[N. N.]: Neuer Lust- und Lehrreicher Schau-Platz. Nürnberg, 1685.Wer für reich zu schätzen. S. Ambrosius. Der allein ist nur reich/ der arm ist im Kasten/ und reich am Gewissen; wer daran rein ist / der schläfft viel sänffter/ als der Reiche in den köstlichsten Betten. Es ist auch der reich/ der für Gottes Angesicht reich ist; Der das Weltliche nicht achtet: der sein Geld nicht in dem Kasten/ sondern in dem Bauche der Armen verschleust; der allein mit dem/ das er hat/ zu- S. Chrysostomus. Frieden/ und über den die Begierden nicht herrschen. Der ist nicht reich/ der viel Geld und Gut hat/ sondern der/ welchen nach grossem Reichthum nicht verlanget; so ist auch der nicht arm/ welcher nicht viel hat/ sondern der viel begehret und haben will. Denn was hilfft es Einem / wenn er die gantze Welt hätte/ und führete kein geruhsames Leben? Darum/ so macht der Wille/ und die Begierde reich und arm/ und nicht das Geld. Der Reiche ist nicht besser/ denn der Arme. Es hat einjeglicher nur einen Leib zu speisen; der Unterscheid aber ist dieser/ daß der Eine den Leib mit den allerbesten Speisen verunreiniget/ und der Arme hergegen hier darben muß. Wilst du dahero Geistlich-reich seyn/ so theile dein Gut nach Vermögen aus/ und gieb den Armen/ so wirst du nimmermehr Noth leiden. Was geitzig heisse. S. Ambrosius. Geitzig seyn/ heist anders nichts/ als einen steten Appetit nach Geld und Gut haben. Und / gleichwie ein Durstiger/ ie mehr er trincket/ je mehr er zu trincken begehret: Also wiederfähret auch einem Geitzigen. Nur der allein führet dieses Laster an sich/ welcher sich an ziemlichen Dingen nicht vergnügen lässet. Ein anders ist geitzig/ ein anders reich seyn. Reichthum ist an sich selbst keine Sünde. Ein Geitziger aber ist kein Herr und Besitzer seines Reichthums/ sondern nur ein Hüter/ der sich lieber ein Stück Fleisch/ wenn es ohne Schmertzen abgienge / aus seinem Leibe schneiden lies/ als daß er etwas von seinem Schatze hergebe. Ein solcher vergrub einsmahls sein Geld im Felde unter einem Baume/ und legte einen Stein an den Ort/ damit er ihn wieder fände. Wenige Zeit hernach/ gieng ein aus Armuth Verzweifelnder aus/ und wollte sich gleich an den Baum hencken. In dem nun den Strick um den Ast schlägt/ und den Stein/ darauf zu treten / hinweg weitzet/ wird er unter dem Stein eines Lochs gewahr/ gräbet hinein / findet das vergrabene Gold/ wirfft an statt dessen den Strick hinein/ und gehet mit Freuden darvon. Der Geitzhals will nachgehends auch sehen/ was sein Geld mache/ nachdem es aber hinweg/ und er nichts mehr als den Strick findet / wird er darüber bestürtzet/ nimmt denselben Exod. 18. und erhencket sich selbst daran. Des Mosis Schwieger-Vater Jethro befahl demselben insonderheit/ Er sollte über das Volck Israel Richter erwehlen/ die dem Geitze feind wären/ damit im Regimente nichts schädliches vorlieff. Nehem 5. Zur Zeit Nehemioe/ wurden ihrer etliche durch Geitz beweget/ daß sie Jhre Kinder verkauffen wollten. Da Diogenes gefragt wurde/ welches das ärgeste Thier wäre? anwortete er: In den Gebürgen und Gehöltzen Erasmus in Apophth. sind es die Löwen und Bären/ in den Städten aber die Geitzhälse. Socrates war der Meinung/ man sollte von keinem Todten kein Gespräch/ und von keinem Geitzigen keine Wohlthat begehren. Denn gleichwie der Eine nichts antworten: Also auch der Andere/ was man von Ihm begehre/ nicht hergeben würde. Ein Geitziger begegnete einem Verschwender/ zu dem er sagte: Wenn willt du einmahl deine Güter zu verthun aufhören? deme der Ander zur Antwort gab; wenn du wirst anfangen freygebig zu werden. Dem Cleomenes des Anaxardictes Sohn warff einer vor/ daß Wer für reich zu schätzen. S. Ambrosius. Der allein ist nur reich/ der arm ist im Kasten/ und reich am Gewissen; wer daran rein ist / der schläfft viel sänffter/ als der Reiche in den köstlichsten Betten. Es ist auch der reich/ der für Gottes Angesicht reich ist; Der das Weltliche nicht achtet: der sein Geld nicht in dem Kasten/ sondern in dem Bauche der Armen verschleust; der allein mit dem/ das er hat/ zu- S. Chrysostomus. Frieden/ und über den die Begierden nicht herrschen. Der ist nicht reich/ der viel Geld und Gut hat/ sondern der/ welchen nach grossem Reichthum nicht verlanget; so ist auch der nicht arm/ welcher nicht viel hat/ sondern der viel begehret und haben will. Denn was hilfft es Einem / wenn er die gantze Welt hätte/ und führete kein geruhsames Leben? Darum/ so macht der Wille/ und die Begierde reich und arm/ und nicht das Geld. Der Reiche ist nicht besser/ denn der Arme. Es hat einjeglicher nur einen Leib zu speisen; der Unterscheid aber ist dieser/ daß der Eine den Leib mit den allerbesten Speisen verunreiniget/ und der Arme hergegen hier darben muß. Wilst du dahero Geistlich-reich seyn/ so theile dein Gut nach Vermögen aus/ und gieb den Armen/ so wirst du nimmermehr Noth leiden. Was geitzig heisse. S. Ambrosius. Geitzig seyn/ heist anders nichts/ als einen steten Appetit nach Geld und Gut haben. Und / gleichwie ein Durstiger/ ie mehr er trincket/ je mehr er zu trincken begehret: Also wiederfähret auch einem Geitzigen. Nur der allein führet dieses Laster an sich/ welcher sich an ziemlichen Dingen nicht vergnügen lässet. Ein anders ist geitzig/ ein anders reich seyn. Reichthum ist an sich selbst keine Sünde. Ein Geitziger aber ist kein Herr und Besitzer seines Reichthums/ sondern nur ein Hüter/ der sich lieber ein Stück Fleisch/ wenn es ohne Schmertzen abgienge / aus seinem Leibe schneiden lies/ als daß er etwas von seinem Schatze hergebe. Ein solcher vergrub einsmahls sein Geld im Felde unter einem Baume/ und legte einen Stein an den Ort/ damit er ihn wieder fände. Wenige Zeit hernach/ gieng ein aus Armuth Verzweifelnder aus/ und wollte sich gleich an den Baum hencken. In dem nun den Strick um den Ast schlägt/ und den Stein/ darauf zu treten / hinweg weitzet/ wird er unter dem Stein eines Lochs gewahr/ gräbet hinein / findet das vergrabene Gold/ wirfft an statt dessen den Strick hinein/ und gehet mit Freuden darvon. Der Geitzhals will nachgehends auch sehen/ was sein Geld mache/ nachdem es aber hinweg/ und er nichts mehr als den Strick findet / wird er darüber bestürtzet/ nimmt denselben Exod. 18. und erhencket sich selbst daran. Des Mosis Schwieger-Vater Jethro befahl demselben insonderheit/ Er sollte über das Volck Israel Richter erwehlen/ die dem Geitze feind wären/ damit im Regimente nichts schädliches vorlieff. Nehem 5. Zur Zeit Nehemioe/ wurden ihrer etliche durch Geitz beweget/ daß sie Jhre Kinder verkauffen wollten. Da Diogenes gefragt wurde/ welches das ärgeste Thier wäre? anwortete er: In den Gebürgen und Gehöltzen Erasmus in Apophth. sind es die Löwen und Bären/ in den Städten aber die Geitzhälse. Socrates war der Meinung/ man sollte von keinem Todten kein Gespräch/ und von keinem Geitzigen keine Wohlthat begehren. Denn gleichwie der Eine nichts antworten: Also auch der Andere/ was man von Ihm begehre/ nicht hergeben würde. Ein Geitziger begegnete einem Verschwender/ zu dem er sagte: Wenn willt du einmahl deine Güter zu verthun aufhören? deme der Ander zur Antwort gab; wenn du wirst anfangen freygebig zu werden. Dem Cleomenes des Anaxardictes Sohn warff einer vor/ daß <TEI> <text> <body> <div> <pb facs="#f0498" n="474"/> <p><note place="left">Wer für reich zu schätzen. S. Ambrosius.</note> Der allein ist nur reich/ der arm ist im Kasten/ und reich am Gewissen; wer daran rein ist / der schläfft viel sänffter/ als der Reiche in den köstlichsten Betten. Es ist auch der reich/ der für Gottes Angesicht reich ist; Der das Weltliche nicht achtet: der sein Geld nicht in dem Kasten/ sondern in dem Bauche der Armen verschleust; der allein mit dem/ das er hat/ zu- <note place="left">S. Chrysostomus.</note> Frieden/ und über den die Begierden nicht herrschen. Der ist nicht reich/ der viel Geld und Gut hat/ sondern der/ welchen nach grossem Reichthum nicht verlanget; so ist auch der nicht arm/ welcher nicht viel hat/ sondern der viel begehret und haben will. Denn was hilfft es Einem / wenn er die gantze Welt hätte/ und führete kein geruhsames Leben? Darum/ so macht der Wille/ und die Begierde reich und arm/ und nicht das Geld. Der Reiche ist nicht besser/ denn der Arme. Es hat einjeglicher nur einen Leib zu speisen; der Unterscheid aber ist dieser/ daß der Eine den Leib mit den allerbesten Speisen verunreiniget/ und der Arme hergegen hier darben muß. Wilst du dahero Geistlich-reich seyn/ so theile dein Gut nach Vermögen aus/ und gieb den Armen/ so wirst du nimmermehr Noth leiden.</p> <p><note place="left">Was geitzig heisse. S. Ambrosius.</note> Geitzig seyn/ heist anders nichts/ als einen steten Appetit nach Geld und Gut haben. Und / gleichwie ein Durstiger/ ie mehr er trincket/ je mehr er zu trincken begehret: Also wiederfähret auch einem Geitzigen. Nur der allein führet dieses Laster an sich/ welcher sich an ziemlichen Dingen nicht vergnügen lässet. Ein anders ist geitzig/ ein anders reich seyn. Reichthum ist an sich selbst keine Sünde. Ein Geitziger aber ist kein Herr und Besitzer seines Reichthums/ sondern nur ein Hüter/ der sich lieber ein Stück Fleisch/ wenn es ohne Schmertzen abgienge / aus seinem Leibe schneiden lies/ als daß er etwas von seinem Schatze hergebe. Ein solcher vergrub einsmahls sein Geld im Felde unter einem Baume/ und legte einen Stein an den Ort/ damit er ihn wieder fände. Wenige Zeit hernach/ gieng ein aus Armuth Verzweifelnder aus/ und wollte sich gleich an den Baum hencken. In dem nun den Strick um den Ast schlägt/ und den Stein/ darauf zu treten / hinweg weitzet/ wird er unter dem Stein eines Lochs gewahr/ gräbet hinein / findet das vergrabene Gold/ wirfft an statt dessen den Strick hinein/ und gehet mit Freuden darvon. Der Geitzhals will nachgehends auch sehen/ was sein Geld mache/ nachdem es aber hinweg/ und er nichts mehr als den Strick findet / wird er darüber bestürtzet/ nimmt denselben <note place="left">Exod. 18.</note> und erhencket sich selbst daran. Des Mosis Schwieger-Vater Jethro befahl demselben insonderheit/ Er sollte über das Volck Israel Richter erwehlen/ die dem Geitze feind wären/ damit im Regimente nichts schädliches vorlieff.</p> <p><note place="left">Nehem 5.</note> Zur Zeit Nehemioe/ wurden ihrer etliche durch Geitz beweget/ daß sie Jhre Kinder verkauffen wollten. Da Diogenes gefragt wurde/ welches das ärgeste Thier wäre? anwortete er: In den Gebürgen und Gehöltzen <note place="left">Erasmus in Apophth.</note> sind es die Löwen und Bären/ in den Städten aber die Geitzhälse. Socrates war der Meinung/ man sollte von keinem Todten kein Gespräch/ und von keinem Geitzigen keine Wohlthat begehren. Denn gleichwie der Eine nichts antworten: Also auch der Andere/ was man von Ihm begehre/ nicht hergeben würde. Ein Geitziger begegnete einem Verschwender/ zu dem er sagte: Wenn willt du einmahl deine Güter zu verthun aufhören? deme der Ander zur Antwort gab; wenn du wirst anfangen freygebig zu werden. Dem Cleomenes des Anaxardictes Sohn warff einer vor/ daß </p> </div> </body> </text> </TEI> [474/0498]
Der allein ist nur reich/ der arm ist im Kasten/ und reich am Gewissen; wer daran rein ist / der schläfft viel sänffter/ als der Reiche in den köstlichsten Betten. Es ist auch der reich/ der für Gottes Angesicht reich ist; Der das Weltliche nicht achtet: der sein Geld nicht in dem Kasten/ sondern in dem Bauche der Armen verschleust; der allein mit dem/ das er hat/ zu- Frieden/ und über den die Begierden nicht herrschen. Der ist nicht reich/ der viel Geld und Gut hat/ sondern der/ welchen nach grossem Reichthum nicht verlanget; so ist auch der nicht arm/ welcher nicht viel hat/ sondern der viel begehret und haben will. Denn was hilfft es Einem / wenn er die gantze Welt hätte/ und führete kein geruhsames Leben? Darum/ so macht der Wille/ und die Begierde reich und arm/ und nicht das Geld. Der Reiche ist nicht besser/ denn der Arme. Es hat einjeglicher nur einen Leib zu speisen; der Unterscheid aber ist dieser/ daß der Eine den Leib mit den allerbesten Speisen verunreiniget/ und der Arme hergegen hier darben muß. Wilst du dahero Geistlich-reich seyn/ so theile dein Gut nach Vermögen aus/ und gieb den Armen/ so wirst du nimmermehr Noth leiden.
Wer für reich zu schätzen. S. Ambrosius.
S. Chrysostomus. Geitzig seyn/ heist anders nichts/ als einen steten Appetit nach Geld und Gut haben. Und / gleichwie ein Durstiger/ ie mehr er trincket/ je mehr er zu trincken begehret: Also wiederfähret auch einem Geitzigen. Nur der allein führet dieses Laster an sich/ welcher sich an ziemlichen Dingen nicht vergnügen lässet. Ein anders ist geitzig/ ein anders reich seyn. Reichthum ist an sich selbst keine Sünde. Ein Geitziger aber ist kein Herr und Besitzer seines Reichthums/ sondern nur ein Hüter/ der sich lieber ein Stück Fleisch/ wenn es ohne Schmertzen abgienge / aus seinem Leibe schneiden lies/ als daß er etwas von seinem Schatze hergebe. Ein solcher vergrub einsmahls sein Geld im Felde unter einem Baume/ und legte einen Stein an den Ort/ damit er ihn wieder fände. Wenige Zeit hernach/ gieng ein aus Armuth Verzweifelnder aus/ und wollte sich gleich an den Baum hencken. In dem nun den Strick um den Ast schlägt/ und den Stein/ darauf zu treten / hinweg weitzet/ wird er unter dem Stein eines Lochs gewahr/ gräbet hinein / findet das vergrabene Gold/ wirfft an statt dessen den Strick hinein/ und gehet mit Freuden darvon. Der Geitzhals will nachgehends auch sehen/ was sein Geld mache/ nachdem es aber hinweg/ und er nichts mehr als den Strick findet / wird er darüber bestürtzet/ nimmt denselben und erhencket sich selbst daran. Des Mosis Schwieger-Vater Jethro befahl demselben insonderheit/ Er sollte über das Volck Israel Richter erwehlen/ die dem Geitze feind wären/ damit im Regimente nichts schädliches vorlieff.
Was geitzig heisse. S. Ambrosius.
Exod. 18. Zur Zeit Nehemioe/ wurden ihrer etliche durch Geitz beweget/ daß sie Jhre Kinder verkauffen wollten. Da Diogenes gefragt wurde/ welches das ärgeste Thier wäre? anwortete er: In den Gebürgen und Gehöltzen sind es die Löwen und Bären/ in den Städten aber die Geitzhälse. Socrates war der Meinung/ man sollte von keinem Todten kein Gespräch/ und von keinem Geitzigen keine Wohlthat begehren. Denn gleichwie der Eine nichts antworten: Also auch der Andere/ was man von Ihm begehre/ nicht hergeben würde. Ein Geitziger begegnete einem Verschwender/ zu dem er sagte: Wenn willt du einmahl deine Güter zu verthun aufhören? deme der Ander zur Antwort gab; wenn du wirst anfangen freygebig zu werden. Dem Cleomenes des Anaxardictes Sohn warff einer vor/ daß
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Zitationshilfe: | [N. N.]: Neuer Lust- und Lehrreicher Schau-Platz. Nürnberg, 1685, S. 474. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_schauplatz_1685/498>, abgerufen am 25.06.2024. |