Dank den deutschen Männern, die in der Nacht, die 1819 über Deutschland hereinbrach, ausgeharrt haben! Jhnen verdanken wir es, nicht allein, daß wir wiederum von dem verfehmten "Turnen" sprechen, sondern sogar in eigener Person "turnen" dürfen, ja daß in Preußen und Darmstadt das Turnwesen für die höhern Schulan- stalten verbindlich wird. Damit hängt zusammen, daß wir wieder vaterländisch, sogar deutschgesinnt sein dürfen, ohne in Untersuchungen zu gerathen, oder doch verdächtigt zu werden. Unsere Erziehung ist deut- scher geworden, unser Bildungswesen hat auch das Va- terländische mehr und mehr in seinen Bereich gezogen. Noch ist aber Vieles zu thun übrig. Der bessere Geist kann und darf noch nicht überall in Deutschland hervor- brechen und sich weiter entfalten. Selbst die das Beste des Volkes wollen, hangen und haften noch zu sehr an alten Vorurtheilen, weil aufgewachsen in einer Zeit, in der die Erziehung systematisch die Jugend zu entleiben bestrebt war, oder sie werden durch die politischen Frage- zeichen, die eine Wiedergeburt und Erneuung von Außen statt von Jnnen heraus bezwecken, so in Anspruch ge- nommen, daß es an Zeit und Kraft, an Muth, Lust und Geld gebricht, für die Erziehung des Menschenge- schlechtes von Jnnen heraus größere Sorge zu tragen. Um so mehr müssen wir streben und kämpfen und un-
IV. Ueber drei Vorurtheile.
Dank den deutſchen Männern, die in der Nacht, die 1819 über Deutſchland hereinbrach, ausgeharrt haben! Jhnen verdanken wir es, nicht allein, daß wir wiederum von dem verfehmten „Turnen“ ſprechen, ſondern ſogar in eigener Perſon „turnen“ dürfen, ja daß in Preußen und Darmſtadt das Turnweſen für die höhern Schulan- ſtalten verbindlich wird. Damit hängt zuſammen, daß wir wieder vaterländiſch, ſogar deutſchgeſinnt ſein dürfen, ohne in Unterſuchungen zu gerathen, oder doch verdächtigt zu werden. Unſere Erziehung iſt deut- ſcher geworden, unſer Bildungsweſen hat auch das Va- terländiſche mehr und mehr in ſeinen Bereich gezogen. Noch iſt aber Vieles zu thun übrig. Der beſſere Geiſt kann und darf noch nicht überall in Deutſchland hervor- brechen und ſich weiter entfalten. Selbſt die das Beſte des Volkes wollen, hangen und haften noch zu ſehr an alten Vorurtheilen, weil aufgewachſen in einer Zeit, in der die Erziehung ſyſtematiſch die Jugend zu entleiben beſtrebt war, oder ſie werden durch die politiſchen Frage- zeichen, die eine Wiedergeburt und Erneuung von Außen ſtatt von Jnnen heraus bezwecken, ſo in Anſpruch ge- nommen, daß es an Zeit und Kraft, an Muth, Luſt und Geld gebricht, für die Erziehung des Menſchenge- ſchlechtes von Jnnen heraus größere Sorge zu tragen. Um ſo mehr müſſen wir ſtreben und kämpfen und un-
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IV.
Ueber drei Vorurtheile.
Dank den deutſchen Männern, die in der Nacht,
die 1819 über Deutſchland hereinbrach, ausgeharrt haben!
Jhnen verdanken wir es, nicht allein, daß wir wiederum
von dem verfehmten „Turnen“ ſprechen, ſondern ſogar
in eigener Perſon „turnen“ dürfen, ja daß in Preußen
und Darmſtadt das Turnweſen für die höhern Schulan-
ſtalten verbindlich wird. Damit hängt zuſammen, daß
wir wieder vaterländiſch, ſogar deutſchgeſinnt
ſein dürfen, ohne in Unterſuchungen zu gerathen, oder
doch verdächtigt zu werden. Unſere Erziehung iſt deut-
ſcher geworden, unſer Bildungsweſen hat auch das Va-
terländiſche mehr und mehr in ſeinen Bereich gezogen.
Noch iſt aber Vieles zu thun übrig. Der beſſere Geiſt
kann und darf noch nicht überall in Deutſchland hervor-
brechen und ſich weiter entfalten. Selbſt die das Beſte
des Volkes wollen, hangen und haften noch zu ſehr an
alten Vorurtheilen, weil aufgewachſen in einer Zeit, in
der die Erziehung ſyſtematiſch die Jugend zu entleiben
beſtrebt war, oder ſie werden durch die politiſchen Frage-
zeichen, die eine Wiedergeburt und Erneuung von Außen
ſtatt von Jnnen heraus bezwecken, ſo in Anſpruch ge-
nommen, daß es an Zeit und Kraft, an Muth, Luſt
und Geld gebricht, für die Erziehung des Menſchenge-
ſchlechtes von Jnnen heraus größere Sorge zu tragen.
Um ſo mehr müſſen wir ſtreben und kämpfen und un-
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Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 2. Solingen, 1844, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_turnkunst02_1844/48>, abgerufen am 16.02.2025.
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