeud Anderen dies noch ein Geheimniß blieb. Allgemein wird eine ſchleunige Vermehrung der Telephon- leitungen verlangt.“ — Seh’ der an da, das Telephon im Dienſte der Credit-Hauſſe. Parlamentariſches. (Schluß von Seite 3.) Wenn es nicht zuläſſig wäre, bei einem Geſetze, bei dem das abgekürzte Verfahren beſchloſſen wurde, Anträge zu ſtellen, ſo würde das ſo viel bedeuten, als daß die Coalition Alles zu glauben hat, was die Regierung ſagt, und Alles zu thun hat, was die Regierung wünſcht. Die Dauer und Intenſität der Freiheitsſtrafe ſei von größerer Wirkung als die Androhung der Todesſtrafe. Ein zum Tode Verurtheilter, der dann zu lebenslänglichem Kerker begnadigt wurde, hatte dem Redner als ſeinem ex offo-Vertheidiger den Vorwurf gemacht, warum er das Gnadengeſuch eingebracht habe, da es ja weit vernünftiger ſei zu ſterben, als das ganze Leben im Kerker zu verbringen. Dr. Fux hat ſich leicht über die Frage hinweggeſetzt, indem er ſagt, bei unſerer Rechtſprechung iſt das nicht möglich. Redner erinnert an einen in Wien verübten Mord, bei welchem eine Frau irrthümlicher Weiſe als Mörderin verurtheilt wurde. Die Sache hat ſich allerdings aufgeklärt und ſie wurde frei- gelaſſen; aber wie weit war ſie davon entfernt, auf das Schaffot zu kommen! Die Bezeichnung der Todes- ſtrafe als eines Actes der Nothwehr ſei gleichfalls unrichtig. Davon könnte man nur dann ſprechen, wenn die Geſellſchaft keine anderen Mittel zur Abwehr hätte. Redner begründet hierauf ſeinen Antrag, das Wort „Zucht- haus“ durch das bisher in Uebung befindliche Wort Kerker zu erſetzen und richtet ſodann an den Juſtizminiſter die An- frage, ob er, wenn das Strafgeſetz beſchloſſen ſei, auch wirklich die entſprechenden Strafanſtalten zu ſchaffen ge- denke. Wenn dies nicht geſchehe, ſo bleibe das Geſetz auf dem Papier. Bei der Abſtimmung über den § 1 des Straf- geſetzentwurfes wurden ſämmtliche Abänderungsanträge abgelehnt und die Beibehaltung der Todesſtrafe mit 146 gegen 66 Stimmen beſchloſſen Ebenſo wurde § 8 angenommen. Gegen § 2 exiſtiren keine Einwen- dungen. Darauf wurden § 4 ff in Debatte gezogen. Gerichtsſaal. Wien, 5. December 1894. Ein Sträußchen. Gewiſſe Blätter machen ſich, wie man zu ſagen pflegt „ein Freſſen“ aus dem Proceß gegen Pfarrer Scherzer. Wir möchten denſelben noch einen anderen Proceß empfehlen, der ſich jetzt allerdings in Frank- reich abſpielt. Vor den Geſchworenen in Toulouſe ſteht jetzt eine Anzahl ſocialdemokratiſcher Wahlagenten wegen Fälſchung von Stimmzetteln, Wählerliſten u. ſ. w. Mit- ſchuldig iſt der frühere Präfect des Departements, der be- reits caſſirt wurde. Er heißt — Cohn, dieſer jüdiſche radicale Präfect, ohne deſſen Duldung die groben Geſetz- widrigkeiten ganz undenkbar geweſen wären, wurde aller- dings, da der Scandal allzu arg war, abgeſetzt und der Gemeinderath ſuspendirt; Polizei und Staatsanwalt aber ließen ſowohl den Generalſecretär der Präfectur, wie ein- flußreichen Mitglieder der bisherigen hochrothen Gemeinde- vertretung unbehelligt, obwohl es klar zu Tage liegt, daß die zur Verantwortung gezogenen Individuen — zumeiſt arme Teufel — nur in ihrem Auftrag, auf Grund ſpecieller Weiſungen, die Namen gegneriſcher Wahlberech- tigter ausradirt und durch diejenigen nichtwahlberechtigter Perſonen erſetzt, unliebſame Stimmzettel entwendet, die Stimmzählungen „berichtigt“ und ähnliche Manipulationen vorgenommen hatten. Die Beſchuldigten machen aus ihrem Treiben auch gar kein Hehl; ſie berufen ſich entweder dar- auf, daß ſie nur den Befehlen von höherer Stelle gehorcht oder aber um des täglichen Brotes willen geſündigt hätten. auf die Vorhaltung des Vorſitzenden des Gerichtshofes, daß er ſich grober Ungeſetzlichkeiten ſchuldig gemacht habe, er- widerte einer der Angeklagten: „Mein Gott, Herr Präſi- dent, man muß doch leben.“ Die in Frankreich am Ruder beſindliche Partei betrachtet ein wenig Fälſchung zu Un- gunſten des Gegners übrigens als etwas geradezu Selbſtverſtändliches. Wilderer als Mörder. Joſef Hartmann, Wein- gartenbeſitzer in Erdberg, ein paſſionirter Wilderer, ſtand geſtern vor den Geſchwornen zu Korneuburg unter der An- klage des Mordes. Am 4. October verließ der Jäger des Herzogs von Sachſen-Koburg-Gotha, Johann Brandl ſein Haus, um einem Wilderer in den Kögelberger Revieren nachzuſpüren, kehrte aber nicht wieder zurück. Am 6. October fand man ſeine Leiche in einem Weingarten, mit Kukurutz bedeckt, und fand an derſelben Schußwunden am Kopfe, an der Naſe, Wange, Bruſt, am Bauche und an der rechten Hand, die in ihrer Geſammtheit abſolut tödtlich waren. Volkes Stimme bezeichnete Hartmann als den Mörder, dieſer leugnete anfangs, gab aber ſpäter zu, von Brandl beim Wildern ertappt worden zu ſein. Der Jäger habe raſch nach ſeinem Gewehre (einem Hinterlader) gegriffen, dieſes ſei los- gegangen und dem Jäger ſei die Kugel in die Hand ge- drungen. Sofort habe er ausgerufen: „Hartmann, Du kannſt nichts dafür, ſchuld bin ich ſelber!“ Der Angeklagte habe um Hilfe eilen wollen, da habe der vor Schmerzen gepeinigte Jäger ihm zugerufen, er möge ihn nicht länger leiden laſſen und ihn dringendſt gebeten, er möge ihn erſchießen, damit er erlöſt ſei! Auf das hin habe er zuerſt mit dem Gewehrkolben nach dem Schädel des Jägers losgeſchlagen, dann aber mit dem Gewehre des Jägers zur Beſchleunigung ſeines Todes denſelben in den Kopf und in die Bruſt ge- ſchoſſen. Er habe ſich dann in Miſtelbach ſelbſt dem Gerichte ſtellen wollen, hievon aber Umgang genommen. Dieſe Ver- antwortung, die Hartmann auch vor dem Geſchworenen aufrecht erhielt, veranlaßte den Gerichtspräſidenten zu folgenden Worten: „Hören Sie, das was Sie uns hier erzählen, iſt ſo unglaublich und unwahrſcheinlich, daß mir der richtige Ausdruck dafür mangelt! Das ſollen Ihnen Ihre Richter glauben? Hoffen Sie dies wirklich?“ — Angekl. (pflegmatiſch): „Es iſt aber ſo! Es iſt wahr!“ Die Geſchworenen ſchenkten dieſer Erzählung keinen Glauben, ſondern erkannten den Augeklagten des Mordes, des Wilddiebſtahles und der Uebertretung des Waffen- patentes ſchuldig und verurtheilte ihn zum Tode durch den Strang. Hartmann nahm das Urtheil mit groſſer Faſſung entgegen. Sein Vertheidiger Dr. Jeſch legte Für- bitte ein, daß der Gerichtshof den Verurtheilten der alerhöchſten Gnade empfehle. Telegramme. Privat-Telegramme der „Reichspoſt“. Berlin, 5. December. In der Nähe der Naza- rethkirche wurde geſtern Abend an der ſechsjährigen Anna Mosler ein Luſtmord verübt. Der bei der Leiche ertappte Mörder nennt ſich Biſchoff und iſt Schuhmacher. Köln, 5. December. Nach Privatnachricht haben General Gurko und Sohn gleich nach ihrer Rück- kehr aus Petersburg um ihre Entlaſſung nachgeſucht. Telegramme des Correſpondenz-Bureans. Berlin, 5. December. Die Thronrede, mit welcher der Kaiſer den Reichstag eröffnete, lautet in ihren weſentlichſten Sätzen nach einer Einleitung: „Möge Gottes Segen auf dem neuen Hauſe ruhen, möge die Größe und Wohlfahrt des Reiches das Ziel ſein, welches alle zur Arbeit in ſeinen Räumen Berufenen in ſelbſtverleugnender Treue anſtreben! Dieſen Wunſch empfinde ich beſonders lebhaft im Hinblick auf die wirthſchaftlichen und ſocialpolitiſchen Auf- gaben, welche zur Löſung zu bringen ſind. Getreu den Ueberlieferungen der Vorfahren, betrachten meine hohen Verbündeten und ich es als die vornehmſte Aufgabe des Staates, die ſchwächeren Claſſen der Geſellſchaft zu ſchützen und ihnen zu einer höheren wirthſchaftlichen und ſittlichen Entwicklung zu verhelfen Die Pflicht, dieſes Ziel mit allen Kräften anzuſtreben. wird umſo zwin

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Benjamin Fiechter, Susanne Haaf: Bereitstellung der digitalen Textausgabe (Konvertierung in das DTA-Basisformat). (2018-01-26T13:38:42Z)
grepect GmbH: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T13:38:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Amelie Meister: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T13:38:42Z)

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Zitationshilfe: Reichspost. Nr. 280, Wien, 06.12.1894, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_reichspost280_1894/6>, abgerufen am 21.11.2024.