Talvj, Volkslieder der Serben, 1825Sieh! da gehn zwei edle junge Frauen, Von den Schwägerinnen, die zwei ält'sten. Eine trägt ihr weißgebleichtes Linnen, Will's noch einmal auf die Bleiche bringen. Gehet mit dem Linnen auf den Bleichplatz, 125 Trägt es dorthin, aber geht nicht weiter. Schöne rothe Krüge bringt die Zweite, Bringt die Krüge nach dem kalten Wasser, Hält am Fluß Gespräch mit andern Frauen, Säumet dorten, aber geht nicht weiter. 130 Noch daheim ist Gojkos junge Gattin, Denn fie hat ein Kindlein in der Wiege, Einen Säugling, einen einz'gen Mond alt. Naht die Zeit zum herrschaftlichen Mahle. Es erhebt sich ihre alte Mutter, 135 Will die jungen Dienerinnen rufen, Daß das Mahl sie zur Bojana bringen. Da beginnet Gojkos junge Gattin: "Ruhig bleibe sitzen, meine Mutter! Schaukle mir das Kindlein in der Wiege, 140 Daß ich selbst das Mahl den Herren bringe; Wär' es doch vor Gott gar große Sünde, Und vor allen Leuten Schimpf und Schande, Wenn statt unsrer Dreie Du es brächtest." -- Und es blieb daheim die alte Mutter, 145 Schaukelte das Kindlein in der Wiege; Auf stand Gojkos junge Ehgemahlin, Rief die jugendlichen Dienerinnen, Sieh! da gehn zwei edle junge Frauen, Von den Schwägerinnen, die zwei ält'sten. Eine trägt ihr weißgebleichtes Linnen, Will's noch einmal auf die Bleiche bringen. Gehet mit dem Linnen auf den Bleichplatz, 125 Trägt es dorthin, aber geht nicht weiter. Schöne rothe Krüge bringt die Zweite, Bringt die Krüge nach dem kalten Wasser, Hält am Fluß Gespräch mit andern Frauen, Säumet dorten, aber geht nicht weiter. 130 Noch daheim ist Gojkos junge Gattin, Denn fie hat ein Kindlein in der Wiege, Einen Säugling, einen einz'gen Mond alt. Naht die Zeit zum herrschaftlichen Mahle. Es erhebt sich ihre alte Mutter, 135 Will die jungen Dienerinnen rufen, Daß das Mahl sie zur Bojana bringen. Da beginnet Gojkos junge Gattin: „Ruhig bleibe sitzen, meine Mutter! Schaukle mir das Kindlein in der Wiege, 140 Daß ich selbst das Mahl den Herren bringe; Wär' es doch vor Gott gar große Sünde, Und vor allen Leuten Schimpf und Schande, Wenn statt unsrer Dreie Du es brächtest.“ — Und es blieb daheim die alte Mutter, 145 Schaukelte das Kindlein in der Wiege; Auf stand Gojkos junge Ehgemahlin, Rief die jugendlichen Dienerinnen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0188" n="122"/> <lg> <l>Sieh! da gehn zwei edle junge Frauen,</l><lb/> <l>Von den Schwägerinnen, die zwei ält'sten.</l><lb/> <l>Eine trägt ihr weißgebleichtes Linnen,</l><lb/> <l>Will's noch einmal auf die Bleiche bringen.</l><lb/> <l>Gehet mit dem Linnen auf den Bleichplatz, <note place="right">125</note></l><lb/> <l>Trägt es dorthin, aber geht nicht weiter.</l><lb/> <l>Schöne rothe Krüge bringt die Zweite,</l><lb/> <l>Bringt die Krüge nach dem kalten Wasser,</l><lb/> <l>Hält am Fluß Gespräch mit andern Frauen,</l><lb/> <l>Säumet dorten, aber geht nicht weiter. <note place="right">130</note></l> </lg><lb/> <lg> <l>Noch daheim ist Gojkos junge Gattin,</l><lb/> <l>Denn fie hat ein Kindlein in der Wiege,</l><lb/> <l>Einen Säugling, einen einz'gen Mond alt.</l><lb/> <l>Naht die Zeit zum herrschaftlichen Mahle.</l><lb/> <l>Es erhebt sich ihre alte Mutter, <note place="right">135</note></l><lb/> <l>Will die jungen Dienerinnen rufen,</l><lb/> <l>Daß das Mahl sie zur Bojana bringen.</l><lb/> <l>Da beginnet Gojkos junge Gattin:</l><lb/> <l>„Ruhig bleibe sitzen, meine Mutter!</l><lb/> <l>Schaukle mir das Kindlein in der Wiege, <note place="right">140</note></l><lb/> <l>Daß ich selbst das Mahl den Herren bringe;</l><lb/> <l>Wär' es doch vor Gott gar große Sünde,</l><lb/> <l>Und vor allen Leuten Schimpf und Schande,</l><lb/> <l>Wenn statt unsrer Dreie Du es brächtest.“ —</l> </lg><lb/> <lg> <l>Und es blieb daheim die alte Mutter, <note place="right">145</note></l><lb/> <l>Schaukelte das Kindlein in der Wiege;</l><lb/> <l>Auf stand Gojkos junge Ehgemahlin,</l><lb/> <l>Rief die jugendlichen Dienerinnen,</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [122/0188]
Sieh! da gehn zwei edle junge Frauen,
Von den Schwägerinnen, die zwei ält'sten.
Eine trägt ihr weißgebleichtes Linnen,
Will's noch einmal auf die Bleiche bringen.
Gehet mit dem Linnen auf den Bleichplatz,
Trägt es dorthin, aber geht nicht weiter.
Schöne rothe Krüge bringt die Zweite,
Bringt die Krüge nach dem kalten Wasser,
Hält am Fluß Gespräch mit andern Frauen,
Säumet dorten, aber geht nicht weiter.
Noch daheim ist Gojkos junge Gattin,
Denn fie hat ein Kindlein in der Wiege,
Einen Säugling, einen einz'gen Mond alt.
Naht die Zeit zum herrschaftlichen Mahle.
Es erhebt sich ihre alte Mutter,
Will die jungen Dienerinnen rufen,
Daß das Mahl sie zur Bojana bringen.
Da beginnet Gojkos junge Gattin:
„Ruhig bleibe sitzen, meine Mutter!
Schaukle mir das Kindlein in der Wiege,
Daß ich selbst das Mahl den Herren bringe;
Wär' es doch vor Gott gar große Sünde,
Und vor allen Leuten Schimpf und Schande,
Wenn statt unsrer Dreie Du es brächtest.“ —
Und es blieb daheim die alte Mutter,
Schaukelte das Kindlein in der Wiege;
Auf stand Gojkos junge Ehgemahlin,
Rief die jugendlichen Dienerinnen,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Robert Charlier, AV GWB Berlin: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-05-30T17:55:01Z)
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): keine Angabe; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: keine Angabe; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: keine Angabe;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |