[N. N.]: Neuer Lust- und Lehrreicher Schau-Platz. Nürnberg, 1685.unser Leib ohne GOtt eine Finsternis. Die Alten nenneten den Himmel die ganze Welt; Dafern die zwey Liechter/ Sonn und Mond nicht das Ihrige thäten/ würde es mit [unleserliches Material]Erde schlecht bewand seny. Diese sind zu dem Ende geschaffen/ daß Sie scheinen/ die Zeit eintheilen/ und durch Muthmassungen andeuten/ was für Witterung man zu gewarten hat. Daß Sie aber den Augustinus de Civitate DEi. Menschen nothwendig zum Guten und bösen zwingen/ ist nichts. Denn dieses bezeugen zwey Zwillinge/ so gleichsam in einem Augenblicke gebohren/ und dennoch widriger Natur werden. Das Liecht muste seine Abwechselung mit der Finsternis halten; und weil man der annehmlichsten Dinge in der Welt satt und überdrüssig wird/ so stirbet auch täglich der Tag durch die Nacht/ und die Nacht durch den Tag/ also/ daß dem Höchsten die Abwechselung aller Dinge in der Welt beliebet/ und Er dadurch dem Menschen gewiesen/ daß Er sich nicht zu sehre auf seinen Verstand und Vermögen zu verlassen/ sondern vielmehr ein Unvergängliches zu suchen habe. Diese des gütigen Himmels Abwechselung mit dem Tag und der Nacht rühret nicht etwan ohngefehr her. Denn wenn keine Nacht/ so würde die Hitze der Sonnen alles verbrennen; Wäre kein Tag / so verdürben wir in der Finsternis. Die Nacht macht/ daß die Augen von dem Sehen/ die Ohren von dem Hören/ die Nase von dem Geruche/ die Zunge von dem Geschmacke/ und der ganze Leib von der Arbeit ruhet; daß die Erde erfrischet / und der Thau des Himmels den Erdboden befeuchtet. Hingegen aber der Tag/ daß der Mensch seinen Geschäfften oblieget/ und sich der Nahrung deß Leibes gebrauchet. Alle lebendige Creaturen tretten an ihre Verrichtung. Die Vogel machen ihre Nester/ legen Eyer und drüten Junge aus; Die vierfüssigen Thiere aber gehen auf die Weyde; und mit einem Wort; es erfreuet sich alles was Athem hat/ und suchet seinen Aufenthalt. Das Gerüste des Himmels ist dermassen eingetheilet/ daß man beydes an der Materia und Gestalt eine helleuchtende Vollkommenheit siehet. Je höher/ ie wollkommener. Ein iedes Element gehet über das Andere/ und ie mehr man die Ordnung der Himmel mit den Gedancken durchstreichet/ ie mehr befindet man bey sich zu erwegen/ wie der jenige Himmel/ der der Thron der Herrlichkeit selbst ist/ beschaffen seyn müsse. Alldieweil aber unsere Augen zu diesem Wege geblendet/ so bleibet uns hiervon nichts mehr/ als die Verwunderung übrig. Wann man auf einem hohen Berge stehet / und übersiehet daselbst ein Stücke von dem Erdboden/ so bedünket uns ihre Grösse unermäßlich zu seyn; Wenn Uns aber mit unserm irrdischen Leibe vom Himmel zu schauen erlaubet/ würde sie uns als der kleineste Stern an dem Himmlischen Firmamente für kommen. Was aber find wir Menschen gegen die Welt/ die wir offters dieselbe zu beherrschen und unter unser Joch zu bringen Uns bemühen? Nichts als ein Staub und ein Schatten/ der in einem Augeblick vergehet! Wir fliessen dahin/ wie das Wasser in die Erde; die Hölle nimmt weg/ was da sündiget/ und die Frommen gehen nach ihrer Ruhe. Wir bleiben bey dem/ was unsere Augen begreiffen. Was ist vortrefflicher/ als das/ was wir über unsern Augen ausgebreitet sehen? Ist es nicht/ denen Menschlichen Gedanken nach / eines der künstlichsten Gewölbe/ welches mit den grösten und schönsten Liechtern ausgezieret? Ist der Boden des Himmels so vortrefflich; was vor Herrlichkeit muß wohl in dem unsichtbren seyn? und gleichwol hat die ewige Majestät sich von einem so hohen Throne herabgelassen/ in das Menschliche Fleisch gekleidet/ und nicht allein wahre Menschheit angenommen/ sondern die Gütigkeit des HERRN ist auch unser Leib ohne GOtt eine Finsternis. Die Alten nenneten den Him̃el die ganze Welt; Dafern die zwey Liechter/ Sonn uñ Mond nicht das Ihrige thätẽ/ würde es mit [unleserliches Material]Erde schlecht bewãd seny. Diese sind zu dem Ende geschaffen/ daß Sie scheinen/ die Zeit eintheilen/ und durch Muthmassungen andeuten/ was für Witterung man zu gewarten hat. Daß Sie aber den Augustinus de Civitate DEi. Menschen nothwendig zum Guten und bösen zwingen/ ist nichts. Denn dieses bezeugen zwey Zwillinge/ so gleichsam in einem Augenblicke gebohren/ und dennoch widriger Natur werden. Das Liecht muste seine Abwechselung mit der Finsternis halten; und weil man der annehmlichsten Dinge in der Welt satt und überdrüssig wird/ so stirbet auch täglich der Tag durch die Nacht/ und die Nacht durch den Tag/ also/ daß dem Höchsten die Abwechselung aller Dinge in der Welt beliebet/ und Er dadurch dem Menschen gewiesen/ daß Er sich nicht zu sehre auf seinen Verstand und Vermögen zu verlassen/ sondern vielmehr ein Unvergängliches zu suchen habe. Diese des gütigen Himmels Abwechselung mit dem Tag und der Nacht rühret nicht etwan ohngefehr her. Denn wenn keine Nacht/ so würde die Hitze der Sonnen alles verbrennen; Wäre kein Tag / so verdürben wir in der Finsternis. Die Nacht macht/ daß die Augen von dem Sehen/ die Ohren von dem Hören/ die Nase von dem Geruche/ die Zunge von dem Geschmacke/ und der ganze Leib von der Arbeit ruhet; daß die Erde erfrischet / und der Thau des Himmels den Erdboden befeuchtet. Hingegen aber der Tag/ daß der Mensch seinen Geschäfften oblieget/ und sich der Nahrung deß Leibes gebrauchet. Alle lebendige Creaturen tretten an ihre Verrichtung. Die Vogel machen ihre Nester/ legen Eyer und drüten Junge aus; Die vierfüssigen Thiere aber gehen auf die Weyde; und mit einem Wort; es erfreuet sich alles was Athem hat/ und suchet seinen Aufenthalt. Das Gerüste des Himmels ist dermassen eingetheilet/ daß man beydes an der Materia und Gestalt eine helleuchtende Vollkommenheit siehet. Je höher/ ie wollkommener. Ein iedes Element gehet über das Andere/ und ie mehr man die Ordnung der Himmel mit den Gedancken durchstreichet/ ie mehr befindet man bey sich zu erwegen/ wie der jenige Himmel/ der der Thron der Herrlichkeit selbst ist/ beschaffen seyn müsse. Alldieweil aber unsere Augen zu diesem Wege geblendet/ so bleibet uns hiervon nichts mehr/ als die Verwunderung übrig. Wann man auf einem hohen Berge stehet / und übersiehet daselbst ein Stücke von dem Erdboden/ so bedünket uns ihre Grösse unermäßlich zu seyn; Wenn Uns aber mit unserm irrdischen Leibe vom Himmel zu schauen erlaubet/ würde sie uns als der kleineste Stern an dem Himmlischen Firmamente für kommen. Was aber find wir Menschen gegen die Welt/ die wir offters dieselbe zu beherrschen und unter unser Joch zu bringen Uns bemühen? Nichts als ein Staub und ein Schatten/ der in einem Augeblick vergehet! Wir fliessen dahin/ wie das Wasser in die Erde; die Hölle nimmt weg/ was da sündiget/ und die Frommen gehen nach ihrer Ruhe. Wir bleiben bey dem/ was unsere Augen begreiffen. Was ist vortrefflicher/ als das/ was wir über unsern Augen ausgebreitet sehen? Ist es nicht/ denen Menschlichen Gedanken nach / eines der künstlichsten Gewölbe/ welches mit den grösten und schönsten Liechtern ausgezieret? Ist der Boden des Himmels so vortrefflich; was vor Herrlichkeit muß wohl in dem unsichtbren seyn? und gleichwol hat die ewige Majestät sich von einem so hohen Throne herabgelassen/ in das Menschliche Fleisch gekleidet/ und nicht allein wahre Menschheit angenommen/ sondern die Gütigkeit des HERRN ist auch <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0462" n="428"/> unser Leib ohne GOtt eine Finsternis. Die Alten nenneten den Him̃el die ganze Welt; Dafern die zwey Liechter/ Sonn uñ Mond nicht das Ihrige thätẽ/ würde es mit <gap reason="illegible"/>Erde schlecht bewãd seny. Diese sind zu dem Ende geschaffen/ daß Sie scheinen/ die Zeit eintheilen/ und durch Muthmassungen andeuten/ was für Witterung man zu gewarten hat. Daß Sie aber den <note place="left">Augustinus de Civitate DEi.</note> Menschen nothwendig zum Guten und bösen zwingen/ ist nichts. Denn dieses bezeugen zwey Zwillinge/ so gleichsam in einem Augenblicke gebohren/ und dennoch widriger Natur werden. Das Liecht muste seine Abwechselung mit der Finsternis halten; und weil man der annehmlichsten Dinge in der Welt satt und überdrüssig wird/ so stirbet auch täglich der Tag durch die Nacht/ und die Nacht durch den Tag/ also/ daß dem Höchsten die Abwechselung aller Dinge in der Welt beliebet/ und Er dadurch dem Menschen gewiesen/ daß Er sich nicht zu sehre auf seinen Verstand und Vermögen zu verlassen/ sondern vielmehr ein Unvergängliches zu suchen habe. Diese des gütigen Himmels Abwechselung mit dem Tag und der Nacht rühret nicht etwan ohngefehr her. Denn wenn keine Nacht/ so würde die Hitze der Sonnen alles verbrennen; Wäre kein Tag / so verdürben wir in der Finsternis. Die Nacht macht/ daß die Augen von dem Sehen/ die Ohren von dem Hören/ die Nase von dem Geruche/ die Zunge von dem Geschmacke/ und der ganze Leib von der Arbeit ruhet; daß die Erde erfrischet / und der Thau des Himmels den Erdboden befeuchtet. Hingegen aber der Tag/ daß der Mensch seinen Geschäfften oblieget/ und sich der Nahrung deß Leibes gebrauchet. Alle lebendige Creaturen tretten an ihre Verrichtung. Die Vogel machen ihre Nester/ legen Eyer und drüten Junge aus; Die vierfüssigen Thiere aber gehen auf die Weyde; und mit einem Wort; es erfreuet sich alles was Athem hat/ und suchet seinen Aufenthalt. Das Gerüste des Himmels ist dermassen eingetheilet/ daß man beydes an der Materia und Gestalt eine helleuchtende Vollkommenheit siehet. Je höher/ ie wollkommener. Ein iedes Element gehet über das Andere/ und ie mehr man die Ordnung der Himmel mit den Gedancken durchstreichet/ ie mehr befindet man bey sich zu erwegen/ wie der jenige Himmel/ der der Thron der Herrlichkeit selbst ist/ beschaffen seyn müsse. Alldieweil aber unsere Augen zu diesem Wege geblendet/ so bleibet uns hiervon nichts mehr/ als die Verwunderung übrig. Wann man auf einem hohen Berge stehet / und übersiehet daselbst ein Stücke von dem Erdboden/ so bedünket uns ihre Grösse unermäßlich zu seyn; Wenn Uns aber mit unserm irrdischen Leibe vom Himmel zu schauen erlaubet/ würde sie uns als der kleineste Stern an dem Himmlischen Firmamente für kommen. Was aber find wir Menschen gegen die Welt/ die wir offters dieselbe zu beherrschen und unter unser Joch zu bringen Uns bemühen? Nichts als ein Staub und ein Schatten/ der in einem Augeblick vergehet! Wir fliessen dahin/ wie das Wasser in die Erde; die Hölle nimmt weg/ was da sündiget/ und die Frommen gehen nach ihrer Ruhe. Wir bleiben bey dem/ was unsere Augen begreiffen. Was ist vortrefflicher/ als das/ was wir über unsern Augen ausgebreitet sehen? Ist es nicht/ denen Menschlichen Gedanken nach / eines der künstlichsten Gewölbe/ welches mit den grösten und schönsten Liechtern ausgezieret? Ist der Boden des Himmels so vortrefflich; was vor Herrlichkeit muß wohl in dem unsichtbren seyn? und gleichwol hat die ewige Majestät sich von einem so hohen Throne herabgelassen/ in das Menschliche Fleisch gekleidet/ und nicht allein wahre Menschheit angenommen/ sondern die Gütigkeit des HERRN ist auch </p> </div> </body> </text> </TEI> [428/0462]
unser Leib ohne GOtt eine Finsternis. Die Alten nenneten den Him̃el die ganze Welt; Dafern die zwey Liechter/ Sonn uñ Mond nicht das Ihrige thätẽ/ würde es mit _ Erde schlecht bewãd seny. Diese sind zu dem Ende geschaffen/ daß Sie scheinen/ die Zeit eintheilen/ und durch Muthmassungen andeuten/ was für Witterung man zu gewarten hat. Daß Sie aber den Menschen nothwendig zum Guten und bösen zwingen/ ist nichts. Denn dieses bezeugen zwey Zwillinge/ so gleichsam in einem Augenblicke gebohren/ und dennoch widriger Natur werden. Das Liecht muste seine Abwechselung mit der Finsternis halten; und weil man der annehmlichsten Dinge in der Welt satt und überdrüssig wird/ so stirbet auch täglich der Tag durch die Nacht/ und die Nacht durch den Tag/ also/ daß dem Höchsten die Abwechselung aller Dinge in der Welt beliebet/ und Er dadurch dem Menschen gewiesen/ daß Er sich nicht zu sehre auf seinen Verstand und Vermögen zu verlassen/ sondern vielmehr ein Unvergängliches zu suchen habe. Diese des gütigen Himmels Abwechselung mit dem Tag und der Nacht rühret nicht etwan ohngefehr her. Denn wenn keine Nacht/ so würde die Hitze der Sonnen alles verbrennen; Wäre kein Tag / so verdürben wir in der Finsternis. Die Nacht macht/ daß die Augen von dem Sehen/ die Ohren von dem Hören/ die Nase von dem Geruche/ die Zunge von dem Geschmacke/ und der ganze Leib von der Arbeit ruhet; daß die Erde erfrischet / und der Thau des Himmels den Erdboden befeuchtet. Hingegen aber der Tag/ daß der Mensch seinen Geschäfften oblieget/ und sich der Nahrung deß Leibes gebrauchet. Alle lebendige Creaturen tretten an ihre Verrichtung. Die Vogel machen ihre Nester/ legen Eyer und drüten Junge aus; Die vierfüssigen Thiere aber gehen auf die Weyde; und mit einem Wort; es erfreuet sich alles was Athem hat/ und suchet seinen Aufenthalt. Das Gerüste des Himmels ist dermassen eingetheilet/ daß man beydes an der Materia und Gestalt eine helleuchtende Vollkommenheit siehet. Je höher/ ie wollkommener. Ein iedes Element gehet über das Andere/ und ie mehr man die Ordnung der Himmel mit den Gedancken durchstreichet/ ie mehr befindet man bey sich zu erwegen/ wie der jenige Himmel/ der der Thron der Herrlichkeit selbst ist/ beschaffen seyn müsse. Alldieweil aber unsere Augen zu diesem Wege geblendet/ so bleibet uns hiervon nichts mehr/ als die Verwunderung übrig. Wann man auf einem hohen Berge stehet / und übersiehet daselbst ein Stücke von dem Erdboden/ so bedünket uns ihre Grösse unermäßlich zu seyn; Wenn Uns aber mit unserm irrdischen Leibe vom Himmel zu schauen erlaubet/ würde sie uns als der kleineste Stern an dem Himmlischen Firmamente für kommen. Was aber find wir Menschen gegen die Welt/ die wir offters dieselbe zu beherrschen und unter unser Joch zu bringen Uns bemühen? Nichts als ein Staub und ein Schatten/ der in einem Augeblick vergehet! Wir fliessen dahin/ wie das Wasser in die Erde; die Hölle nimmt weg/ was da sündiget/ und die Frommen gehen nach ihrer Ruhe. Wir bleiben bey dem/ was unsere Augen begreiffen. Was ist vortrefflicher/ als das/ was wir über unsern Augen ausgebreitet sehen? Ist es nicht/ denen Menschlichen Gedanken nach / eines der künstlichsten Gewölbe/ welches mit den grösten und schönsten Liechtern ausgezieret? Ist der Boden des Himmels so vortrefflich; was vor Herrlichkeit muß wohl in dem unsichtbren seyn? und gleichwol hat die ewige Majestät sich von einem so hohen Throne herabgelassen/ in das Menschliche Fleisch gekleidet/ und nicht allein wahre Menschheit angenommen/ sondern die Gütigkeit des HERRN ist auch
Augustinus de Civitate DEi.
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Zitationshilfe: | [N. N.]: Neuer Lust- und Lehrreicher Schau-Platz. Nürnberg, 1685, S. 428. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_schauplatz_1685/462>, abgerufen am 25.06.2024. |